Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung der Studenten. Grundlohn. Versorgungsbezüge. Waisengeld. verdeckte Gesetzeslücke

 

Orientierungssatz

1. Werden Beiträge nebeneinander sowohl nach dem Grundlohn des § 180 Abs 3b RVO als auch nach dem des § 180 Abs 6 RVO (hier Waisengeld) erhoben, so wird nicht nur der fiktive Bedarfssatz des § 180 Abs 3b RVO, sondern zugleich eine zur Deckung des Bedarfs bestimmte Leistung mit Beiträgen belegt, was im Ergebnis eine doppelte Belastung der tatsächlichen Einkünfte mit Beiträgen zur Folge hat. Insofern enthält das Gesetz in seiner bis zum 31.12.1986 anzuwendenden alten Fassung eine "verdeckte Lücke", die nach seinem Sinn und Zweck zu schließen ist, und zwar dahin, daß der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge nur insoweit als beitragspflichtiger Grundlohn gilt, als er den fiktiven Grundlohn des § 180 Abs 3b RVO übersteigt.

2. Eine wortgetreue Anwendung des § 180 Abs 6 RVO hätte dem Zweck der Regelung zuwider zu einer erheblichen Beitragsungerechtigkeit geführt, die auch verfassungsrechtlich bedenklich gewesen wäre (Art 3 Abs 1 GG).

 

Normenkette

RVO § 180 Abs 3b Fassung: 1975-06-24, § 180 Abs 6 Nr 2 Fassung: 1981-12-01, § 180 Abs 8 S 2 Nr 1 Fassung: 1981-12-01, § 165 Abs 1 Nr 5 Fassung: 1975-06-24; GG Art 3 Abs 1 Fassung: 1949-05-23

 

Verfahrensgang

SG Berlin (Entscheidung vom 13.12.1984; Aktenzeichen S 75 Kr 350/83)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des von der Klägerin als pflichtversicherter Studentin zu entrichtenden Krankenversicherungsbeitrags.

Die Klägerin war seit 1981 als Studentin der Freien Universität B. in der Krankenversicherung der Studenten (KVdSt) pflichtversichert. Der nach § 180 Abs 3b der Reichsversicherungsordnung (RVO) bemessene Beitrag betrug im Wintersemester 1982/83 monatlich 55,44 DM. Seit dem 1. Februar 1983 bezog die Klägerin Waisengeld (zunächst in Höhe von 627,89 DM und ab Juli 1983 in Höhe von 635,01 DM monatlich). Mit Bescheid vom 4. Juli 1983 forderte die Beklagte ab 1. Februar 1983 zusätzlich zu dem bisherigen Beitrag einen monatlichen Beitrag in Höhe von 37,99 DM aus dem Waisengeld. Dem Widerspruch der Klägerin half die Beklagte nicht ab (Widerspruchsbescheid vom 1. September 1983).

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat der Klage stattgegeben und den Bescheid der Beklagten vom 4. Juli 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. September 1983 sowie den nach Klageerhebung ergangenen Berichtigungsbescheid vom 21. November 1983 aufgehoben. Das SG hat ausgeführt, aus dem eindeutigen Wortlaut des § 180 Abs 6 RVO ergebe sich, daß die Grundlohnberechnung für die Bemessung des Krankenversicherungsbeitrages pflichtversicherter Studenten sowohl nach § 180 Abs 3b RVO als auch nach § 180 Abs 6 Nr 2 RVO zu erfolgen habe; danach gelte für Versicherungspflichtige, die ua Versorgungsbezüge erhalten und nicht nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO versichert sind, als Grundlohn a u c h der auf den Kalendertag entfallende Teil der Versorgungsbezüge. Dennoch könnten die angefochtenen Bescheide keinen Bestand haben. Die Erhebung von Beiträgen aus einem nach § 180 Abs 6 Nr 2 RVO ermittelten Grundlohn zusätzlich zu Beiträgen aus dem Grundlohn nach § 180 Abs 3b RVO sei nämlich mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen - dem Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) und dem Sozialstaatsgebot des Art 20 Abs 1 GG - nicht zu vereinbaren. Sachliche Gründe, die die Regelung rechtfertigen könnten, seien nicht erkennbar und ließen sich insbesondere der Gesetzesbegründung des Rentenanpassungsgesetzes 1982 (RAG 1982) nicht entnehmen. Es sei mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht vereinbar, wenn eine einzelne Gruppe aus der Gesamtheit der eingeschriebenen Studenten staatlicher Hochschulen, nämlich die Bezieher von Waisengeld, über den allgemeinen Krankenversicherungsbeitrag für Studenten hinaus mit einem zusätzlichen Beitrag aus dem Waisengeld belastet würden. Gestützt auf die den Berliner Gerichten zustehende "Verwerfungskompetenz" hat das SG von einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gemäß Art 100 Abs 1 GG abgesehen und die von ihm für verfassungswidrig gehaltene Vorschrift im konkreten Einzelfall nicht angewandt.

Mit der - vom SG im Urteil zugelassenen - Sprungrevision rügt die Beklagte die Verletzung des § 180 Abs 6 Nr 2 RVO iVm den §§ 180 Abs 8 Satz 2 Nr 1, 385 Abs 2a RVO sowie der Art 3 Abs 1 und 20 Abs 1 GG. Sie ist der Meinung, das SG übersehe die Problematik einer Grundlohnberechnung, der nicht ein tatsächliches, sondern ein fiktives Einkommen zugrunde gelegt werde. Der nach § 180 Abs 3b RVO als monatlicher Bedarf nach § 13 Abs 1 und 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) festgesetzte Betrag entspreche nicht dem tatsächlich erzielten Einkommen, das niedriger, aber auch höher sein könne. Die Höhe des Beitrags sei angesichts des umfassenden Krankenversicherungsschutzes extrem günstig. Der Gesetzgeber habe insofern bei der Regelung der KVdSt das Sozialstaatsgebot in gebührender Weise beachtet und die Schutzwürdigkeit der Gruppe der Studenten angemessen berücksichtigt. Es sei folgerichtig und systemgerecht, wenn er neben dem extrem niedrigen aus einem fiktiven Einkommen errechneten Beitrag für Studenten auch tatsächliche Einkommen bei der Beitragserhebung berücksichtige, die nunmehr als Versorgungsbezüge der Beitragspflicht unterlägen. Der insgesamt zu zahlende Beitrag sei immer noch günstig gegenüber den Beiträgen der übrigen Versicherten. Die Unterschiede in den zu regelnden Sachverhalten seien hinsichtlich der Studenten, die eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung oder Versorgungsbezüge erhalten, gegenüber den übrigen Studenten so bedeutsam, daß sich der Gesetzgeber zu einer Regelung mit unterschiedlicher Beitragsbelastung habe entschließen dürfen. Insbesondere sei der Rechtsauffassung des SG zu widersprechen, daß nur ein vollständiger Verzicht auf eine Grundlohnberechnung nach § 180 Abs 6 Nr 2 RVO im Falle der Grundlohnberechnung nach § 180 Abs 3b RVO verfassungsrechtlich vertretbar sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen bzw den Rechtsstreit auszusetzen und gemäß Art 100 Abs 1 GG die Entscheidung des BVerfG über die Gültigkeit der Norm einzuholen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

Das SG hat im Ergebnis zu Recht die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben. Die Klägerin ist nicht verpflichtet, zusätzlich zu dem nach dem Grundlohn aus § 180 Abs 3b RVO bemessenen Beitrag einen weiteren Beitrag aus dem Waisengeld zu entrichten. Entgegen der Auffassung des SG hält der Senat die Vorschrift des § 180 Abs 6 RVO, soweit sie für den vorliegenden Sachverhalt in Betracht kommt, allerdings nicht für verfassungswidrig. Die Aufhebung der streitigen Beitragsfestsetzung ist schon bei verfassungskonformer Auslegung und Anwendung der Vorschrift begründet.

Die Klägerin war in der Zeit ab 1. Februar 1983, auf die sich die streitigen Bescheide beziehen, als Studentin nach § 165 Abs 1 Nr 5 RVO pflichtversichert und Mitglied der Beklagten; ein Tatbestand der Versicherungsfreiheit lag nicht vor; sie war auch nicht von der Versicherungspflicht befreit. Die für die studentische Krankenversicherung zu entrichtenden Beiträge, die die Studenten allein zu tragen und einzuzahlen haben (§ 381a Satz 4, § 393d Abs 1 Satz 1 RVO), sind nach § 385 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 RVO in Hundertsteln des Grundlohns zu erheben. Als Grundlohn gilt für die in § 165 Abs 1 Nr 5 RVO bezeichneten Versicherten nach § 180 Abs 3b RVO ein Dreißigstel des Betrages, der als monatlicher Bedarf nach § 13 Abs 1 und 2 BAföG für Studenten an Hochschulen festgesetzt ist, die nicht bei ihren Eltern wohnen. Das waren 1983 monatlich 660 DM (§ 13 Abs 1 Nr 2, Abs 2 Nr 2 BAföG sowohl idF des Gesetzes vom 13. Juli 1981 - BGBl I 625 - als auch in der Neufassung vom 6. Juni 1983 - BGBl I 646 -). Dieser Betrag wurde damit für alle versicherungspflichtigen Studenten in derselben Höhe und ohne Rücksicht auf Art und Höhe ihrer tatsächlichen Einkünfte als (monatlicher) Grundlohn fingiert. Auf ihn war ein (ermäßigter) Beitragssatz iS des § 381a Sätze 1 bis 3 RVO in Höhe von 8,4 vH anzuwenden (Bekanntmachungen des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 12. Mai und 29. November 1982, BABl 1982 Nr 7/8, S 44, und 1983 Nr 1, S 83). Damit hatte die Klägerin als versicherungspflichtige Studentin (§ 393d Abs 1 Satz 1 RVO) einen monatlichen Beitrag von 55,44 DM zu entrichten, was auch geschehen ist. Dieses ist unter den Beteiligten nicht umstritten und auch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Zu entscheiden ist nur darüber, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe daneben Versorgungsbezüge der Klägerin nach § 180 Abs 6 Nr 2 RVO beitragspflichtig waren. Nach dieser Vorschrift gilt für Versicherungspflichtige, die - wie die Klägerin - nicht als Rentner gemäß § 165 Abs 1 Nr 3 RVO versichert sind, als (beitragspflichtiger) Grundlohn "auch" (dh hier: zusätzlich zu dem Betrag des § 180 Abs 3b RVO) der auf den Kalendertag entfallende Teil des Zahlbetrages der Versorgungsbezüge. Dem Gesetzeswortlaut nach hatten daher versicherungspflichtige Studentinnen wie die Klägerin in der fraglichen Zeit Beiträge sowohl von dem fiktiven Grundlohn des § 180 Abs 3b RVO als auch von dem Zahlbetrag der Versorgungsbezüge zu entrichten, und zwar nebeneinander. Dieses lief jedoch dem Sinn der gesetzlichen Regelung zuwider und war auch mit allgemeinen Grundsätzen des Beitragsrechts nicht vereinbar.

Die Regelungen des § 180 Abs 6 RVO sind im Zusammenhang damit zu sehen, daß nach § 180 Abs 5 RVO bei versicherungspflichtigen Rentnern (§ 165 Abs 1 Nr 3 RVO) seit dem 1. Januar 1983 neben dem Zahlbetrag der Rente auch der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge (und das Arbeitseinkommen) beitragspflichtig geworden sind. Damit sollten alle Rentner zur solidarischen Finanzierung der Krankenversicherung entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit herangezogen werden (BSGE 58, 1, 7 = SozR 2200 § 180 Nr 23; BSGE 58, 10, 16 = SozR 2200 § 180 Nr 25). Von den Versorgungsbezügen sollten Beiträge aber auch dann entrichtet werden, "wenn der Versorgungsempfänger nicht wegen des Bezuges einer Rente, sondern aufgrund einer Beschäftigung in der Krankenversicherung pflichtversichert ist" (so der Regierungsentwurf BT-Drucks 9/458, S 30 links oben). Deshalb wurde die Regelung des § 180 Abs 5 RVO in Abs 6 im Grundsatz auf solche Versicherte übertragen, "die aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses pflichtversichert sind und entweder Rente oder Versorgungsbezüge erhalten" (aaO S 34 links Mitte). Nach dieser Begründung scheint der Gesetzgeber die Regelung des § 180 Abs 6 RVO auf Personen zugeschnitten zu haben, die als (noch) Beschäftigte nach § 165 Abs 1 Nr 1 oder Nr 2 RVO versicherungspflichtig sind und neben dem Arbeitsentgelt Rente oder (und) Versorgungsbezüge erhalten, deren Leistungsfähigkeit mithin durch alle Einnahmen dieser Art bestimmt und entsprechend erhöht wird.

Hiernach könnte bezweifelt werden, ob § 180 Abs 6 Nr 2 RVO überhaupt neben § 180 Abs 3b RVO auf versicherungspflichtige Studenten mit Versorgungsbezügen anzuwenden ist, da ihnen neben diesen Bezügen Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht zufließt. Gleichwohl hält sich der Senat - bei voller Würdigung der Gründe, die hier für eine Bemessung der Beiträge allein nach § 180 Abs 3b RVO sprechen (sie würde vor allem eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung bedeuten) - zu einer solchen Auslegung des Gesetzes nicht für befugt. Dagegen spricht zunächst, daß § 180 Abs 6 Nr 2 RVO den Zahlbetrag der Versorgungsbezüge "zusammen mit den Beträgen nach Abs 1 bis 3b" nennt und damit nicht nur auf die Grundlohnregelung für versicherungspflichtig Beschäftigte (§ 180 Abs 1 RVO), sondern auch auf die für versicherungspflichtige Studenten (§ 180 Abs 3b RVO) verweist. Außerdem hat der Gesetzgeber, mag er auch in der Begründung zu § 180 Abs 6 RVO in erster Linie an versicherungspflichtig Beschäftigte mit Arbeitsentgelt und Rente oder Versorgungsbezügen gedacht haben (BT-Drucks 9/458, S 34 links), in diesem Zusammenhang doch auch die an die Stelle des Arbeitsentgelts tretenden Grundlohnbeträge (ua für Studenten) erwähnt (aaO). Weiterhin ist zu beachten, daß grundsätzlich bei allen Versicherungspflichtigen "unabhängig vom Grund der Versicherungspflicht" (BT-Drucks 9/458, S 30 links oben) die Versorgungsbezüge zu Beitragsleistungen herangezogen werden sollten. Schließlich ist der Gesetzgeber in einer noch zu behandelnden Gesetzesergänzung offenbar davon ausgegangen, daß § 180 Abs 6 RVO auch für versicherungspflichtige Studenten mit Versorgungsbezügen gegolten hat und weiterhin gilt.

§ 180 Abs 6 RVO war andererseits während der hier maßgebenden Zeit bei versicherungspflichtigen Studenten mit Versorgungsbezügen nicht uneingeschränkt neben § 180 Abs 3b RVO anzuwenden. Denn dabei bliebe unberücksichtigt, daß § 180 Abs 3b RVO den Grundlohn und damit die Beitragspflicht nach einem "Bedarf" bemißt, der nicht nur durch die im BAföG vorgesehenen Leistungen, sondern auch durch die genannten Versorgungsbezüge gedeckt werden kann. Demgemäß werden diese Versorgungsbezüge auf die nach dem BAföG geleistete Ausbildungsförderung - von bestimmten Freibeträgen abgesehen - angerechnet, schließen insoweit also eine Ausbildungsförderung aus (§ 11 Abs 2, § 21 Abs 3 Satz 1 Nr 1, § 23 Abs 4 Nr 1 BAföG). Auch bei Studenten, die keine Ausbildungsförderung erhalten, mindern Versorgungsbezüge etwaige Unterhaltsansprüche, verweisen mithin diese Studenten insoweit zur Deckung ihres Lebensbedarfs auf ihre Versorgungsbezüge. Würden nun Beiträge nebeneinander sowohl nach dem Grundlohn des § 180 Abs 3b RVO als auch nach dem des § 180 Abs 6 RVO erhoben, so würde nicht nur der fiktive Bedarfssatz des § 180 Abs 3b RVO, sondern zugleich eine zur Deckung des Bedarfs bestimmte Leistung mit Beiträgen belegt, was im Ergebnis eine doppelte Belastung der tatsächlichen Einkünfte mit Beiträgen zur Folge hätte. Dies und das dargelegte Verhältnis zwischen Ausbildungsförderung und Versorgungsbezügen ist vom Gesetzgeber zunächst offenbar nicht hinreichend bedacht und geregelt worden. Insofern enthielt daher das Gesetz in seiner hier noch anzuwendenden alten Fassung eine "verdeckte Lücke", die nach seinem Sinn und Zweck zu schließen ist, und zwar dahin, daß der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge nur insoweit als beitragspflichtiger Grundlohn gilt, als er den fiktiven Grundlohn des § 180 Abs 3b RVO überstieg (vgl zur "verdeckten Lücke" und deren Ausfüllung allgemein: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 375 ff; speziell im Hinblick auf die hier vorliegende Frage: Labuhn WzS 1985, S 78 ff).

Daß eine wortgetreue Anwendung des § 180 Abs 6 RVO dem Zweck der Regelung zuwider zu einer erheblichen Beitragsungerechtigkeit geführt hätte, die auch verfassungsrechtlich bedenklich gewesen wäre (Art 3 Abs 1 GG), zeigt ein Vergleich: Ein bei der Beklagten pflichtversicherter Student, der die volle Ausbildungsförderung von monatlich 660 DM bezog, hatte Anfang 1983 lediglich den Beitrag von 55,44 DM zu zahlen. Dagegen hätte ein anderer Student, der von - auf die Ausbildungsförderung anrechenbaren - Versorgungsbezügen in Höhe von 660 DM lebte, unter sonst gleichen Voraussetzungen zusätzlich monatlich zu den 55,44 DM einen Beitrag auf die Versorgungsbezüge zahlen müssen. Damit wäre er mit einer erheblich höheren Beitragsforderung belastet worden. Zur gleichen Zeit wären bei der Beklagten für einen versicherungspflichtig Beschäftigten mit einem Monatsverdienst von 660 DM nur Beiträge entsprechend dem allgemeinen Beitragssatz angefallen, von denen noch die Hälfte der Arbeitgeber getragen hätte. Derartige Ungleichheiten und Ungereimtheiten traten, wenn auch vielleicht nicht in dieser extremen Form, bei vielen Studenten mit Versorgungsbezügen auf.

Daß eine wortgetreue Anwendung des § 180 Abs 6 RVO "in Einzelfällen" zu einer Beitragsbelastung des Studenten führte, die dem das Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung prägenden Grundsatz der Beitragsbemessung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht entsprach, hat auch der Gesetzgeber inzwischen erkannt; durch Art 32 Nr 2 des Zweiten Rechtsbereinigungsgesetzes vom 16. Dezember 1986 (BGBl I 2441) hat er in den § 381 RVO einen Abs 2a eingefügt, wonach die in § 165 Abs 1 Nr 5 und 6 RVO bezeichneten Versicherten die nach § 180 Abs 6 Nr 2 und 3 RVO zu bemessenden Beiträge nur insoweit zu entrichten haben, als diese die Beiträge nach § 381a RVO übersteigen. Damit ist sichergestellt, daß künftig eine Anrechnung des Beitrags der studentischen Krankenversicherung auf den Beitrag aus Versorgungsbezügen erfolgt (so Regierungsentwurf BT-Drucks 10/5532, S 29 zu Art 27 Nr 2 - § 381). Diese Gesetzesänderung ist am 1. Januar 1987 in Kraft getreten (Art 42 Abs 2 des Gesetzes) und daher erst von diesem Zeitpunkt an anzuwenden. Das hindert den Senat jedoch nicht, den § 180 Abs 6 RVO für die Zeit vom 1. Januar 1983 bis zum 31. Dezember 1986, wie dargelegt, einschränkend auszulegen.

Bei der Klägerin blieben hiernach Versorgungsbezüge für die Zeit ab 1. Februar 1983 beitragsfrei, weil sie monatlich 660 DM nicht überstiegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1662799

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