Entscheidungsstichwort (Thema)
Mißglückter Arbeitsversuch. Arbeitstherapie. eingeschränktes Leistungsvermögen
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses steht nicht entgegen, wenn der Beschäftigte nicht die volle Arbeitsleistung einer vergleichbaren gesunden Arbeitskraft erbringen kann.
2. Ein mißglückter Arbeitsversuch liegt nur dann vor, wenn objektiv feststeht, daß der Beschäftigte bei Aufnahme der Arbeit zu ihrer Verrichtung nicht fähig war oder die Arbeit nur unter schwerwiegender Gefährdung seiner Gesundheit - etwa unter der Gefahr einer weiteren Verschlimmerung seines Leidens - verrichten kann und wenn er die Arbeit entsprechend der darauf gründenden Erwartung vor Ablauf einer wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Zeit wieder aufgeben muß.
3. Von einem mißglückten Arbeitsversuch kann mithin nicht gesprochen werden, wenn der Beschäftigte trotz der genannten ungünstigen Erwartung tatsächlich brauchbare Arbeit über einen wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Zeitraum geleistet hat und deshalb nach den Umständen des Falles darauf vertrauen durfte, durch seine Beschäftigung einen Versicherungsschutz erworben zu haben.
4. Die Feststellung der schlechten gesundheitlichen Verfassung kann auch nachträglich innerhalb einer angemessenen Frist erfolgen.
5. Wird eine aufgenommene Beschäftigung durch eine kurzfristige ärztliche Behandlung unterbrochen und dann wieder fortgesetzt, so sind beide Beschäftigungen als ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis anzusehen.
Orientierungssatz
Es ist zu unterscheiden, ob es sich bei einer Beschäftigung um eine als sozialversicherungsrechtliche Leistung durchgeführte Therapiemaßnahme oder um eine auf privatrechtlichem Vertrag beruhende Arbeit handelt, die gleichzeitig zur Stabilisierung des Beschäftigten dient. Ist letzteres der Fall, so wird durch die Aufnahme der Beschäftigung ein Versicherungsverhältnis begründet.
Von einem mißglückten Arbeitsversuch kann mithin nicht gesprochen werden, wenn der Beschäftigte trotz der genannten ungünstigen Erwartung tatsächlich brauchbare Arbeit über einen wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Zeitraum geleistet hat.
Normenkette
RVO § 165 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1945-03-17, § 206 Fassung: 1924-12-15, § 306 Abs. 1 Fassung: 1956-06-12
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 16.02.1977; Aktenzeichen L 8 Kr 979/75) |
SG Marburg (Entscheidung vom 09.09.1975; Aktenzeichen S 3 Kr 5/75) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 16. Februar 1977 und des Sozialgerichts Marburg vom 9. September 1975 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Regelleistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren.
Die 1952 geborene Klägerin befand sich wegen einer akuten Psychose seit 1969 wiederholt in stationärer Behandlung, vom 21. März bis 31. Juli 1974 wegen Schizophrenie in der Universitäts-Nervenklinik M. Vom 1. Juni 1969 bis 31. Oktober 1970 war sie zunächst Pflichtmitglied und vom 1. November 1970 bis 31. Juli 1974 freiwillig Weiterversicherte bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) B (jetzt AOK H), der Beigeladenen zu 1). Ab 1. August 1974 wurde die Klägerin durch das Arbeitsamt M in Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik in eine Beschäftigung als Spül- und Küchenhilfe bei der Hauptbahnhofsgaststätte M vermittelt. Ihr Arbeitgeber meldete sie daraufhin bei der Beklagten als Pflichtmitglied an. Im Monat August 1974 erhielt sie ein Bruttoentgelt von 714,99 DM. Nachdem die Klägerin ihre Tätigkeit bis zum 9. September 1974 ausgeübt hatte, kündigte sie ihrem Arbeitgeber und befand sich anschließend bis zum 15. September 1974 zu einer stationären Krisenbehandlung in der Universitäts-Nervenklinik. Vom 16. September bis 7. November 1974 arbeitete sie wieder in der Bahnhofsgaststätte. Für diesen Zeitraum gewährte das Arbeitsamt ihrem Arbeitgeber 50% des Lohnes als Eingliederungsbeihilfe nach § 54 des Arbeitsförderungsgesetzes. Anschließend wurde die Klägerin erneut bis zum 5. Februar 1975 stationär in der Universitäts-Nervenklinik behandelt. Danach erfolgte ambulante Behandlung.
Am 12. September 1974 beantragte die Universitätsklinik bei der Beklagten die Kostenübernahme für die stationäre Behandlung vom 10. bis 15. September 1974. Mit Schreiben vom 19. November 1974 teilte die Beklagte der Universitätsklinik mit, eine Kostenzusage könne nicht erteilt werden, da es sich im vorliegenden Falle um einen mißglückten Arbeitsversuch gehandelt habe. Für die Kostenübernahme sei vielmehr die Beigeladene zu 1) zuständig, bei der die Klägerin freiwillig versichert sei. Mit einem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom gleichen Datum lehnte sie Leistungsansprüche aus demselben Grunde ab.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit der Begründung zurück, Kassenleistungen anläßlich der Erkrankungen vom 10. bis 15. September und vom 8. November 1974 bis auf weiteres könnten nicht gewährt werden, weil kein die Versicherungspflicht begründendes Beschäftigungsverhältnis vorgelegen habe. Nach Auskünften des Arbeitgebers sei die Klägerin keine echte Arbeitskraft gewesen, sie habe die Spülmaschine betätigt und habe nicht einmal einfache Arbeiten selbständig verrichten können. Ein Beschäftigungsverhältnis dürfe nicht nur äußerlich als gegeben erscheinen, sondern müsse auch tatsächlich vorliegen. Letzteres könne hier nicht angenommen werden, da es sich bei der Beschäftigung nur um eine Belastungserprobung und Arbeitstherapie gehandelt haben könne (Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 1975).
Mit der Klage hat die Klägerin geltend gemacht, für die Begründung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses sei entscheidend, daß sie ernstliche Arbeit verrichtet habe, deren Dauer nicht von vornherein begrenzt gewesen sei, daß sie hierfür ein Entgelt bekommen habe und daß der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge entrichtet habe. In ihrer Klageschrift hat sie beantragt, den Widerspruchsbescheid aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der Krankheit zu ersetzen.
Demgegenüber hat die Beklagte auf das Ergebnis der von ihr angestellten Ermittlungen verwiesen. Danach habe der Arbeitgeber am 22. April 1975 auf einem Fragebogen mitgeteilt, gesunde Arbeitskräfte hätten für die der Klägerin übertragene Arbeit nur etwa die Hälfte der von ihr benötigten Zeit gebraucht. Ihre Beschäftigung ab dem 16. September 1974 sei nur erfolgt, weil das Arbeitsamt für eine vorgesehene Beschäftigungsdauer von sechs Monaten 50% ihres Lohnes getragen habe. Frau Dr. K von der vertrauensärztlichen Dienststelle der Beigeladenen zu 3) - der Landesversicherungsanstalt (LVA) H - habe in einer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 16. April 1975 ausgeführt, die Erkrankung der Klägerin habe zwischen den einzelnen schizophrenen Schüben seit Juli 1969 weiterbestanden und sei ambulant behandelt worden. Sozialmedizinisch habe ab 21. März 1974 bis 5. Februar 1975 ein durchgehender Krankheitsfall mit entsprechenden stationären bzw ambulanten Behandlungen vorgelegen. Die Arbeitsleistung der Klägerin habe nach den vorhandenen Unterlagen nur den Charakter einer Arbeitstherapie, nicht aber den eines echten Arbeitsverhältnisses gehabt. Der Nervenfacharzt Dr. K von der Universitätsklinik M habe sich in einer Mitteilung vom 10. April 1975 dahin geäußert, die mit Hilfe des Arbeitsamtes vermittelte Arbeit habe mit zur Stabilisierung der Patientin beitragen sollen. Andere arbeitstherapeutische Möglichkeiten hätten sich in M nicht ergeben.
Die Beigeladene zu 1) hat die Ansicht vertreten, ein mißglückter Arbeitsversuch habe nicht vorgelegen. Es sei nach anfänglich zufriedenstellender Arbeit zu persönlichen Differenzen und schließlich zur Krisenbehandlung gekommen. Die Beigeladene zu 2) - Bundesanstalt für Arbeit - (BA) hat vorgetragen, die Klägerin sei am 1. August 1974 arbeitsfähig gewesen. Sie sei seit Mai 1974 arbeitsuchend gemeldet gewesen und habe sich zunächst in der Küche der Universitätsklinik betätigt, bis sie in die Stelle bei der Bahnhofsgaststätte habe vermittelt werden können.
Das Sozialgericht (SG) Marburg hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, in Anbetracht der langen Arbeitsunfähigkeitszeiten, denen nur kurze Beschäftigungszeiten gegenüberstünden, könne nur von einem mißglückten Arbeitsversuch gesprochen werden. Bei der kurzen Beschäftigung der Klägerin im Jahre 1974 habe es sich im Hinblick auf die Äußerungen der Dres. K und K um eine medizinisch bedingte, arbeitstherapeutische Maßnahme gehandelt, für die keine Sozialversicherungspflicht bestehe (Urteil vom 9. September 1975).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 16. Februar 1977 zurückgewiesen. Bei der durch eine stationäre Behandlung unterbrochenen Beschäftigung der Klägerin vom 1. August bis 7. November 1974 habe es sich nicht um ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt; vielmehr habe insoweit ein mißglückter Arbeitsversuch vorgelegen. Ebensowenig wie etwa die Tätigkeit von Anstaltsinsassen, die in erster Linie der Heilbehandlung diene, als versicherungspflichtige Beschäftigung anzusehen sei, könnten Tätigkeiten außerhalb stationärer Behandlung Versicherungspflicht auslösen, wenn diese vorwiegend zum Zwecke der Arbeitstherapie oder auch der Belastungserprobung (§ 182d der Reichsversicherungsordnung - RVO -) ausgeübt würden. Letzteres sei hier im Hinblick auf die Äußerungen der Dres. K und K anzunehmen. Auch ergebe sich aus der schwerwiegenden Krankheitsgeschichte sowie aus dem Umstand, daß der Klägerin auch nach dem 5. Februar 1975 keine Eingliederung in das Arbeitsleben gelungen sei, daß auch im August 1974 nur ganz geringe Chancen für eine Dauerbeschäftigung bestanden hätten. Schließlich sei auch die relativ kurze Beschäftigungsdauer von August bis November nur unter Inanspruchnahme recht erheblicher Eingliederungsbeihilfen sowie von ambulanter und zeitweise sogar stationärer Behandlung durch die Universitätsklinik M erreichbar gewesen.
Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sowie eine unrichtige Anwendung des § 165 Abs 1 RVO. Hätte das LSG seiner Aufklärungspflicht genügt, so hätte sich ergeben, daß die Klägerin wöchentlich 40 bis 48 Stunden als Spül- und Küchenhilfe tätig gewesen sei. Im übrigen könne das Zustandekommen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht mit dem Hinweis auf den therapeutischen Charakter der Arbeitsaufnahme verneint werden, denn eine der körperlichen Leistungsfähigkeit angemessene Arbeit werde in vielen Fällen geeignet sein, die Gesundheit zu fördern. Schließlich widersprächen selbst die wenigen vom LSG festgestellten Umstände der Annahme, es habe sich um einen mißglückten Arbeitsversuch gehandelt. Hiergegen spräche schon die dreimonatige Beschäftigungsdauer.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Urteile des LSG vom 16. Februar 1977 und des SG vom 9. September 1975 sowie die Bescheide vom 19. November 1974 und vom 27. Februar 1975 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Leistungen aus der Krankenversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält an der Auffassung fest, die Betätigung der Klägerin im Jahre 1974 sei nur als eine arbeitstherapeutische Maßnahme zu werten. Hierbei handele es sich lediglich um eine fortgesetzte medizinische Behandlungsform außerhalb des Krankenhauses, die keine Versicherungspflicht begründe. Selbst wenn eine echte Beschäftigung vorgelegen haben sollte, müsse aber davon ausgegangen werden, daß der am 1. August begonnene Arbeitsversuch am 9. September 1974 mißlungen gewesen sei. Wegen der Besonderheit des vorliegenden Falles komme der Dauer der Beschäftigung keine entscheidende Bedeutung zu. Auch bei der erneuten Betätigung nach Beendigung der Krisenbehandlung habe die medizinische Rehabilitation im Vordergrund gestanden, weshalb die Voraussetzungen für eine Eingliederungsbeihilfe nicht vorgelegen hätten.
Die Beigeladene zu 1) schließt sich dem Antrag der Klägerin an und nimmt auf ihre bisherigen Äußerungen Bezug. Die Beigeladenen zu 2) und 3) haben sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung der angefochtenen Urteile und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Hessische LSG.
Bezüglich des Anfechtungsbegehrens ist die Revision begründet. Für die Frage der Mitgliedschaft (§ 306 Abs 1 RVO) und damit der Leistungspflicht (§ 206 RVO) der Beklagten ist im vorliegenden Fall entscheidend, ob die Klägerin ab 1. August 1974 eine versicherungspflichtige Beschäftigung iS des § 165 Abs 1 Nr 1, Abs 2 RVO ausgeübt hat. Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine versicherungspflichtige Beschäftigung vor, wenn der Arbeitnehmer in persönlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird (vgl BSGE 13, 130, 132; 16, 289, 293, zur abhängigen Beschäftigung zuletzt: Urteile des BSG vom 13. Juli 1978 - 12 RK 14/78 - und vom 24. Oktober 1978 - 12 RK 58/76 - mwN). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Nach den Feststellungen des LSG war die Klägerin zunächst vom 1. August bis 9. September und anschließend vom 16. September bis 7. November 1974 gegen ein monatliches Bruttoentgelt von 714,99 DM als Spül- und Küchenhilfe beschäftigt. Daß sie hierbei dem Weisungsrecht ihres Arbeitgebers, des Wirtes der Bahnhofsgaststätte, unterworfen war, ist von keinem Beteiligten in Zweifel gezogen worden.
Der Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses steht nicht entgegen, daß die Klägerin - wovon die Vorinstanzen ausgegangen sind - nicht die volle Arbeitsleistung einer vergleichbaren gesunden Arbeitskraft erbracht hat. Es kann dahinstehen, ob das LSG diese Feststellung im Hinblick auf das gegenteilige Vorbringen der Klägerin ohne eigene Ermittlungen allein aufgrund der an die Beklagte gerichteten Auskünfte des Arbeitgebers hat treffen können. Denn selbst wenn die Klägerin nicht in der Lage gewesen wäre, einfache Arbeiten selbständig auszuführen, und nur an der Spülmaschine einsetzbar gewesen sein sollte, so konnte sie doch wirtschaftlich brauchbare Arbeit leisten. In seinem Urteil vom 30. Juni 1964 (SozR Nr 44 zu § 165 RVO) hat der Senat entschieden, für die Begründung eines ernstlichen Beschäftigungsverhältnisses sei entscheidend, daß der Arbeitnehmer überhaupt imstande ist, wirtschaftlich brauchbare Arbeiten während einer nicht nur von vornherein eng begrenzten Zeit zu verrichten. Er hat dies in einem Falle bejaht, in dem ein wegen Geisteskrankheit Entmündigter nur kurzfristig unter Aufsicht seines Vormundes in der Lage war, landwirtschaftliche Arbeiten zu verrichten, die hinter der Leistung eines vollwertigen Landarbeiters zurückblieben.
Zu Unrecht hat das LSG das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses mit der Begründung verneint, die Tätigkeit der Klägerin sei so zu beurteilen wie diejenige von Anstaltsinsassen, die in erster Linie der Heilbehandlung diene. Die Beschäftigung der Klägerin sei auch vorwiegend zum Zwecke der Arbeitstherapie und Belastungserprobung ausgeübt worden. Dieser Auffassung kann aus mehreren Gründen nicht gefolgt werden. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Leistungen Arbeitstherapie und Belastungserprobung (vgl § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst e § 182d RVO) erst nach dem Inkrafttreten des Rehabilitations-Angleichungsgesetzes (RehaAnglG) am 1. Oktober 1974 Gegenstand der Krankenhilfe geworden sind. Das hier im Streit befindliche Beschäftigungsverhältnis begann jedoch bereits am 1. August 1974. Darüber hinaus setzen diese Maßnahmen ein gezieltes Tätigwerden eines Sozialleistungsträgers und eine Mitwirkung des Patienten voraus, wobei hier auf die Voraussetzungen der Arbeitstherapie iS des § 182d RVO nicht näher eingegangen zu werden braucht. Demgegenüber ist der vorliegende Fall dadurch gekennzeichnet, daß die Klägerin in eine Arbeitsstelle vermittelt wurde, deren Ausgestaltung im Hinblick auf den Austausch von Lohn und Arbeit dem Arbeitgeber und der Arbeitnehmerin überlassen war.
Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß es sich bei dem streitigen Beschäftigungsverhältnis nicht um ein frei vereinbartes gehandelt hat. Dem steht insbesondere nicht entgegen, daß die Beschäftigung mit zur Stabilisierung der Klägerin beitragen sollte und somit gleichzeitig eine therapeutische Funktion erfüllte. Wenn das LSG mit Dr. K die Auffassung vertritt, die Tätigkeit der Klägerin habe in Anbetracht ihres eingeschränkten Leistungsvermögens und der durchgehend behandlungsbedürftigen Krankheit den Charakter einer Arbeitstherapie, nicht aber den eines echten Arbeitsverhältnisses gehabt, so verkennt es, daß danach zu unterscheiden ist, ob es sich bei einer Beschäftigung um eine als sozialversicherungsrechtliche Leistung durchgeführte Therapiemaßnahme oder um eine auf privatrechtlichem Vertrag beruhende Arbeit handelt, die gleichzeitig zur Stabilisierung des Beschäftigten dient. Ist letzteres - wie hier - der Fall, so wird durch die Aufnahme der Beschäftigung ein Versicherungsverhältnis begründet. In ähnlichem Zusammenhang hat der Senat bereits entschieden, daß die Versicherungspflicht von Lehrverhältnissen iS des § 165a Nr 2 RVO nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß Jugendliche in einem Erziehungsheim ausgebildet werden und daß das Erziehungsheim in erster Linie die Erziehung der Jugendlichen anstrebt und dieses Ziel auch bei der Berufsausbildung in seinen Lehrwerkstätten verfolgt (vgl BSGE 18, 246, 250).
Ebensowenig wird die Versicherungspflicht dadurch ausgeschlossen, daß mit der Beschäftigung zugleich das Ziel einer Eingliederung in das Arbeitsleben verfolgt wird. Die gegenteilige Auffassung der Beklagten und des LSG wäre nur berechtigt, wenn der Klägerin die Betätigungen in der Bahnhofsgaststätte nur aus Therapiezwecken gestattet worden und der Lohn aus sozialen Gründen "vergönnungsweise" gezahlt worden wäre (vgl hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 26. Juli 1978 - 3 RK 26/76 -). Davon kann aber nicht schon dann die Rede sein, wenn die Leistungen des Beschäftigten hinter denjenigen vergleichbarer gesunder Arbeitskräfte zurückbleiben und die Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses nur erfolgt, weil das Arbeitsamt 50% des Lohnes trägt.
Schließlich hat es sich bei der von der Klägerin am 1. August 1974 aufgenommenen Beschäftigung auch nicht um einen mißglückten Arbeitsversuch gehandelt. Nach der Rechtsprechung des Senats liegt ein solcher nur vor, wenn objektiv feststeht, daß der Beschäftigte bei Aufnahme der Arbeit zu ihrer Verrichtung nicht fähig war oder die Arbeit nur unter schwerwiegender Gefährdung seiner Gesundheit - etwa unter der Gefahr einer weiteren Verschlimmerung seines Leidens - würde verrichten können, und wenn er die Arbeit entsprechend der darauf zu gründenden Erwartung vor Ablauf einer wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Zeit aufgegeben hat (SozR Nr 63 und 75 zu § 165 RVO). Von einem mißglückten Arbeitsversuch kann mithin nicht gesprochen werden, wenn der Beschäftigte trotz der genannten ungünstigen Erwartung tatsächlich brauchbare Arbeit (SozR Nr 44 zu § 165 RVO) über einen wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Zeitraum geleistet hat und deshalb nach den Umständen des Falles darauf vertrauen durfte, durch seine Beschäftigung einen Versicherungsschutz erworben zu haben (SozR 2200 § 165 RVO Nr 2). Die Feststellung der bereits erwähnten schlechten gesundheitlichen Verfassung kann auch noch nachträglich innerhalb einer angemessenen Frist retrospektiv erfolgen (SozR Nr 75 zu § 165 RVO).
Im vorliegenden Fall steht nicht fest, daß die Klägerin von Anfang an nicht in der Lage war, die Arbeiten einer Küchen- und Spülhilfe zu verrichten. Diese Tätigkeit erschien vielmehr geeignet und sollte mit zur Stabilisierung der Klägerin beitragen, dh die Gefahr eines erneuten akuten Schubs ihrer Erkrankung verringern helfen. Fraglich war nur, wie lange sie die Arbeit würde verrichten können und ob es ihr gelingen würde, die übernommene Beschäftigung auf Dauer auszuüben.
Darüber hinaus fehlt es hier an der tatsächlichen Beendigung der Beschäftigung vor Ablauf einer wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Zeit. Um allen denkbaren Fallgestaltungen gerecht zu werden, lehnt es der Senat zwar ab, für das Erfordernis einer wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Zeit eine bestimmte Frist von Tagen oder Wochen als äußerste Grenze festzulegen. Bei einer Beschäftigungsdauer von mehr als drei Monaten (1. August bis 7. November 1974) liegt jedoch offensichtlich ein wirtschaftlich ins Gewicht fallender Zeitraum vor.
Unabhängig davon, daß hier schon die Dauer der Beschäftigung bis zum 9. September 1974 als wirtschaftlich ins Gewicht fallend anzusehen ist, weil keiner der zur Rechtfertigung für die ausnahmsweise Verneinung der Versicherungspflicht in Betracht kommenden Gründe vorgelegen hat (Mißbrauchsabwehr, Versicherungsprinzip - vgl hierzu BSG SozR Nr 63 zu § 165 RVO), ist der Senat der Auffassung, daß die durch die Krisenbehandlung unterbrochenen Beschäftigungsabschnitte insoweit als Einheit zu betrachten sind. Bei der Frage, wann ein wirtschaftlich ins Gewicht fallender Zeitraum zu bejahen ist, darf eine Beschäftigung hinsichtlich ihrer Dauer dann nicht isoliert betrachtet werden, wenn sie sich - ohne wesentliche Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse - an ein der Art nach gleichgelagertes vorangegangenes versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis anschließt (siehe hierzu das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil des Senats vom selben Tage - 3 RK 82/76 -).
Nach alledem steht fest, daß die Klägerin aufgrund ihrer Anfang August 1974 aufgenommenen Beschäftigung Pflichtmitglied der beklagten Krankenkasse geworden war. Deshalb sind die gegenteiligen Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht abschließend entscheiden, weil das Urteil des LSG keine Feststellungen über das Leistungsbegehren der Klägerin enthält. Diese hatte in ihrem Klageschriftsatz neben der Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 1975 ausdrücklich den "Ersatz von Krankheitskosten" begehrt. Ausweislich der Sitzungsprotokolle vom 9. September 1975 und vom 16. Februar 1977 ist jedoch weder vor dem SG noch vor dem LSG ein Verpflichtungs- oder Leistungsantrag gestellt worden. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, die Klägerin hätte keine solchen Ansprüche mehr geltend machen wollen. Hierfür hätte es einer Erklärung der Klägerin über die Rücknahme dieses Streitgegenstandes bedurft. Sowohl das SG als auch das LSG hätten deshalb auf die Klärung der Ansprüche und die Stellung sachdienlicher Anträge hinwirken müssen (§ 106 Abs 1 SGG). Es käme insbesondere ein Anspruch auf Gewährung von Krankengeld in Betracht, weil die bisherige freiwillige Weiterversicherung bei der Beigeladenen zu 1) Barleistungen nicht umfaßte. Der Rechtsstreit ist deshalb an das LSG mit der Auflage zurückzuverweisen, den Anspruchsumfang zu klären.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Fundstellen