Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellungsklage anstelle einer zulässigen Leistungsklage. Feststellungsinteresse
Leitsatz (amtlich)
Sind auf einem Rezept mehrere verschiedenartige Heilmittel (einzeln oder als gleichartige Menge) verordnet, so fällt der Kostenbeitrag des Versicherten nach § 182a S 1 Buchst b RVO (Verordnungsblattgebühr) für jedes dieser Heilmittel gesondert an.
Orientierungssatz
Ein Kläger ist wegen der Natur des Beklagten als juristische Person des öffentlichen Rechts unter Durchbrechung des Grundsatzes der Subsidiarität der Feststellungsklage zwar nicht daran gehindert, anstelle einer zulässigen Leistungsklage eine Feststellungsklage zu erheben, bei einem über das Leistungsinteresse hinausgehenden Feststellungsinteresse kann aber umgekehrt nicht das Feststellungsinteresse verneint werden.
Normenkette
RVO § 182a S 1 Buchst b; SGG § 55 Abs 1 Nr 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist, ob die nach § 182a Satz 1 Buchstabe b der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu zahlende Verordnungsblattgebühr dann, wenn auf einem Verordnungsblatt mehrere Heilmittel verordnet werden, nur einmal oder mehrfach anfällt und wie die vom Kläger vorzunehmende Verrechnung demnach zu erfolgen hat.
Der als Masseur und medizinischer Bademeister zugelassene Kläger hat bei den drei beigeladenen Versicherten jeweils Massagen und andere (Fango- bzw Heißluft-) Behandlungen entsprechend der jeweils auf einem Rezept vermerkten Verordnung vorgenommen und von jeder Person nur eine einfache Verordnungsblattgebühr eingezogen. Die Beklagte belastete ihn aber aufgrund der Abrechnungen vom 16. Mai 1982 mit der doppelten Gebühr. Auf die Feststellungsklage des Klägers hat das Sozialgericht (SG) antragsgemäß festgestellt, daß die Beklagte bei einer Verordnung mehrerer Heilmittel im Sinne von § 182a Abs 1 Buchstabe b RVO auf einem Rezept die Kosten bis auf einen Betrag von 4,-- DM zu erstatten habe. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) die Klage hinsichtlich des Feststellungsantrages als unzulässig, hinsichtlich des (hilfsweise gestellten) Leistungsantrages als unbegründet abgewiesen. Hierzu hat es ausgeführt: Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten sei gegeben. Der Feststellungsantrag sei mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Der Leistungsantrag sei zulässig. Der Kläger sei auch aktiv legitimiert, da die Beklagte Verrechnungspflichten des Klägers geltend mache. Die Leistungsklage sei aber deshalb unbegründet, weil in den streitigen Fällen eine doppelte Verordnungsblattgebühr in Ansatz zu bringen sei. Bei Verordnung verschiedener, selbständiger Heilmittel sei die Gebühr mehrfach zu erheben. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sein Feststellungsinteresse sei zu bejahen. Das LSG habe § 182a Satz 1 Buchstabe b RVO falsch ausgelegt. Der Kläger beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Bremen aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 16. September 1983 zurückzuweisen, hilfsweise, unter Abänderung des angegriffenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger aufgrund der Abrechnung vom 16. Mai 1982 in den Behandlungsfällen der Beigeladenen je weitere 4,-- DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Für die Beigeladenen ist niemand aufgetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im wesentlichen unbegründet.
Das LSG hat zutreffend den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit bejaht. Zwischen den Beteiligten ist es nicht mehr umstritten, daß es sich hier um eine öffentlichrechtliche Streitigkeit in einer Angelegenheit der Sozialversicherung im Sinne des § 51 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) handelt. Der Streit geht um die Pflichten des in das öffentlichrechtliche System der gesetzlichen Krankenversicherung als Leistungserbringer (durch Zulassung) einbezogenen Klägers gegenüber dem Versicherungsträger, wobei sich der Inhalt seiner Verpflichtung unmittelbar aus der Auslegung der öffentlichrechtlichen, eine Angelegenheit der Sozialversicherung betreffenden Norm des § 182a RVO ergibt (vgl hierzu den Beschluß des Senats vom 12. März 1985 - 3 RK 33/83 - KVRS A-9800/1).
Entgegen der Ansicht des LSG ist hinsichtlich des Hauptantrages das Feststellungsinteresse des Klägers gegeben. Das LSG hat hierzu ausgeführt, daß im Rahmen einer Leistungsklage (auf Zahlung des Differenzbetrages) über die Höhe der Verordnungsblattgebühr zu befinden sei und die Beklagte auch für künftige Abrechnungen sich daran gebunden fühle, so daß ein Feststellungsinteresse im Hinblick auf künftige Fälle zu verneinen sei. Aus diesen Ausführungen ergibt sich, daß das LSG dem Kläger auch hinsichtlich künftiger Fälle im Grunde ein Feststellungsinteresse zugesteht, es aber der Ansicht ist, daß hier (weil es sich bei der Beklagten um eine juristische Person des öffentlichen Rechts handelt) ein Leistungsantrag ausreiche. Das LSG übersieht, daß wegen der Natur des Beklagten als juristische Person des öffentlichen Rechts ein Kläger unter Durchbrechung des Grundsatzes der Subsidiarität der Feststellungsklage zwar nicht daran gehindert ist, anstelle einer zulässigen Leistungsklage eine Feststellungsklage zu erheben, daß aber umgekehrt bei einem über das Leistungsinteresse hinausgehenden Feststellungsinteresse aus den genannten Gründen nicht das Feststellungsinteresse (letztlich) wieder verneint werden kann. In jedem Leistungsurteil steckt auch eine rechtliche Feststellung desselben Umfanges. Beschränkt sich der Kläger aus den in der Person des Beklagten liegenden besonderen Gründen auf eine Feststellungsklage, kann daher vom Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage ohne weiteres abgegangen werden. Etwas anderes ist es aber, wenn der Kläger ein über den Leistungsantrag hinausgehendes Feststellungsinteresse hat. Erhebt hier der Kläger (auch) eine Feststellungsklage, so verstößt er gegen keinen entsprechenden Grundsatz. Der Kläger hätte hier zwar neben seiner Feststellungsklage eine Leistungsklage auf Zahlung der streitigen 12,-- DM erheben können. Die Argumentation des LSG vermag nur zu rechtfertigen, daß der Kläger es auch insoweit bei der bloßen Feststellungsklage beläßt. Die vom LSG zitierten Entscheidungen und Kommentarstellen (BSGE 43, 148, 150; 46, 81, 84; Meyer-Ladewig, SGG mit Erläuterungen, 2. Aufl 1981, § 55 RZ 19; Rohwer-Kahlmann, Aufbau und Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit, Stand: Oktober 1984, § 55 RZ 3) tragen seine Rechtsansicht nicht. Die Feststellungsklage des Klägers ist daher zulässig. Sie hat die Feststellung eines Rechtsverhältnisses zum Gegenstand (§ 55 Abs 1 Nr 1 SGG), wozu auch einzelne Berechtigungen oder Verpflichtungen eines weitergehenden Rechtsverhältnisses gehören, wenn das Interesse sich gerade auf sie bezieht und wozu auch Streitigkeiten über Inhalt und Ausmaß gesetzlich normierter Verpflichtungen zu rechnen sind (BSGE 43, 148, 150 mit weiteren Hinweisen).
Dem Kläger fehlt die Sachlegitimation nicht etwa deswegen, weil sein Anspruch nur von dem durch die Verordnungsblattgebühr betroffenen Versicherten geltend gemacht werden könnte. Der Streit geht nicht nur um die Zahlungspflicht als solche, sondern darüber, in welcher Höhe der Kläger - als Zahlstelle des Kostenbeitrages - gegenüber dem behandelten Versicherten eine Verordnungsblattgebühr einzuziehen gehalten ist. Insofern geht es um die eigenen Rechte und Pflichten des Klägers.
Nach § 182a RVO zahlt der Versicherte, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, als Verordnungsblattgebühr bei der Abnahme von Heilmitteln vier Deutsche Mark je Verordnung (Satz 1 Buchstabe b), während die Verordnungsblattgebühr bei der Abnahme von Arznei- und Verbandsmitteln "für jedes verordnete Mittel" zwei Deutsche Mark beträgt (Satz 1 Buchstabe a). Daraus, daß unter Buchstabe a ausdrücklich auf das verordnete Mittel abgestellt, unter Buchstabe b aber die Wendung "je Verordnung" gebracht wird, folgert der Kläger, daß bei Heilmitteln die Gebühr von 4,-- DM unabhängig von der Anzahl der auf dem Rezept verordneten Heilmittelarten nur einmal pro Rezept anfalle. Diese Ansicht ist jedoch, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, nicht richtig. Das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz (KVKG) vom 27. Juni 1977 (BGBl I 1069) hatte (mit Wirkung vom 1. Juli 1977) für den § 182a Satz 1 RVO eine einheitliche Fassung insofern, als es hieß, daß bei der Abnahme von Arznei-, Verband- und Heilmitteln der Versicherte eine Deutsche Mark "für jedes verordnete Mittel" zu zahlen hat. Das Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz (KVEG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1578) brachte dann (mit Wirkung vom 1. Januar 1982) die gegenwärtige getrennte Bestimmung des Kostenbeitrages bei der Abnahme (a) "von Arznei- und Verbandmitteln für jedes verordnete Mittel" (- durch das Haushaltbegleitgesetz 1983 vom 20. Dezember 1982, BGBl I 1857, wurde der Betrag von 1,50 DM auf jetzt 2,-- DM erhöht -) und der Abnahme (b) "von Heilmitteln" (vier Deutsche Mark) "je Verordnung". Wie das LSG ausführlich dargelegt hat, geht dieser Text auf einen Vorschlag des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung zurück, der zu Art 1 Nr 3 (§ 182a RVO) ua ausgeführt hatte: "Maßgebend ist nicht die Menge der verordneten Heilmittel, sondern die Anzahl der Verordnungen. Bei der Verordnung von sechs Massagen handelt es sich somit um eine Verordnung" (Drucksache des Deutschen Bundestages 9/977 vom 3. November 1981, S 22d. Damit wird deutlich, daß der sprachliche Ausdruck "je Verordnung" (in § 182a Satz 1 Buchstabe b RVO) nicht im Sinne des Klägers als der sich in dem einzelnen Rezept objektivierende (Gesamt-) Verordnungswille des Arztes zu verstehen ist - eine vom bloßen Wortlaut her gesehen, wie dem Kläger zuzugestehen ist, durchaus naheliegende Auslegung -, sondern im Sinne von "je verordnetem Heilmittel" aufgefaßt werden muß. Ob damit auch erklärt ist, warum der Gesetzgeber bei den Arznei- und Verbandmitteln die Wendung "für jedes verordnete Mittel", bei den Heilmitteln aber den Ausdruck "je Verordnung" gebraucht, ist fraglich. Wenn das LSG meint, man habe damit einer Fehlauslegung der Bestimmung über den Heilmittel-Kostenbeitrag entgegenwirken wollen, so wäre damit nicht erklärt, warum nicht einheitlich für beide Fälle die Formulierung "für jedes verordnete Mittel" verwendet wurde und der Ausschuß nicht erklärt hat, was darunter jeweils zu verstehen sei. Dies schließt freilich nicht aus, daß die einseitige Klarstellung des Ausschusses, wonach es sich bei der Verordnung von sechs Massagen um ein verordnetes Heilmittel handele, seine Rechtfertigung darin finden mag, daß ein solcher Hinweis bei einem Arzneimittel als weniger notwendig erscheinen kann; bei einer verordneten Packung von Tabletten wird kaum ein Streit darüber entstehen, ob auch die Einzeltablette als das verordnete Mittel im Sinne des § 182a RVO anzusehen sei. Mit dem oben zitierten Hinweis des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung steht jedenfalls fest, daß der Gesetzgeber, der dessen Vorschlag übernommen hat, in beiden Fällen das jeweils verordnete Mittel meinte, auch wenn die Verwendung unterschiedlicher sprachlicher Wendungen unerfindlich bleibt. Auch soweit der Kläger dahin argumentiert, daß der um das Doppelte höhere Beitrag bei Heilmitteln gegenüber dem Beitrag bei Arzneimitteln für seine Rechtsansicht spreche, vermag er nicht durchzudringen. Denn nach den Ausführungen des obengenannten Ausschusses ist die Festsetzung eines höheren Kostenbeitrages bei Heilmitteln "wegen deren gegenüber Arznei- und Verbandmitteln höheren Kosten" erfolgt. Damit scheidet jedenfalls die Möglichkeit aus, daß die unterschiedliche Kostenbeitragshöhe ein Anhaltspunkt für die Auslegung des Klägers sein könnte. Soweit der Kläger schließlich vorträgt, "daß Fango-Packungen und Massagen als zwei Heilmittel für den gleichen medizinischen Erfolg zusammenwirken und somit Gegenstand einer Verordnung sein können, wenn diese Verordnung auf einen einheitlichen Heilerfolg hinzielt", ist ihm entgegenzuhalten, daß nach den obigen Ausführungen bei der Beantwortung der Frage, wann es sich um ein den Kostenbeitrag nach § 182a RVO auslösendes verordnetes Mittel handelt, nicht auf den übergreifenden Heilzweck der Verordnungen abzustellen ist, sondern darauf, ob der Arzt insoweit eine einzelne, hierauf gerichtete konkrete Verordnung (nach den Regeln der ärztlichen Kunst) vorgenommen hat. Etwas anderes könnte dann gelten, wenn der Arzt die Mittel mengenmäßig kleiner gehalten hat als offensichtlich zweckmäßig und notwendig war, er also den mengenmäßigen Umfang desselben Mittels ohne therapeutischen Grund beschränkte und daher zu einer weiteren Verordnung genötigt war. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Die streitbefangenen Massagen und Fangobehandlungen bzw Massagen und Heißluftbehandlungen stellen verschiedenartige, gesondert verordnete Mittel dar, so daß für jede verordnete Heilmittelserie der Kostenbeitrag von 4,-- DM angefallen ist.
Mit der (sich aus dem Urteilstenor ergebenden) Maßgabe, daß die Feststellungsklage als unbegründet abgewiesen wird, war die Revision daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1661667 |
BSGE, 266 |