Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 15.03.1988) |
SG Karlsruhe (Urteil vom 05.12.1985) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. März 1988 und das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 5. Dezember 1985 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt ab 1. November 1984 Leistungen in Höhe seiner früheren Arbeitslosenhilfe (Alhi).
Er ist 1951 in Polen geboren, erwarb dort den Grad eines Diplom-Ingenieurs (für Wasserbau) und eine zusätzliche Qualifikation im Bereich der Schweißtechnik. Im August 1981 siedelte er mit seiner Familie in die Bundesrepublik Deutschland über, wo er als Vertriebener anerkannt wurde. Die Beklagte nahm eine fiktive Einstufung in Höhe von monatlich 4.114,– DM (Bautarif) vor und bewilligte ihm unter Zugrundelegung eines wöchentlichen Arbeitsentgelts von 950,– DM ab 26. August 1981 Arbeitslosengeld (Alg), vom 21. Juni bis 23. Juli sowie vom 16. August bis 22. Dezember 1982 Unterhaltsgeld (Uhg) für die Teilnahme an einem Lehrgang für technische Berufe, ab 23. Dezember 1982 erneut Alg und im Anschluß hieran für die Zeit vom 4. Februar bis 1. November 1983 Anschluß-Alhi. Das maßgebliche Bemessungsentgelt wurde ab 26. August 1982 auf wöchentlich 1.005,– DM und ab 26. August 1983 auf wöchentlich 1.060,– DM erhöht. Dementsprechend betrug der Alhi-Satz zuletzt wöchentlich 410,40 DM.
Ab 2. November 1983 nahm der Kläger im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme eine Tätigkeit als Technischer Angestellter beim Bürgermeisteramt L. … an, die zunächst für sechs Monate vorgesehen war und später bis zum 31. Oktober 1984 verlängert wurde. Er wurde nach BAT Vc bezahlt und verdiente im Oktober 1984 (letzter abgerechneter Monat) 3.158,14 DM. Am 23. Oktober 1984 meldete er sich erneut arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte gewährte ihm diese Leistung ab 1. November 1984 in Höhe von wöchentlich 341,40 DM (Bescheid vom 13. November 1984). Sie legte der Bewilligung ein gerundetes Bemessungsentgelt von 730,– DM zugrunde, das sie aus 3.158,14 DM errechnete. Der Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, er fühle sich, da sein Bemessungsentgelt vor der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme höher gewesen sei, benachteiligt und herabgestuft, hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 27. November 1984). Aus den Verwaltungsakten der Beklagten, auf die das LSG Bezug genommen hat, geht hervor, daß sich das dem Kläger bewilligte Alg ab 1. Januar 1985 von 341,40 DM auf 342,– DM erhöhte. Ab 2. März 1985 gewährte die Beklagte dem Kläger Alhi auf der Grundlage des Arbeitsentgelts, nach dem sie zuvor das Alg bewilligt hatte (Verfügung vom 12. März 1985).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Zulassung der Berufung verurteilt, dem Kläger für die Zeit des Alg-Bezuges vom 1. November 1984 bis 1. März 1985 den Differenzbetrag zur Alhi auf der Basis der Bemessung vor dem 2. November 1983 sowie Alhi ab 2. März 1985 auf dieser Basis zu gewähren (Urteil vom 5. Dezember 1985). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 15. März 1988).
Zur Begründung seines Urteils hat das LSG ausgeführt, der Kläger müsse ab 1. November 1984 so gestellt werden, wie er stehen würde, wenn die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nur bis einschließlich 24. Oktober 1984 verlängert worden wäre. Hätte das Beschäftigungsverhältnis bereits an diesem Tag geendet, hätte der Kläger lediglich 359 Tage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden. In diesem Fall wäre weder der Anspruch auf Alhi erloschen (§ 135 Abs 1 Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz -AFG-) noch hätte der Kläger durch Erfüllung der Anwartschaftszeit einen neuen Anspruch auf Alg erworben (§ 135 Abs 1 Nr 1 AFG). Der Umstand, daß der Kläger aufgrund der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme erneut die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alhi erfüllt habe (§ 134 Abs 1 Nr 4 Buchst b AFG), habe nicht zum Erlöschen des früheren Anspruchs auf Alhi geführt (§ 135 Abs 2 AFG). Die Beklagte habe den Kläger zwar vor Eintritt in die zunächst auf sechs Monate begrenzte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme richtig beraten, indem sie ihm auf ausdrückliches Befragen versichert habe, daß sich die Beschäftigung auf seinen künftigen Leistungsbezug nicht nachteilig auswirken werde. Diese Auskunft sei jedoch unrichtig geworden, als die Zuweisung um ein weiteres halbes Jahr verlängert worden sei. In diesem Zusammenhang hätte die Beklagte den Kläger über die sich aus der Verlängerung ergebenden leistungsrechtlichen Folgen unterrichten müssen. Dieses Versäumnis sei für die dem Kläger ab 1. November 1984 zustehenden geringeren Leistungen ursächlich geworden. Bei richtiger Beratung nämlich hätte der Kläger auf einen leistungsrechtlich unschädlichen Endtermin der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gedrängt, worauf sich die Beklagte eingelassen hätte. Das Fehlverhalten der Beklagten sei im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches korrigierbar. Mit Hilfe dieser Rechtsfigur könnten auch tatsächliche, für die Leistung relevante Umstände als geschehen bzw nicht geschehen fingiert werden, wenn feststehe, daß sie ohne die Pflichtwidrigkeit des Leistungsträgers eingetreten bzw nicht eingetreten wären. Es sei nicht einzusehen, weshalb die Beklagte, wenn sie in pflichtwidriger Weise leistungsrechtlich ungünstige Gestaltungen des Beschäftigungsverhältnisses veranlasse, hierfür auf der Leistungsseite nicht einzustehen habe.
Die Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung der §§ 104 Abs 1, 112 Abs 5 Nr 4 Satz 2, 135 Abs 1 Nr 1 AFG, der §§ 103, 128 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie des Rechtsinstituts des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches. Sie trägt vor, der Kläger habe aufgrund der einjährigen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme einen neuen Anspruch auf Alg erworben (§ 104 Abs 1 AFG). Am 1. November 1984 habe der letzte Tag des für den bisherigen Anspruch auf Alg maßgebenden Bemessungszeitraumes länger als drei Jahre zurückgelegen, da jener Anspruch im August 1981 entstanden sei. Der frühere Anspruch auf Alhi sei durch die Erfüllung der Anwartschaftszeit erloschen (§ 135 Abs 1 Nr 1 AFG). Das Alg des Klägers sei demgemäß, wie geschehen, nach dem während der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme erzielten Entgelt zu bemessen.
Dies Ergebnis entspreche dem Willen des Gesetzgebers und dürfe nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches umgangen werden. Ein solcher Anspruch setze voraus, daß der Leistungsträger eine aus dem Versicherungsverhältnis resultierende Nebenpflicht zur Auskunft und Beratung trotz konkreten Anlasses verletze und daß dieses pflichtwidrige Tun oder Unterlassen für den auf seiten des Versicherten eingetretenen Rechtsverlust kausal geworden sei. Im vorliegenden Fall fehle es bereits an einem pflichtwidrigen Verhalten der Beklagten. Die Auskunft der Beklagten vor Antritt der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme habe sich auf einen Zeitraum von sechs Monaten bezogen und sei richtig gewesen. Bei der Verlängerung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme um ein halbes Jahr habe keine Verpflichtung der Beklagten zur Aufklärung leistungsrechtlicher Konsequenzen bestanden; der Kläger hätte sich – wie er es zu Beginn der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme getan habe – eigeninitiativ an die Beklagte wenden können und müssen. Aufgrund des Merkblattes für Arbeitslose habe er ohnehin davon Kenntnis nehmen können, daß die Beschäftigung in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme hinsichtlich der Bemessung anschließender Sozialleistungen möglicherweise Auswirkungen zeitige. Im übrigen dürfe der Beklagten nicht abverlangt werden, nach Wegen zu suchen, das Gesetz zu umgehen. Selbst wenn man von einem pflichtwidrigen Unterlassen der Beklagten ausgehe, sei dieses für die Bemessung des Alg nicht ursächlich gewesen. Das Urteil des LSG verstoße nämlich gegen die Regeln der Logik und Erfahrung (§ 128 SGG). Der Hinweis etwa, die Beklagte hätte auf Drängen des Klägers die für ihn günstigste Ausgestaltung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gewählt, bewege sich im Bereich des Spekulativen; dem stehe bereits § 3 Abs 4 der ABM-Anordnung entgegen. Auch sei es widersprüchlich, wenn das LSG einerseits darlege, der Kläger hätte bei richtiger Beratung seine Zustimmung zur Verlängerung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nicht erklärt, andererseits aber den 24. Oktober 1984 als den Endtermin der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ansehe. Schließlich sei die Beklagte für die Dauer der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nicht allein verantwortlich. Der Träger der Maßnahme habe ein Mitspracherecht. Nicht auszuschließen sei, daß das Bürgermeisteramt L. … mit einer Verkürzung der Maßnahme nicht einverstanden gewesen wäre. Insoweit habe das LSG es unterlassen, entsprechende Feststellungen zu treffen, worin ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) zu erblicken sei.
Selbst wenn die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches verwirklicht seien, greife dieses Rechtsinstitut hier nicht durch. Die Beklagte sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht befugt, die tatsächliche Entwicklung, nämlich die vom 2. November 1983 bis 31. Oktober 1984 zurückgelegte Beschäftigung des Klägers, unberücksichtigt zu lassen. Andernfalls werde ihr eine gesetzlich nicht zulässige Maßnahme abgefordert; der Vorbehalt des Gesetzes (§ 31 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil -SGB 1-), Ausdruck der Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht (Art 20 Abs 3 Grundgesetz -GG-), verlöre seinen Sinn.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG und das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das zweitinstanzliche Urteil für zutreffend und erwidert, die Beklagte hätte ihn als sachunkundigen Bürger darauf aufmerksam machen müssen, daß bei einer Verlängerung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme um sechs Monate und anschließender weiterer Arbeitslosigkeit die Gefahr bestehe, daß das Alg auf der Grundlage des Verdienstes aus der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme berechnet werde. Eine solche Beratung habe nicht stattgefunden. Wäre sie erfolgt, hätte er einer Verlängerung nicht zugestimmt mit der Folge, daß er ab 1. November 1984 einen Leistungsanspruch auf der Grundlage des fortgeschriebenen Arbeitsentgelts von monatlich 4.114,– DM und nicht lediglich einen solchen auf der Basis eines Entgelts von 3.158,40 DM gehabt hätte. Dieser Nachteil sei im Wege des Herstellungsanspruches auszugleichen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist zulässig. Zwar hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit des Alg-Bezuges vom 1. November 1984 bis 1. März 1985 den Differenzbetrag zur Alhi auf der Basis der Bemessung vor dem 2. November 1983 sowie Alhi ab 2. März 1985 auf dieser Basis zu gewähren; das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Hiernach scheinen zwei selbständige prozessuale Ansprüche im Streit zu sein, nämlich ein Anspruch auf Alg für die Zeit vom 1. November 1984 bis 1. März 1985 (Alg zuzüglich Differenzbetrag) und ein Anspruch ab 2. März 1985 (Alhi). Die Beklagte hat sich in der Revisionsbegründung lediglich mit dem Anspruch auf Alg, nicht aber mit dem auf Alhi auseinandergesetzt. Gleichwohl ist dem Begründungserfordernis nach § 164 Abs 2 Satz 3 SGG genügt (vgl hierzu etwa Urteile des Senats vom 26. November 1986 – 7 RAr 2/85 – und 24. August 1988 – 7 RAr 82/86 – jeweils mwN); denn das LSG ist, wie seine Entscheidungsgründe erkennen lassen, nicht von zwei dem Kläger zustehenden Ansprüchen ausgegangen, sondern von einem einheitlichen Anspruch, nämlich einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auf Zahlung von Alhi, der dem Kläger ab 1. November 1984 durchgehend zuzubilligen sei. Demzufolge reicht es aus, daß die Beklagte sich in ihrer Begründung nur diesem Anspruch zugewandt hat.
Die Revision ist begründet. Der Kläger hat ab 1. November 1984 keinen Anspruch auf die Alhi, die er bis zum 1. November 1983 bezogen hat, sondern Anspruch auf Alg, das als Versicherungsleistung der von der Bedürftigkeit abhängigen und aus Steuermitteln zu zahlenden Alhi vorgeht. Er hat auch keinen Anspruch auf höheres Alg.
Tatsächlich hat der Kläger ab 1. November 1984 einen Anspruch auf Alg erworben. Er hat an diesem Tag alle Voraussetzungen für die Entstehung eines Alg-Anspruchs erfüllt (§ 100 Abs 1 AFG). Er hat insbesondere die Anwartschaftszeit gemäß § 104 Abs 1 Satz 1 AFG, zuletzt geändert durch das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497), verwirklicht, indem er innerhalb der dreijährigen Rahmenfrist (§ 104 Abs 3 Halbs 1 AFG) 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) gestanden hat. Nach der zwingenden gesetzlichen Vorschrift des § 135 Abs 1 Nr 1 AFG ist gleichzeitig der Anspruch des Klägers auf Alhi erloschen. Auf die Frage, ob diese Rechtswirkung auch deshalb eingetreten ist, weil am 1. November 1984 seit dem letzten Tag des Bezugs von Alhi ein Jahr vergangen war (§ 135 Abs 1 Nr 2 AFG), kommt es infolgedessen nicht mehr an. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch führt zu keinem dem Kläger günstigeren Ergebnis; die Beklagte braucht den Kläger nicht so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er durch die Teilnahme an der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme den Anspruch auf Alg nicht erworben hätte.
Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung desjenigen Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger eine ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis erwachsene, aber unterlassene Nebenpflicht ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (vgl dazu allgemein Funk DAngVers 1981, 26; Bieback DVBl 1983, 159). Wesentlich ist daher das Ausbleiben von gesetzlich vorgesehenen Vorteilen infolge eines rechtswidrigen Verhaltens des Leistungsträgers im Rahmen eines bestehenden Sozialrechtsverhältnisses (vgl BSG SozR 4100 § 56 Nr 18; Urteil des Senats vom 11. Januar 1989 – 7/11 RAr 16/87 – jeweils mwN).
Im vorliegenden Fall ist zweifelhaft, ob die Beklagte den Kläger bei der Verlängerung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme auf die leistungsrechtlichen Folgen der Verlängerung hätte hinweisen müssen und ob auf dieses Unterlassen zurückzuführen ist, daß der Kläger in die Verlängerung eingewilligt hat. Der Kläger hätte nämlich selbst Anlaß gehabt, insoweit bei der Beklagten rückzufragen, so wie er es vor Beginn der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme getan hatte. Indes können beide Fragen offenbleiben. Denn selbst wenn sie zu bejahen wären, kann dies in keinem Fall dazu führen, daß die für einen Anspruch auf Alg ab 1. November 1984 gegebene Voraussetzung der Anwartschaftszeit als nicht verwirklicht angesehen wird, obwohl sie tatsächlich erfüllt ist; das verwirklichte Tatbestandsmerkmal der Anwartschaftszeit läßt sich nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches als nicht gegeben fingieren.
Allerdings können im Wege des Herstellungsanspruches gewisse sozialrechtliche Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen, wie etwa eine verspätete Antragstellung, eine verspätete Beitragsentrichtung, eine verspätete Vorlage von Unterlagen als erfüllt angesehen werden, wenn die Verspätung gerade auf einem pflichtwidrigen Verhalten des Leistungsträgers beruht. Doch gilt dies nicht für außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses liegende Tatbestände, die nach materiellem Recht für das Entstehen des Sozialrechtsanspruches erforderlich sind (BSG SozR 2200 § 1233 Nr 17 und SozR 4100 § 56 Nr 18); andernfalls verpflichtete der Herstellungsanspruch den Sozialleistungsträger zu einer Gesetz und Recht widersprechenden Handlung, was unzulässig wäre (BSGE 44, 114, 121 = SozR 2200 § 886 Nr 1; BSGE 49, 76, 80 = SozR 2200 § 1418 Nr 6; BSGE 50, 25, 29 = SozR 2200 § 172 Nr 14; BSGE 51, 89, 92 = SozR 2200 § 381 Nr 44; BSGE 58, 104, 109 = SozR 4100 § 103 Nr 36; BSGE 60, 43, 48 = SozR 4100 § 105 Nr 2; SozR 4100 § 102 Nr 6).
Folgerichtig kann, wie der Senat bereits entschieden hat, im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches weder die in die Lohnsteuerkarte eingetragene durch eine im Unterstützungsfall günstigere Steuerklasse (vgl Urteil vom 10. Dezember 1980 – 7 RAr 14/78 – Dienstblatt der Bundesanstalt Rechtsprechung -DBlRNr 2689a zu § 113 AFG) noch ein tatsächlich erzieltes niedriges durch ein höheres Arbeitsentgelt (Urteil vom 12. Mai 1982 – 7 RAr 7/81 – DBlR Nr 2781a zu § 137 AFG) ersetzt werden. Ebensowenig lassen sich für den Winterbau unzureichend getroffene Schutzvorkehrungen als ausreichend behandeln (Urteil vom 11. November 1982 – 7 RAr 16/82 – DBlR Nr 2782a zu § 78 AFG) oder die fehlende Verfügbarkeit durch deren Fiktion ersetzen (Urteil vom 11. November 1982 – 7 RAr 24/80 – DBlR Nr 2825a zu § 103 AFG; BSGE 58, 104 = SozR 4100 § 103 Nr 36). Nichts anderes gilt für die Anwartschaftszeit, wenn sie fehlt (BSG SozR 4100 § 102 Nr 6), für eine Arbeitslosmeldung, die unterblieben ist (BSGE 60, 43 = SozR 4100 § 105 Nr 2), für Eingliederungschancen, die verneint werden müssen (BSG SozR 4100 § 56 Nr 18) sowie für die Anforderungen, die gemäß § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a Vorruhestandsgesetz (VRG) in tatsächlicher Hinsicht an den Arbeitnehmer zu stellen sind, den der Arbeitgeber anstelle eines in den Vorruhestand getretenen früheren Arbeitnehmers beschäftigt (Urteil vom 11. Januar 1989 – 7/11b RAr 16/87 –). Desgleichen handelt es sich bei fehlender Bedürftigkeit (§§ 134 Abs 1 Nr 3, 137 AFG) und fehlender Vorfrist (zB § 134 Abs 3a Nr 2 AFG) um tatsächliche Gegebenheiten, die nicht durch eine rechtmäßige Amtshandlung der Beklagten verändert werden können und die deshalb nicht unberücksichtigt bleiben dürfen (Urteil vom 22. März 1989 – 7 RAr 80/87 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Dieselben Überlegungen greifen in bezug auf eine Anwartschaftszeit Platz, die erfüllt ist. Es handelt sich bei der Verwirklichung der Anwartschaftsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Alg um einen rechtserheblichen Tatbestand, der tatsächliche Verhältnisse betrifft und den die Beklagte nicht durch eine Amtshandlung aus der Welt schaffen kann. Es wäre gesetzeswidrig, den Kläger unter Ausschaltung insbesondere der Vorschrift des § 135 Abs 1 Nr 1 AFG deswegen in den Genuß eines erloschenen früheren Anspruches auf Alhi kommen zu lassen, weil der neu erworbene Anspruch auf Alg niedriger ist, als es der frühere Anspruch auf Alhi war.
Im übrigen geht der Hinweis des LSG fehl, der Kläger hätte, wenn die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme lediglich bis zum 24. Oktober 1984 verlängert worden wäre, keinen Anspruch auf Alg erworben. Insoweit hat das LSG nicht berücksichtigt, daß der Uhg-Bezug des Klägers vom 21. Juni bis 23. Juli sowie vom 16. August bis 22. Dezember 1982 den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichsteht (§ 107 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Buchst a AFG idF des 5. AFG-ÄndG vom 23. Juli 1979 – BGBl I 1189 –; nunmehr § 107 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Buchst d AFG). Die für den Erwerb des Anspruchs auf Alg erforderliche Anwartschaftszeit hatte der Kläger mithin längst vor dem 24. Oktober 1984 zurückgelegt. Überdies wäre dem Anspruch auf Alhi das günstige frühere Arbeitsentgelt nur dann zugrunde zu legen gewesen, wenn der Kläger dieses Arbeitsentgelt noch erzielen konnte (§ 136 Abs 2 Satz 2 AFG). Einem dem Anspruch auf Alg übersteigender Anspruch auf Alhi hätte, was die Vorinstanzen ebenfalls nicht geprüft haben, auch Einkommen entgegenstehen können, das im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung zu berücksichtigen ist (§ 138 AFG).
Die Höhe des dem Kläger ab 1. November 1984 zustehenden Alg hat die Beklagte zutreffend festgesetzt. Sie richtet sich gemäß § 242f Abs 3 AFG nach § 111 Abs 1 Nr 1 AFG idF des 7. ÄndG vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2484). Danach beträgt das Alg für Arbeitslose, die – wie der Kläger – mindestens ein Kind iS des § 32 Abs 1, 4 und 5 des Einkommensteuergesetzes haben, 68 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts (§ 112 AFG). Die AFG-Leistungsverordnung 1984 vom 13. Januar 1984 (BGBl I 49), in deren Anlage 2 für die verschiedenen Arbeitsentgelte iS des § 112 AFG (Bemessungsentgelte) nach Minderung um die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge unter Berücksichtigung der jeweils maßgebenden Nettolohnersatzquote die jeweiligen Leistungssätze für 1984 ausgewiesen sind, sieht in der Leistungsgruppe C, der der Kläger gemäß § 111 Abs 2 Satz 2 Nr 1 Buchst c AFG angehört (Lohnsteuerklasse III) für ein (wöchentliches) Arbeitsentgelt (Bemessungsentgelt) von 730,– DM bei der Nettolohnersatzquote von 68 vH die bewilligten 341,40 DM vor. Nach der Anlage 2 der AFG-Leistungsverordnung 1985 vom 10. Januar 1985 (BGBl I 43) wurde dieser Betrag mit Wirkung ab 1. Januar 1985 auf 342,– DM erhöht. Ein Anspruch auf höheres Alg wäre dem Kläger folglich nur dann zuzubilligen, wenn seine Leistung nach einem höheren Arbeitsentgelt als 730,– DM zu zahlen wäre. Das ist indessen nicht der Fall.
Arbeitsentgelt (Bemessungsentgelt) in diesem Sinne ist nach § 112 Abs 2 Satz 1 AFG in der bis zum 31. Dezember 1987 geltenden, zuletzt durch das AFKG geänderten Fassung grundsätzlich das im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt ohne Mehrarbeitszuschläge, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt. Bemessungszeitraum sind nach § 112 Abs 3 Satz 1 AFG in der bis zum 31. Dezember 1985 geltenden Fassung die letzten vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten, insgesamt 20 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassenden Lohnabrechnungszeiträume der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs. Das ist hier ein Lohnabrechnungszeitraum der Beschäftigung aufgrund der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, der der Entstehung eines neuen Anspruchs auf Alg durch Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen (§ 100 Abs 1 AFG) im Oktober 1984 vorausgeht. Aufgrund der in dieser Beschäftigung monatlich erzielten 3.158,14 DM errechnet sich, wie die Beklagte es zutreffend getan hat, ein (wöchentliches) Arbeitsentgelt (Bemessungsentgelt) von gerundet 730,– DM.
Abweichend hiervon ist nach § 112 Abs 5 Nr 4 Satz 1 AFG in der zuletzt durch das AFKG geänderten Fassung bei der Feststellung des Arbeitsentgelts für die Zeit einer Beschäftigung, die im Rahmen einer Maßnahme zur Arbeitsbeschaffung nach den §§ 91 bis 96 AFG gefördert worden ist, mindestens das Arbeitsentgelt (Bemessungsentgelt) zugrunde zu legen, nach dem das Alg oder die Alhi zuletzt bemessen worden ist. Liegen die Voraussetzungen des § 112a Abs 1 AFG vor, so ist das erhöhte Arbeitsentgelt zugrunde zu legen (§ 112 Abs 5 Nr 4 Satz 1 Halbs 2 AFG). Anstelle der 730,– DM wäre für das Alg des Klägers ein Bemessungsentgelt von 1.060,– DM maßgebend, erhöht um den Vomhundertsatz, um den die Renten der gesetzlichen Rentenversicherungen zuletzt vor dem Anpassungstag nach dem jeweiligen Rentenanpassungsgesetz angepaßt worden sind (§ 112a AFG), fände diese Vorschrift Anwendung. Das trifft jedoch nicht zu. Dies ergibt sich aus Satz 2 des § 112 Abs 5 Nr 4 AFG. Hiernach gilt die Vergünstigung des Satzes 1 nicht, wenn der letzte Tag des für den bisherigen Anspruch maßgebenden Bemessungszeitraumes bei Entstehung des neuen Anspruches länger als drei Jahre zurückliegt. Bisheriger Anspruch war der Anspruch auf Alhi, aufgrund dessen der Kläger bis zum 1. November 1983 Leistungen bezogen hat. Dieser am 4. Februar 1983 nach Erschöpfung des Anspruchs auf Alg erworbene Anspruch stützte sich auf den Vorbezug von Alg (§ 134 Abs 1 Nr 4 Buchst a AFG). Der Bemessung der Alhi war daher das Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, nach dem sich zuletzt das Alg gerichtet hat (§ 136 Abs 2 Satz 1 Nr 1 AFG). Der für den bisherigen Anspruch auf Alhi maßgebende Bemessungszeitraum ist daher grundsätzlich mit dem für den Anspruch auf Alg maßgebenden Bemessungszeitraum identisch (Urteil des Senats vom 8. Juni 1989 – 7 RAr 40/88 –). Indes zeichnet sich der vorliegende Fall dadurch aus, daß für den Alg-Vorbezug ein Bemessungszeitraum nicht maßgebend war, da der Kläger als Aussiedler in die Bundesrepublik Deutschland gekommen war und die Beklagte aus diesem Grunde eine fiktive Einstufung in Höhe von monatlich 4.114,– DM (Bautarif) vorgenommen hatte (§ 112 Abs 5 Nr 5 iVm § 112 Abs 7 AFG). Für Fälle dieser Art bestimmt § 112a Abs 1 Satz 3 AFG, daß an die Stelle des Endes des Bemessungszeitraumes der Tag tritt, der dem Zeitraum vorausgeht, für den das Alg bemessen worden ist. Auf diese Vorschrift wird im § 112 Abs 5 Nr 4 Satz 2 Halbs 2 AFG verwiesen. Zwar heißt es dort, § 112a Abs 1 Satz 2 AFG gelte entsprechend. Jedoch handelt es sich insoweit, wie der Senat bereits zum Ausdruck gebracht hat, um ein Redaktionsversehen; gemeint ist die entsprechende Anwendung des § 112a Abs 1 Satz 3 AFG (Urteil vom 26. April 1989 – 7 RAr 98/87 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Die Anwendung des § 112a Abs 1 Satz 3 AFG führt zu dem Ergebnis, daß der Dreijahreszeitraum des § 112 Abs 5 Nr 4 Satz 2 Halbs 1 AFG im vorliegenden Fall deutlich überschritten ist. Denn während der Tag, der dem Zeitraum vorausgeht, für den das (erste) Alg des Klägers bemessen worden ist, der 25. August 1981 war, ist der neue Anspruch auf Alg erst am 1. November 1984 entstanden. Ein höheres Bemessungsentgelt kann dem neuen Anspruch auf Alg nicht nach § 112 Abs 7 AFG in der seit dem AFKG gültigen Fassung zugrunde gelegt werden. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung sind nicht verwirklicht. Weder liegt der letzte Tag des Bemessungszeitraumes dieses Anspruchs (31. Oktober 1984) länger als drei Jahre zurück noch ist es mit Rücksicht auf die von dem Kläger in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit unbillig hart, von dem aus der letzten Beschäftigung entwickelten Bemessungsentgelt auszugehen. In den letzten drei Jahren vor dem 1. November 1984 hat der Kläger lediglich für fünf bis sechs Monate an einem Lehrgang für technische Berufe teilgenommen (21. Juni bis 23. Juli sowie vom 16. August bis 22. Dezember 1982), während dessen er Uhg bezog; demgegenüber dauerte die erwähnte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, für die er Arbeitsentgelt in Höhe von zuletzt 3.158,14 DM bezog, ein Jahr. Die eindeutig überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit war mithin die im Rahmen der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zustande gekommene Beschäftigung (vgl hierzu etwa BSGE 63, 153, 161 = SozR 4100 § 112 Nr 39; Urteil des Senats vom 23. November 1988 – 7 RAr 5/87 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Auch hinsichtlich des dem neuen Anspruch auf Alg zugrunde zu legenden Arbeitsentgelts führt der sozialrechtliche Herstellungsanspruch zu keinem für den Kläger günstigeren Ergebnis. Allerdings hätte der Kläger einen Anspruch auf Alg erworben, dem nach § 112 Abs 5 Nr 4 AFG mindestens das Arbeitsentgelt zugrunde zu legen gewesen wäre, nach dem zuletzt die Alhi bemessen worden ist, wenn er bis zum 25. August 1984 die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt hätte. Das aber hätte ua nur dann der Fall sein können, wenn der Kläger seine Beschäftigung aufgegeben hätte. Die Tatsache der Beschäftigung bis zum 31. Oktober 1984 kann indessen aus den oa Gründen auch mit Hilfe des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht wegfingiert werden, weil dieses Rechtsinstitut andernfalls den Sozialleistungsträger zu einer nach dem Gesetz zu hohen Alg-Leistung verpflichten würde.
Keiner Ausführungen bedarf, daß dem Kläger ab 2. März 1985 Alhi auf der Grundlage des Arbeitsentgelts zusteht, nach dem die Beklagte zuvor das Alg rechtmäßig bewilligt hat. Der entsprechende Bewilligungsbescheid ist insoweit nicht zu beanstanden.
Das Ergebnis ist nicht so unbillig, wie der Kläger und die Vorinstanzen anzunehmen scheinen. Alhi soll jeweils für längstens ein Jahr bewilligt werden (§ 139a Abs 1 AFG). Im Fall eines Alhi-Bezuges über den 1. November 1983 hinaus hätte der Kläger im Rahmen der nächsten Überprüfung ohnehin mit einer Angleichung seines Bemessungsentgelts an die für ihn maßgebenden Arbeitsmarktverhältnisse rechnen müssen (§ 139a Abs 2 AFG).
Soweit der Kläger meinen sollte, ihm stehe ein Schadensersatzanspruch aufgrund pflichtwidrigen Verhaltens der Beklagten zu, könnte dieser nur im Wege des Amtshaftungsanspruches geltend gemacht werden, über den jedoch nicht die Sozialgerichte, sondern die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben.
Erweist sich die Klage hiernach als unbegründet, sind die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung leitet sich aus § 193 SGG ab.
Fundstellen