Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherungsschutz bei Richtfesten. Versicherungsschutz, wenn Heimweg von mehr als 2 Stunden unterbrochen oder verzögert angetreten wurde

 

Orientierungssatz

1. Bei Richtfesten sind nur diejenigen Festteilnehmer versichert, die bei der Herstellung des Bauwerks bis zum Zeitpunkt des Richtfestes wesentlich mitgewirkt haben.

2. Nach der neueren Rechtsprechung des BSG für das Wiederaufleben des Versicherungsschutzes nach einer länger als zwei Stunden dauernden Unterbrechung oder einem länger als zwei Stunden verzögerten Antritt des Weges von dem Ort der Tätigkeit sind grundsätzlich nur solche Umstände zu berücksichtigen, die erkennen lassen, daß der Versicherte sich bei Ablauf der Zeitdauer von zwei Stunden bemüht hatte, den unterbrochenen Weg von dem Ort der Tätigkeit fortzusetzen oder den noch nicht begonnenen Weg anzutreten (vgl BSG 1979-12-18 2 RU 53/78 = SozR 2200 § 550 Nr 42; BSG 1977-02-24 8 RU 42/76 = SozR 2200 § 550 Nr 27).

 

Normenkette

RVO § 548 Abs 1 S 1 Fassung: 1963-04-30, § 550 Abs 1 Fassung: 1974-04-01

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 22.07.1980; Aktenzeichen L 6 U 523/79)

SG Lüneburg (Entscheidung vom 14.09.1979; Aktenzeichen S 2 U 20/78)

 

Tatbestand

Die Kläger sind die Witwe und die Waise des am 16. September 1977 infolge eines Unfalls verstorbenen Dachdeckergesellen G A (A.). Dieser war bei der inzwischen in Konkurs aufgelösten Firma R und M in W E bei L als Dachdecker beschäftigt. Das Unternehmen hatte im Jahre 1977 von dem Architekten A (Architekt A.) in L den Auftrag erhalten, das Dach eines für den Bauherrn R in B bei L im Bau befindlichen Hauses mit Dachpfannen zu decken sowie die Regenrinnen und die Regenfallrohre anzubringen. Am 16. September 1977 (Freitag) wurde von den Zimmerern der Dachstuhl des Hauses gerichtet. Anschließend sollte auf dem Neubau das Richtfest mit Richtschmaus gefeiert werden. Hierzu lud der Architekt A. die bis zum Richtfest am Bau tätig gewesenen Maurer und Zimmerer ein, ferner mündlich oder fernmündlich Angehörige (Handwerker und Büropersonal) der Folgewerke, wie Dachdecker, Tischler, Estrichleger und Glaser. Der Architekt A. und der Mitinhaber der Firma R und M, F R M (M.), hatten für den 16. September 1977 um etwa 16.00 Uhr eine Baubesprechung auf dem Neubau vereinbart, bei der mit den Zimmerern und den Dachdeckern Einzelheiten der am Dach von beiden Handwerkergruppen auszuführenden Arbeiten besprochen werden sollten. Nach Absprache mit dem bei der Firma R und M beschäftigten Dachdeckermeister T sollte M. zu dieser Besprechung die im Unternehmen tätigen Dachdecker A. und W (W.) hinzuziehen, die in der folgenden Woche mit dem Decken des Daches und den Klempnerarbeiten am Dach beginnen sollten. A., der am 15. und 16. September 1977 Urlaub hatte, weil seine Ehefrau am 15. September 1977 nach längerem Krankenhausaufenthalt entlassen worden war, wurde am Vormittag des 16. September 1977 im Auftrag des M. in seiner Wohnung entsprechend benachrichtigt. Er weigerte sich zunächst, nach B mitzufahren. Als ihn W. jedoch gegen 16.00 Uhr im Auftrag des M. in seiner Wohnung abholte, fuhr er auf Zureden seiner Ehefrau schließlich doch mit. M., W. und A. fuhren mit den Kraftwagen des M. nach B.

A., W. und der Architekt A. sowie die Zimmerer besprachen zunächst Einzelheiten der Bauausführung am Dach. M. war hierbei nicht zugegen. Die Besprechung dauerte etwa 45 Minuten. Danach wurde auf dem Neubau ein warmes Essen gereicht. Dazu und danach wurden auch alkoholische Getränke ausgeschenkt. Außer den vom Architekten A. eingeladenen etwa 20 Personen - sechs bis acht Zimmerer, zehn Maurer, ein Elektromeister und ein Elektriker - hatten sich 30 bis 40 weitere Gäste eingefunden, die von dem Bauherrn eingeladen worden waren. Das Richtfest endete etwa gegen 21.15 Uhr. M., A. und W. fuhren mit dem Kraftwagen des M. von der Baustelle ab. Etwa um 21.30 Uhr geriet das Fahrzeug kurz nach dem Durchfahren der Ortschaft V, ausgangs einer Linkskurve, nach rechts auf den Seitenstreifen, überquerte die Fahrbahn auf etwa 60 m nach links und stieß dort nacheinander gegen zwei Straßenbäume. A. und W. starben an der Unfallstelle, M. am nächsten Tag im Krankenhaus.

Durch Bescheid vom 6. Januar 1978 lehnte die Beklagte Entschädigungsansprüche der Klägerin zu 1) und durch Bescheid vom 20. Juni 1978 Entschädigungsansprüche des Klägers zu 2) ab: Die betriebliche Tätigkeit des Dachdecker sei gegen 17.00 Uhr beendet gewesen. Der anschließende Aufenthalt auf der Richtfeier habe nicht im Zusammenhang mit der betrieblichen Beschäftigung gestanden, sondern sei als eigenwirtschaftliche Tätigkeit anzusehen, die nicht dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterliege. Durch den mehrstündigen Aufenthalt aus privaten Gründen sei es zu einer endgültigen Lösung von der Beschäftigung im Unternehmen gekommen. Zur Zeit des Unfalls habe daher kein Versicherungsschutz bestanden.

Das Sozialgericht (SG) Lüneburg hat beide Bescheide aufgehoben und die Beklagte dem Grunde nach verurteilt, den Klägern die gesetzlichen Leistungen aus der Unfallversicherung (Sterbegeld, Überbrückungshilfe, Witwen- und Waisenrente) nebst gesetzlichen Zinsen zu gewähren (Urteil vom 14. September 1979). Die auf die Verurteilung zur Gewährung von Hinterbliebenenrente beschränkte Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen zurückgewiesen (Urteil vom 22. Juli 1980). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Besprechung auf dem Neubau mit den Zimmerern, an der A. und W. teilgenommen haben, sei eine mit dem Beschäftigungsverhältnis bei der Firma R und M zusammenhängende Tätigkeit gewesen. A. habe den Versicherungsschutz für die Rückfahrt nicht dadurch verloren, daß er sich nach der Besprechung noch über vier Stunden auf der Baustelle aufgehalten und am Richtfest teilgenommen habe. Zwar sei die Teilnahme des A. am Richtfest seinem persönlichen unversicherten Bereich zuzurechnen, jedoch habe er sich dadurch von der vorangegangenen versicherten Tätigkeit (Baubesprechung) nicht endgültig gelöst. Allerdings stehe ein Versicherter, der den Antritt des Heimweges von der versicherten Tätigkeit um mehr als zwei Stunden durch eine privaten Zwecken dienende Verrichtung hinausschiebe, auf dem anschließenden Weg in Richtung auf seine Familienwohnung im allgemeinen nicht mehr unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Jedoch sei die Zeitdauer von zwei Stunden keine absolute Grenze. Der Versicherungsschutz lebe auch nach Ablauf von zwei Stunden in Ausnahmefällen wieder auf. Ein solcher Ausnahmefall liege hier vor. A. sei es nicht zuzumuten gewesen, das Richtfest nach dem Ende der Baubesprechung zu verlassen, zu Fuß zu der nächsten Bushaltestelle zu gehen, mit dem Bus in die Innenstadt von L zu fahren und von dort aus entweder mit einem anderen Bus, einem Taxi oder wiederum zu Fuß seine Wohnung zu erreichen. Da W. und A. im Kraftwagen des M. nach B gefahren seien, sei wahrscheinlich, daß M. ihnen eine gemeinsame Rückfahrt angeboten habe. Ferner sei anzunehmen, daß M., da er an dem Richtfest aus unternehmerischem Interesse teilgenommen habe, wie in dem Urteil vom selben Tage in dem Parallelverfahren L 6 U 542/79 im einzelnen ausgeführt sei, W. und A. gebeten, wenn nicht sogar überredet habe, bis zu seiner Rückfahrt auf dem Neubau zu verweilen. Diese anzunehmende Bitte hätten W. und A. nicht ausschlagen können, ohne den Eindruck der Abneigung oder der Gleichgültigkeit hervorzurufen und damit das zwischen ihnen und M. bestehende Über- und Unterordnungsverhältnis zu beeinträchtigen. Es hätte auch bei den anderen Betriebszugehörigen der Firma R und M einen nachteiligen Eindruck hinterlassen. Das gleiche gelte im Verhältnis zu dem Architekten A. und dem Bauherrn, die eine Teilnahme der Dachdecker am Richtfest erwartet hätten. Nach den eingeholten Auskünften sei es zudem üblich, daß die zur Zeit des Richtfestes auf dem Neubau anwesenden Ausbauhandwerker an dem Fest teilnehmen. Schließlich habe die Teilnahme des A. an dem Richtfest auch in einem - wenn auch losen - ursächlichen Zusammenhang mit seiner Beschäftigung bei der Firma R und M gestanden. A. habe zu den Bauhandwerkern gehört, die an dem Neubau noch tätig werden sollten. Das gemeinsame berufliche Interesse aller an einem Bau beteiligten Handwerker erzeuge ein Gefühl beruflicher Verbundenheit, das ohne zwingende Gründe nicht aufs Spiel gesetzt zu werden pflege. Es habe sich für A. nicht um eine private gesellige Zusammenkunft, sondern um ein Fest gehandelt, an dem er nur wegen seiner beruflichen Aufgaben an diesem Bauwerk und wahrscheinlich auch nur deshalb teilgenommen habe, weil er sich zuvor berufsbedingt auf dem Neubau aufgehalten habe. Diese besonderen Umstände hätten den Versicherungsschutz trotz Unterbrechung der versicherten Tätigkeit durch die Teilnahme am Richtfest über vier Stunden wieder aufleben lassen, als A. unmittelbar nach Ende des Richtfestes die Baustelle verlassen habe, um zusammen mit M. und W. im Kraftwagen des M. nach L zu fahren. Der Versicherungsschutz für A. sei nicht durch Alkoholbeeinflussung des Fahrers W. ausgeschlossen. Es bestehe kein Anhalt dafür, daß A. alkoholbedingt als Mitfahrer das fahrerische Verhalten des W. beeinflußt und dadurch den Unfall mitverursacht habe.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt und rügt die Verletzung des § 550 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und der §§ 103 und 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Sie beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 22. Juli

1980 und des Sozialgerichts Lüneburg vom 14. September 1979

aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen. Sie halten das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend, sind jedoch weiterhin der Auffassung, daß A. auch während der Teilnahme am Richtfest unter Versicherungsschutz gestanden habe. Jedenfalls aber sei der Versicherungsschutz bei Beginn der Heimfahrt wieder aufgelebt, weil A. Anspruch auf Rücktransport im Pkw des M. gehabt habe, nachdem er sich nur im Betriebsinteresse trotz seines Urlaubs zur Teilnahme an der Baubesprechung bereit erklärt hatte.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil des LSG ist aufzuheben, weil das LSG die auf die Verurteilung zur Gewährung von Hinterbliebenenrenten (Witwen- und Waisenrente) beschränkte Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zu Unrecht zurückgewiesen hat. Insoweit ist auch das Urteil des SG aufzuheben und sind die Klagen abzuweisen, weil die Kläger keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrenten haben. Diese Ansprüche hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zu Recht abgelehnt.

Der Anspruch auf Witwenrente (§ 590 RVO) und auf Waisenrente (§ 595 RVO) setzt voraus, daß der Versicherte durch einen Arbeitsunfall gestorben ist (§ 589 Abs 1 Nr 3 RVO). Nach § 548 Abs 1 RVO ist Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet. Als Arbeitsunfall gilt nach § 550 Abs 1 RVO auch ein Unfall auf einem mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit. Als der Ehemann und Vater der Kläger am 16. September 1977 starb, befand er sich nicht auf einem mit seiner versicherten Tätigkeit (§ 539 Abs 1 Nr 1 RVO) bei der Firma R und M zusammenhängenden Weg nach Hause.

Als A. am Nachmittag des Unfalltages zusammen mit W. und M. zu der Baustelle nach B fuhr, war A. zwar auf dem Weg zu einer mit seinem Beschäftigungsverhältnis in der Firma R und M zusammenhängenden versicherten Tätigkeit. Denn bei der vereinbarten Besprechung auf der Baustelle sollten mit den an dem Bau tätigen Zimmerern Einzelheiten der Herrichtung des Dachstuhles für die in der folgenden Woche von W. und A. zu verrichtenden Dachdeckerarbeiten besprochen werden. Spätestens mit Abschluß der Baubesprechung gegen 17.00 Uhr war jedoch entgegen der Auffassung der Vorinstanzen die versicherte Tätigkeit des A. beendet. Sein weiteres Verweilen auf der Baustelle, vor allem die Teilnahme an dem Richtfest, stand mit einem Beschäftigungsverhältnis nicht mehr in einem ursächlichen Zusammenhang.

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (BSGE 21, 226) ist ein Richtfest nach altem Handwerksbrauch eine symbolisch einen betrieblichen Arbeitsvorgang unmittelbar abschließende Veranstaltung und vereint alle, die bei der Herstellung des Bauwerks mitgearbeitet haben. Dabei kommt die Freude der am Bau Beschäftigten über das gelungene Werk und die Anerkennung des Bauherrn, der die Kosten der Veranstaltung trägt, über die geleistete Arbeit zum Ausdruck. Darin liegt im wesentlichen der Grund, den am Richtfest teilnehmenden Bauarbeitern und Zimmerern, die den Rohbau erstellt haben, grundsätzlich den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zukommen zu lassen. Aus dieser Eigenart und Zweckbestimmung des Richtfestes folgt, daß nur diejenigen Festteilnehmer versichert sind, die bei der Herstellung des Bauwerks bis zum Zeitpunkt des Richtfestes wesentlich mitgewirkt haben. Nach den aufgrund eingehender Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen des LSG, die die Kläger mit zutreffenden und begründenden Revisionsrügen nicht angefochten haben, hat sich das Wesen des Richtfestes seitdem nicht in einer Weise geändert, daß nunmehr auch andere bisher am Bau nicht tätig gewesene Handwerker grundsätzlich mit eingeladen werden. Ein solcher Wandel könnte im übrigen nicht dazu führen, daß weitere Personengruppen bei Richtfesten in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert wären. Richtfeste würden dadurch einen anderen Charakter erhalten und nicht mehr dem oben erwähnten herkömmlichen Handwerksbrauch entsprechen, aus dem sich die Rechtfertigung für den Versicherungsschutz herleitet. Eine Ausdehnung des Unfallversicherungsschutzes auf die übrigen Teilnehmer wäre jedenfalls nicht mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung zu vereinbaren. Auch eine Abgrenzung wäre nicht mehr möglich. Diese Auffassung deckt sich mit der des gleichfalls für Angelegenheiten der Unfallversicherung zuständigen 8. Senats des BSG (BSGE 41, 58; Urteil vom 30. Juli 1981 - 8/8a 58/80 - SozR 2200 § 548 Nr 57). Die dem privaten und damit unversicherten Bereich des A. zuzurechnende Teilnahme am Richtfest von 17.00 Uhr bis gegen 21.15 Uhr (ca 4 1/4 Stunden) hat nicht nur zur Unterbrechung, sondern zum endgültigen Verlust des Versicherungsschutzes geführt. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (SozR 2200 § 550 Nr 12 und 42), der sich der 8. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) angeschlossen hat (SozR 2200 § 550 Nr 27), steht ein Versicherter, der den Weg vom Ort der versicherten Tätigkeit um mehr als zwei Stunden durch eine privaten Zwecken dienende Verrichtung unterbrochen hat, auf dem anschließenden restlichen Weg im allgemeinen nicht mehr unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Die neuere, im Interesse der Rechtssicherheit den Zeitfaktor stärker betonende Rechtsprechung des Senats berücksichtigt, daß zwar im Grundsatz der Versicherungsschutz nach jeder Unterbrechung auf dem weiteren Weg von dem Ort der Tätigkeit wieder auflebt, sofern nicht aus der Dauer und der Art der Unterbrechung auf eine endgültige Lösung des Zusammenhanges zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Weg von dem Ort der Tätigkeit geschlossen werden kann. Jedoch wird nunmehr im Rahmen einer bestimmten Zeitdauer vermieden, für die Beurteilung des Wiederauflebens des Versicherungsschutzes auf dem weiteren Weg von dem Ort der Tätigkeit zwischen den für die Unterbrechung in Betracht kommenden zahlreichen privaten Gründen differenzieren zu müssen; zugleich wird auch ein von den Versicherten sicher zu beurteilendes Kriterium maßgebend, so daß sie im Regelfall zeitlich abschätzen können, bis wann sie nach einer privaten Zwecken dienenden Unterbrechung auf dem weiteren Weg von dem Ort der Tätigkeit wieder versichert sind. Andererseits werden dadurch Fälle, in denen auch bei Überschreitung der Zeitdauer von zwei Stunden der Versicherungsschutz auf dem weiteren Weg von dem Ort der Tätigkeit anzunehmen wäre, auf nur durch besondere Umstände gekennzeichnete Ausnahmen beschränkt (vgl Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 9. Aufl S 487 c). Was nach dieser Rechtsprechung für die Unterbrechung des bereits begonnenen Weges von dem Ort der Tätigkeit gilt, ist auch auf Fälle anzuwenden, in denen der Heimweg nach Beendigung der versicherten Tätigkeit aus Gründen, die nicht mit dieser Tätigkeit zusammenhängen, verzögert angetreten wird (BSG SozR Nr 7 zu § 543 RVO aF; SozR 2200 § 550 Nr 6 und 42).

Zu Unrecht hat das LSG angenommen, daß in Bezug auf A. besondere Umstände vorgelegen haben, die trotz der Unterbrechung der versicherten Tätigkeit durch die Teilnahme am Richtfest von über vier Stunden den Versicherungsschutz des A. nach dem Ende des Richtfestes wieder haben aufleben lassen. Die tatsächlichen Feststellungen des LSG rechtfertigen nicht den Schluß, daß es für A. unzumutbar gewesen wäre, das Richtfest innerhalb von zwei Stunden nach dem Ende der Baubesprechung zu verlassen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause zu fahren. Den Ausführungen des LSG ist zu entnehmen, daß A. mit dem Bus nach L und innerhalb der Stadt mit einem weiteren Bus zu seiner Wohnung hätte fahren können. Über die Entfernung, die A. dabei zurückzulegen gehabt hätte, fehlen zwar ausdrückliche Feststellungen, jedoch kann aus der Zeit, die W., A. und M. für die Hinfahrt benötigt haben, geschlossen werden, daß die Wegstrecke von B nach L auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln in weniger als 30 Minuten hätte zurückgelegt werden können. Dem angefochtenen Urteil kann auch kein Anhalt dafür entnommen werden, daß M. versprochen hatte, W. und A. mit seinem Auto nach Hause zu fahren. Da nach dem den Klägern zur Kenntnis übersandten Urteil des 8. Senats des BSG vom 30. Juli 1981 (aaO) auch für M. die Teilnahme am Richtfest keine in seinem unternehmerischen Interesse liegende versicherte Tätigkeit gewesen ist, fehlt es an der Voraussetzung für die auf die gegenteilige Auffassung gestützte Annahme des LSG, M. habe W. und A. gebeten, bis zu seiner Rückfahrt auf dem Neubau zu verweilen. Daß M. als Mitinhaber der Firma R und M W. und A., die an der Teilnahme am Richtfest kein großes Interesse hatten, kraft seines Direktionsrechts zum Bleiben aufgefordert hat, ist vom LSG nicht festgestellt. In dem M., betreffenden Urteil vom 30. Juli 1981 (aaO) hat der 8. Senat des BSG ausgeführt, daß M. einen triftigen Grund gehabt hätte, die Baustelle nach Abschluß der Baubesprechung zu verlassen, um A. nach Hause zu fahren, der ursprünglich nicht an der Besprechung habe teilnehmen wollen, weil er wegen der Rückkehr seiner Ehefrau aus dem Krankenhaus Urlaub gehabt habe. Unter diesen Umständen rechtfertigt es sich nicht anzunehmen, A. und W. hätten sich nach der Baubesprechung nicht innerhalb von zwei Stunden von der Baustelle entfernen können, ohne bei M. den Eindruck der Abneigung oder Gleichgültigkeit hervorzurufen, wodurch das zu M. bestehende Unterordnungsverhältnis beeinträchtigt worden wäre. Die Feststellungen des LSG geben auch keinen Anhalt dafür, daß der Architekt A. oder der Bauherr durch die Ablehnung der Einladung, am Richtfest teilzunehmen, verärgert gewesen wären, was Nachteile für die Firma R und M hätte zur Folge haben können. Der 8. Senat des BSG hat dies im Urteil vom 30. Juli 1981 (aaO) sogar für den Fall verneint, daß M. die Einladung zum Richtfest abgelehnt hätte. Selbst wenn A., wie die Kläger meinen, einen Anspruch darauf hatte, nach dem Ende der Baubesprechung mit dem Pkw des M. nach Hause gefahren zu werden, ist das mehr als vierstündige Warten auf die Erfüllung eines solchen Anspruchs schon wegen der zumutbaren anderweitigen Fahrtmöglichkeiten nicht der versicherten Tätigkeit zuzurechnen oder als ein Umstand anzusehen, der einen Versicherungsschutz auf dem späteren Heimweg begründen könnte. Schließlich lebte der Versicherungsschutz nach Beendigung des Richtfestes auch nicht deshalb wieder auf, weil es üblich ist, daß zur Zeit des Richtfestes auf einem Neubau anwesende Ausbauhandwerker am Fest teilnehmen und das gemeinsame berufliche Interesse aller an einem Bau beschäftigten Handwerker ein Gefühl der beruflichen Verbundenheit erzeugt, das ohne zwingende Gründe nicht aufs Spiel gesetzt zu werden pflegt. Entgegen der Auffassung des LSG stand dadurch die Teilnahme des A. am Richtfest in keinem - auch nicht in einem losen - ursächlichen Zusammenhang mit dessen versicherter Tätigkeit bei der Firma R und M. Die hier vorliegende Fallgestaltung ist nicht den Umständen zuzurechnen, die bei Überschreitung der Zeitdauer von zwei Stunden den Versicherungsschutz für den weiteren oder den verzögert angetretenen Weg von dem Ort der Tätigkeit wieder aufleben lassen. Vielmehr handelt es sich um jene privaten Gründe, denen nach der neueren Rechtsprechung des BSG für das Wiederaufleben des Versicherungsschutzes nach einer länger als zwei Stunden dauernden Unterbrechung oder einem länger als zwei Stunden verzögerten Antritt des Weges von dem Ort der Tätigkeit keine Bedeutung mehr zukommt. Zu berücksichtigen sind grundsätzlich nur solche Umstände, die erkennen lassen, daß der Versicherte sich bei Ablauf der Zeitdauer von zwei Stunden bemüht hatte, den unterbrochenen Weg von dem Ort der Tätigkeit fortzusetzen oder den noch nicht begonnen Weg anzutreten. An solchen Umständen fehlt es jedoch im vorliegenden Fall.

Da sonach der durch die Teilnahme am Richtfest unterbrochene Versicherungsschutz bis zum Eintritt des Unfalls nicht wieder aufgelebt war, hat A. keinen Arbeitsunfall erlitten. Ansprüche auf Hinterbliebenenrenten nebst Zinsen stehen den Klägern nicht zu. Die Revision der Beklagten hatte daher Erfolg, ohne daß auf die Verfahrensrügen der Beklagten eingegangen zu werden brauchte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1661385

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