Leitsatz (amtlich)
Die fiktive Mitgliedschaft der erfolglosen Rentenantragsteller in der KVdR nach RVO § 315a ist gegenüber der faktischen Mitgliedschaft der Bezieher von Altersgeld, vorzeitigem Altersgeld oder Landabgaberente nach KVLG § 2 Abs 1 Nr 4, § 46 subsidiär.
Leitsatz (redaktionell)
Soweit in KVLG § 3 S 2 Nr 2 der formalen Mitgliedschaft nach RVO § 315a ein Vorrang gegenüber der Krankenversicherung der Landwirte eingeräumt wird, kann dies nur im Verhältnis zur formalen Mitgliedschaft nach KVLG § 49 gelten.
Normenkette
RVO § 165 Abs. 6 Fassung: 1967-12-21, § 315a Fassung: 1967-12-21; KVLG § 2 Abs. 1 Nr. 4 Fassung: 1972-08-10, § 3 S. 1 Fassung: 1972-08-10, § 46 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1972-08-10, § 47 Nr. 4 Fassung: 1972-08-10, § 3 S. 2 Nr. 2 Fassung: 1972-08-10, § 49 Fassung: 1972-08-10
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 23.04.1976; Aktenzeichen L 1 Kr 43/75) |
SG Schleswig (Entscheidung vom 05.11.1974; Aktenzeichen S 2 Kr 6/74) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Sozialgerichts Schleswig vom 5. November 1974 und des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 23. April 1976 aufgehoben.
Die Beklagte wird unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 1. Februar 1974 und 27. März 1974 verurteilt, dem Kläger die in der Zeit zwischen dem Rentenantrag vom 8. Januar 1973 und dem 30. November 1973 gezahlten Beiträge - 957,42 DM - zurückzuzahlen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger war als Bezieher eines Altersgeldes aus der landwirtschaftlichen Altershilfe bei einer landwirtschaftlichen Krankenkasse kostenfrei versichert. Nachdem er gemäß Art. 2 § 51 a Abs. 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) idF des Rentenreformgesetzes (RRG) vom 16. Oktober 1972 (BGBl I 1965) freiwillige Beiträge für die Zeit von 1956 bis Ende 1972 nachentrichtet hatte, stellte er im Januar 1973 Antrag auf Altersruhegeld bei der zuständigen Landesversicherungsanstalt. Diese Rente wurde ihm durch Bescheid vom 1. November 1973 ab Januar 1973 bewilligt. In diesem Bescheid wurde gemäß § 51 a Abs. 4 ArVNG festgestellt, daß diese Rente nicht als Rente im Sinne des § 165 der Reichsversicherungsordnung (RVO) gelte.
In der Zeit zwischen dem Rentenantrag und der Bewilligung der somit nicht zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) führenden Rente hatte er Beiträge an die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) entrichtet. Die Beklagte weigerte sich, diese Beiträge zu erstatten (Bescheid vom 1. Februar 1974 und vom 27. März 1974) und führte unter Bezugnahme auf die entsprechende Ansicht der landwirtschaftlichen Krankenkasse sinngemäß aus, gemäß § 3 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) vom 10. August 1972 (BGBl I 1433) gehe die Pflichtversicherung auch der Rentenantragsteller nach § 315 a RVO vor. Der Kläger habe wie andere Rentenbewerber, die erfolglos Antrag auf Rente stellten, die Beiträge für die Zeit des Rentenbewilligungsverfahrens selbst zu tragen.
Der Kläger hatte auch im bisherigen gerichtlichen Verfahren keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt, die Beitragspflicht der erfolglosen Rentenbewerber nach § 381 Abs. 3 RVO entstehe auch für die Rentenbewerber, die zwar eine Rente, nicht aber eine die endgültige Mitgliedschaft in der KVdR begründende Rente erlangen. In dieser in dem Einzelfall möglicherweise unbillig erscheinenden Regelung könne kein Verstoß gegen grundgesetzliche Normen (Art. 3 Abs. 1, Art. 14, Art. 20 des Grundgesetzes - GG -) gesehen werden. Besonders da das Versicherungsverhältnis zur landwirtschaftlichen Krankenkasse kostenfrei sei, könne eine Verletzung des Gebots des Eigentumsschutzes nicht in Betracht kommen. Die Subsidiarität der KVdR in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung gegenüber der Versicherung in der allgemeinen Krankenversicherung sei auch nicht eine willkürliche Regelung. Es sei durchaus sachgerecht, daß der Personenkreis, der von der durch das RRG zugelassenen Nachentrichtung von Beiträgen Gebrauch gemacht habe und zur Erlangung der Rentenberechtigung in der Lage gewesen sei, Beiträge in einer erheblichen Höhe nachzuentrichten, der Beitragspflicht zur Krankenversicherung während der Dauer des Rentenbewilligungsverfahrens unterliege. Im übrigen könne aus dem Sozialstaatsprinzip eine Verpflichtung zur allgemeinen Besitzstandswahrung sozialer Rechte nicht abgeleitet werden. Der Kläger könne sich auch nicht auf die am 25. April 1973 erteilte Belehrung berufen, worin es heiße: "Nach Bewilligung der Rente werden Ihnen gegen Vorlage des Rentenbescheides die Beiträge ab Beginn der Rente durch uns erstattet". Ein der Verbindlichkeit gemäß § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) fähiger Verwaltungsakt liege insoweit nicht vor; es fehle ersichtlich an dem Willen der Beklagten, hierdurch ihr Rechtsverhältnis mit dem Kläger zu regeln, zumal sie das diesem zugrunde liegende Rechtsverhältnis des Klägers zum Träger der Rentenversicherung, hier die Rentenberechtigung des Klägers, nicht habe überprüfen können.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der zugelassenen Revision. Er meint, daß auch die kostenlose Krankenversicherung bei der landwirtschaftlichen Krankenkasse als eine vermögenswerte öffentlich-rechtliche Rechtsposition den Eigentumsschutz des Art. 14 GG genieße. Eine Vorrangigkeit der kostenpflichtigen Versicherung nach § 315 a RVO sei sachlich nicht zu begründen, so daß ein Verstoß gegen Art. 3 GG und das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 GG vorliege. Der Kläger könne sich auch im Hinblick auf die ihm erteilte Belehrung auf den Vertrauensschutz berufen. Er beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 23. April 1976 und des Sozialgerichts Schleswig vom 5. November 1974 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihrer entgegenstehenden Bescheide zu verurteilen, ihm die für die Zeit vom 8. Januar 1973 bis 30. November 1973 in Höhe von 957,42 DM geleisteten Beiträge zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie führt aus, aus § 381 Abs. 3 RVO ergebe sich, daß nur bei Bewilligung einer zur KVdR führenden Rente eine Beitragserstattungspflicht der Krankenkasse entstehen könne. Im übrigen macht sie weitere Ausführungen zur Begründung der vom LSG vertretenen Rechtsauffassung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Der Kläger war in der Zeit zwischen seinem Antrag auf das Ruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung und dem diese Rente gewährenden Bescheid weder Mitglied (§ 306 Abs. 2 RVO) noch fiktives Mitglied (§ 315 a RVO) der beklagten AOK.
Rentenantragsteller sind nach § 306 Abs. 2 RVO Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn sie die Voraussetzungen für den Bezug von Rente erfüllen (§ 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO). Der Kläger erfüllt zwar die Voraussetzungen für den Bezug von Rente; seine Mitgliedschaft ist aber durch die Sondervorschrift des Art. 2 § 51 a Abs. 4 ArVNG ausgeschlossen. Die ihm gewährte Rente ist keine Rente im Sinne des § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO, weil sie lediglich auf freiwillig nach Art. 2 § 51 a Abs. 2 ArVNG nachentrichteten Beiträgen beruht. Das ist in dem dem Kläger zugestellten Rentenbewilligungsbescheid ausdrücklich festgestellt worden.
Der Kläger ist aber auch nicht fiktives Mitglied der beklagten Kasse geworden. Die fiktive Mitgliedschaft kommt Personen zu, die einen Antrag auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gestellt haben, aber - wie sich aus dem Bescheid des Rentenversicherungsträgers später ergibt - die Voraussetzungen für den Bezug von Rente nicht erfüllen. Sie werden in der Zeit des Rentenbewilligungsverfahrens wie Mitglieder behandelt, müssen aber die Beiträge endgültig selbst tragen (§ 381 Abs. 3 RVO). Der 11. Senat des Bundessozialgerichts - BSG - (BSGE 41, 85) und neuerdings auch der 12. Senat (vgl. Urteile vom 30. Juni 1977 - 12 RK 7/76 und 12/3 RK 87/75) haben entschieden, daß die Vorschrift über die fiktive Mitgliedschaft auch für Rentenbewerber gilt, die lediglich eine Rente begehren können, die nach Art. 2 § 51 a Abs. 4 ArVNG nicht zur Pflichtmitgliedschaft in der KVdR führt.
Die fiktive Mitgliedschaft in der allgemeinen KVdR (nach § 315 a RVO) wird von der faktischen Mitgliedschaft in der landwirtschaftlichen KVdR (nach §§ 46, 47 Nr. 4 iVm § 2 Abs. 1 Nr. 4 KVLG) verdrängt. Das ergibt sich aus dem Wortlaut und dem Sinn der Vorschriften, die das Verhältnis der Mitgliedschaft in der allgemeinen Krankenversicherung und der landwirtschaftlichen Krankenversicherung regeln.
Nach § 48 Abs. 1 Nr. 6 KVLG endet die Mitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung mit dem Zeitpunkt, zu dem der Versicherte als Versicherungspflichtiger Mitglied eines anderen Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung wird. Die Mitgliedschaft des Klägers in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung ist durch seinen Antrag auf Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht beendet worden. Denn dieser Antrag führte nicht zur Versicherungs pflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung nach der RVO. Die Versicherungspflicht könnte sich allenfalls aus § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO ergeben. Hiernach müßte der Kläger aber nicht nur die Rente beantragt haben, sondern auch die Voraussetzungen für ihren Bezug erfüllt haben. Das ist nicht der Fall. Die Rente, deren Voraussetzungen der Kläger erfüllt, ist, was sich aus Art. 2 § 51 a Abs. 4 ArVNG und dem bindend gewordenen Rentenbescheid ergibt, keine Rente nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO.
Die Mitgliedschaft, die für den Kläger aufgrund seines Rentenantrags allein in Betracht kommt, ist die fiktive nach § 315 a RVO. Diese Mitgliedschaft beruht aber nicht auf einer Pflichtversicherung, sondern setzt ausdrücklich voraus, daß die Voraussetzungen der Pflichtversicherung nicht erfüllt sind.
Die Mitgliedschaft, die § 315 a RVO fingiert, tritt zwar kraft Gesetzes ein. Sie ist lediglich an den - erfolglosen - Rentenantrag geknüpft, sie kann - abgesehen von der Befreiungsmöglichkeit nach § 315 a Abs. 1 Satz 2 iVm § 173 a RVO - auch nicht abbedungen werden. Damit ist die Versicherung, die der Mitgliedschaft nach § 315 a RVO zugrundeliegt, zwar eine gesetzliche Zwangsversicherung; sie ist aber keine Pflichtversicherung im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung.
Der Senat ist der Auffassung, daß es auch dem Sinn des § 315 a RVO entspricht, den durch diese Vorschrift erfaßten Personenkreis von dem Kreis der Pflichtversicherten abzusetzen. Denn durch die Pflichtversicherung werden - im Unterschied zur freiwilligen Versicherung - besondere Rechtsfolgen ausgelöst, die im Falle der Versicherung kraft erfolglosen Rentenantrages möglicherweise ausgeschlossen sein sollen. Hierbei ist besonders an § 306 RVO zu denken, wonach der Anspruch auf die Regelleistungen für die Versicherungspflichtigen bereits mit dem Beginn der Mitgliedschaft entsteht. Nur in Bezug auf diesen Personenkreis hat die Kasse auch für Versicherungsfälle einzustehen, die schon vor Beginn der Mitgliedschaft eingetreten sind (vgl. BSGE 40, 104, 105). Wenn man berücksichtigt, daß die Versicherung, die § 315 a RVO zugrunde liegt, nur für die Dauer des Rentenbewilligungsverfahrens durchgeführt wird, und daß außer dem Rentenantrag keine weiteren Voraussetzungen erfüllt sein müssen, ist es zumindest zweifelhaft, ob mit dieser Versicherung - Formalversicherung - die vollen Rechte der Pflichtversicherung erlangt werden.
Der Kläger ist bei Anwendung des § 48 Abs. 1 Nr. 6 KVLG nicht wie ein versicherungspflichtiges Mitglied der beklagten AOK zu behandeln. Diese immerhin denkbare Möglichkeit wird durch die Vorschriften ausgeschlossen, die speziell für den Fall getroffen sind, daß die allgemeine bzw. die landwirtschaftliche KVdR mit anderen gesetzlichen Versicherungen zusammentrifft. Hinsichtlich der allgemeinen KVdR ist bestimmt, daß eine Versicherung nach anderen gesetzlichen Vorschriften vorgeht. Denn nach § 165 Abs. 6 RVO ist Voraussetzung für die Pflichtversicherung der Rentner, daß sie nicht nach anderen gesetzlichen Vorschriften versichert sind. Diese Regelung gilt nach § 315 a Abs. 3 RVO auch für die nichtversicherungspflichtigen Mitglieder in der KVdR. Das heißt, daß im Falle einer anderweitigen gesetzlichen Versicherung eine Mitgliedschaft nach § 315 a RVO nicht fingiert wird. Die Versicherung des Klägers nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 KVLG ist eine Versicherung im Sinne des § 165 Abs. 6 RVO und damit auch im Sinne des § 315 a Abs. 3 RVO.
Der Vorrang der Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 KVLG wird entgegen der Meinung des LSG nicht durch die für die landwirtschaftliche KVdR geltenden Konkurrenzvorschriften des KVLG in das Gegenteil verkehrt; der Vorrang wird von diesen Vorschriften überhaupt nicht berührt.
Wie die landwirtschaftliche KVdR zu beurteilen ist, wenn die Voraussetzungen einer anderweitigen Versicherung gleichzeitig erfüllt sind, ist differenzierter geregelt als die Frage, wie sich eine anderweitige Versicherung auf die allgemeine KVdR auswirkt. Es gilt zunächst der für sämtliche Versicherungen nach dem KVLG im Grundsatz anwendbare § 3 Satz 1 KVLG. Danach ist nach dem KVLG nicht versichert, wer nach anderen gesetzlichen Vorschriften für den Fall der Krankheit versicherungspflichtig ist. In § 3 Satz 2 Nr. 1 bis 5 KVLG werden die Fallgruppen aufgeführt, in denen diese Grundregel nicht gilt, die Versicherung nach dem KVLG also vorgeht. Der Vorrang einer anderweitigen Versicherungspflicht besteht nach § 3 Satz 1 KVLG im Grundsatz auch dann, wenn sowohl eine Versicherung nach der landwirtschaftlichen KVdR (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 KVLG) besteht als auch die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht nach anderen gesetzlichen Vorschriften erfüllt sind. Anders ist dies nach § 3 Satz 2 Nr. 2 KVLG nur bei Personen, die in § 165 Abs. 1 Nr. 3 und § 315 a RVO bezeichnet sind, wenn sie nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 KVLG versichert sind und in den letzten zwanzig Jahren vor Stellung des Antrags auf Gewährung der in § 2 Abs. 1 Nr. 4 bezeichneten Leistungen für sie keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung wirksam entrichtet wurden oder als entrichtet gelten. Das heißt - positiv gewendet -: Wenn auch nur ein Beitrag in der genannten Zeit entrichtet worden ist, geht die allgemeine KVdR der landwirtschaftlichen KVdR vor, wie dies in § 3 Satz 1 KVLG allgemein bestimmt ist.
Ob diese Regelung auch dann eingreift, wenn nicht "in", sondern "für" die vorgenannte Zeit Beiträge nachentrichtet worden sind (vgl. dazu Volbers in Soziale Sicherheit in der Landwirtschaft, 1977 Heft 1 S. 89, 90), braucht nicht entschieden zu werden. Denn selbst wenn dies angenommen werden müßte, ist festzustellen, daß die Voraussetzungen des § 3 Satz 1 KVLG nicht vorliegen, weil der Kläger nach der RVO zwar versichert, nicht aber - wie ausgeführt - pflichtversichert sein könnte.
Das Verhältnis der beiden in Betracht kommenden Konkurrenzregelungen - des § 165 Abs. 6 RVO iVm § 315 a Abs. 3 RVO einerseits und des § 3 Satz 1 KVLG andererseits - ist daher nicht derart, daß die Regelung des KVLG die Regelung der RVO für die landwirtschaftliche KVdR in ihr Gegenteil verkehrt. § 165 Abs. 6 RVO iVm § 315 a Abs. 3 RVO weist einer anderweitigen gesetzlichen Versicherung den Vorrang zu; § 3 Satz 1 KVLG hingegen trifft nur für die Fälle eine entgegengesetzte Regelung, in denen eine anderweitige Pflichtversicherung vorliegt. Da aber der Kläger nach der RVO nicht pflichtversichert war, sondern in Verbindung mit der fiktiven Mitgliedschaft nur formalversichert sein konnte, ist er gemäß der unberührt gebliebenen Vorrangsregelung des § 165 Abs. 6 RVO auch in der streitigen Zeit Mitglied der landwirtschaftlichen KVdR gewesen.
§ 3 Satz 1 KVLG kann auch nicht über seinen Wortlaut hinaus erweiternd in dem Sinn ausgelegt werden, daß auch eine anderweitige Formalversicherung der Versicherung nach dem KVLG vorgeht. Darauf mag zwar die Erwähnung des § 315 a RVO in § 3 Satz 2 Nr. 2 KVLG hindeuten. Ein überzeugender sachlicher Grund besteht dafür aber nicht. Es liegt vielmehr näher, daß § 315 a RVO im Verhältnis zu der fiktiven Mitgliedschaft in der landwirtschaftlichen KVdR (vgl. § 49 KVLG) zu sehen ist, für die § 3 KVLG ebenfalls gilt (vgl. § 49 Abs. 1 Satz 2 KVLG). Entgegen der Annahme, daß die fiktive Mitgliedschaft nach § 315 a RVO der tatsächlichen Mitgliedschaft nach § 46 und § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVLG vorangestellt werden sollte, spricht auch, daß die Voraussetzungen dieses Vorrangs - Rentenversicherungsbeiträge in einer bestimmten Zeit - erst dann feststehen, wenn der Rentenbescheid endgültig ist. Da aber die fiktive Mitgliedschaft die Versicherung in einem Schwebezustand - zwischen Antrag und Rentenablehnung bzw. der Bewilligung einer nicht zur KVdR führenden Rente - regeln soll, besteht auch von dem Zweck der Fiktion einer Mitgliedschaft her gesehen kein überzeugender Grund, diese einer tatsächlichen Mitgliedschaft vorgehen zu lassen. Auch der Sinn und Zweck von Konkurrenzregelungen überhaupt spricht gegen die Auffassung, die fiktive Mitgliedschaft gehe der tatsächlichen Mitgliedschaft vor. Der Anwendungsbereich von Konkurrenzvorschriften ist beschränkt auf Fälle, in denen gleichrangige Rechte aufeinander treffen. Rechte mit unterschiedlicher Rangordnung treten nicht miteinander in Konkurrenz. Die nachgehenden Ansprüche werden bereits aufgrund ihrer Rangfolge verdrängt (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 29. September 1976 - 3 RK 12/76 in SozR 2200 § 1244 a Nr. 9).
Dieses Verständnis der erwähnten Konkurrenzvorschriften entspricht auch ihrem Sinn: Sie sollen eine gerechte Lastenverteilung zwischen den landwirtschaftlichen Krankenkassen und den anderen Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung herbeiführen. Sie führen zu einer Entlastung des Bundes, der zur Finanzierung der landwirtschaftlichen KVdR beizutragen hat (§ 63 KVLG) und zu einer Belastung der anderen Träger der KVdR. Es besteht kein sachlicher Anhaltspunkt dafür, daß an eine Entlastung des Bundes zu Lasten der Rentenantragsteller gedacht sein könnte.
Da der Kläger somit zu Unrecht zur Beitragsleistung herangezogen worden ist, steht ihm der geltend gemachte Erstattungsanspruch zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen