Orientierungssatz
Auch in der gesetzlichen UV ist einer Witwe die Abfindung des Rentenanspruches nur bei der ersten Wiederheirat zu gewähren (Anschluß an BSG 1977-07-21 GS 1/76 = SGb 1978, 28).
Normenkette
RVO § 589 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1963-04-30, § 590 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30, § 615 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30
Verfahrensgang
LSG Bremen (Entscheidung vom 22.08.1974; Aktenzeichen L 2 U 28/73) |
SG Bremen (Entscheidung vom 05.09.1973; Aktenzeichen S U 99/72) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil das Landessozialgerichts Bremen vom 22. August 1974 und das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 5. September 1973 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin war mit dem Bauarbeiter Georg S verheiratet. Er ist am 3. Oktober 1963 an den Folgen eines am Vortage erlittenen Arbeitsunfalls gestorben. Die Beklagte gewährte der Klägerin deswegen eine Witwenrente (Bescheid vom 2. März 1964) und nach Eheschließung mit dem Heizungsmonteur J am 20. Dezember 1966 eine Abfindung der Witwenrente (Bescheid vom 19. Januar 1967). Nach Scheidung der Ehe mit J gewährte die Beklagte der Klägerin erneut Witwenrente (Bescheid vom 19. August 1970).
Am 19. Mai 1972 heiratete die Klägerin nochmals. Die beantragte Abfindung der Witwenrente lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 9. Juni 1972 ab. Beim Eingehen einer dritten Ehe fehle es an einer Anspruchsgrundlage für eine erneute Abfindung. Das Sozialgericht (SG) Bremen hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin eine Witwenrentenabfindung zu gewähren (Urteil vom 5. September 1973); es hat die Berufung zugelassen. Die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Bremen nach Beiladung der Firma ... M G GmbH und Co, E-KG, mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte der Klägerin 24.409,34 DM als Witwenrentenabfindung zu zahlen hat (Urteil vom 22. August 1974). Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt: Nach dem objektivierbaren Willen des Gesetzgebers, wie er aus dem Wortlaut des § 615 Abs 1 RVO, dem Zusammenhang, dem Zweck der Regelung, den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte zu ermitteln sei, sei auch bei Wegfall der wiederaufgelebten Witwenrente infolge weiterer Wiederverheiratung eine Abfindung zu gewähren. Der Wortlaut der Regelung lasse eine zweite Witwenrentenabfindung zu. Ihr Zweck, einen Ausgleich dafür zu bieten, daß die Witwe nach der Wiederverheiratung die Rente verliert, den Entschluß zur Wiederverheiratung zu erleichtern und damit den unerwünschten Rentenkonkubinaten entgegenzuwirken, sei allgemein anerkannt; er werde bei jeder Wiederverheiratung erreicht und nicht nur bei der ersten. Auch die Rechtsnatur der wiederaufgelebten Witwenrente stehe einer Abfindung nicht entgegen, selbst wenn sie nicht mehr die Unterhaltsleistung des Verstorbenen aus dessen Versicherungsverhältnis ersetzt, sondern Versorgung aus staats- und familienpolitischen Gründen ist, die nur aus praktischen Erwägungen an die Witwenrente anknüpfe. Der Vergleich mit ähnlichen Regelungen im Recht der Rentenversicherung, der Beamtenversorgung und der Kriegsopferversorgung spreche ebenfalls nicht gegen eine Abfindung der wiederaufgelebten Rente. Allenfalls aus der Regelung im Bundesversorgungsgesetz, wonach nur die Grundrente abgefunden werde, könne auf einen anderen Zweck der Abfindung geschlossen werden; die Grundrente sei Entschädigung für die im einzelnen nicht immer wägbaren Schäden, die für die Witwen durch den Verlust des Ernährers eingetreten seien. Die Entstehungsgeschichte der Abfindung stehe der Auslegung, daß sie auch für eine wiederaufgelebte Witwenrente zu gewähren sei, nicht entgegen. Insbesondere habe der Sozialpolitische Ausschuß des Bundestages im Zusammenhang mit der Beratung des § 615 RVO eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß der Abfindungsanspruch nicht auf die erste Wiederverheiratung beschränkt, sondern auch bei folgenden Eheschließungen gegeben sei. Der Gesamtbetrag der der Klägerin zu zahlenden Abfindung von 27.768,- DM sei um 3.358,66 DM zu kürzen, die von der ersten Abfindung der Klägerin noch zurückzuzahlen seien. Sie habe daher Anspruch auf 24.409,34 DM. Eine teilweise Abtretung an die Beigeladene sei nach § 119 RVO mangels Genehmigung durch das Versicherungsamt unwirksam. Dem an sich zutreffenden Urteil des SG sei eine jeden Zweifel über die Höhe der Abfindung ausschließende Fassung gegeben worden.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt und im wesentlichen wie folgt begründet: Abgesehen davon, daß das angefochtene Urteil von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) abweicht, beachte es auch nicht den klaren Wortlaut des § 590 Abs 1 RVO, wonach die Witwe eine Witwenrente bis zu ihrem Tode oder ihrer Wiederverheiratung erhalte. Damit hätte man es an sich genug sein lassen können. Zu der ihr nur bis zur ersten Wiederverheiratung zu gewährenden Witwenrente und der bei der ersten Wiederverheiratung zu gewährenden Witwenrentenabfindung billige ihr § 615 Abs 2 RVO im Grunde als Ausnahmefall das Wiederaufleben der Rente zu, allerdings nicht uneingeschränkt, sondern nur unter Anrechnung der infolge Auflösung der zweiten Ehe erworbenen Unterhalts-, Renten- oder Versorgungsansprüche und außerdem nach § 615 Abs 3 RVO auch nur bei Rückzahlung der ihr bei der Wiederverheiratung gewährten Abfindungssumme. Eine zweite oder überhaupt wiederholte Witwenrentenabfindung sei im Gesetz nicht vorgesehen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Bremen vom 22. August 1974 sowie das Urteil des SG Bremen vom 5. September 1973 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise,
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs 2 SGG).
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Abfindung der Witwenrente aus Anlaß ihrer Heirat am 19. Mai 1972.
Nach § 589 Abs 1 Nr 3 iVm § 590 Abs 1 RVO erhält die Witwe bei Tod des Versicherten durch Arbeitsunfall eine Witwenrente bis zu ihrem Tod oder ihrer Wiederverheiratung. Heiratet eine Witwe wieder, so wird nach § 615 Abs 1 RVO das Fünffache des Jahresbetrages der Rente als Abfindung gewährt. In gleicher oder ähnlicher Weise ist die Gewährung einer Abfindung der Witwenrente bei Wiederheirat der Witwe in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten (§ 1302 Abs 1 RVO, § 81 Abs 1 AVG), in der knappschaftlichen Rentenversicherung (§ 83 RKG) und in der Kriegsopferversorgung (§ 44 Abs 1 BVG) geregelt. Hierzu hat das BSG, mit Ausnahme für das Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung, in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß einer Witwe die Abfindung des Rentenanspruches nur bei ihrer ersten Wiederheirat zu gewähren ist (BSGE 17, 120; 23, 124; 26, 77; SozR Nr 2 zu § 83 RKG; SozR Nr 19 zu § 44 BVG). An dieser Rechtsprechung hat der Große Senat (GS) des BSG im Beschluß vom 21. Juli 1977 (GS 1/76 und 2/76) festgehalten und schon im Tenor zum Ausdruck gebracht, daß einer Witwe die Abfindung des Rentenanspruches auch in der gesetzlichen Unfallversicherung nur bei der ersten Wiederheirat zu gewähren ist.
Der erkennende Senat schließt sich der bisherigen Rechtsprechung und der Auffassung des GS an.
Gesetzeswortlaut und Sprachgebrauch sind zur Klärung der Streitfrage nicht dienlich. Der Gesetzgeber bezeichnet eine Frau, die Anspruch auf das Wiederaufleben der Witwenrente hat, weiterhin als "Witwe" (§§ 615 Abs 2 Satz 2, 1291 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 RVO; § 68 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 AVG; § 83 Abs 3 Satz 1 Halbsatz 2 RKG; § 44 Abs 5 Satz 3 BVG), obwohl nach dem Sprachgebrauch Witwe eine "Ehefrau nach dem Tode ihres Mannes (ist), solange sie nicht wieder geheiratet hat" (vgl Brockhaus-Enzyklopädie, 17. Aufl Bd 20 S. 427). Die Gesetzesmaterialien über die Einführung des Wiederauflebens der Witwenrente und die damit einhergehende Erhöhung der bisher schon vorgesehenen Abfindung der Witwenrente, wenn die Witwe wieder heiratet, durch das am 1. Januar 1957 in Kraft getretene Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 23. Februar 1957 (BGBl I 45) lassen zwar erkennen, daß damit beabsichtigt war, die bisher ungünstige Rechtsposition der Witwenrentnerinnen - endgültiger Rentenwegfall mit geringer Abfindung bei der ersten Wiederheirat - spürbar zu verbessern und dem unerwünschten Rentenkonkubinat (Onkelehen) entgegenzuwirken (BT-Drucksache II/2437 S. 79 und 80 zu §§ 1295 bis 1305 des Entwurfs). Jedoch kann den Materialien nicht entnommen werden, daß damit die Heiratsabfindung und das Wiederaufleben der Witwenrente nunmehr für unbegrenzt viele Ehen und deren Auflösung gewährt werden sollte. Deutlicher sind dagegen die Gesetzesmaterialien über die Einführung des Wiederauflebens der Witwenrente und die Erhöhung der Heiratsabfindung in der KOV durch das am 1. Juni 1960 in Kraft getretene Erste Neuordnungsgesetz vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453). Hiermit beabsichtigte der Gesetzgeber, das BVG an das Recht der Sozialversicherung anzupassen (BT-Drucksache III/1239 S. 28 f zu § 42 des Entwurfs). Nach seiner Auffassung begründete die Auflösung der zweiten Ehe in Angleichung an die Regelung in der Sozialversicherung das Wiederaufleben der Witwenrente. Die Witwe erleide durch die Auflösung dieser Ehe keine Rechtsnachteile gegenüber ihrer früheren Rechtsstellung. Wie durch die Erhöhung der Heiratsabfindung sei auch durch das Wiederaufleben der vollen Witwenbezüge nach Auflösung der zweiten Ehe zu hoffen, daß der Wille zu einer erneuten Eheschließung gestärkt werde. Dadurch wird die Rechtsprechung des BSG bekräftigt, daß die Heiratsabfindung als Starthilfe nur zum Eingehen der ersten neuen Ehe nach dem Tod des ersten Ehemannes dienen, dagegen sich die durch seinen Tod ausgelöste Versorgungskette nicht über die neue, zweite Ehe hinaus fortsetzen soll. Der Leitgedanke der Gesetzesmaterialien des Ersten Neuordnungsgesetzes, eine Angleichung an die sozialversicherungsrechtliche Regelung herbeizuführen, erlaubt auch Rückschlüsse für die Interpretation des gesetzgeberischen Ziels des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes in dem Sinne, daß dort ebenfalls eine zweite Wiederheirat keine Leistungen der Rentenversicherung mehr auslösen soll.
Zu dem am 1. Juli 1963 in Kraft getretenen Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 30. April 1963 (BGBl I 241), das den § 615 RVO geschaffen hat, enthält der Bericht des Abgeordneten Killat, den er für den 20. Ausschuß des Bundestages am 25. Januar 1963 erstattet hat (BT-Drucksache IV/938 - neu - S. 11, 16 zu § 612 des Entwurfs), die vielfach zitierte Erklärung: "Im Ausschuß besteht übereinstimmend die Auffassung, daß die Abfindung nach Abs 1 nicht nur bei der erstmaligen Wiederverheiratung, sondern auch bei einer möglicherweise folgenden Wiederverheiratung gewährt werden sollte". Entsprechende Änderungen am Wortlaut des Entwurfs hat indessen der 20. Ausschuß nicht vorgeschlagen (vgl aaO S. 69, 70); § 615 Abs 1 RVO behielt vielmehr die Fassung, die hinsichtlich des Tatbestandsmerkmales der Wiederverheiratung dem § 588 Abs 2 RVO aF gleicht mit der einzigen Änderung, daß es nunmehr "eine Witwe" statt "die Witwe" heißt. Da nach § 588 Abs 1 Satz 1 RVO aF die Witwenrente mit der - ersten - Wiederheirat endgültig wegfiel, konnte die Abfindung nach Abs 2 dieser Vorschrift nur aus diesem Anlaß einmal beansprucht werden. Als der 20. Ausschuß im Januar 1963 seine Erklärung abgab, lagen nicht nur die Gesetzesmaterialien zum Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz und zum Ersten Neuordnungsgesetz vor, sondern durch das Urteil des BSG vom 19. Juni 1962 - 11 RV 32/62 - (BSGE 17, 120 - SozR Nr 6 zu § 44 BVG, erschienen in der 81. Lieferung, August 1962) war auch bekannt, wie die damals schon gefestigte Rechtsprechung die gleichartige Vorschrift des § 44 Abs 1 BVG auslegte. Unter diesen Umständen mag die Verlautbarung des 20. Ausschusses eine Anregung darstellen, etwa bei einer Reform der Hinterbliebenenrentenansprüche in allen Zweigen des Sozialrechts künftig eine Witwenrentenabfindung auch bei der zweiten Wiederheirat vorzusehen (vgl auch BSG SozR Nr 30 zu § 1291 RVO). Der Gesetzgeber hat jedoch seit 1963 bei zahlreichen Novellierungen des Sozialrechts trotz Kenntnis der Rechtsprechung des BSG und der an ihr geübten Kritik keine Klarstellung der Gesetzestexte herbeigeführt, die eine Entscheidung, wie sie das Berufungsgericht getroffen hat, rechtfertigen würde.
Sinn und Zweck der Regelungen über Heiratsabfindungen und das Wiederaufleben der Witwenrenten gebieten es gleichfalls nicht, nach Auflösung der zweiten Ehe (erste Wiederheirat) und jeder weiteren Ehe jeweils eine Witwenrente und eine Abfindung in unbegrenzter Reihenfolge zu gewähren.
Nach geltendem Recht sind die Renten an die Hinterbliebenen Erwerbstätiger (Kriegsbeschädigter) hinsichtlich ihrer Laufzeit auf den Zeitraum begrenzt, in dem der durch den Tod des Ernährers fortgefallene Lebensunterhalt ersetzt werden muß. Bei der Witwe ist diese Notwendigkeit nur so lange gegeben, bis ein neuer Lebenspartner innerhalb eines anderen Familienverbandes für den Unterhalt sorgt. Daher bildet im Sozialrecht und in vergleichbaren Rechtsgebieten die Wiederheirat der Witwe den Tatbestand, der zu ihren Lebzeiten die Rente wegfallen läßt. Unter der gleichen Voraussetzung erlischt auch der familienrechtliche Unterhaltsanspruch (vgl für das frühere Recht § 67 EheG; jetzt § 1586 BGB idF des 1. EheRG vom 14. Juni 1976 - BGBl I 1421). Der durch die Wiederheirat bedingte Rentenwegfall ist für die Dauer der Ehe unabänderlich, auch wenn der zweite Ehemann den Unterhalt für seine Familie - aus welchen Gründen auch immer - nicht mehr aufbringen kann. Einer während der zweiten Ehe (erste Wiederheirat) derart in Bedrängnis geratenen Frau bietet sich als Ausweg die Scheidung, um danach mittels der wiederaufgelebten Witwenrente eine Sicherung ihrer Existenz zu finden. Insofern kann das in § 615 Abs 2 RVO festgelegte sozialrechtliche Institut der wiederauflebenden Witwenrente - unbeabsichtigt - sogar einem dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz von Ehe und Familie (Art 6 Abs 1 GG) zuwiderlaufenden Effekt erzielen. Eine unbegrenzte Fortsetzung der vom ersten Ehemann abgeleiteten "Versorgungskette" wäre geeignet, diesen nicht unbedenklichen Effekt zu verstärken. Gegen eine solche unbegrenzte Fortsetzung der "Versorgungskette" spricht auch, daß bei einer dritten Ehe (zweite Wiederheirat) ein gegen den zweiten Ehemann etwa bestehender Unterhaltsanspruch erlischt (§ 67 EheG; § 1586 Abs 1 BGB). Es erscheint in diesen Fällen nicht gerecht, wenn eine Ehefrau bei Auflösung ihrer dritten Ehe (zweite Wiederheirat) zwar auf eine aus ihrer ersten Ehe stammende soziale Sicherung zurückgreifen dürfte, aber ihren zweiten Ehemann (erste Wiederheirat) nicht mehr in Anspruch nehmen kann, zumal da Unterhaltsansprüche aus nachfolgenden Ehen dem Anspruch an die Versicherung des ersten Ehemannes vorgehen (§ 615 Abs 2 Satz 2 RVO). Auch die vom Gesetzgeber bekundete Absicht, mit der Heiratsabfindung und dem Wiederaufleben der Witwenrente dem Rentenkonkubinat (Onkelehe) als einem Massenphänomen der Nachkriegszeit entgegenzuwirken, rechtfertigt nicht, eine unbegrenzte "Versorgungskette" anzunehmen. Der Zweck, den Beziehern von Witwenrente ihren höchstpersönlichen Entschluß, erneut zu heiraten, wirtschaftlich zu erleichtern, ist damit erreicht, daß die betreffende Frau den Witwenstand ablegt und fortan in zweiter Ehe verheiratet ist, Auflösungen der zweiten Ehe und eheähnliche Partnerschaften auf der Grundlage der wiederaufgelebten Witwenrente mag es später zwar in mehr oder minder großer Zahl gegeben haben und noch geben; dabei handelt es sich jedoch nicht um die Massenerscheinung, die den Gesetzgeber zum Eingreifen bewogen hatte, sondern um individuelle Schicksale, auf die das Gesetz nicht zwingend zu übertragen ist. Durch die Bereitstellung einer Heiratsabfindung und das Wiederaufleben der Witwenrente übernehmen die rentenzahlenden Versicherungs- oder Versorgungsträger auch keine Garantenstellung aufgrund derer sie der wiederverheirateten Witwe gegenüber verpflichtet sein könnten, ihr auf Lebenszeit bei Auflösung beliebig vieler nachfolgender Ehen zumindest den Unterhaltsstatus zu gewähren, den die originäre Witwenrente zunächst geboten hatte.
Bedenken gegen eine extensive Rechtsauslegung ergeben sich auch daraus, daß die wiederaufgelebte Witwenrente jetzt nicht mehr mit den starken Sicherungen gegen eine mißbräuchliche Inanspruchnahme versehen ist, wie sie der Gesetzgeber in den Jahren 1957 bis 1963 - bei der damaligen Handhabung der Anrechnungsvorschriften (§§ 615 Abs 2 Satz 2, 1291 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 RVO, 44 Abs 5 BVG) - noch als selbstverständlich voraussetzen konnte. Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 1974 - 1 BvR 505/68 - (BVerfGE 38, 187, 199 ff = SozR 3100 § 44 Nr 2) hat zwar ausdrücklich nur die Verschuldensklausel in § 44 Abs 2 BVG aF betroffen. Diese Entscheidung löste jedoch auch weitreichende Konsequenzen für die rechtliche Beurteilung des Anspruchs auf die wiederaufgelebte Witwenrente aus, die in Frage stellen, ob heute noch - wie früher - von einer Subsidiarität dieses Versorgungsanspruches die Rede sein kann (vgl BSGE 40, 260, 264); für die Renten der Sozialversicherung gilt diese veränderte Beurteilung gleichermaßen (vgl Ruhland MDR 1976, 453, 457 f). Die jetzt gewonnene Erkenntnis, daß eine Frau die wiederaufgelebte Witwenrente auch dann erhalten kann, wenn sie wissentlich, vielleicht sogar zielstrebig ihre zweite Ehe und damit ihre Existenzsicherung innerhalb der Ehe zerstört hat (BVerfGE 31, 197; BSGE 40, 260, 262), war in den Jahren, als das Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz, das Erste Neuordnungsgesetz und das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz beraten und verabschiedet wurden, noch gar nicht vorhanden. Hätte der Gesetzgeber diese Erkenntnis damals schon in Betracht ziehen müssen, so wären vermutlich Zweifel aufgetaucht, ob das Institut des Wiederauflebens der Witwenrente überhaupt eingeführt werden sollte; eine nicht auf die erste Wiederheirat beschränkte Anwendung der §§ 615 Abs 1 und 2 hätte der Gesetzgeber unter solchen Perspektiven gewiß nicht gebilligt.
Der Regelung im Beamtenrecht (§ 124 a BBG, jetzt § 21 BeamtVG), wonach die Heiratsabfindung nicht nur bei der ersten Wiederheirat nach dem Tode des Beamten oder Ruhestandsbeamten, sondern auch bei jeder folgenden Eheschließung zu zahlen ist, kommt keine entscheidende Bedeutung zu. Der GS verweist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf, daß die seit langem bekannte Rechtsprechung des BSG niemals Gegenstand von Erörterungen und Abwägungen im Bereich des Beamtenrechts gewesen sei und die beamtenrechtliche Versorgung zudem von jeher ein spezifisch abgegrenztes, mit dem Sozialrecht nicht vergleichbares Rechtsgebiet darstellt, das mit seinem dienstrechtlichen Sach- und Regelungszusammenhang auch bei der Kodifikation des Sozialgesetzbuches bewußt ausgeklammert geblieben ist.
Da die gegen die langjährige, ständige Rechtsprechung des BSG vorgebrachten Einwände keine ausreichende Überzeugungskraft aufweisen, liegt es im Interesse der Rechtssicherheit, an ihr auch in Zukunft festzuhalten, bis der Gesetzgeber die ihm vom BVerfG aufgegebene Reform der Hinterbliebenenversorgung verwirklicht (BVerfGE 39, 169 = SozR 2200 § 1266 Nr 2).
Die Urteile des SG und des LSG waren daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen