Entscheidungsstichwort (Thema)

Ergänzung der Schlechtwetteranzeige. Ermessen der BA bei Baustellenprüfung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Arbeitsausfall ist iS des § 84 Abs 1 Nr 3 AFG wirksam erst angezeigt, wenn auch die Baustelle bezeichnet ist, auf der der Arbeitsausfall eingetreten ist; dies gilt auch, wenn an der fehlerhaft nicht genannten Baustelle unzweifelhaft witterungsbedingter Arbeitsausfall eingetreten ist.

 

Orientierungssatz

1. Die Ergänzung (Richtigstellung) der Schlechtwetteranzeige wirkt auf den Zeitpunkt der Abgabe der nicht ausreichenden Anzeige nicht zurück.

2. Die BA ist nicht verpflichtet, jede gemeldete Baustelle alsbald zu besichtigen; in welchen Fällen und wann dies geschieht, liegt in ihrem pflichtgemäßen Ermessen (vgl BSG 1964-12-18 7 RAr 18/64 = BSGE 22, 187).

 

Normenkette

AFG § 84 Abs 1 Nr 3 Fassung: 1972-05-19, § 89 S 1 Fassung: 1972-05-19; WinterbauAnO §§ 14-15

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 20.10.1980; Aktenzeichen L 3 Ar 339/80)

SG Braunschweig (Entscheidung vom 16.04.1980; Aktenzeichen S 7 Ar 224/78)

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung der Bewilligung von Schlechtwettergeld (SWG) und die Rückforderung von 2.341,30 DM.

Mit Sammelanzeigen vom 13., 20. und 27. Januar 1978 zeigte der Dachdeckerbetrieb des F V (V.) den witterungsbedingten Arbeitsausfall, und zwar ua von einem Arbeitnehmer am 10. Januar und von je vier Arbeitnehmern an den Arbeitstagen vom 11. bis 27. Januar 1978 an der Baustelle W. B (B.), W, an. Die Anzeigen hatte der in dem Betrieb als Geselle tätige, 1946 geborene Kläger für seinen Vater V. erstattet, der erkrankt war und sich vom 9. Dezember 1977 bis 18. Januar 1978 und vom 30. Januar 1978 bis 22. März 1978 in stationärer Krankenhausbehandlung befand.

Mit Bescheid vom 21. Februar 1978 bewilligte die Beklagte SWG für die Zeit vom 1. bis 31. Januar 1978 in Höhe von 3.226,10 DM unter dem Vorbehalt, daß zu Unrecht gezahlte Beträge zurückzuzahlen seien, wenn sich nachträglich herausstelle, daß die Voraussetzungen für die Gewährung dem Grunde oder der Höhe nach nicht vorgelegen hätten oder weggefallen seien; die Beklagte wies darauf hin, daß sie die Abrechnungslisten mit den Arbeitszeit- und Lohnunterlagen des Betriebes noch nicht vergleichen habe. V. hatte vorher erklärt, daß er zuviel erhaltene Beträge unverzüglich zurückzahlen werde, wenn und soweit die Prüfung der Abrechnungslisten anhand der Arbeitszeit- und Lohnunterlagen ergebe, daß das SWG zu Unrecht gewährt worden sei.

Nachdem sich im September 1978 bei einer Prüfung im Betrieb herausgestellt hatte, daß der Arbeitsunfall in der Zeit vom 10. bis 27. Januar 1978 jedenfalls teilweise nicht auf der Baustelle B., sondern auf einer Baustelle L (L.) eingetreten war, entzog die Beklagte das bewilligte SWG in Höhe von 2.341,30 DM und forderte den Betrag von V. zurück, da ein Arbeitsausfall auf der Baustelle L. nicht angezeigt sei; die Rückforderung stützte die Beklagte aus §§ 87, 71 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), den Rückforderungsvorbehalt und die Verpflichtungserklärung (Bescheid vom 14. September 1978; Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 1978).

V. erhob Klage. Nach seinem Tod nahm der Kläger, der seinen Vater allein beerbt hat und dessen Betrieb fortführt, das Verfahren auf. Durch Urteil vom 16. April 1980 hat das Sozialgericht (SG) den Bescheid vom 14. September 1978 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 1978 aufgehoben, da der Kläger nach den §§ 71, 87 AFG nicht verpflichtet sei, das SWG für die Zeit vom 10. bis 27. Januar 1978 zurückzuerstatten. Weder in den Sammelanzeigen noch in den Anträgen seien vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Angaben gemacht worden, um Leistungen zu erhalten, auf die kein Anspruch bestanden habe. Es sei vielmehr tatsächlich im angegebenen Umfange witterungsbedingter Arbeitsausfall entstanden, für den ein Anspruch auf SWG bestanden hätte, wenn die richtige Baustelle angegeben worden wäre. Die irrtümliche Nennung der falschen Baustelle sei offensichtlich weder vorsätzlich noch grob fahrlässig geschehen.

Die vom SG nicht zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 20. Oktober 1980 zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, die Berufung unterfalle, soweit sie die Entziehung von SWG betreffe, dem Berufungsausschluß des § 144 Abs 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Sie sei dennoch in vollem Umfange zulässig, weil die Beklagte zu Recht gerügt habe, daß die Entscheidungsgründe nicht erkennen ließen, weshalb das SG die Bescheide auch aufgehoben habe, soweit die Beklagte das SWG entzogen habe. Die Berufung sei jedoch unbegründet. Zu Unrecht habe die Beklagte gemäß § 151 Abs 1 AFG das SWG entzogen. Die drei Sammelanzeigen seien wirksam erstattet; hinsichtlich der übrigen Leistungsvoraussetzungen seien keine Bedenken ersichtlich. Die Anzeige des Arbeitsausfalles müsse zwar wesensnotwendig ua den Ort der Baustelle nennen; die unrichtige Angabe des Ortes löse daher die gleiche Rechtsfolge aus, wie die Nichtangabe, jedoch nicht ausnahmslos. Sei die Anzeige im übrigen zutreffend und sei an der nicht genannten Baustelle tatsächlich witterungsbedingter Arbeitsausfall, auch aus der Sicht der Beklagten, unzweifelhaft eingetreten, müsse die fehlerhafte Sammelanzeige als wirksam angesehen werden. Es bestehe kein Interesse der Versichertengemeinschaft und der Arbeitsverwaltung, einer Heilung entgegenzutreten. Die Beklagte habe im Widerspruchsbescheid ausdrücklich eingeräumt, daß während des Leistungszeitraumes auf der Baustelle L. witterungsbedingter Arbeitsausfall eingetreten sei. Der Ordnungsfunktion der Anzeige sei dadurch Rechnung zu tragen, daß den Arbeitgeber der Nachteil treffe, wenn sich nach unrichtigen Angaben nicht mehr mit Sicherheit feststellen lasse, daß der Arbeitsausfall witterungsbedingt sei, und zwar auch bei Entziehung und Rückforderung. Die fehlerhafte Anzeige stehe einer fehlenden Anzeige nicht gleich; eine fehlerhafte Anzeige verpflichte zur Sachprüfung und ermögliche diese auch. Stelle sich die Unrichtigkeit der Ortsangabe heraus, habe die Beklagte den Arbeitgeber zu veranlassen, seine Angaben unverzüglich zu ergänzen. Eine solche Heilung sei nach § 84 Abs 1 Nr 3 AFG nicht ausgeschlossen, wenn der Beweis für die anspruchsbegründenden Tatsachen ohnehin gesichert sei. Seien die Sammelanzeigen demnach nicht unwirksam, sei das SWG nicht zu entziehen; es bestehe entsprechend weder ein Rückforderungsanspruch aus § 152 Abs 1 Nr 1 AFG, noch dem Rückforderungsvorbehalt, noch der Verpflichtungserklärung.

Die Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung von § 84 Abs 1 Nr 3 AFG und § 88 Abs 2 AFG und führt hierzu insbesondere aus: Die unverzügliche Anzeige sei materielle Anspruchsvoraussetzung. Sie sei eine unmittelbare, unmißverständliche Bekanntgabe des an einer bestimmten Baustelle eingetretenen witterungsbedingten Arbeitsausfalles; nur die genaue, richtige und unmißverständliche Bezeichnung der Baustelle versetze das Arbeitsamt in die Lage, die von ihm für erforderlich gehaltenen Maßnahmen zu erkennen und zu veranlassen; dabei sei zu beachten, daß die Verhältnisse an Baustellen am gleichen Ort je nach Lage unterschiedlich sein könnten. Es bestehe daher ein unverzichtbares Interesse der Beklagten an der Angabe. Gewähre die Beklagte SWG, ohne die Baustelle an Ort und Stelle zu überprüfen, vorbehaltlich einer Überprüfung der Abrechnungslisten, geschehe dies im Hinblick auf die in der Anzeige und dem Antrag bezeichneten Baustellen. Für die Baustelle L. sei eine Anzeige nicht erstattet worden. Es liege keine falsa demonstratio vor. Eine etwaige Anfechtung der Anzeige führe zur Nichtigkeit von Anfang an, nicht aber dahin, die Anzeige mit dem Inhalt, wie sie der Anzeigende abgeben wollte, aufrecht zu erhalten. Eine Nachholung der Anzeige, etwa durch den Widerspruch, sei nicht unverzüglich. Der Kläger könne sich auch nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch berufen. Die Unrichtigkeit der Baustellenbezeichnung hätte erst bei einer Baustellenbesichtigung erkannt werden können. Zu einer solchen Besichtigung, die nicht vorgenommen worden sei, sei die Beklagte nicht verpflichtet; eine Vielzahl von Anzeigen müsse allein anhand der Angaben der Arbeitgeber beurteilt werden. Im übrigen hätte eine Besichtigung nur zu einer Anzeige führen können, die nicht unverzüglich gewesen wäre. Schließlich habe das LSG nicht geprüft, ob ein wirksamer Antrag auf SWG für den Arbeitsausfall auf der Baustelle L. gestellt sei. Auch der Antrag müsse die richtige Bezeichnung der Baustelle enthalten, da sich nach der zuständigen Lohnstelle für die Baustelle die Zuständigkeit des Arbeitsamtes richte. Die Rückforderung sei jedenfalls aufgrund des Rückforderungsvorbehalts gerechtfertigt.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des LSG und SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Berufung der

Beklagten als unzulässig verworfen wird,

hilfsweise,

die Revision zurückzuweisen.

Der Kläger hält die Berufung in vollem Umfange für unzulässig. Hinsichtlich der Entziehung der SWG-Bewilligung folge dies aus § 144 Abs 1 Nr 2 SGG. Das SG habe sein Urteil ausreichend begründet. Nach seiner Rechtsauffassung sei es für die Entscheidung über den Rückforderungsanspruch nicht darauf angenommen, ob das SWG zu Recht oder zu Unrecht geleistet worden sei; deshalb habe das SG dazu nichts sagen müssen. Im übrigen lasse das SG-Urteil erkennen, daß die Entziehung aufgehoben worden sei, weil nach der Aufhebung der Rückforderung klarzustellen gewesen sei, daß es bei der Bewilligung zu verbleiben habe. Der Ausschluß der Berufung wegen des präjudiziellen Anspruchs habe, da der Entziehungsbescheid vom SG aufgehoben worden sei, zur Folge, daß auch die Berufung wegen des Rückforderungsanspruchs unabhängig von § 149 SGG unzulässig sei; denn eine Berufung wegen der Aufhebung der Rückforderung sei in solchen Fällen aussichtslos. Im übrigen habe das LSG zutreffend entschieden, daß das SWG nicht zu Unrecht gewährt worden und deshalb ein Rückforderungsanspruch nicht begründet sei. Selbst wenn das SWG zu Unrecht gewährt sei, könne es nicht zurückgefordert werden. Alleinige Anspruchsgrundlage sei § 71 iVm § 87 AFG; weder V. noch der Kläger als von ihm bestellte Person hätten vorsätzlich oder grob fahrlässig bewirkt, daß das SWG zu Unrecht geleistet worden sei; denn die Nennung der falschen Baustelle sei offensichtlich weder vorsätzlich noch grob fahrlässig geschehen noch in der Absicht, Leistungen zu erhalten, auf die kein Anspruch bestanden habe. Die Rückforderung könne weder auf einen Rückforderungsvorbehalt noch auf eine Verpflichtung des V. gestützt werden; die gesetzliche Regelung sei abschließend und lasse abweichende Vereinbarungen nicht zu.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hat mit der Maßgabe Erfolg, daß die Sache an das LSG zurückverwiesen wird.

Zutreffend hat das LSG die Berufung, mit der sich die Beklagte gegen die Aufhebung des Bescheides vom 14. September 1978 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 1978 durch das SG wandte, als zulässig angesehen. Nach der eindeutigen Urteilsformel, die keinen Anlaß zu Zweifeln gibt, hat das SG, auch wenn dies nicht seine Absicht gewesen sein sollte, nicht nur einen Rückforderungsanspruch der Beklagten verneint, sondern zusätzlich die von der Beklagten vorgenommene (Teil-) Entziehung des den Arbeitnehmern des V. gewährten SWG für Januar 1978 aufgehoben. Insoweit war die Berufung zwar nicht kraft Gesetzes zulässig, weil sie Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu 13 Wochen betrifft (§ 144 Abs 1 Nr 2 SGG). Ungeachtet dessen war sie jedoch gemäß § 150 Nr 2 SGG zulässig, weil die Beklagte im Berufungsverfahren zutreffend gerügt hat, daß das schriftliche Urteil des SG entgegen § 136 Abs 1 Nr 6 SGG insoweit keine Entscheidungsgründe enthält. Eine Entscheidung ist nicht mit Gründen versehen, wenn sie überhaupt nicht begründet worden ist oder wenn auf einzelne prozessuale Ansprüche nicht eingegangen worden ist (vgl BSGE 39, 333, 337 mwN; BSG SozR Nr 9 zu § 136). Letzteres ist in bezug auf die Aufhebung der Entziehung der SWG-Bewilligung  der Fall, denn das Urteil läßt nicht erkennen, welche rechtliche Erwägung für die Aufhebung entscheidend gewesen ist. Dies gilt umsomehr, als die Ausführungen des SG erkennen lassen, daß es der Überzeugung war, Ansprüche auf SWG hätten nicht bestanden. Das SG hat nämlich ua ausgeführt, für den witterungsbedingten Arbeitsausfall hätte Anspruch auf SWG bestanden, wenn die richtige Baustelle angegeben worden wäre. Ob die Entscheidung des SG auf dem Fehlen der Begründung beruht, ist für die Zulässigkeit der Berufung unerheblich (BSG SozR 1500 § 150 Nr 6). Ist die Berufung somit entgegen der Revisionserwiderung des Klägers für den präjudiziellen Anspruch zulässig, bestehen für die Zulässigkeit der Berufung hinsichtlich des anhängigen Rückforderungsanspruchs keine Bedenken.

In der Sache folgt der Senat dem LSG nicht. Grundlage für die Aufhebung der Bewilligung des SWG ist § 151 Abs 1 AFG idF vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582). Hiernach werden Entscheidungen, durch die Leistungen nach dem AFG gewährt worden sind, insoweit aufgehoben, als die Voraussetzungen für die Leistungen nicht vorgelegen haben oder nachträglich weggefallen sind. Diese Vorschrift ist trotz ihrer Streichung durch Art II § 2 Nr 1 Buchst a des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X) vom 18. August 1980 (BGBl I 1469) für die vor dem 1. Januar 1981 erfolgten Aufhebungen von Bewilligungsbescheiden maßgebend, denn das SGB X ist erst am 1. Januar 1981 in Kraft getreten (Art II § 40 Abs 1 SGB X). Danach hat die Beklagte zu Recht die SWG-Bewilligung aufgehoben, soweit die Arbeitnehmer des V. im Januar 1978 keinen Arbeitsausfall durch zwingende Witterungsgründe auf der Baustelle B. erlitten haben; denn für den Arbeitsausfall, den die Arbeitnehmer auf der Baustelle L. erlitten haben, haben sie keine Ansprüche auf SWG.

Der Anspruch auf SWG wegen eines durch Witterungsgründe eingetretenen Arbeitsausfalles setzt die Erfüllung gewisser allgemeiner (§ 83 AFG), betrieblicher (§ 84 AFG), persönlicher (§ 85 AFG) und förmlicher Voraussetzungen (§ 88 Abs 2 AFG) voraus. Zu den betrieblichen Voraussetzungen gehört ua, daß der Arbeitsausfall dem Arbeitsamt unverzüglich angezeigt wird (§ 84 Abs 1 Nr 3 AFG idF des 2. AFG-ÄndG vom 19. Mai 1972, BGBl I 791). An die Stelle der täglichen Anzeige kann ua die wöchentliche Sammelanzeige treten, wenn das Arbeitsamt auf die tägliche Einzelanzeige verzichtet hat (§ 15 der Winterbauanordnung vom 15. Juni 1976, ANBA 1976, 869); die Sammelanzeige ist am letzten Arbeitstag der Kalenderwoche zu erstatten (§ 15 Abs 3 Winterbauanordnung), und zwar ebenfalls unverzüglich (§ 14 Abs 3 Winterbauanordnung; BSG SozR 4100 § 84 Nr 5 und 6). An einer wirksamen unverzüglichen Anzeige des Arbeitsausfalles auf der Baustelle L. fehlt es. Der Arbeitsausfall auf dieser Baustelle im Januar 1978 ist der Beklagten erst im September 1978 bekanntgeworden; eine Anzeige zu diesem Zeitpunkt wäre nicht unverzüglich gewesen. Die Angabe der Baustelle B. in den im Januar 1978 erstatteten drei Sammelanzeigen ist nicht ausreichend, denn die Angabe der richtigen Baustelle ist notwendiger Mindestinhalt der unverzüglich zu erstattenden Anzeige.

Welche Angaben die unverzügliche Anzeige zu enthalten hat, um die Anspruchsvoraussetzung des § 84 Abs 1 Nr 3 AFG zu erfüllen, hat das AFG nicht ausdrücklich geregelt. Der § 14 Abs 1 Nr 1 Winterbauanordnung sieht vor, daß der Arbeitgeber in der Anzeige ua den Ort der Baustelle anzugeben hat. Diese Vorschrift hat allerdings nur verfahrensrechtlichen Charakter, denn nach § 89 Satz 1 AFG (idF des 2. AFG-ÄndG) ist die Beklagte nur berechtigt, durch Anordnung das Nähere über das Verfahren zu bestimmen, nicht dagegen Anspruchsvoraussetzungen. Aus dem Zweck der Anzeige und dem Regelungszusammenhang ergibt sich aber, daß ein Arbeitsausfall zum Zwecke der SWG-Gewährung wirksam nur angezeigt ist, wenn auch die Baustelle bezeichnet ist, auf der der Ausfall eingetreten ist; § 14 Abs 1 Nr 1 Winterbauanordnung umschreibt daher insoweit den nach § 84 Abs 1 Nr 3 AFG notwendigen Inhalt der Anzeige zutreffend.

Sinn und Zweck der Anzeige ist es ua, dem Arbeitsamt die umgehende Prüfung der betrieblichen Voraussetzungen des SWG-Anspruchs (§ 84 AFG) zu gewährleisten. Die Anzeige soll das Arbeitsamt in die Lage versetzen, ggf sofort an Ort und Stelle festzustellen, ob tatsächlich Witterungsverhältnisse vorlagen, die die Fortsetzung begonnener Bauarbeiten ausschlossen und ob die Witterungsverhältnisse die einzige Ursache für den Arbeitsausfall auf der fraglichen Baustelle waren, dh, ob nicht etwa sonstige betriebliche oder wirtschaftliche Umstände (zB Materialmangel, Stromausfall, Maschinenschaden, Fernbleiben von Arbeitskräften) ausschlaggebend waren (vgl BSGE 22, 187, 190 = SozR Nr 1 zu § 143e AVAVG). Der witterungsbedingte Arbeitsausfall ist an eine bestimmte Baustelle und die dort herrschenden Verhältnisse gebunden (vgl BSGE 24, 58 = SozR Nr 2 zu § 143 e AVAVG; BSGE 28, 153 = SozR Nr 4 zu § 143e AVAVG); daher ist die Anzeige dem Arbeitsamt zu erstatten, in dessen Bezirk die Baustelle liegt (§ 88 Abs 1 Satz 1 AFG). Soll die Anzeige die Prüfung dieser Voraussetzungen ermöglichen, muß in ihr die Baustelle so angegeben sein, daß sich das Arbeitsamt schlüssig werden kann, ob der angezeigte Arbeitsunfall als witterungsbedingt angenommen werden kann, oder ob es ggf einer baldigen Nachprüfung an Ort und Stelle bedarf. Die Angabe der Baustelle gehört daher zum notwendigen Inhalt der SWG-Anzeige ( Link, Voraussetzungen und Verfahren der Gewährung von Schlechtwettergeld, Dissertation Erlangen 1965, S 82 f; Hennig/Kühl/Heuer, Kom zum AFG, § 84 Anm 6; 5. Ergänzungslieferung). Solange die Angabe der Baustelle fehlt, ist die Anspruchsvoraussetzung der unverzüglichen Anzeige des Arbeitsausfalles nicht erfüllt (vgl Link aaO), mag auch in bezug auf das Verfahren die Anzeige nicht folgenlos sein, weil sie von der Beklagten zu bearbeiten ist.

Führt die Bearbeitung zur späteren Angabe der Baustelle durch den Arbeitgeber, bewirkt die Anzeige jedoch erst im Zeitpunkt ihrer Ergänzung, was das Gesetz mit der unverzüglichen Anzeige generell erreichen will. Die Ergänzung der anzeige wirkt daher auf den Zeitpunkt der Abgabe der nicht ausreichenden Anzeige nicht zurück. Nichts anderes gilt, wenn, wie das nach den Feststellungen des LSG hier der Fall ist, die Anzeige zwar eine Baustelle benennt, der Arbeitsausfall tatsächlich aber auf einer anderen Baustelle eingetreten ist; denn auch in einem solchen Falle erfüllt die Anzeige den ihr vom Gesetz zugewiesenen Zweck nicht. Unmittelbar nach ihrem Eingang vermag sich das Arbeitsamt aufgrund einer solchen Anzeige kein zutreffendes Bild davon zu machen, wo der Arbeitsausfall eingetreten ist. Sucht das Arbeitsamt die angegebene Baustelle auf, kann es nur feststellen, daß der angezeigte Arbeitsausfall nicht eingetreten ist. Auch die Richtigstellung der Anzeige wirkt somit auf den Zeitpunkt ihrer Abgabe nicht zurück. Die Heilung einer unverzüglich erstatteten, aber inhaltlich mangelhaften Anzeige ist daher nicht mit rückwirkender Kraft möglich.

Der Ansicht des LSG, die unwirksame Anzeige müsse als wirksam angesehen werden, wenn an der nichtgenannten Baustelle unzweifelhaft witterungsbedingter Arbeitsausfall eingetreten ist, kann nicht gefolgt werden. Schon das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hatte die Anzeige bewußt als eine zusätzliche materiell-rechtliche Voraussetzung ausgebildet, die neben den übrigen Voraussetzungen für den Anspruch auf SWG gegeben sein mußte (BSGE 22, 187); das AFG hat hieran nichts geändert. Das Bundessozialgericht (BSG) hat daher in ständiger Rechtsprechung einen Anspruch auf SWG verneint, wenn die Anzeige nicht oder nicht unverzüglich erstattet wurde (vgl BSG SozR 4100 § 84 Nr 1 bis 6). Ein SWG-Anspruch wurde auch dann verneint, wenn zweifellos schlechtes Wetter und witterungsbedingter Arbeitsausfall vorgelegen hatten (BSGE 22, 187, 195 = SozR Nr 1 zu § 143e AVAVG). Auf eine den Mindestanforderungen des § 84 Abs 1 Nr 3 AFG entsprechende unverzügliche Anzeige kann daher nicht verzichtet werden, weil auf einer in der Anzeige nicht genannten Baustelle unzweifelhaft witterungsbedingter Arbeitsausfall eingetreten ist.

Die drei Sammelanzeigen erfüllen somit nicht die Mindestanforderungen der Anzeige des Arbeitsausfalles auf der Baustelle L. Ob V. die Baustellenangabe anläßlich der Überprüfung im September 1978 richtiggestellt hat, bedarf keiner Prüfung. Eine erst zu diesem Zeitpunkt vervollständigte Anzeige des im Januar 1978 eingetretenen Arbeitsausfalles wäre nicht mehr ohne schuldhaftes Zögern erstattet. Das schuldhafte Zögern ist V. zuzurechnen. Er ist für das Versehen des Klägers verantwortlich, da er ihn damit beauftragt hat, die Schlechtwetteranzeige zu erstatten. Damit entfallen Ansprüche der Arbeitnehmer auf SWG wegen des Arbeitsausfalles auf der Baustelle L. nach dem AFG. Ob dies, wie die Revision meint, schon deshalb der Fall ist, weil die Baustelle L. im SWG-Antrag nicht genannt ist, bedarf keiner Entscheidung. Ansprüche auf SWG lassen sich schließlich nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, jede gemeldete Baustelle alsbald zu besichtigen; in welchen Fällen und wann dies geschieht, liegt in ihrem pflichtgemäßen Ermessen (BSGE 22, 187, 190 = SozR Nr 1 zu § 143e AVAVG). Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß die Beklagte erkannt hat oder hat erkennen müssen, daß der angezeigte Arbeitsausfall nicht auf der Baustelle B. eingetreten war.

Die Beklagte hat daher zu Recht das SWG entzogen, soweit der witterungsbedingte Arbeitsausfall im Januar 1978 auf der Baustelle L. eingetreten ist. Ob den betroffenen Arbeitnehmern des V. daher insgesamt 2.341,30 DM zuviel SWG für Januar 1978 bewilligt worden sind, kann dem Urteil des LSG, das von seinem Rechtsstandpunkt aus hierzu keine Feststellungen zu treffen hatte, nicht entnommen werden. Nach dem Tatbestand des LSG-Urteils ist nicht ausgeschlossen, daß in der Zeit vom 10. bis 27. Januar 1978 der Arbeitsausfall wenigstens teilweise auf der Baustelle B. eingetreten ist. Das Urteil ist daher insoweit gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Auch hinsichtlich der Rückforderung ist dem Senat eine abschließende Entscheidung verwehrt. Entgegen der Ansicht des Klägers kommt eine Rückforderung, soweit die Beklagte zu Unrecht SWG gewährt hat, schon aufgrund des Rückforderungsvorbehalts und der Verpflichtungserklärung des V. in Betracht. Wie der Senat wiederholt entschieden hat, kann die Beklagte, wenn sie im Interesse der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber ohne vorherigen Vergleich der SWG-Abrechnungslisten mit den Arbeitszeit- und Lohnunterlagen des Betriebes das SWG bewilligt, dies unter dem Vorbehalt tun, daß der Arbeitgeber zu Unrecht gezahlte Beträge an das Arbeitsamt zurückzuzahlen hat, und von diesem Vorbehalt Gebrauch machen, wenn sich bei der Überprüfung der betrieblichen Unterlagen Umstände ergeben, nach denen das SWG zu Unrecht gewährt worden ist; ob der Anspruch auch auf § 152 AFG, auf § 87 iVm § 71 AFG oder auf § 88 Abs 4 iVm § 72 Abs 3 Satz 3 AFG gestützt werden könnte, braucht in solchen Fällen nicht erörtert zu werden (SozR Nr 1 zu § 68 AFG; BSGE 37, 155, 158 ff = SozR 4600 § 143f Nr 1; BSGE 40, 23, 24 f = SozR 4100 § 79 Nr 2; SozR 1500 § 77 Nr 20). Hieran ist festzuhalten. Vorgreiflich für die Frage, ob die Rückforderung rechtmäßig ist, ist daher die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Entziehung des SWG. Das Urteil des LSG ist daher insgesamt aufzuheben und die Sache in vollem Umfange an das LSG zurückzuverweisen, das auch über die Erstattung der im Revisionsverfahren entstandenen Kosten zu entscheiden haben wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1657172

Breith. 1982, 993

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Kranken- und Pflegeversicherungs Office enthalten. Sie wollen mehr?