Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederaufgelebter Krankengeldanspruch. formalversicherter Rentenbewerber. Höhe des Krankengeldes bei zweiter Blockfrist
Orientierungssatz
Liegen die Voraussetzungen des § 315a RVO zum Beginn der zweiten Blockfrist vor, so steht dem Anspruchsberechtigten ein (wiederaufgelebter) Anspruch auf Krankengeld gemäß § 183 Abs 2 S 1 zu.
Normenkette
RVO § 183 Abs 2 S 1 Fassung: 1961-07-12, § 315a Abs 1 Fassung: 1967-12-21, § 182 Abs 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob das dem Kläger während der zweiten Blockfrist zustehende Krankengeld nach dem ursprünglichen Regellohn zu berechnen oder nur in Höhe der zwischenzeitlich bezogenen Arbeitslosenhilfe zu zahlen ist.
Der 1934 geborene Kläger hat von der Beigeladenen (AOK K), nachdem er als Betonbauer am 9. November 1970 arbeitsunfähig erkrankte, bis 14. Mai 1972 (78 Wochen) Krankengeld bezogen; kurz zuvor, am 3. Mai 1972, hatte sein Arbeitsverhältnis geendet. Vom 15. Mai 1972 bis 11. Februar 1973 bezog er Arbeitslosengeld, vom 12. Februar bis 12. April 1973 und dann wieder vom 9. Januar bis 9. Februar 1974 Arbeitslosenhilfe. Aus seinen Antrag vom 17. Januar 1974 gewährte ihm die Beklagte (AOK H) ab diesem Zeitpunkt Krankengeld in Höhe des Betrages der Arbeitslosenhilfe nach § 158 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) bis 25. August 1974. Ab 26. August 1974 war der Kläger als Lagerarbeiter tätig. Seinen Antrag, das Krankengeld nach seinem letzten Regellohn gemäß § 182 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu bemessen, hat die Beklagte abgelehnt. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Sozialgerichts (SG) die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die beantragte Zeit Krankengeld nach dem Regellohn gemäß § 182 RVO (statt nach der Höhe der Arbeitslosenhilfe) zu zahlen; die Revision wurde zugelassen. Zur Begründung wurde ausgeführt:
Gegen die Beigeladene habe ein Anspruch auf Krankengeld ab 17. Januar 1974 nicht mehr bestanden. Die Voraussetzung für das Wiederaufleben des Krankengeldanspruchs zu beginn der zweiten Blockfrist, nämlich das Bestehen einer Mitgliedschaft bei der Beigeladenen, habe beim Kläger seit dem 14. Mai 1972 nicht mehr bestanden. Ein Krankengeldanspruch bestehe aber gemäß § 155 AFG gegen die Beklagte. Diese habe das Krankengeld jedoch zu Unrecht nur in Höhe der (zuvor bezogenen) Arbeitslosenhilfe bezahlt. § 158 AFG bestimme zwar, daß als Krankengeld der Betrag der Arbeitslosenhilfe zu gewähren sei, auf den der Versicherte vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit Anspruch gehabt habe. Zu Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit im Jahre 1970 habe der Kläger aber noch keine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung bezogen, so daß die Vorschrift des § 158 Abs 1 AFG hier nicht "passe". Die Ansicht der Beklagten, dem Kläger stehe Krankengeld nur in Höhe der Arbeitslosenhilfe zu, könne daher nicht auf § 158 AFG gestützt werden. Das Krankengeld für die Zeit während der zweiten Blockfrist sei daher nach § 182 RVO zu berechnen. Das gelte schon deshalb, weil der latent weiterbestehende Anspruch zu Beginn der neuen Blockfrist lediglich wieder auflebe und nicht etwa neu entstehe. Daher habe bei einem zwischenzeitlich erfolgten Kassenwechsel die neue Kasse grundsätzlich auch für Leistungen aus Versicherungsfällen einzutreten, die sich noch während der Mitgliedschaft bei der alten Kasse, hier der Beigeladenen, ereignet hätten, also auch beim Wiederaufleben des Krankengeldanspruchs das Krankengeld zu zahlen. Daher seien hier diejenigen Verhältnisse maßgebend, die im Zeitpunkt des Versicherungsfalles bestanden hätten. Dem Kläger, dessen Arbeitsunfähigkeit nicht unterbrochen worden sei, stehe daher ein höheres Krankengeld zu.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Revision eingelegt. Hierzu hat sie vorgetragen:
Das LSG habe die Bestimmungen des § 182 Abs 1 Nr 2 RVO und der §§ 155, 158 AFG verletzt. Daß § 158 Abs 1 AFG hier nicht anwendbar sei, habe das LSG nicht überzeugend begründet. Es könne auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Beklagte geringere Beiträge erhalten habe als die Beigeladene; es könne aber nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber derjenigen Krankenkasse, die sich mit geringeren Beiträgen zufrieden geben müsse, unverhältnismäßig hohe Leistungen habe zumuten wollen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen vom 11. Mai 1978 aufzuheben
und die Berufung des Klägers gegen das Urteil
des Sozialgerichts Aachen zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Die Beigeladene hat sich dem Antrag und dem Vorbringen der Beklagten angeschlossen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Die Entscheidung des LSG ist im Ergebnis zutreffend.
War der Kläger, wie das LSG bindend festgestellt hat, wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig krank, dann konnte der am 14. Mai 1972 vorläufig erschöpfte Anspruch auf Krankengeld nach dem Ablauf von 3 Jahren ab dem (tatsächlichen) Beginn der Arbeitsunfähigkeit (beim Vorliegen einer weiteren, noch darzulegenden Voraussetzung) erneut für die gesetzlich vorgesehene Dauer wieder aufleben. Da nach den Feststellungen des LSG die Arbeitsunfähigkeit des Klägers - seine fehlende Fähigkeit, als Betonbauer zu arbeiten - am 9. November 1970 eingetreten war und auch wegen derselben Krankheit fortdauerte, war der Dreijahreszeitraum am 9. November 1973 abgelaufen (§ 188 Abs 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches), so daß am 10. November 1973 eine neue Dreijahresfrist hätte beginnen können. Ein solcher Anspruch lebt aber nur dann erneut auf, wenn zu diesem Zeitpunkt eine Mitgliedschaft zu einer Krankenkasse besteht (vgl die Urteile des BSG vom 5. Oktober 1977 - 3 RK 35/75 - und vom 15. Februar 1978 - 3 RK 57/77 -; BSGE 45, 11, 13; KVRS 2340/38). Wie der Senat in seinen Urteilen vom 28. November 1979 - 3 RK 90/78 - (BSGE 49, 163) und vom 29. Januar 1980 - 3 RK 57/79 - ebenfalls entschieden hat, lebt ein Krankengeldanspruch eines Versicherten, der in der zweiten Blockfrist wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig krank ist, auch dann wieder auf, wenn er der Krankenkasse als formalversicherter Rentenbewerber (§ 315a RVO) angehört. Nach § 315a RVO in der Fassung durch Art 1 § 1 Nr 13 des Finanzänderungsgesetzes 1967 vom 21. Dezember 1967 (BGBl I S 1259) galten als Mitglieder (solche) Personen, die eine Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter oder der Rentenversicherung der Angestellten beantragt haben, ohne die Voraussetzungen für den Bezug der Rente zu erfüllen. Das LSG hat in seinem Urteil zwar keine Feststellungen über das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen des § 315a RVO aF getroffen. Daß der Rentenantrag des Klägers vom 1. Juli 1971 erst durch Urteil des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. Februar 1976 (L 2 Kn 48/73) rechtskräftig zurückgewiesen wurde, ist zwischen den Beteiligten, wie in der mündlichen Verhandlung erklärt wurde, jedoch unstreitig.
Da die tatsächlichen Voraussetzungen des § 315a RVO zum Beginn der zweiten Blockfrist demnach vorgelegen haben, stand dem Kläger somit ein (wiederaufgelebter) Anspruch auf Krankengeld ab 17. Januar 1974 (- Antrag des Klägers auf Krankengeld; § 1545 Abs 1 Nr 2 RVO -) nach den §§ 182 Abs 1 Nr 2, 183 Abs 2 RVO zu.
Hinsichtlich dieses Anspruchs ist die Beklagte, wie sie auch selbst erklärt hat, passiv legitimiert.
Die Revision der Beklagten konnte demnach keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen