Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenumwandlungsbescheid. Verlust des Anfechtungsrechts. Anspruch auf Rentenneufeststellung einer Berufsunfähigkeitsrente
Orientierungssatz
1. Ein Kläger, der in einem Gerichtsverfahren die Zahlung der Rente wegen Berufsunfähigkeit vom Zeitpunkt der Umwandlung einer Berufsunfähigkeitsrente in eine Bergmannsrente an begehrt, bringt damit deutlich zum Ausdruck, daß er die Weiterzahlung der Rente über den Zeitpunkt der Umwandlung hinaus nicht Geltendmachen und den Umwandlungsbescheid nicht anfechten will.
Er hat durch seine Handlung zum Ausdruck gebracht, daß er sich mit der Rentenumwandlung abfinden und von seinem Anfechtungsrecht keinen Gebrauch machen sondern den später gestellten Antrag auf Rente wegen Berufsunfähigkeit weiterverfolgen will.
Unter solchen Umständen dürfen nicht nur die Beklagte, sondern auch die Öffentlichkeit darauf vertrauen, daß der Kläger sich nicht später Formfehler bei der Zustellung zunutze machen und zur aufgegebenen Anfechtung zurückkehren will.
Die Rechtssicherheit verlangt in einem solchen Fall, daß der Kläger an der erkennbaren Aufgabe des Anfechtungsrechts festhalten wird.
2. Die Vorschrift des RKG § 93 Abs 1 will materiell-rechtlich eindeutig bestehende Leistungsansprüche zugunsten der Versicherten durchsetzen, obwohl das formelle Recht und die Bindungswirkung dem entgegenstehen, nicht aber will sie den Versicherungsträger zur Anerkennung eines materiell-rechtlich nicht bestehenden Leistungsanspruchs verpflichten, nur weil der Versicherungsträger den ursprünglichen, unrichtigen Leistungsbescheid aus formellen Gründen nicht aufheben durfte. Hält man diese Auslegung des § 93 Abs 1 RKG für vertretbar, so braucht sich die Beklagte von der Unrichtigkeit des Rentenumwandlungsbescheides nur dann zu überzeugen, wenn der Kläger materiell-rechtlich einen Anspruch auf die Rente wegen Berufsunfähigkeit hat. Das ist jedoch nicht der Fall, wenn die Voraussetzungen des § 46 RKG nicht vorliegen.
Normenkette
RVO § 93 Abs. 1; BGB § 242; SGG § 77; RVO § 1300; RKG § 46 Abs. 2, § 45 Abs. 2; RVO § 1246 Abs. 2
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 06.05.1971) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Mai 1971 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Umwandlung der Gesamtleistung wegen Berufsunfähigkeit in die Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit.
Die Aachener Knappschaft gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 27. Februar 1964 die Gesamtleistung wegen Berufsunfähigkeit für die Zeit vom 1. Februar 1962 an. Grundlage dieser Rentengewährung war ein medizinisches Gutachten vom 6. August 1962. Nachdem die A Knappschaft ein weiteres Gutachten vom 6. August 1964 eingeholt hatte, wandelte sie die Rente mit Bescheid vom 20. Juli 1965 für die Zeit vom 1. September 1965 an in die Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit um, weil der Kläger nicht mehr berufsunfähig sei. Der Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid wurde von der Widerspruchsstelle der A Knappschaft am 25. Oktober 1965 zurückgewiesen. Der Widerspruchsbescheid ist nach dem Postbuch der Beklagten am 26. Oktober 1965 als eingeschriebener Brief an den Kläger abgesandt worden. Der in den Akten der A Knappschaft befindliche Widerspruchsbescheid enthielt zunächst einen entsprechenden Vermerk nicht; dieser wurde vielmehr mehr als fünf Jahre später nachgeholt. Der erst nach Erlaß des Widerspruchsbescheides bestellte Bevollmächtigte des Klägers richtete am 3. November 1965, 3. Dezember 1965, 2. Februar 1966, 25. Juli 1966 und 31. Oktober 1966 Schriftsätze zum Widerspruchsverfahren an die A Knappschaft und reichte ein Gutachten vom 5. Oktober 1965 ein. Der Kläger beantragte am 15. Dezember 1965 erneut die Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit.
Die A Knappschaft holte ein Gutachten vom 5. August 1966 ein und lehnte diesen Antrag des Klägers mit Bescheid vom 24. November 1966 ab, weil der Kläger nicht berufsunfähig sei.
Der Widerspruch des Klägers, mit dem er ein weiteres Gutachten vom 30. Januar 1967 eingereicht hatte, blieb ohne Erfolg, nachdem die A Knappschaft eine Stellungnahme ihres Vertrauensarztes vom 12. April 1967 eingeholt hatte.
In dem anschließenden Verfahren vor dem Sozialgericht(SG) hatte der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung der Rente wegen Berufsunfähigkeit für die Zeit vom 1. Dezember 1965 an beantragt. Das SG hat u. a. medizinische Gutachten des Dr. L vom 18. Dezember 1967 und des Prof. Dr. R vom 15. September 1968 eingeholt. In der mündlichen Verhandlung vom 5. Februar 1969 hat der Kläger die Klage zurückgenommen und bei der Beklagten im Hinblick auf das ärztliche Gutachten des Prof. Dr. R beantragt, gemäß § 93 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) den Bescheid vom 20. Juli 1965 zu überprüfen und ihm hierüber einen neuen Bescheid zu erteilen. Nachdem sie eine Stellungnahme ihrer Ärzte vom 10. Juni 1969 eingeholt hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 31. Dezember 1969 eine Neufeststellung ab, weil die Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit mit Recht in die Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit umgewandelt worden sei. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 5. Oktober 1970 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 6. Mai 1971 zurückgewiesen. Es hat angenommen, der Rentenumwandlungsbescheid vom 20. Juli 1965 sei bindend geworden, denn der Kläger habe den Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 1965 nicht rechtzeitig angefochten. Zwar sei der nach § 4 Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) erforderliche Vermerk über die Aufgabe zur Post per Einschreiben erst mehr als fünf Jahre später nachgeholt worden. Dieser Vermerk sei jedoch - entgegen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) - nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für die Zustellung. Die von dem Bevollmächtigten des Klägers nach Erlaß des Widerspruchsbescheides eingereichten Schriftsätze könnten nicht als Klage angesehen werden. Da der Rentenumwandlungsbescheid also bindend geworden sei, komme eine Überprüfung nur nach § 93 Abs. 1 RKG in Betracht. Der Bescheid vom 31. Oktober 1969 sei kein voll nachprüfbarer neuer Verwaltungsakt, denn die A Knappschaft habe erkennbar nur über den Antrag des Klägers auf Überprüfung nach § 93 Abs. 1 RKG entscheiden wollen. Die Beklagte brauche sich nicht davon zu überzeugen, daß der Bescheid vom 20. Juli 1965 unrichtig sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob sich die Beklagte auf Grund der in dem früheren Verfahren vor dem SG durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugen müsse, daß der Kläger im Februar 1964 nicht berufsunfähig gewesen sei und die A Knappschaft ihm deshalb die Rente zu Unrecht bewilligt habe. Selbst wenn man davon zugunsten des Klägers ausgehe, so führe das zu keinem für ihn günstigen Ergebnis Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine auf Grund einer Fehldiagnose zu Unrecht bewilligte Rente nicht entzogen werden, weil der Versicherungsfall nicht infolge einer Änderung der Verhältnisse weggefallen sei. Wenn aber in einem solchen Fall der Entziehungsbescheid bindend geworden sei, so sei der Versicherungsträger nach § 93 Abs. 1 RKG nur dann verpflichtet, den bindend gewordenen Entziehungsbescheid aufzuheben, wenn der Versicherte materiell-rechtlich einen Anspruch auf die Rente habe. Sinn des § 93 Abs. 1 RKG sei es nämlich nicht, dem Versicherten eine formelle Rechtsposition wieder zu verschaffen, die mit dem materiellen Recht nicht in Einklang stehe. Vielmehr solle mit Aufhebung des bindend gewordenen unrichtigen Bescheides die Übereinstimmung mit der materiellen Rechtslage herbeigeführt werden. Die Beklagte brauche sich daher nicht von der Unrichtigkeit des Bescheides vom 20. Juli 1965 zu überzeugen.
Der Kläger hat dieses Urteil mit der - vom LSG zugelassenen - Revision angefochten. Er trägt vor, obwohl unterstellt werden könne, daß er die Anfechtungsfrist gegen den Umwandlungsbescheid versäumt habe, so daß dieser bindend geworden sei, müsse die Beklagte ihm nach § 93 Abs. 1 RKG einen neuen Bescheid erteilen und ihm die Rente wegen Berufsunfähigkeit weiter gewähren. Nach den ärztlichen Gutachten sei im Verhältnis zum Zeitpunkt der Rentengewährung eine Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen nicht eingetreten, so daß die Voraussetzungen für eine Rentenumwandlung nicht gegeben gewesen seien. Wenn das angefochtene Urteil bestehen bliebe, wäre er gegenüber anderen Versicherten, die die Anfechtungsfrist nicht versäumt haben, schlechter gestellt. Das wolle der § 93 Abs. 1 RKG vermeiden. Die Beklagte begehe auch dadurch einen Ermessensfehler, daß sie die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Rentenentziehung nicht respektiere.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 31. Oktober 1969 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 1970 sowie den Entziehungsbescheid vom 20. Mai 1965 und den Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 1965 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis und in der Begründung für richtig und ist der Ansicht, die Revision des Klägers sei unbegründet.
II
Die zulässige Revision des Klägers hat keinen Erfolg, denn das LSG hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des SG im Ergebnis mit Recht zurückgewiesen.
Ziel des Klägers ist die Beseitigung des - nach seiner Ansicht - rechtswidrigen Rentenumwandlungsbescheides vom 20. Juli 1965 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 1965 und damit die Wiederherstellung des von der A Knappschaft aufgehobenen Rentengewährungsbescheides vom 27. Februar 1964. Der Weg zu diesem Ziel ist unterschiedlich, je nachdem, ob diese Bescheide nach § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bindend geworden sind oder nicht. Ist die Bindungswirkung nicht eingetreten und sind die Bescheide also noch anfechtbar geblieben und auch angefochten worden, so ist ihre Rechtmäßigkeit in vollem Umfang nachzuprüfen. Sind die Bescheide dagegen bindend geworden, so kann der Kläger nur dann von der Beklagten nach § 93 Abs. 1 RKG eine Neufeststellung verlangen, wenn diese sich von ihrer Unrechtmäßigkeit überzeugt oder aber, wenn die Unrichtigkeit der Bescheide so offensichtlich ist, daß sie sich von ihrer Unrichtigkeit hätte überzeugen müssen (vgl. BSG in SozR Nr. 12 zu § 1300 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Es ist daher zunächst zu prüfen, ob die genannten Bescheide bindend geworden oder anfechtbar geblieben sind.
Nach § 77 SGG ist ein Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, wenn der gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt worden ist. Nach § 87 SGG beginnt die einmonatige Klagefrist gegen einen Widerspruchsbescheid mit der auch in § 85 Abs. 3 SGG vorgeschriebenen Zustellung dieses Bescheides. Nach dem hier anwendbaren § 4 VwZG vom 3. Juli 1952 (BGBl I 379) kann die Zustellung mittels eingeschriebenen Briefes bewirkt werden. Das ist im vorliegenden Fall geschehen, jedoch ist der nach § 4 Abs. 2 VwZG erforderliche Vermerk in den Akten über den Zeitpunkt der Einlieferung zur Post erst mehr als fünf Jahre später - im Laufe dieses Verfahrens - auf dem in den Akten der Beklagten befindlichen Widerspruchsbescheid angebracht worden. Der BFH hat die Ansicht vertreten, dieser Vermerk sei unverzichtbare Wirksamkeitsvoraussetzung für die Zustellung und könne nicht durch das Postbuch der Behörde ersetzt werden (NJW 1970, 80). Das BSG hat diese Frage in zwei Entscheidungen ausdrücklich offengelassen (vgl. SozR Nrn. 7 und 9 zu § 4 VwZG). Auch im vorliegenden Fall braucht die vom LSG ausführlich behandelte Frage der Wirksamkeit einer Zustellung mittels eingeschriebenen Briefes bei Fehlen des Absendevermerks in den Akten nicht entschieden zu werden. Selbst wenn man zugunsten des Klägers mit dem BFH davon ausgeht, daß die Zustellung unwirksam ist und die Klagefrist nicht zu laufen begann, so sind die Bescheide der Beklagten vom 20. Juli 1965 und 25. Oktober 1965 doch nicht zeitlich unbegrenzt anfechtbar geblieben. Auch das Verfahrensrecht wird von dem in § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) enthaltenen Grundsatz von Treu und Glauben beherrscht, zu dem auch die Verwirkung gehört. Das BSG hat bereits entschieden, daß das Recht auf Anfechtung eines Verwaltungsaktes verwirkt werden könne, wenn neben dem bloßen Zeitablauf weitere Umstände hinzutreten, die das verspätete Geltendmachen des Rechts mit der Wahrung von Treu und Glauben als nicht vereinbar erscheinen lassen (vgl. BSG 34, 211 = SozR Nr. 14 zu § 242 BGB). Wenn auch im vorliegenden Fall die Zustellung nicht wirksam sein könnte, so steht doch andererseits fest, daß dem Kläger der Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 1965 in den nächsten Tagen nach der durch das Postbuch der Beklagten nachgewiesenen Einlieferung bei der Post tatsächlich zugegangen ist. Es spricht vieles für die Ansicht des LSG, daß die späteren Schriftsätze des Bevollmächtigten des Klägers vom 3. November 1965, 3. Dezember 1965, 2. Februar 1966, 25. Juli 1966 und 31. Oktober 1966 nicht als Anfechtung des Widerspruchsbescheides durch Klage angesehen werden können, weil der Bevollmächtigte des Klägers offensichtlich irrtümlich davon ausgegangen ist, über den Widerspruch sei noch nicht entschieden worden. Darauf kommt es aber nicht entscheidend an. Selbst wenn man den Anfechtungswillen des Klägers unterstellt, so hat der Kläger sich doch spätestens mit der Einleitung des ersten Klageverfahrens mit der Rentenumwandlung abgefunden. In diesem Verfahren hat er ausdrücklich die Rente wegen Berufsunfähigkeit nur für die Zeit vom 1. Dezember 1965 an begehrt. Damit hat er deutlich zum Ausdruck gebracht, daß er die Weiterzahlung der Rente wegen Berufsunfähigkeit über den Zeitpunkt der Umwandlung hinaus bis zum 1. Dezember 1965 nicht geltend machen und den Umwandlungsbescheid nicht anfechten will. Er hat also nach dem Zugang des die Rentenumwandlung bestätigenden Widerspruchsbescheides nicht nur untätig die Zeit verstreichen lassen, sondern durch eine zusätzliche Handlung zu erkennen gegeben, daß er sich mit der Rentenumwandlung abfinden und von seinem Anfechtungsrecht keinen Gebrauch machen, sondern den später gestellten Antrag auf Rente wegen Berufsunfähigkeit weiterverfolgen will. Unter diesen Umständen durfte nicht nur die Beklagte, sondern auch die Öffentlichkeit darauf vertrauen, daß der Kläger sich nicht später den Formfehler bei der Zustellung zunutze machen und zur aufgegebenen Anfechtung zurückkehren würde. Die Rechtssicherheit verlangt es in einem solchen Fall, daß der Kläger an der erkennbaren Aufgabe des Anfechtungsrechts festgehalten wird (vgl. hierzu Menger in SGb 1973, 408).
Hat der Kläger danach das Recht verloren, den Rentenumwandlungsbescheid und den ihn bestätigenden Widerspruchsbescheid anzufechten, so kann er nur unter den Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 RKG die Aufhebung dieser Bescheide und eine Neufeststellung verlangen. Der Umstand, daß die Beklagte mit ihrem Bescheid vom 31. Oktober 1969 und dem Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 1970 die Rechtmäßigkeit der Rentenumwandlung erneut begründet hat, führt nicht dazu, daß die Rechtmäßigkeit der Rentenumwandlung in vollem Umfang - unabhängig von den Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 RKG - von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nachgeprüft werden kann. Zwar handelt es sich bei diesen Bescheiden um anfechtbare und auf ihre Rechtmäßigkeit nachprüfbare Verwaltungsakte, die im Falle der Rechtswidrigkeit aufzuheben sind. Rechtswidrig sind sie jedoch nur dann, wenn die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 RKG vorliegen. Begründet der Versicherungsträger, warum er sich nicht von der Unrechtmäßigkeit des früheren Bescheides überzeugen und eine Neufeststellung treffen kann, so ändert das nichts daran, daß der frühere Bescheid unanfechtbar geblieben ist, so daß der Versicherungsträger nur unter den Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 RKG zur Neufeststellung verpflichtet ist. Der Kläger stützt sein Begehren dementsprechend auch ausschließlich auf diese Vorschrift, deren Voraussetzungen jedoch nicht vorliegen.
Nach § 93 Abs. 1 RKG hat der Versicherungsträger dann zugunsten des Versicherten eine Neufeststellung vorzunehmen, wenn er sich davon überzeugt, daß er die Leistung zu Unrecht entzogen hat, wobei unter Entziehung in diesem Sinne auch der in § 86 RKG geregelte Fall der Rentenumwandlung zu verstehen ist. Nach § 93 Abs. 1 RKG kommt es also auf die Überzeugung des Versicherungsträgers und nicht darauf an, ob das Gericht von der Unrechtmäßigkeit der Rentenumwandlung überzeugt ist. Das Gericht kann seine Überzeugung weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht an die Stelle der Überzeugung des Versicherungsträgers setzen. Lediglich in solchen Fällen, in denen die Unrichtigkeit des unanfechtbar gewordenen Bescheides so offensichtlich ist, daß eine andere Ansicht nicht mit guten Gründen vertretbar erscheint, muß der Versicherungsträger so behandelt werden als sei er überzeugt, obwohl er es nicht ist (vgl. hierzu BSG in SozR Nr. 12 zu § 1300 RVO und die dort zitierten Entscheidungen). Läßt sich dagegen die Überzeugung des Versicherungsträgers, die Rentenumwandlung sei nicht zu Unrecht erfolgt, mit guten Gründen vertreten, so bleibt es bei der unanfechtbar gewordenen Entscheidung. Im vorliegenden Fall besteht nach den Feststellungen des LSG zwar die Möglichkeit, daß die Voraussetzungen des § 86 RKG für eine Rentenumwandlung nicht erfüllt waren, weil der Kläger möglicherweise schon im Zeitpunkt der Rentengewährung nicht berufsunfähig war, so daß das Nichtvorliegen von Berufsunfähigkeit nicht Folge einer Änderung der Verhältnisse des Klägers ist (vgl. hierzu BSG in SozR Nr. 14 zu § 1286 RVO). In diesem Fall wäre die Rentenumwandlung zwar rechtswidrig gewesen. Fraglich ist immerhin, ob sie im Sinne des § 93 Abs. 1 RKG auch "zu Unrecht" erfolgt ist. Der Wortlaut dieser Vorschrift spricht zwar dafür, daß damit jede rechtswidrige Rentenumwandlung gemeint ist, so daß darunter auch diejenige Rentenumwandlung fällt, die trotz Fehlens der Berufsunfähigkeit deshalb rechtswidrig ist, weil es an einer Änderung in den Verhältnissen des Versicherten fehlt. Diese vom Wortlaut her gebotene Auslegung ist jedoch nicht so zwingend, daß nur sie vertretbar wäre. Doch für die vom LSG und der Beklagten vertretenen Ansicht sprechen vielmehr gute Gründe. Man könnte den Sinn des § 93 Abs. 1 RKG auch dahin verstehen, daß er der materiellen Gerechtigkeit gegenüber dem formellen Recht zum Siege verhelfen will (vgl. Koch-Hartmann, Kommentar zum AVG, Band IV, Anm. A III zu § 79, S. V 526). Geht man davon aus, so will die Vorschrift materiell-rechtlich eindeutig bestehende Leistungsansprüche zugunsten der Versicherten durchsetzen, obwohl das formelle Recht und die Bindungswirkung dem entgegenstehen, nicht aber will sie den Versicherungsträger zur Anerkennung eines materiell-rechtlich nicht bestehenden Leistungsanspruchs verpflichten, nur weil der Versicherungsträger den ursprünglichen, unrichtigen Leistungsbescheid aus formellen Gründen nicht aufheben durfte. Hält man diese Auslegung des § 93 Abs. 1 RKG für vertretbar, so braucht sich die Beklagte von der Unrichtigkeit des Rentenumwandlungsbescheides nur dann zu überzeugen, wenn der Kläger materiell-rechtlich einen Anspruch auf die Rente wegen Berufsunfähigkeit hat. Das ist jedoch nicht der Fall, denn nach den Feststellungen des LSG liegen die Voraussetzungen des § 46 RKG nicht vor. Wenn das LSG auch nicht ausdrücklich etwas zu der Frage gesagt hat, welche Tätigkeiten der Kläger noch verrichten kann, so ist doch davon auszugehen, daß es ihn - in Übereinstimmung mit der Beklagten - für fähig hält, die in dem Gutachten vom 15. September 1968 genannten Tätigkeiten (z. B. Verwieger und Apparatewärter) zu verrichten, deren Fähigkeit nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats auch für einen Hauer das Vorliegen von Berufsunfähigkeit ausschließt. Abgesehen davon, daß auch der Kläger diese Fähigkeit nicht mehr bestreitet, wären die rechtlichen Ausführungen des LSG unverständlich, wenn man nicht die Fähigkeit zu den im Gutachten vom 15. September 1968 genannten Tätigkeiten als festgestellt ansehen wollte. Steht danach fest, daß der Kläger nicht berufsunfähig ist, so hat er materiell-rechtlich keinen Anspruch auf die Gesamtleistung wegen Berufsunfähigkeit. Davon ausgehend brauchte sich daher die Beklagte nicht davon zu überzeugen, daß die Rentenumwandlung zu Unrecht erfolgt ist; ihre Rechtsansicht kann jedenfalls nicht als offensichtlich falsch angesehen werden.
Geht man dagegen von der offen gebliebenen Möglichkeit aus, daß in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers eine Änderung eingetreten ist, oder hält man eine dahingehende Würdigung der vorliegenden Gutachten immerhin für möglich, so braucht sich die Beklagte ebenfalls nicht von der Unrichtigkeit der Rentenumwandlung zu überzeugen, denn in dem einen Fall wäre sie rechtmäßig und in dem anderen Fall jedenfalls nicht offensichtlich unrichtig.
Der Senat hat die danach unbegründete Revision des Klägers zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen