Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorläufige Fürsorge. notwendige Beiladung des Verletzten bei Zuständigkeitsstreit zwischen Unfallversicherungsträgern
Orientierungssatz
Zu dem Verfahren über die Feststellung des für die Entschädigung endgültig zuständigen Versicherungsträgers (§ 1735 RVO) ist der Verletzte notwendig beizuladen (vgl BSG 30.10.1979 2 RU 3/78 = USK 79196).
Normenkette
SGG § 75 Abs 2 Alt 1 Fassung: 1953-09-03; RVO § 1735 Fassung: 1975-12-11
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger gewährte dem O. V. (V.) aus Anlaß des Unfalls vom 2. September 1980 durch Bescheid vom 26. Oktober 1982 als vorläufige Leistung (§ 1735 Reichsversicherungsordnung -RVO-) Verletztenrente vom 20. Oktober 1980 bis 31. Januar 1981 in Höhe von 20 vH der Vollrente. Außerdem hat der Kläger V. Übergangsgeld gezahlt sowie die Kosten für dessen unfallbedingte Heilbehandlung getragen.
Mit der bei dem Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhobenen Klage hat der Kläger beantragt, die Beklagte unter Feststellung ihrer Zuständigkeit zu verurteilen, ihr die im Wege der vorläufigen Fürsorge wegen des Unfalls vom 2. September 1980 an V. gewährten Entschädigungsleistungen zu erstatten. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 21. Oktober 1983). Da V. den Unfall bei einer nach § 539 Abs 1 Nr 15 RVO versicherten Tätigkeit erlitten habe, sei der Kläger der für die Entschädigung des Unfalls vom 2. September 1980 zuständige Träger der Unfallversicherung. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und beantragt, festzustellen, daß die Beklagte der für die Entschädigung des Arbeitsunfalls des V. zuständige Träger der Unfallversicherung ist, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihm - dem Kläger - die anläßlich des Arbeitsunfalls des V. entstandenen Aufwendungen zu erstatten. Das Landessozialgericht (LSG) hat festgestellt, daß die Beklagte der für die Entschädigung des Arbeitsunfalls des V. zuständige Versicherungsträger ist (Urteil vom 6. Juni 1984). Die Zulässigkeit der Feststellungsklage (§ 55 Abs 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) hat das LSG bejaht, weil der Kläger ein berechtigtes Interesse daran habe, daß die Zuständigkeit der Beklagten für die Entschädigung des V. auch für zukünftige Leistungen, die nicht ganz ausgeschlossen werden könnten, bindend festgestellt werde. Eine bloße Leistungsklage des Klägers würde für künftige Leistungen weder die Frage des ursächlichen Zusammenhanges noch die Zuständigkeit rechtskräftig regeln. Eine notwendige Beiladung des V. hat das LSG verneint, da für V., der lediglich in der Vergangenheit kurzfristig Leistungen bezogen habe, kein Interesse bestehe, wegen allenfalls zukünftiger möglicher Ansprüche, für die sich gegenwärtig keine Anhaltspunkte ergeben würden, irgendwie in die Bindungswirkung der Entscheidung einbezogen zu werden.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt. Zur Frage der notwendigen Beiladung des V. trägt sie vor, daß die Interessen des V. von dem Rechtsstreit über die Zuständigkeit zwischen den beiden Unfallversicherungsträgern nicht berührt würden, denn es habe fraglos ein Arbeitsunfall vorgelegen. Welcher Versicherungsträger zur Gewährung von Leistungen verpflichtet werde, sei für V. letztlich ohne Belang.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 6. Juni 1984 aufzuheben und festzustellen, daß der Kläger der für den Unfall des V. zuständige Versicherungsträger ist.
Der Kläger beantragt, Die Revision zurückzuweisen.
Er hält eine Beiladung des Verletzten nicht für erforderlich. Er könne sich auf die Entschädigungspflicht der Beklagten auch dann berufen, wenn er zum Rechtsstreit nicht beigeladen worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist insofern begründet, als das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist.
Das LSG hat die notwendige Beiladung (§ 75 Abs 2 1. Alternative SGG) des bei dem Unfall am 2. September 1980 verletzten V. unterlassen. Dies ist bei der zulässigen Revision von Amts wegen als Verfahrensmangel zu beachten (BSG SozR 1500 § 75 Nr 1 SGG).
Die von dem Kläger erhobene Klage ist auf die Feststellung gerichtet, daß die Beklagte der für die Entschädigung des V. zuständige Versicherungsträger ist (§ 55 Abs 1 Nr 2 SGG). Der Kläger hat an der Feststellung, wie das LSG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat, ein berechtigtes Interesse (§ 55 Abs 1 letzter Halbsatz SGG). Zwar würde wegen der vom Kläger dem verletzten V. in der Vergangenheit gewährten Leistungen eine auf Erstattung gerichtete Leistungsklage ausreichen. Eine dieser Klage stattgebendes (Leistungs-) Urteil hätte jedoch keine Rechtskraft hinsichtlich etwaiger zukünftiger Leistungen, die nach Meinung des LSG nicht ganz ausgeschlossen werden könnten. Das begründete das Interesse des Klägers an der baldigen Feststellung des letztlich Leistungspflichtigen (BSGE 15, 52, 55; SozR 1500 § 55 Nr 4; BSG Urteil vom 30. Oktober 1979 - 2 RU 3/78 - = USK 79 196).
An der von dem Kläger begehrten Feststellung, daß die Beklagte der für die Entschädigung des V. zuständige Versicherungsträger ist - das ist das zwischen dem Kläger und der Beklagten streitige Rechtsverhältnis - ist der von dem Unfall betroffene V. derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Durch die ihm von dem Kläger gemäß § 1735 RVO zugewendete vorläufige Fürsorge hat V. noch keine Rechtsposition erlangt, die ihm auch in Zukunft Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlaß des Unfalls vom 2. September 1980 sichert. Denn mit der Zuwendung der vorläufigen Fürsorge hat der Kläger nicht anerkannt, Schuldner der Entschädigungsansprüche - auch der zukünftigen - des V. zu sein (BSGE 33, 47). V. muß daher an dem Verfahren über die Feststellung des für die Entschädigung endgültig zuständigen Versicherungsträgers beteiligt werden (BSG SozR aaO; Urteil vom 30. Oktober 1979 aaO), zumal da nach den Feststellungen des LSG künftig mögliche Leistungen aus Anlaß des Unfalls vom 2. September 1980 nicht auszuschließen sind.
Da das Bundessozialgericht die Beiladung des V. nicht selbst vornehmen kann, mußte das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das LSG zurückverwiesen werden.
Fundstellen