Entscheidungsstichwort (Thema)
Konkursausfallgeld. Einstellung nach Eröffnung des Konkursverfahrens. Konkurs des Konkursverwalters
Orientierungssatz
1. Der Arbeitnehmer, der nach Eintritt des Insolvenzereignisses mit dem Konkursverwalter ein Arbeitsverhältnis eingeht, ist nicht nach §§ 141a ff AFG geschützt.
2. Solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit andauert, kann kein neues Insolvenzereignis iS von § 141b Abs 1 und 3 AFG eintreten und Ansprüche auf Konkursausfallgeld auslösen. Ohne Bedeutung ist insbesondere in den Fällen der Eröffnung des Konkursverfahrens, ob und wie lange der Konkursverwalter das Unternehmen fortführt sowie ob er Arbeitsverhältnisse begründet und diese unter Umständen über mehrere Jahre bestehen. Ist ein Konkursverfahren eröffnet worden und führt der Konkursverwalter während der Dauer des Konkursverfahrens den Betrieb fort, so endet dieses Insolvenzereignis auch erst mit dem Ende des Konkursverfahrens.
3. Die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Konkursverwalters ist kein Insolvenzereignis iS des § 141b AFG.
Normenkette
AFG § § 141a, 141b Abs 1, § 141b Abs 3; KO §§ 6, 59 Abs 1 Nr 1
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 14.10.1988; Aktenzeichen L 6 Ar 47/88) |
SG Trier (Entscheidung vom 29.02.1988; Aktenzeichen S 1 Ar 122/87) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger Konkursausfallgeld (Kaug) für Lohnrückstände aus einem nach der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen eines Unternehmens zwischen dem Konkursverwalter und dem Kläger geschlossenen Arbeitsverhältnis zu zahlen hat.
Durch Beschluß des Amtsgerichts Bitburg vom 3. November 1980 ist über das Vermögen der Firma P. B. (B.), Natursteinwerk, Inhaber F. B. in N. das Konkursverfahren eröffnet und der Rechtsbeistand K. (K.) zum Konkursverwalter bestimmt worden. Dieser hat die Geschäfte des Unternehmens des Gemeinschuldners bis zum Jahreswechsel 1986/1987 fortgeführt und ua am 12. August 1985 ein Arbeitsverhältnis mit dem Kläger begründet. Er hat dem Kläger auch bis einschließlich September 1986 das Arbeitsentgelt gezahlt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung seitens des Konkursverwalters am 31. Dezember 1986; zu diesem Zeitpunkt ist auch der Betrieb des vorgenannten Unternehmens stillgelegt worden.
Der Konkursverwalter K. ist am 16. Februar 1987 abberufen worden. Seither ist Konkursverwalter der Rechtsanwalt V. . Über das Vermögen des früheren Konkursverwalters K. ist am 26. Februar 1987 das Konkursverfahren eröffnet worden. Die Beklagte hat mit dem Bescheid vom 12. Juni 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1987 den Antrag des Klägers auf Zahlung von Kaug für die Monate Oktober bis einschließlich Dezember 1986 abgelehnt.
Die Klage und die - vom Sozialgericht (SG) zugelassene - Berufung des Klägers sind ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat den Beschluß des Amtsgerichts Bitburg vom 3. November 1980 als allein maßgebliches Insolvenzereignis angesehen und die Ablehnung der Zahlung von Kaug durch die Beklagte wegen des Fehlens eines nicht befriedigten Lohnanspruchs gegen den Gemeinschuldner für gerechtfertigt angesehen. Insbesondere sei die Stillegung des Betriebes der Firma B. kein entscheidungserhebliches neues Insolvenzereignis. Schließlich seien die Vorschriften der §§ 141a ff des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) auch nicht analog auf die vom Konkursverwalter begründeten Arbeitsverhältnisse anzuwenden. Der Konkursverwalter K. sei auch nicht Arbeitgeber des Klägers geworden, so daß die Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen kein Insolvenzereignis iS des § 141b AFG hinsichtlich des rückständigen Lohnanspruches gegen die Firma B. gewesen sei.
Der Kläger macht zur Begründung seiner - vom LSG zugelassenen - Revision geltend, das LSG habe die Rechtsstellung des Konkursverwalters unzutreffend beurteilt. Es habe die Bestimmungen der Konkursordnung (KO) nicht berücksichtigt, nach welchen der Konkursverwalter gegenüber Arbeitnehmern hafte. Diese Normen in Verbindung mit § 141b AFG legten die Auffassung nahe, daß der Konkursverwalter in dem hier interessierenden Zusammenhang als Arbeitgeber des Klägers anzusehen sei. Dies zeige auch die Verpflichtung des Konkursverwalters, Arbeitsschutznormen zu beachten sowie sein Haftungsprivileg nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO).
Wenn die Vorschriften über die Gewährung von Kaug restriktiv wie im Urteil des LSG ausgelegt würden, führt dies nach Meinung des Klägers nicht zu dem vom Gesetzgeber verfolgten Ziel. Im übrigen sei bei ihm infolge der jahrelangen Fortführung des Unternehmens ein beachtenswerter Vertrauenstatbestand geschaffen worden.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 12. Juni 1987 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1987 und der Urteile des SG Trier vom 29. Februar 1988 und des LSG Rheinland-Pfalz vom 14. Oktober 1988 die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Konkursausfallgeld nach den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Nach ihrem Vortrag wird die Arbeitgeberstellung des Gemeinschuldners durch die Eröffnung des Konkursverfahrens nicht beseitigt. Der Konkursverwalter begründe keine Arbeitsverhältnisse mit sich selbst. Die Fortführung eines Betriebes sei auch nicht als Betriebsübergang nach § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu werten.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Die Beklagte und die Vorinstanzen haben zu Recht angenommen, daß für die streitige Zeit die Voraussetzungen für die Gewährung von Kaug nicht vorliegen.
Das LSG ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß das maßgebliche Insolvenzereignis iS des § 141b Abs 1 AFG der Beschluß des Amtsgerichts Bitburg vom 3. November 1980 über die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Firma B. ist. Solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit andauert, kann kein neues Insolvenzereignis iS von § 141b Abs 1 und 3 AFG eintreten und Ansprüche auf Kaug auslösen (vgl dazu BSG SozR 4100 § 141b Nrn 6 und 37; Urteil vom 11. Januar 1989 - 10 RAr 7/87 -, zur Veröffentlichung bestimmt). Ohne Bedeutung ist insbesondere in den Fällen der Eröffnung des Konkursverfahrens, ob und wie lange der Konkursverwalter das Unternehmen fortführt sowie ob er Arbeitsverhältnisse begründet und diese unter Umständen über mehrere Jahre bestehen. Ist ein Konkursverfahren eröffnet worden und führt der Konkursverwalter während der Dauer des Konkursverfahrens den Betrieb fort, so endet dieses Insolvenzereignis auch erst mit dem Ende des Konkursverfahrens. Deshalb begründet insbesondere der Umstand, daß der Konkursverwalter im vorliegenden Fall die Betriebstätigkeit des Unternehmens über mehrere Jahre aufrechterhalten hat, die Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit nicht. Infolgedessen ist auch der Arbeitnehmer, der nach Eintritt des Insolvenzereignisses mit dem Konkursverwalter ein Arbeitsverhältnis eingeht, nicht nach §§ 141a ff AFG geschützt. Vielmehr sind durch die Vorschriften der §§ 141a ff AFG nur die Arbeitnehmer gesichert, die im Zeitpunkt des Eintrittes des Insolvenzereignisses in einem Arbeitsverhältnis mit dem Gemeinschuldner standen. Der erkennende Senat hat dies schon in seinem Urteil vom 19. März 1986 (BSG SozR 4100 § 141b Nr 37) unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des Kaug-Rechts dargelegt. An dieser Rechtsprechung hat der Senat auch in den Urteilen vom 3. November 1987 - 10 RAr 12/87 - (USK 87103), vom 11. Januar 1989 (aaO) vom 22. Februar 1989 - 10 RAr 7/88 - (nicht veröffentlicht) und vom 17. Mai 1989 - 10 RAr 10/88 - festgehalten. Er hat keinen Anlaß, im vorliegenden Falle anders zu entscheiden. Dieser unterscheidet sich zwar von den vom vorgenannten Urteil zugrundeliegenden Sachverhalten dadurch, daß dort jeweils die Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse unterblieben war und statt dessen ein der Eröffnung des Konkursverfahrens (§ 141b Abs 1 AFG) gemäß § 141b Abs 3 AFG gleichgestelltes Insolvenzereignis vorlag. Dieser Sachverhaltsunterschied erfordert indessen für den Fall des Klägers keine andere Inhaltsbestimmung des § 141b AFG. Im Gegenteil: Während ein Arbeitnehmer in einem Fall seiner Beschäftigung durch einen Unternehmer, über dessen Unternehmen zuvor das Konkursverfahren mangels einer die Kosten deckenden Masse nicht eröffnet worden war, ohne daß dies dem Arbeitnehmer bekanntgeworden ist, nach der Zielsetzung der §§ 141a ff AFG wegen des Fehlens einer die Befriedigung rückständiger Lohnforderungen ermöglichenden Masse nicht geschützt ist, hat der vom Konkursverwalter eingestellte Arbeitnehmer den Anspruch aus § 59 Abs 1 Nr 1 KO. Im Hinblick auf die Publizität der Eröffnung des Konkursverfahrens (vgl dazu ausführlich BSG SozR 4100 § 141e Nr 1), insbesondere die öffentliche Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses (§ 111 KO) ist dem Arbeitnehmer die bestehende und andauernde Insolvenz des Unternehmens bekannt, er kann sich im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages durch den Konkursverwalter weder über die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmers täuschen noch arbeitet er in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses "weiter" (§ 141b Abs 4 AFG).
Ein neues, einen Anspruch auf Kaug begründendes Insolvenzereignis ist hier auch nicht, wie die Revision meint, mit der Einstellung der Betriebstätigkeit am 31. Dezember 1986 durch den Konkursverwalter K. eingetreten. Denn der Gesetzgeber hat in § 141b Abs 1 AFG ausdrücklich nur auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens durch einen Eröffnungsbeschluß iS des § 108 KO abgestellt. Dem steht die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit gemäß § 141b Abs 3 Nr 2 AFG nur gleich, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Konkursverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt. Daran ändert auch die Zielsetzung der auf die alsbaldige vollständige Liquidation des Gesamtvermögens des Gemeinschuldners ausgerichteten KO nichts, der die längere Fortführung eines in Konkurs gefallenen Unternehmens durch den Konkursverwalter möglicherweise entgegensteht. Der Gesetzgeber verfolgt mit den §§ 141a ff AFG nicht die Ziele der KO, sondern begründet lediglich eine zusätzliche Sicherung bestimmter Lohnforderungen im Konkurs des Arbeitgebers. Daher konnte auch der Umstand, daß der Konkursverwalter K. den Betrieb des Gemeinschuldners längere Zeit fortgeführt hat, kein neues Insolvenzereignis iS des § 141b Abs 3 Nr 2 AFG begründen.
Zutreffend hat das LSG schließlich angenommen, daß auch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des ersten Konkursverwalters K. kein Insolvenzereignis iS des § 141b AFG ist. Unbeschadet des Theorienstreits über die rechtliche Stellung des Konkursverwalters im Konkurs über das Vermögen des Gemeinschuldners (vgl Mentzel/Kuhn/Uhlenbrock, Komm zur KO, 9. Aufl 1979, Anm II RdNr 17 zu § 6; Kilger, Konkursordnung, 15. Aufl, Anm 1, 2 zu § 6 KO mit zahlreichen weiteren Nachweisen) ist allgemein anerkannt und in § 6 KO auch im Wortlaut des Gesetzes zum Ausdruck gekommen, daß der Konkursverwalter zwar im eigenen Namen, jedoch nur für und gegen die Masse handelt. Auch wenn der Konkursverwalter unter bestimmten Umständen und insbesondere nach § 82 KO persönlich haftet, so ändert das nichts daran, daß er bei der Fortführung des Betriebes nicht persönlich, sondern nur in seiner Funktion als Konkursverwalter und damit nur als Repräsentant der Masse zum Arbeitgeber und Lohnschuldner wird. Infolgedessen ist auch aus Arbeitsverhältnissen, die der Konkursverwalter im Rahmen seiner Verwaltertätigkeit für das insolvente Unternehmen eingeht, nur die Masse berechtigt und verpflichtet.
Da das LSG festgestellt hat, daß der Konkursverwalter K. den Kläger im Rahmen der Fortführung des zur Konkursmasse gehörenden Unternehmens des Gemeinschuldners eingestellt hat, ist auch der Konkurs des Konkursverwalters K. kein Kaug-Ereignis iS des § 141b AFG, das Kaug-Ansprüche hinsichtlich der aus diesem Arbeitsverhältnis rückständigen Lohnansprüche begründen kann, zumal da er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Konkursverwalter war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen