Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Ersatz- und Ausfallzeiten im Anschluß an die Kriegsgefangenschaft bei der Rentenberechnung
Orientierungssatz
1. Befindet sich ein Versicherter im Anschluß an die Kriegsgefangenschaft aufgrund des sogenannten automatischen Arrestes als Zivilinternierter in Internierungshaft der Besatzungsmacht, so ist diese Zeit selbst dann keine Ersatzzeit im Sinne des AVG § 28 Abs 1 Nr 1 (= RVO § 1251 Abs 1 Nr 1), wenn in dieser Zeit zugleich eine an die Kriegsgefangenschaft anschließende Krankheit bestanden hat.
2. Die Zeit der durch Krankheit bedingten Arbeitsunfähigkeit ist, soweit sie mit der Internierungszeit zusammenfällt, auch keine Ausfallzeit im Sinne von AVG § 36 Abs 1 Nr 1 (= RVO § 1259 Abs 1 Nr 1).
Normenkette
AVG § 28 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1251 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23; AVG § 36 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1259 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 07.06.1972) |
SG Nürnberg (Entscheidung vom 04.12.1970) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. Juni 1972 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger bezieht von der Beklagten seit dem 1. Dezember 1960 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Streitig ist, ob bei ihrer Berechnung weitere Ersatz- und Ausfallzeiten zu berücksichtigen sind.
Der im Jahre 1910 geborene Kläger war als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Bis Juli 1939 sind für ihn Pflichtbeiträge nachgewiesen. Seit dem 18. Juli 1939 leistete er Kriegsdienst. Im Januar 1945 wurde er verwundet. Wegen Schädel- und Gesichtsverletzungen mit Verlust des linken Auges sowie wegen Folgen einer schweren Gehirnquetschung gehörte er der Versehrtenstufe III an.
Der Kläger, der seit 1928 Mitglied der NSDAP mit der Mitgliedsnummer 99804 gewesen und von der Spruchkammer später als Mitläufer der Gruppe IV eingestuft worden ist, beruft sich darauf, er sei am 23. Juli 1945 im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (BRD) in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten. Am 8. November 1945 sei er von der amerikanischen Besatzungsmacht als Altparteigenosse in den sogen. automatischen Arrest genommen worden. Bis zum 24. Juni 1946 habe er sich im Zivilinternierungslager Hammelburg befunden. Infolge der anerkannten Schädigungsfolgen sei er bereits in der Zeit seiner Internierung sowie im Anschluß daran arbeitsunfähig krank gewesen. Er meint, in der Zeit vom 8. November 1945 bis zum 24. Juni 1946 habe er sich weiter in Kriegsgefangenschaft befunden; diese Zeit müsse daher nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) als Ersatzzeit, die daran anschließende Zeit der Krankheit vom 25. Juni 1946 bis zum 30. August 1946 nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 AVG als Ausfallzeit angerechnet werden. In der Zeit vom 1. September 1946 bis zum 31. März 1953 bezog er aus der Angestelltenversicherung Ruhegeld wegen dauernder Berufsunfähigkeit.
Die Beklagte gewährt ihm auf Grund des Bescheides vom 4. Juni 1969 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 1. Dezember 1960 an. Bei der Berechnung der Rente berücksichtigte sie die Zeit des Kriegsdienstes einschließlich der daran anschließenden Kriegsgefangenschaft bis zum 8. November 1945 als Ersatzzeit und die Zeit des früheren Rentenbezuges vom 1. September 1946 bis zum 31. März 1953 als Ausfallzeit (§ 36 Abs. 1 Nr. 6 AVG). Die Anrechnung weiterer Ersatz- und Ausfallzeiten lehnte sie ab, weil die Zivilinternierung keine Zeit der Kriegsgefangenschaft i.S. des § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG sei und damit auch die Zeit der infolge Krankheit bedingten Arbeitsunfähigkeit nicht an den Militärdienst oder die Kriegsgefangenschaft deshalb anschließe.
Das Sozialgericht (SG) Nürnberg hat durch Urteil vom 4. Dezember 1970 die Klage abgewiesen. Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 7. Juni 1972 unter Zulassung der Revision die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückgewiesen; die Zeit des sogenannten automatischen Arrestes sei keine Zeit der Kriegsgefangenschaft; die mit ihr zusammenfallende Krankheitszeit sei nicht als Ersatzzeit zu bewerten, weil nicht die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, sondern die Internierung ursächlich dafür gewesen sei, daß der Kläger Beitragszeiten nicht habe zurücklegen können; die an die Internierung anschließenden Zeit der infolge Krankheit bedingten Arbeitsunfähigkeit vom 25. Juni bis 30. August 1946 habe nicht die durch die Ersatzzeit hinausgeschobene versicherungspflichtige Beschäftigung des Klägers i.S. des § 36 Abs. 1 Nr. 1 AVG unterbrochen; diese sei bereits durch die Zeit des Gewahrsams als Internierungsgefangener endgültig unterbrochen gewesen.
Gegen das Urteil hat der Kläger Revision eingelegt. Er verbleibt bei seiner Auffassung, seine Überführung aus der Kriegsgefangenschaft in den sogen. automatischen Arrest habe die Kriegsgefangenschaft nicht beendet. Die Internierungszeit müsse daher als Ersatzzeit nach § 28 Abs. 1 AVG angerechnet werden. Die gesamte Zeit vom 8. November 1945 bis zum 30. August 1946 sei aber auch deshalb Ersatzzeit i.S. des § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG, weil es sich dabei um eine an die Kriegsgefangenschaft anschließende Krankheitszeit gehandelt habe. Die Krankheitszeit vom 25. Juni bis zum 30. August 1946 sei zumindest als Ausfallzeit nach § 36 AVG zu berücksichtigen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. Juni 1972 und des Sozialgerichts Nürnberg vom 4. Dezember 1970 sowie in Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 4. Juni 1969 die Beklagte zu verurteilen, bei der Berechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente die Zeit vom 8. November 1945 bis zum 24. Juni 1946 als Ersatzzeit und die Zeit vom 25. Juni 1946 bis zum 30. August 1946 als Ausfallzeit zugrunde zu legen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie meint, der Entscheidung des LSG sei zuzustimmen.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
Die Zeit seiner Internierung im Lager Hammelburg vom 8. November 1945 bis zum 24. Juni 1946 ist weder als Ersatzzeit nach § 28 Abs. 1 AVG noch als Ausfallzeit nach § 36 Abs. 1 AVG anzurechnen.
Das LSG hat in tatsächlicher Hinsicht offengelassen, ob der Kläger durch Maßnahmen der amerikanischen Besatzungsmacht auf Grund des sogen. automatischen Arrestes (vgl. hierzu BSG 4, 234, 236; 16, 261, 262) bereits am 23. Juli 1945 interniert und in das Lager Hammelburg verbracht worden ist, oder ob er an diesem Tage zunächst in Kriegsgefangenschaft geraten, am 8. November 1945 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen und erst an diesem Tage auf Grund des automatischen Arrestes interniert und aus politischen Gründen als Zivilinternierter im Lager Hammelburg festgehalten worden ist. Da die Beklagte die Zeit bis zum 8. November 1945 als Ersatzzeit angerechnet hat, kommt es nur noch auf die Zeit vom 9. November 1945 an, in der sich der Kläger jedenfalls nach den von der Revision mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen nicht angegriffenen Feststellungen des LSG, die gemäß § 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) für das Revisionsgericht bindend sind, bis zum 24. Juni 1946 im sogen. automatischen Arrest der amerikanischen Besatzungsmacht befunden hat. Die Revision ist der Auffassung, die Zeit des sogen. automatischen Arrestes müsse als fortdauernde Zeit der Kriegsgefangenschaft i.S. des § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG bewertet werden; nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 8. Juli 1957 (NJW 1957, 1451) komme es für die Rechtsstellung eines Kriegsgefangenen nur auf den Grund der Gefangennahme, nicht aber auf den Grund des weiteren Festhaltens an. Der 12. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) habe zwar noch eine innere Beziehung zwischen der Festnahme als Kriegsgefangener und dem späteren Grund des Gefangenhaltens gefordert. Diese Voraussetzung sei aber erfüllt, weil der Kläger als Zivilperson nicht in den automatischen Arrest gekommen wäre, wie durch seine spätere Einstufung im Spruchkammerverfahren in die Gruppe IV der Mitläufer bewiesen sei. Dem kann aber nicht zugestimmt werden.
Der 12. Senat des BSG hat in seinem Urteil vom 7. Juli 1970 (SozR Nr. 47 zu § 1251 der Reichsversicherungsordnung -RVO-) ausgesprochen, daß die Zeit, in der ein Versicherter nach seiner förmlichen Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft von der Besatzungsmacht aus politischen Gründen weiterhin im Gewahrsam gehalten wurde (sogen. automatischer Arrest), nicht als Ersatzzeit nach § 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO (= § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG) auf die Wartezeit angerechnet werden könne, weil es sich dabei nicht um die Zeit einer Kriegsgefangenschaft i.S. dieser Vorschrift handele. Der automatische Arrest habe die Kriegsgefangenschaft selbst dann beendet, wenn sich an der Art des Freiheitsentzuges äußerlich nichts geändert habe (Urteil des 12. Senats des BSG vom 1.12.1971 - 12 RJ 170/71 -, zustimmend Koch/Hartmann - v. Altrock/Fürst, AVG § 28 Anm. S. V 241). Die in der Entscheidung des 12. Senats vom 7. Juli 1970 entwickelten Rechtsgrundsätze haben auch für den Kläger zu gelten, der als Träger des Goldenen Parteiabzeichens der ehemaligen NSDAP mit der Mitgliedsnummer unter 100.000 zu denjenigen Personen gehörte, die als Hauptschuldige unter den sogen. automatischen Arrest fielen (vgl. Anweisung Nr. 24 des Kontrollrats vom 12.1.1946, Nr. 10 Abs. 3 Nr. 46; Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5.3.1946 - Bayer. GVBl 1946, 145 - Anlage Teil A, Buchst. D). Der 12. Senat hat zu Recht zunächst darauf hingewiesen, daß die Zeit des sogen. automatischen Arrestes keine Zeit der Internierung i.S. des § 28 Abs. 1 Nr. 2 AVG ist, weil diese Vorschrift voraussetzt, daß der Versicherte außerhalb des Gebiets der BRD oder des Landes Berlin interniert gewesen sein muß, was für den Kläger nicht zutrifft. Sodann ist dort bereits dargelegt, daß das Gesetz auch keine Lücke enthält, soweit die Zeit der Internierung von Personen im Zuge der Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus in Internierungslagern innerhalb des Gebiets der späteren Bundesrepublik nicht als Ersatzzeit in § 28 Abs. 1 AVG berücksichtigt worden ist. Schließlich ist auch dargetan, daß und weshalb die verwaltungsrechtliche Rechtsprechung zu § 2 Abs. 1 Satz 3 des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes (BVerwG in NJW 1957, 1451) für die Auslegung des § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG nicht verbindlich ist. Der Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an.
Mit Recht hat das LSG darauf verwiesen, daß die spätere Einreihung des Klägers in die Gruppe IV der Mitläufer durch die Spruchkammer daran nichts ändert, daß er sich jedenfalls vom 8. November 1945 his zum 24. Juni 1946 tatsächlich aus politischen Gründen als Zivilinternierter der amerikanischen Besatzungsmacht im automatischen Arrest und nicht in Kriegsgefangenschaft befunden hat. Aus der späteren Einstufung des Klägers durch die Spruchkammer in die Gruppe der Mitläufer ergibt sich nicht, daß der wirkliche Grund für die weitere Festhaltung des Klägers in seiner früheren militärischen Tätigkeit gegen die ehemalige Feindmacht zu sehen ist. Das BSG hat bereits dargelegt, wenn es bei dem zunächst notwendigermaßen summarischen Verfahren zur Erfassung potentieller Gegner des demokratischen Rechtsstaates insofern zu "Fehlentscheidungen" gekommen ist, als ein Deutscher als "Belasteter" interniert worden ist, in Wirklichkeit aber - nach dem Ergebnis der späteren Prüfung seiner individuellen Verantwortung - nicht so erheblich belastet gewesen ist, daß eine Freiheitsentziehung gerechtfertigt gewesen ist, so haben solche "Fehlentscheidungen" nicht auf einer unmittelbaren Kriegseinwirkung beruht; sie sind in der Regel nicht der "besonderen", d.h. "besetzungseigentümlichen" Gefahr zuzurechnen, sie fallen vielmehr in den deutschen Verantwortungsbereich, weil die Besatzungsmacht insoweit nur "stellvertretend" für die deutsche Staatsführung tätig geworden ist (BSG 16, 261, 264). Der Kläger erfüllte die äußeren Merkmale, die ihn als Hauptschuldigen charakterisiert haben. Seine weitere Festhaltung als Zivilinternierter im Lager Hammelburg ist somit aus politischen Gründen erfolgt. Ein innerer Zusammenhang mit seiner Festnahme als Kriegsgefangener und seiner diesbezüglichen Entlassung besteht danach nicht.
Auch kann der Auffassung der Revision nicht beigetreten werden, daß die gesamte Zeit vom 8. November 1945 bis zum 30. August 1946 jedenfalls deshalb als Ersatzzeit i. S. des § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG anzurechnen ist, weil es sich dabei um eine an die Kriegsgefangenschaft anschließende Zeit der Krankheit i.S. dieser Vorschrift gehandelt habe. Zwar ist der Revision zuzugeben, daß nach dem Wortlaut des Gesetzes mit der an die Zeit der Kriegsgefangenschaft anschließenden Krankheit die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale an sich erfüllt sind, an deren Vorliegen das Gesetz die Anrechnung einer Zeit der Krankheit als Ersatzzeit knüpft. Der Revision kann aber darin nicht gefolgt werden, daß es deshalb nicht mehr darauf ankommen könne, daß der Kläger zugleich Zivilinternierter im Gewahrsam der Besatzungsmacht gewesen ist und ohne die Arbeitsunfähigkeit begründende Krankheit ohnehin einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit mit Beitragsleistung nicht hätte nachgehen können. Wie das BSG schon wiederholt dargelegt hat, sollen mit der im Gesetz vorgesehenen Ersatzzeitregelung diejenigen versicherungsrechtlichen Nachteile ausgeglichen werden, die dem Versicherten dadurch entstehen können, daß für ihn wegen der besonderen im Gesetz aufgeführten Tatbestände Versicherungsbeiträge regelmäßig nicht entrichtet werden konnten. Sind in der Zeit des Bestehens eines solchen besonderen Tatbestandes für den Versicherten keine Beiträge entrichtet worden, so unterstellt das Gesetz, daß diese außergewöhnlichen Umstände die Beitragsleistung auch verhindert haben. Es braucht in der Regel also nicht im Einzelfall die ursächliche Verknüpfung zwischen einem Ersatzzeittatbestand und dem Fehlen von Beiträgen nachgewiesen zu werden (BSG in SozR Nr. 21 zu § 1251 RVO und die dort angeführte Rechtsprechung des BSG). Wie aber die gesetzliche Unterstellung nicht gilt, wenn es dem Versicherten aus rechtlichen Gründen unmöglich gewesen ist, während dieser Zeit gültige Beiträge zu entrichten, obschon nach dem Gesetzeswortlaut die Merkmale eines Ersatzzeitbestandes erfüllt sind (vgl. zuletzt das Urteil des Senats vom 27. Juli 1972 in SozR Nr. 61 zu § 1251 RVO und die dort angegebenen Entscheidungen des BSG), so muß die vom Gesetz unterstellte ursächliche Verknüpfung zwischen Ersatzzeittatbestand und Nichtentrichtung von Beiträgen auch dann entfallen, wenn auf Grund der gegebenen besonderen Sachlage nicht die im Gesetz aufgeführten außergewöhnlichen Umstände die Beitragsleistung verhindert haben, sondern andere Verhältnisse.
Bei dem hier erheblichen Ersatzzeittatbestand der an die Kriegsgefangenschaft anschließenden Krankheit setzt das Gesetz voraus, daß der Versicherte infolge der bei ihm bestehenden Krankheit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit nicht nachgehen konnte und deshalb für ihn Beiträge nicht entrichtet worden sind. Der Versicherte muß also infolge Krankheit weder zu der von ihm unmittelbar vor der Erkrankung ausgeübten versicherten Tätigkeit noch zu einer ihm nach dem Rentenrecht zumutbaren anderen Tätigkeit fähig und dadurch vom Erwerbsleben ausgeschlossen gewesen sein (BSG in SozR Nr. 16 zu § 1251 RVO; Nr. 21 zu § 1259 RVO). Diese durch Krankheit bedingte Arbeitsunfähigkeit muß - nach der Unterstellung des Gesetzes - dafür ursächlich gewesen sein, daß es dem Versicherten unmöglich war, versicherungspflichtig tätig zu sein und Beiträge zu entrichten (BSG in SozR Nr. 16 zu § 1251 RVO). Deshalb kommt es hier nur darauf an, ob für ihn ohne das Bestehen der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit auch tatsächlich Pflichtbeiträge auf Grund versicherungspflichtiger Beschäftigung oder Tätigkeit hätten entrichtet werden können. Dies war aber für den Kläger während der Zeit seiner Internierung schon aus tatsächlichen Gründen wegen seines Gewahrsams nicht möglich. Wesentliche Bedingung und damit Ursache für die Verhinderung der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit im Sinne der im Rentenrecht geltenden Kausalitätsnorm (vgl. hierzu BSG in SozR Nr. 15 zu § 1263 a RVO a.F.) war damit nicht - wie das LSG zutreffend dargelegt hat - die Erkrankung des Klägers, sondern seine Internierung.
Befand sich demnach ein Versicherter im Anschluß an die Kriegsgefangenschaft auf Grund des sogen. automatischen Arrestes als Zivilinternierter in Internierungshaft der Besatzungsmacht, so ist diese Zeit selbst dann keine Ersatzzeit i.S. des § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG, wenn in dieser Zeit zugleich eine an die Kriegsgefangenschaft anschließende Krankheit bestanden hat.
Die Zeit der Krankheit nach der Entlassung aus der Internierung vom 25. Juni bis 30. August 1946 kann schon deshalb keine Ersatzzeit nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG sein, weil sie nicht an die Kriegsgefangenschaft, sondern an die Internierung anschließt, die selbst nicht zu den Ersatzzeittatbeständen zählt. Das Gesetz berücksichtigt die Zeit der Krankheit nur, wenn sie mit den im Gesetz aufgeführten Ersatzzeittatbeständen, z.B. der Kriegsgefangenschaft, im zeitlichen Zusammenhang steht. Davon kann aber nicht die Rede sein, wenn der Versicherte im Anschluß an die Kriegsgefangenschaft interniert und über einen Zeitraum von über 7 Monaten im Internierungslager festgehalten worden ist. Tritt der Verlust von Beitragszeiten durch Krankheit nicht "anschließend" an die Kriegsgefangenschaft, sondern, wie hier, erst später ein, so liegt, wie das BSG bereits zu einem ähnlich gelagerten Fall entschieden hat, kein Ersatzzeitbestand i.S. des § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG vor (vgl. SozR Nr. 16 zu § 1251 RVO).
Die Zeit der durch Arbeitsunfähigkeit bedingten Krankheit ist, soweit sie mit der Internierungszeit zusammenfällt, auch keine Ausfallzeit i.S. des § 36 Abs. 1 Nr. 1 AVG.
Das Gesetz setzt für diese Ausfallzeit eine Zeit voraus, in der eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit unterbrochen worden ist. Hier war die versicherungspflichtige Beschäftigung des Klägers aber bereits durch seine Einberufung zum militärischen Dienst im Jahre 1939 unterbrochen worden.
Die Zubilligung von Ausfallzeiten nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AVG geht zudem auf das gesetzgeberische Motiv zurück, die Folgen von Beitragsausfällen zu mildern, die im privaten Schicksal des Versicherten begründet sind. Da es hierbei - so hat das BSG bereits ausgeführt - entscheidend auf den "Ausfall" ankommt, muß die Annahme hinreichend sicher begründet sein, daß ohne den Ausfalltatbestand in dem betroffenen Zeitraum auch wirklich Beiträge geleistet worden wären (so BSG in SozR Nr. 22 zu § 1259 RVO). Kann der Beschäftigte aus anderen als gesundheitlichen Gründen keine Beitragszeiten zurücklegen, so ist die Zeit keine Ausfallzeit, weil sie nur dem Zweck dient, einen Ausgleich zu gewähren, wenn eine Beitragszeit infolge Krankheit, nicht aber aus anderen Gründen nicht zurückgelegt werden konnte (BSG in SozR Nr. 21 zu § 1259 RVO). Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit muß also ursächlich für die Unterbrechung der versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit gewesen sein (BSG in SozR Nr. 17 zu § 1259 RVO).
Da der Kläger in der Zeit der Internierung schon wegen seines Gewahrsams als Gefangener, also aus anderen als gesundheitlichen Gründen Beitragszeiten nicht hätte zurücklegen können, gilt auch hier das bereits für die Anrechnung von Ersatzzeiten Ausgeführte, so daß die Zeit der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit während der Internierung keine Ausfallzeit i.S. des § 36 Abs. 1 Nr. 1 AVG ist.
Die Zeit der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Klägers nach seiner Entlassung aus der Internierungshaft vom 25. Juni bis zum 30. August 1946 kommt entgegen der Ansicht der Revision ebenfalls nicht als anrechnungsfähige Ausfallzeit nach §§ 35, 36 Abs. 1 Nr. 1 AVG in Betracht. Diese Zeit der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vom 25. Juni bis 30. August 1946 hat wiederum keine unmittelbar vorher ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit unterbrochen. Sie folgt vielmehr der Zeit der Internierung des Klägers vom 8. November 1945 bis zum 24. Juni 1946, in der er aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit weder aufnehmen durfte noch konnte.
In der Rechtsprechung des BSG ist allerdings der rechtliche Gesichtspunkt entwickelt worden, daß die Zeit, in der ein Ausfalltatbestand i.S. des § 36 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AVG vorgelegen hat, selbst wenn die Zeit aus anderen Gründen keine Ausfallzeit ist, als Überbrückungszeit angesehen werden kann mit der Wirkung, daß die an die Überbrückungszeit anschließende Zeit als Ausfallzeit zu bewerten bleibt (BSG SozR Nr. 22, 32, 44 zu § 1259 RVO). Das Gesetz verlange nicht die Unterbrechung der versicherungspflichtigen Beschäftigung durch eine letztlich in allen Merkmalen als Ausfallzeit zu bewertende Zeit (BSG in SozR Nr. 50 zu § 1259 RVO). Für eine Überbrückungszeit könne u.U. das Vorliegen des Ausfalltatbestandes als solchen ausreichen. Die durch Krankheit bedingte Arbeitsunfähigkeit des Klägers während der Internierungszeit verwirklicht aber nicht den Ausfalltatbestand des § 36 Abs. 1 Nr. 1 AVG; denn nicht die seit der Verwundung des Klägers im Januar 1945 bestehende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ist am 8. November 1945 ursächlich für eine "Unterbrechung" i.S. einer vorübergehenden Nichtverrichtung der versicherungspflichtigen Beschäftigung mit der Möglichkeit ihrer Wiederaufnahme nach Fortfall der Arbeitsunfähigkeit gewesen, sondern die Gefangennahme als Internierungshäftling, die eine Wiederaufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung auch nach Wegfall der Arbeitsunfähigkeit während der Zeit der Gefangenschaft ausschloß. Da es sonach während der Internierungszeit an einem Ausfalltatbestand i.S. des § 36 Abs. 1 Nr. 1 AVG fehlt, kann diese Zeit auch keine Überbrückungszeit unter Berücksichtigung des § 36 Abs. 1 Satz 2 AVG sein. Ist demnach die versicherungspflichtige Beschäftigung eines Versicherten durch die Zeit des militärischen Dienstes und die Zeit der daran anschließenden Kriegsgefangenschaft (Ersatzzeiten) unterbrochen worden und hat sich der infolge Verwundung seit dem Militärdienst arbeitsunfähig erkrankte Versicherte in unmittelbaren Anschluß an die Kriegsgefangenschaft in Internierungshaft (sogen. automatischer Arrest) befunden, so ist die an die Internierungshaft anschließende Zeit der fortbestehenden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit keine Ausfallzeit i.S. des § 36 Abs. 1 Nr. 1 AVG.
Die Revision des Klägers ist sonach unbegründet und zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen