Leitsatz (amtlich)

Die Hinterbliebenenrente, die einer geschiedenen Frau wegen Erfüllung der Voraussetzungen des AVG § 42 S 1 (= RVO § 1265 S 1 zu gewähren ist, steht einer "Witwenrente" iS des AVG § 42 S 2 (= RVO § 1265 S 2 ) nicht gleich.

 

Normenkette

AVG § 42 S. 1 Fassung: 1965-06-09; RVO § 1265 S. 1 Fassung: 1965-06-09; AVG § 42 S. 2 Fassung: 1965-06-09; RVO § 1265 S. 2 Fassung: 1965-06-09

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Dezember 1966 aufgehoben, soweit die Klägerin Hinterbliebenenrente ab Juli 1965 begehrt. Insoweit wird der Rechtsstreit zu neuer Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Die 1902 geborene Klägerin begehrt Hinterbliebenenrente nach § 42 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) aus der Angestelltenversicherung des am 21. September 1959 verstorbenen M B. Dieser war bis September 1939 Bankdirektor, danach bis Februar 1946 Vorstandsvorsitzender eines Textilkonzerns, von März 1949 bis Februar 1957 Geschäftsführer einer selbst gegründeten Großhandelsgesellschaft und daneben bis Februar 1951 Vorstandsmitglied einer Spinnerei und Weberei. Im April und Mai 1957 arbeitete er als Handelsvertreter; danach war er bis zur Erkrankung am 20. August 1959 Vertreter einer Eispulverfabrik mit einer Provision von monatlich 150,- bis 250,- DM. Am 16. September 1959 (kurz vor seinem Tode) beantragte er Versichertenrente und Sozialhilfe. Dabei wies er ua auf seine hohen Schulden hin, die im Nachlaßkonkurs mit 39.000,- DM ermittelt wurden.

Die Klägerin und die Beigeladene sind frühere Ehefrauen des Versicherten. Die 1924 eingegangene Ehe der Klägerin wurde im Dezember 1941 aus Verschulden des Versicherten, die im Dezember 1942 geschlossene Ehe der Beigeladenen im Mai 1957 aus beiderseitigem Verschulden geschieden.

Der Beigeladenen gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 12. April 1960 die Hinterbliebenenrente nach § 42 AVG, weil der Versicherte ihr im Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet habe. Nach ihrer Wiederheirat im Mai 1965 erhielt die Beigeladene den fünffachen Jahresbetrag der Rente als Abfindung.

Die Klägerin beantragte die Hinterbliebenenrente im März 1962. Sie berief sich ua auf einen Unterhaltsvertrag vom 5. März 1942. Danach sollte der Versicherte monatlich 500,- Reichsmark zahlen und diesen Betrag bei einer Einkommensminderung um mehr als 15 % anteilig senken dürfen.

Mit Bescheid vom 7. September 1962 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin ab. Ihre Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteile des Sozialgerichts - SG - Karlsruhe vom 26. Juni 1963 und des Landessozialgerichts - LSG - Baden-Württemberg vom 19. Dezember 1966).

Das LSG verneinte zunächst die Voraussetzungen der drei Alternativen des § 42 Satz 1 AVG (i.d.F. des 1. RVÄndG vom 9. Juni 1965). Der Versicherte sei der Klägerin während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor seinem Tode nicht nach den Vorschriften des Ehegesetzes - EheG - (§§ 58, 59) unterhaltspflichtig gewesen (1. Alternative). Wegen seiner mißlichen wirtschaftlichen Lage habe er seit Jahren den erforderlichen Unterhalt nicht mehr erwerben können; das letzte Einkommen bis zu 250,- DM monatlich habe für seinen Unterhalt und den der beiden minderjährigen Kinder aus der zweiten Ehe nicht ausgereicht; er habe von Zuwendungen gelebt, die seine Schulden nur noch erhöht hätten. Demgegenüber sei die Klägerin von ihrer Tochter (aus der Ehe mit dem Versicherten) unterstützt worden und habe außerdem die Möglichkeit gehabt, ihren Lebensunterhalt durch eine Erwerbstätigkeit zu verdienen. Der Klägerin habe ein Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten auch nicht aus sonstigen Gründen zugestanden (2. Alternative). Der Versicherte sei berechtigt gewesen, die Gegenstandslosigkeit des Unterhaltsvertrages vom 5. März 1942 feststellen zu lassen. Damals habe er hohe laufende Einkünfte gehabt und 1943 noch sein Vermögen mit einer Viertelmillion RM beziffert; demgegenüber habe sich seine wirtschaftliche Lage vor dem Tode so katastrophal verschlechtert, daß dadurch die Geschäftsgrundlage der Vereinbarung entfallen sei. Deshalb könne dahingestellt bleiben, ob der Vertrag von Anfang an nichtig bzw. anfechtbar oder durch spätere Unterhaltsabfindung beseitigt gewesen sei. Schließlich habe der Versicherte der Klägerin auch keinen Unterhalt im Sinne der 3. Alternative des § 42 Satz 1 AVG geleistet, weil er ihr im Jahr vor seinem Tode nur insgesamt 150,- DM zugewendet habe. Das LSG verneinte alsdann auch einen Anspruch auf Grund des am 1. Juli 1965 in Kraft getretenen § 42 Satz 2 AVG. Der eherechtliche Unterhaltsanspruch sei zwar nicht daran gescheitert, daß die Klägerin nicht bedürftig gewesen sei; weil die Beigeladene nach § 42 Satz 1 AVG anspruchsberechtigt sei, fehle es jedoch an der Voraussetzung, daß aus dem Versicherungsverhältnis keine "Witwenrente" zu gewähren sei. Die einer geschiedenen Frau nach § 42 Satz 1 AVG gewährte Rente müsse nämlich einer Witwenrente gleichgestellt werden, weil sie ebenfalls eine echte Unterhaltsersatzfunktion habe. Der Sinn des § 42 Satz 2 AVG gebiete hier eine vom Wortlaut abweichende Auslegung. Denn die Ausdehnung des Anspruchsrechts der geschiedenen Frau durch § 42 Satz 2 AVG solle nicht dazu führen, daß Ansprüche mit echter Unterhaltsersatzfunktion durch eine Rententeilung (§ 45 Abs. 4 AVG) geschmälert würden.

Mit der zugelassenen Revision beantragt die Klägerin,

unter Aufhebung (Änderung) der Urteile der Vorinstanzen und des Bescheides vom 7. September 1962 die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. Juli 1965 Hinterbliebenenrente zu dem Teil zu gewähren, der der Dauer ihrer Ehe mit dem Versicherten entspricht.

Die Klägerin rügt die unrichtige Auslegung des § 42 Satz 2 AVG. Nach Wortlaut und Sinn meine Satz 2 mit der "Witwenrente" nur die nach § 41 AVG gewährte Witwenrente.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

II

Die Revision der Klägerin ist insofern begründet, als für die Zeit ab 1. Juli 1965 das Urteil des LSG aufzuheben und der Rechtsstreit zu neuer Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist.

Zunächst muß der Senat, auch wenn die Klägerin eine Verletzung des § 42 Satz 1 AVG nicht rügt, prüfen, ob das LSG § 42 Satz 1 AVG richtig ausgelegt und - für die noch streitige Zeit ab 1. Juli 1965 - auf den festgestellten Sachverhalt zu Recht nicht angewandt hat. Dabei unterliegt von vornherein keinen Bedenken, daß das LSG die Voraussetzungen der 3. Alternative von Satz 1 verneint hat. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (zuletzt SozR Nr. 49 zu § 1265 RVO) müssen bei allen Alternativen des § 42 AVG die Unterhaltsbeträge des Versicherten mehr als geringfügig sein und regelmäßig 25 % des Mindestbedarfs der geschiedenen Frau erreichen. Das war bei einer Unterhaltszahlung von insgesamt 150,- DM im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten nicht der Fall. Dagegen läßt sich bei der 1. und 2. Alternative bezweifeln, ob das LSG die "Zeit des Todes" des Versicherten richtig ermittelt hat, unter der der letzte wirtschaftliche Dauerzustand vor dem Tod zu verstehen ist. Das LSG hat als letzten wirtschaftlichen Dauerzustand wohl die Zeit nach Mai 1957 gewertet, in welcher der Versicherte als Vertreter eine Provision von monatlich etwa 150,- bis 250,- DM verdient hat. Demgegenüber ist jedoch zu fragen, ob nicht die Erkrankung des Versicherten am 20. August 1959 und seine am 16. September 1959 gestellten Anträge auf Sozialhilfe und Versichertenrente sein Ausscheiden aus dem Erwerbsleben bedeutet und damit einen neuen wirtschaftlichen Dauerzustand - den letzten vor dem Tode - eingeleitet haben (vgl. dazu das Urteil des 1. Senats vom 15. Juli 1969 - 1 RA 245/68 -). Die Antwort hierauf kann jedoch offenbleiben. Denn in der Zeit vom 20. August bis 21. September 1959 hat sich die wirtschaftliche Lage des Versicherten nur eher weiter verschlechtert. Dem steht nicht entgegen, daß die Beklagte (Bl. 81 ihrer Akten) nach dem Tode des Versicherten den Anspruch des Versicherten auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Monate August und September 1959 der Höhe nach mit monatlich 368,20 DM festgestellt hat. Denn wie der 5. Senat des BSG bereits entschieden hat (BSG 26, 51), darf bei der Prüfung der Unterhaltspflicht des Versicherten vor seinem Tode eine erst nach dem Tode bewilligte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit jedenfalls dann nicht berücksichtigt werden, wenn der Versicherte - wie es hier der Fall war - noch nicht mit Rentenvorschüssen rechnen konnte. Dem schließt sich der erkennende Senat an. Ausgehend von den wirtschaftlichen Verhältnissen seit Juni 1957 hat das LSG die Voraussetzungen der 1. und 2. Alternative des § 42 Satz 1 AVG zu Recht verneint. Insoweit ist zunächst die 2. Alternative zu prüfen, weil ein Unterhaltsvertrag, der die gesetzliche Unterhaltspflicht nach dem EheG - wie hier - präzisiert und modifiziert, diese verdrängt (BVerwG 12, 278, 279 f; 23, 231, 233; BGB RGR-Kommentar, 10./11. Aufl., EheG § 58 Anm. 7); das gilt auch für Vereinbarungen, die erst nach der Rechtskraft des Scheidungsurteils getroffen werden. Bei der 2. Alternative kann der Senat mit dem LSG offen lassen, ob der Unterhaltsvertrag vom 5. März 1942 im Juni 1957 überhaupt noch gültig war (mit der Maßgabe, daß der Versicherte an sich nun 500,- DM hätte zahlen müssen); es kann ferner dahinstehen, wie sich die vereinbarte Senkungsklausel ausgewirkt hätte. Dem LSG ist jedenfalls darin zuzustimmen, daß die Geschäftsgrundlage der Vereinbarung in der Zeit ab Juni 1957 entfallen war, so daß der Unterhaltsvertrag vom 5. März 1942 keinen sonstigen Grund i.S. des § 42 Satz 1, 2. Alternative mehr bilden konnte. Die Ausführungen des LSG hierzu stimmen mit der Rechtsprechung des BSG (SozR Nr. 27 zu § 1265 RVO) überein. Demzufolge bleibt die Unterhaltspflicht nach den Vorschriften des EheG zu prüfen (1. Alternative). Auch hier kann unterstellt werden, daß der Versicherte und die Klägerin vor Juni 1957 keine Unterhaltsabfindung vereinbart hatten. Das LSG hat eine Unterhaltspflicht nach den §§ 58, 59 EheG ebenfalls zu Recht verneint. Der Versicherte war seit Juni 1957 nicht mehr fähig, der Klägerin den nach § 58 Abs. 1 EheG angemessenen Unterhalt zu gewähren. Er hätte durch die Gewährung von Unterhalt an die Klägerin bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen den eigenen angemessenen, sogar den eigenen notdürftigen Unterhalt gefährdet; er brauchte deshalb gemäß § 59 Abs. 1 EheG nur so viel zu leisten, als es mit Rücksicht auf seine Bedürfnisse und Verhältnisse und die der Klägerin sowie der minderjährigen Kinder aus der 2. Ehe der Billigkeit entsprach. Der Versicherte war danach keinesfalls zur Zahlung eines Unterhaltsbetrages verpflichtet, der die Grenze der Geringfügigkeit überstieg.

Es kommt also entscheidend darauf an, ob der Klägerin die Vergünstigung des § 42 Satz 2 AVG zugute kommt. Danach findet Satz 1, d.h. die Rechtsfolgeanordnung dieses Satzes (Gewährung der Rente) noch in einem weiteren Fall unter zwei Bedingungen Anwendung. Erste Bedingung ist, daß eine Witwenrente nicht zu gewähren ist; zweite Bedingung ist, daß eine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten wegen seiner Vermögens- und Erwerbsverhältnisse nicht bestanden hat. Das LSG hat die erste Bedingung verneint, weil die Beigeladene nach § 42 Satz 1 (3. Alternative) AVG einen Anspruch auf die "Geschiedenenwitwenrente" habe. Dem kann der Senat nicht zustimmen. Wäre die einer geschiedenen Frau wegen Erfüllung der Voraussetzungen des § 42 Satz 1 AVG gewährte Rente einer Witwenrente gleichzustellen, so könnte zwar die Klägerin derzeit noch keinen Anspruch nach § 42 Satz 2 AVG haben, weil die Beigeladene - deren Rentenberechtigung die Klägerin an sich nicht bestreitet - im Mai 1965 eine Abfindung ihrer Rente erhalten hat; ein Anspruch nach § 42 Satz 2 AVG könnte alsdann für die Klägerin frühestens nach Ablauf von fünf Jahren (dann allerdings wohl ungekürzt) seit dieser Abfindung, also frühestens im Jahre 1970, entstehen (vgl. Urteil des 12. Senats vom 26. Juni 1969 - 12 RJ 70/68 -, SozR Nr. 50 zu § 1265 RVO). Eine auf Grund des § 42 Satz 1 AVG gewährte Rente ist aber bei Prüfung der 1. Bedingung des § 42 Satz 2 AVG nicht einer Witwenrente gleichzustellen.

Das LSG räumt selbst ein, daß seine Auslegung vom Gesetzestext abweicht. Nach dem Sprachgebrauch der Rentenversicherungsgesetze ist "Witwenrente" die Rente, die nach § 41 AVG der Witwe des Versicherten gewährt wird. So wird der Begriff in zahlreichen Vorschriften verwendet und ausdrücklich von der "Rente nach § 42" unterschieden, die der geschiedenen Ehefrau gewährt wird (vgl. §§ 40 Abs. 1, 45 Abs. 1, 56 Abs. 2, 57 Abs. 1, 68, Abs. 3, 81 Abs. 2 AVG). Es besteht kein Anhalt dafür, daß der Gesetzgeber in § 42 Satz 2 AVG mit dem Begriff "Witwenrente" die Rente nach § 42 - genauer: die Rente an Berechtigte nach § 42 Satz 1 - ausnahmsweise mit gemeint habe. Darauf deutet auch die Entstehungsgeschichte des § 42 Satz 2 AVG nicht hin. Soweit ersichtlich, wollte man immer nur die der geschiedenen Frau durch Satz 2 zugedachte Vergünstigung nicht auf Kosten der Witwe gehen lassen; ihre Witwenrente sollte nicht auf Grund der Teilungsvorschrift des § 45 Abs. 4 AVG geschmälert werden. Der Senat kann nicht erkennen, daß die gesetzliche Regelung lückenhaft ist und daß der Sinn und Zweck des § 42 Satz 2 die Gleichstellung der nach Satz 1 Berechtigten mit den Witwen gebiete. Es darf schon nicht unterstellt werden, daß das Gesetz Kollisionsmöglichkeiten unter den nach Satz 1 und nach Satz 2 berechtigten geschiedenen Frauen übersehen hätte. Der Sinn der 1. Bedingung des § 42 Satz 2 liegt entgegen der Auffassung des LSG nicht darin, vor einer Rentenminderung alle Frauen zu bewahren, die eine Rente mit echter Unterhaltsersatzfunktion erhalten; vielmehr liegt der Gedanke näher, nur die Witwe des Versicherten vor solchen Nachteilen zu schützen, weil sie durch das beim Tode noch gültige Eheband mit dem Versicherten stärker verbunden war und durch seinen Rod auch regelmäßig stärker betroffen wird als jede geschiedene Frau. Dementsprechend haben die Reichsversicherungsgesetze den Witwen mehrfach eine bessere Rechtsstellung eingeräumt als den geschiedenen Frauen. Den Witwen ist lange vor den geschiedenen Frauen die Hinterbliebenenrente zugebilligt worden. Sie sind auch nach der derzeitigen Regelung insofern begünstigt, als bei ihnen ein tatsächlicher Unterhaltsverlust durch den Tod des Versicherten nicht vorzuliegen braucht. Davon abgesehen ist auch nicht einzusehen, warum einer nach § 42 Satz 1 AVG berechtigten geschiedenen Frau die Teilung der Rente mit einer anderen geschiedenen Frau erspart bleiben sollte. Denn schlechte Vermögens- und Erwerbsverhältnisse eines Versicherten i.S. der zweiten Bedingung des § 42 Satz 2 AVG dürften sich in der Regel auf die Unterhaltsrechte mehrerer geschiedener Frauen verhältnismäßig gleich auswirken; wenn das nicht der Fall ist, dann ist das nicht selten in Zufälligkeiten begründet. Das bestätigt nicht zuletzt der vorliegende Rechtsstreit. Die Rechtsstellungen der Klägerin und der Beigeladenen sind hier nur deshalb verschieden, weil der Versicherte der Klägerin trotz des für sie günstigeren Schuldausspruches im Scheidungsurteil im letzten Jahr vor seinem Tode geringere Unterhaltsbeträge gezahlt hat als der Beigeladenen, obwohl diese wegen des ungünstigeren Schuldausspruches im Scheidungsurteil von dem Versicherten allenfalls einen Unterhaltsbeitrag nach § 60 EheG hätte verlangen können.

Entgegen der Auffassung des LSG ist demnach die erste Bedingung des § 42 Satz 2 AVG, daß eine Witwenrente nicht zu gewähren ist, erfüllt. Das bedeutet allerdings nicht, daß der Senat schon abschließend in der Sache entscheiden könnte. Die tatsächlichen Feststellungen des LSG reichen nicht für die Beurteilung aus, ob auch die zweite Bedingung des § 42 Satz 2 AVG erfüllt ist. Danach darf während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes eine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten wegen dessen Vermögens- und Erwerbsverhältnissen nicht bestanden haben. Damit ist eine Unterhaltsverpflichtung im Sinne der 1. oder der 2. Alternative des § 42 Satz 1 gemeint, also eine Verpflichtung zu einer mehr als geringfügigen Unterhaltsleistung (BSG 28, 88, 89) nach den Vorschriften des Ehegesetzes oder aus sonstigen Gründen. Auch hier ist zweckmäßig zuerst zu prüfen, ob eine vertragliche Unterhaltspflicht dieses Umfangs wegen der Vermögens- und Erwerbsverhältnisse des Versicherten nicht mehr bestanden hat. Das wäre hier unbedenklich zu bejahen, wenn das LSG nicht offengelassen hätte, ob der Unterhaltsvertrag vom 5. März 1942 überhaupt gültig zustandegekommen und bis Juni 1957 gültig geblieben ist. Der Senat kann aber auch nicht beurteilen, ob eine Unterhaltspflicht nach den Vorschriften des Ehegesetzes nur wegen der Vermögens- und Erwerbsverhältnisse des Versicherten nicht mehr bestanden hat. Bei vorher vereinbarter Unterhaltsabfindung wäre (auch) sie schon wegen der Abfindung entfallen. Sie könnte aber auch wegen fehlender Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin nicht bestanden haben. Wie das BSG bereits entschieden hat (SozR Nr. 31 und 40 zu § 1265 RVO), ist § 42 Satz 2 AVG nicht anzuwenden, wenn eine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten nach den Vorschriften des Ehegesetzes zur Zeit seines Todes (während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes) wegen ausreichender Einkommens- und Erwerbsverhältnisse der geschiedenen Frau nicht bestanden hat. Es käme deshalb darauf an, ob die Klägerin ihren nach § 58 EheG angemessenen Unterhalt aus Erträgnissen einer Erwerbstätigkeit bestreiten konnte. Dazu hat das LSG zwar bei der Erörterung des § 42 Satz 2 AVG summarisch erklärt, daß die Anwendung dieser Vorschrift nicht an der fehlenden Bedürftigkeit der Klägerin scheitere. Andererseits hat das LSG aber bei der Erörterung der Unterhaltspflicht des Versicherten nach den §§ 58, 59 EheG innerhalb der 1. Alternative des § 42 Satz 1 AVG angeführt, die Klägerin habe die Möglichkeit gehabt, den eigenen Lebensunterhalt durch eine Erwerbstätigkeit zu verdienen, wobei nicht klar ist, ob das LSG der Klägerin die Erwerbstätigkeit im Rahmen des § 58 oder erst im Rahmen des § 59 EheG zumuten wollte. Die tatsächlichen Feststellungen des LSG zur Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin sind also unklar, so daß der Senat sich auf sie nicht stützen kann. Wäre der Klägerin im Rahmen des § 58 EheG - was ua wegen ihres Alters, ihres Gesundheitszustandes, einer fehlenden Vorbildung durchaus zweifelhaft ist - eine Erwerbstätigkeit zuzumuten gewesen, dann wäre möglicherweise aus diesem Grunde ihre Unterhaltsbedürftigkeit zu verneinen (BSG 26, 293).

Da der Senat die zur Beurteilung der zweiten Bedingung des § 42 Satz 2 AVG noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann, muß der Rechtsstreit für die Zeit ab 1. Juli 1965 an das LSG zu neuer Entscheidung zurückverwiesen werden. Sollte das LSG zu der Auffassung kommen, daß der Unterhaltsvertrag vom 5. März 1942 gültig zustande gekommen (bloße Anfechtbarkeit ist insoweit unerheblich) und bis Juni 1957 gültig geblieben ist, dann wäre, weil alsdann die schlechten Vermögens- und Erwerbsverhältnisse des Versicherten zum Wegfall der Geschäftsgrundlage dieses Vertrages geführt haben, schon damit die zweite Bedingung des § 42 Satz 1 AVG erfüllt und dem Antrag der Klägerin stattzugeben.

Bei der neuen Entscheidung hat das LSG auch über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens mit zu befinden.

 

Fundstellen

BSGE, 208

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