Leitsatz (amtlich)
1. Die Erbringung vorläufiger Sozialleistungen iS des § 102 Abs 1 SGB 10 setzt eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung voraus.
2. Ist von zwei Sozialleistungsträgern je nachdem, welche Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, ausschließlich entweder der eine oder der andere Träger zur Erbringung einer Sozialleistung zuständig und verpflichtet, so stehen sie zueinander nicht im Verhältnis des Vor- und Nachranges iS des § 104 Abs 1 SGB 10.
3. Gegenüber dem Erstattungsanspruch des unzuständigen Leistungsträgers (§ 105 Abs 1 SGB 10) steht dem in Anspruch genommenen Leistungsträger die sachlich-rechtliche Einwendung zu, daß eine gegen ihn erhobene Klage des Leistungsempfängers rechtskräftig abgewiesen worden sei (Fortführung von und im Ergebnis Anschluß an BSG 9.5.1984 4 RJ 44/83 = SozR 1500 § 141 Nr 13).
Leitsatz (redaktionell)
Erstattungsansprüche der Krankenkasse gegen den Rentenversicherungsträger wegen Gewährung von Leistungen nach § 184a RVO fallen demnach nicht unter § 104 SGB 10, sondern unter § 105 SGB 10.
Orientierungssatz
Voraussetzungen einer vorläufigen Leistungsgewährung - Ausgleichsverhältnis des vorrangig zum nachrangig verpflichteten Leistungsträgers - Streitgegenstand nach § 141 Abs 1 SGG:
1. Eine vorläufige Leistungsgewährung setzt begrifflich voraus, daß der in Anspruch genommene Leistungsträger zwar zunächst zur Leistung verpflichtet ist, dabei aber entweder in Kenntnis von der Zuständigkeit eines anderen Leistungsträgers und damit von der eigenen Unzuständigkeit leistet oder sich noch im ungewissen darüber befindet, welcher andere Leistungsträger zuständig ist (vgl BSG vom 28.3.1984 9a RV 50/82 = SozR 1300 § 102 Nr 1 S 4). Eine Vorleistung erfordert somit das Bestehen entweder eines Kompetenzkonflikts oder einer sonstigen Unklarheit über die Zuständigkeit für die endgültige Leistungserbringung. Dabei muß der Wille des erstattungsbegehrenden Leistungsträgers, entweder für einen anderen oder im Hinblick auf die ungeklärte Zuständigkeit leisten zu wollen, nach außen erkennbar sein. Der Charakter der Erbringung einer vorläufigen Sozialleistung muß von Anfang an feststehen; die nachträgliche Umdeutung einer erbrachten Leistung in eine vorläufige Sozialleistung kommt nicht in Betracht.
2. Ob die an einem Ausgleichsverhältnis beteiligten Leistungsträger zueinander im Verhältnis des Vor- und Nachranges stehen, ist - sofern nicht wie im Bereich der Sozialhilfe (vgl § 2 Abs 2 des Bundessozialhilfegesetzes - BSHG -) die Nachrangigkeit ein gesamtes Leistungssystem erfaßt ("Systemsubsidiarität") - im Einzelfall anhand des jeweils geltenden materiellen Rechts zu prüfen ("Einzelfallsubsidiarität"). Dabei ist zunächst von Bedeutung, daß - in Abgrenzung zu den Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach § 105 Abs 1 SGB 10 - die Leistungen des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers mit Rechtsgrund und somit rechtmäßig erbracht worden sein müssen. Überdies muß in den Fällen des § 104 Abs 1 SGB 10 die Zuständigkeit und Verpflichtung des nachrangigen Leistungsträgers schon im Zeitpunkt der Leistungsgewährung - dies im Gegensatz zu den Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs des § 103 Abs 1 SGB 10 - subsidiär originär, dh der Höhe nach von der Leistungsverpflichtung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers abhängig sein mit der Folge, daß der nachrangig verpflichtete durch die Leistung des vorrangig verpflichteten Trägers nicht endgültig von seiner Leistungspflicht befreit wird, sondern diese eventuell wieder oder in größerem Umfange entsteht, wenn sich bei unveränderter Leistung des vorrangigen Trägers der Bedarf des Berechtigten erhöht.
3. Der Begriff des "Streitgegenstandes" nach § 141 Abs 1 SGG deckt sich mit demjenigen des "erhobenen Anspruchs" (vgl BSG vom 16.3.1961 8 RV 93/59 = BSGE 14, 99, 101 = SozR Nr 8 zu § 141 SGG). Die Rechtskraft eines Urteils steht damit der Zulässigkeit einer erneuten Klage wegen desselben Streitgegenstandes (Anspruchs) jedenfalls dann entgegen, wenn nicht aus besonderen Gründen ein Rechtsschutzinteresse für die neue Klage besteht (vgl BSG vom 13.12.1960 2 RU 189/56 = BSGE 13, 181, 189 = SozR Nr 7 zu § 141 SGG). Voraussetzung ist jedoch eine Identität der Streitgegenstände. Hierfür ist eine Deckungsgleichheit des in dem früheren und dem erneut anhängig gemachten Rechtsstreit erhobenen Anspruchs erforderlich (vgl BSG vom 13.12. 1960 aaO).
Normenkette
SGB X § 102 Abs. 1 Fassung: 1982-11-04, § 104 Abs. 1 Fassung: 1982-11-04, § 105 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1982-11-04; SGG § 141 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03; RVO § 184a
Verfahrensgang
SG Ulm (Entscheidung vom 03.02.1982; Aktenzeichen S 1 An 1398/81) |
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 17.04.1984; Aktenzeichen L 6 An 227/82) |
Tatbestand
Streitig ist das Bestehen eines Erstattungsanspruches.
Dem bei der klagenden Betriebskrankenkasse (BKK) gegen Krankheit und bei der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) rentenversicherten Albert E. (im folgenden: Versicherter) wurde im Kreiskrankenhaus Heidenheim nach einer Unterschenkelamputation eine Unterschenkelprothese angepaßt und er dort bis zu seiner Entlassung am 6. März 1980 im Gebrauch dieser Prothese ausgebildet. Vom 11. März bis 29. April 1980 wurde eine weitere stationäre Übungsbehandlung (Gehschule) im Rehabilitationszentrum St. I. durchgeführt. Den Antrag des Versicherten auf Übernahme der Kosten der stationären Behandlung im St.lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 30. April 1980 ab, weil die erste Gehschulung stets im Ursachenzusammenhang mit der erfolgten Operation stehe und deswegen die dafür erforderlichen Aufwendungen als Folgeleistung von der Krankenkasse zu tragen seien. Der Widerspruch des Versicherten blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 22. September 1980). Im anschließenden sozialgerichtlichen Verfahren wies nach Beiladung der Klägerin des jetzigen Verfahrens das Sozialgericht (SG) Ulm die Klage des Versicherten gegen die Beklagte auf Übernahme der Kosten für die stationäre Behandlung im St. durch rechtskräftiges Urteil vom 24. Juli 1981 im wesentlichen mit der Begründung ab, nicht die Beklagte, sondern gemäß § 182b der Reichsversicherungsordnung (RVO) die (damals beigeladene) Klägerin habe die Kosten der Gehschule zu tragen, weil bei Aufnahme des Versicherten im St. seine Ausbildung im Gebrauch der Prothese noch nicht abgeschlossen gewesen sei.
Im August 1981 übernahm die Klägerin die Kosten der stationären Behandlung des Versicherten in I.. Mit Schreiben vom 6. August 1981 begehrte sie von der Beklagten die Erstattung dieser Kosten in Höhe von 5.750,-- DM sowie des dem Versicherten für die Zeit vom 11. März bis 29. April 1980 gezahlten Krankengeldes in Höhe von 3.914,12 DM. Die Beklagte lehnte die Erstattung des Betrages von insgesamt 9.664,12 DM ab. Die deswegen erhobene Klage hat das SG Ulm abgewiesen (Urteil vom 3. Februar 1982). Die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg zurückgewiesen (Urteil vom 17. April 1984) und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Die Beklagte habe der Klägerin die Kosten der stationären Behandlung des Versicherten in I. sowie das ihm gezahlte Krankengeld nicht zu erstatten. Der Erstattungsanspruch richte sich nach den ab 1. Juli 1983 geltenden §§ 102 ff des Sozialgesetzbuches, Verwaltungsverfahren, Drittes Kapitel (SGB 10) vom 4. November 1982 (BGBl I S 1450). Die Vorschriften normierten eigenständige Erstattungsansprüche. § 102 Abs 1 SGB 10 komme als Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs der Klägerin nicht in Betracht. Selbst wenn sie vorläufige Leistungen für die Gehschulung des Versicherten erbracht habe, sei sie hierfür nicht gemäß § 43 Abs 1 des Sozialgesetzbuchs, Erstes Buch, Allgemeiner Teil (SGB 1) vom 11. Dezember 1975 (BGBl I S 3015) zuständig gewesen. Im Vergleich zu dieser Bestimmung sei § 6 Abs 2 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl I S 1881) mit der darin geregelten vorläufigen Leistungspflicht der Rentenversicherungsträger in Fällen medizinischer Maßnahmen zur Rehabilitation die speziellere und damit vorrangige Regelung. Ein Erstattungsanspruch nach § 105 Abs 1 SGB 10 scheide aus, weil auch die Klägerin - wenn auch im Verhältnis zur Beklagten nachrangig - als Rehabilitationsträgerin für die Gewährung medizinischer Leistungen in Form der Ausstattung mit Körperersatzstücken und orthopädischen Hilfsmitteln sowie der Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel grundsätzlich zuständig sei. Maßgebende Grundlage des Erstattungsanspruchs sei daher § 104 Abs 1 SGB 10. Dieser Erstattungsanspruch hänge aber davon ab, daß der Versicherte vorrangig einen Anspruch gegen den als erstattungspflichtig in Betracht kommenden Leistungsträger habe oder gehabt habe. Er unterliege daher allen Beschränkungen, die auch dem Versicherten gegenüber bestanden hätten. Vorliegend habe der Versicherte keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung der Gehschule als medizinische Maßnahme zur Rehabilitation. Das ergebe sich aus dem Urteil des SG Ulm vom 24. Juli 1981. Die Rechtskraft dieses Urteils binde nach § 141 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auch die damals beigeladene Klägerin. Zwar seien die Streitgegenstände des früheren Prozesses zwischen dem Versicherten und der Beklagten sowie des vorliegenden Rechtsstreits zwischen der Klägerin und der Beklagten nicht identisch. Der im vorliegenden Zweitprozeß geltend gemachte Anspruch der Klägerin sei aber von der im Erstprozeß streitigen Frage, ob der Versicherte gegen die Beklagte einen Anspruch auf eine Gehschule als medizinische Leistung zur Rehabilitation gemäß § 14 Nr 4 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) habe, unmittelbar abhängig. Die Entscheidung des SG im Erstprozeß habe in diesem wesentlichen Punkt diejenige des vorliegenden Zweitprozesses vorweggenommen, so daß eine erneute Entscheidung zu diesem Punkte weder erwünscht noch erforderlich sei und ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung sowohl der Kosten der stationären Behandlung des Versicherten als auch des ihm gewährten Krankengeldes entfalle.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin sinngemäß eine Verletzung des § 141 Abs 1 SGG sowie eine fehlerhafte Anwendung der §§ 102, 104 und 105 SGB 10. Das LSG habe zu Unrecht das Urteil des SG auch insoweit nicht abgeändert, als hinsichtlich des Anspruchs auf Erstattung der Kosten der stationären Behandlung des Versicherten die Klage als unzulässig abgewiesen worden sei. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sei ein originärer Erstattungsanspruch. Hierfür sei die durch das Urteil des SG vom 24. Juli 1981 getroffene Entscheidung, ob der Versicherte gegen die Beklagte einen Leistungsanspruch habe, lediglich eine entscheidungserhebliche Vorfrage. Sie berühre allenfalls die Begründetheit, nicht aber die Zulässigkeit der nunmehr erhobenen Klage. Das Urteil vom 24. Juli 1981 stehe jedoch auch der Begründetheit der Klage nicht im Wege. Angesichts dessen, daß das SG in jenem Urteil sowohl den Grundanspruch des Versicherten als auch einen Erfüllungsanspruch verneint habe und jede dieser Begründungen für sich allein das Urteil trage, könne ohne dessen Verletzung im vorliegenden Rechtsstreit vom Bestehen des Grundanspruchs ausgegangen werden. Dem stehe das Urteil des 4. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. Mai 1984 - 4 RJ 44/83 - (BSG SozR 1500 § 141 Nr 13) nicht entgegen. Einmal unterscheide sich der dort festgestellte von dem hier vorliegenden Sachverhalt. Zum anderen vermöge das Urteil materiell-rechtlich nicht zu überzeugen. Die Rechtsauffassung, daß sich ein im Vorprozeß Beigeladener als Kläger in einem späteren Erstattungsverfahren gegen einen anderen Leistungsträger das im Vorprozeß ergangene Urteil entgegenhalten lassen müsse, sei nicht schlüssig. Ein Beigeladener werde dadurch nämlich hinsichtlich seines Erstattungsanspruchs als vorleistender Träger letztlich von prozessualen Handlungen des Klägers des Vorprozesses abhängig. Dieser könne den Rechtsstreit in jeder Phase des Verfahrens und somit auch dann durch Klagerücknahme beenden, wenn nur der Beigeladene ein Rechtsmittel eingelegt habe. Habe der Kläger ein Rechtsmittel eingelegt und nehme er dieses zurück, sei der Rechtsstreit durch ein auch für den Beigeladenen bindendes rechtskräftiges Urteil ebenfalls beendet. Der Beigeladene könne also nicht in jedem Fall ein ihm ungünstiges Urteil verhindern. Diese Abhängigkeit von prozessualen Handlungen des Klägers des Vorprozesses sei mit der Charakteristik des Erstattungsanspruchs als eines originären Anspruchs eigener Art nicht vereinbar. Außerdem könne der Beigeladene des Vorprozesses seine Beteiligung an diesem Rechtsstreit nicht beeinflussen. Denn der Beiladungsbeschluß des SG sei in jedem Falle und deswegen auch dann unanfechtbar, wenn der einfach Beigeladene nicht auf seinen Antrag, sondern auf Antrag des Klägers oder des Beklagten oder von Amts wegen beigeladen sei. Die Rechtsauffassung des 4. Senats habe zur Folge, daß in einem Rechtsstreit des vorleistenden Trägers gegen den seiner Meinung nach zuständigen Träger nach § 114 Abs 2 SGG die Verhandlung ausgesetzt werden müsse, bis über einen ggfs bei einem anderen Gericht anhängigen Rechtsstreit des Anspruchsberechtigten gegen den mutmaßlich leistungspflichtigen Träger entschieden sei, wenn an diesem Rechtsstreit der vorleistende Träger als Beigeladener beteiligt sei. Im übrigen habe der 4. Senat das Rechtsinstitut der "vorläufigen Leistung" verkannt. Angesichts des Sozialstaatsgebotes des Grundgesetzes (GG) habe seit jeher der Streit zwischen Sozialleistungsträgern um die Zuständigkeit zur Erbringung einer konkreten Leistung nicht auf dem Rücken des Versicherten ausgetragen werden sollen. Deswegen sei der Anspruch auf vorläufige Leistungen vom Antrags- und Bewilligungsverfahren unabhängig. Das müsse dann aber auch für den Erstattungsanspruch des vorleistenden Leistungsträgers gelten. Werde dieser Anspruch durch das Leistungsbewilligungsverfahren des zuständigen Leistungsträgers beeinträchtigt, so gehe die Bereitschaft zur Erbringung vorläufiger Leistungen verloren und damit der Vorleistungsanspruch ins Leere. Der 4. Senat habe ferner verkannt, daß es nicht Absicht des Gesetzgebers gewesen sein könne, mit der Einführung des § 102 SGB 10 die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs des vorleistenden Trägers enger zu ziehen, als sie vorher in der höchstrichterlichen Rechtsprechung gesehen worden seien.
Das LSG habe zu Unrecht einen Erstattungsanspruch nach § 102 Abs 1 SGB 10 verneint und dabei die Vorschrift unzulässig eingeengt. In Ansehung des mit der Einführung der Vorschriften über die Erbringung vorläufiger Leistungen zum Ausdruck gekommenen grundsätzlichen Willens des Gesetzgebers müsse es entweder in sachgerecht extensiver Auslegung des § 6 Abs 2 RehaAnglG bzw des § 43 SGB 1 oder unter Zuhilfenahme anderer gesetzlicher Vorschriften wie § 17 Abs 1 Nr 1 SGB 1 oder § 4 Abs 2 Satz 1, § 5 Abs 2 Satz 1 RehaAnglG zulässig sein, daß auch andere als die bei wörtlicher Auslegung des § 6 Abs 2 RehaAnglG bzw des § 43 Abs 1 SGB 1 zuständigen Leistungsträger vorläufige Leistungen erbrächten und gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger im Rahmen des § 102 SGB 10 einen Erstattungsanspruch hätten. Die weiteren Voraussetzungen des § 102 SGB 10 seien erfüllt. Insbesondere bestehe eine Leistungspflicht der Beklagten nach §§ 13, 14 AVG. Eine Gehschulung erfülle in hervorragender Weise die an eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation bzw an eine sogen "Anschlußheilbehandlung" zu stellenden Anforderungen und Voraussetzungen. An der Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung der stationären Behandlung vom 11. März bis 29. April 1980 ändere das Urteil des SG vom 24. Juli 1981 nichts, zumal der darin vertretenen Auffassung, daß sie (Klägerin) zur Erbringung der stationären Behandlung im Rahmen des § 182b oder des § 184 RVO verpflichtet gewesen sei, nicht gefolgt werden könne. Aufgrund des am 7. März 1980 eingegangenen Leistungsantrages habe die Beklagte auch tatsächlich die Möglichkeit gehabt, bis zur Aufnahme des Versicherten im St. am 11. März 1980 ihr Ermessen auszuüben und ihrer Leistungspflicht nachzukommen. Entgegen der Ansicht des LSG komme § 104 SGB 10 als Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs allenfalls in richterlicher Rechtsfortbildung dieser Vorschrift und des § 184a RVO in Betracht. Denn sie (Klägerin) sei nach letzterer Bestimmung überhaupt nicht und damit auch nicht nachrangig leistungsverpflichtet gewesen. Falls § 102 SGB 10 mangels ihrer (der Klägerin) Zuständigkeit für die Erbringung vorläufiger Leistungen nicht Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs sei, folge dieser aus § 105 SGB 10. Denn in diesem Fall habe sie (Klägerin) die vorläufigen Leistungen als "unzuständiger Leistungsträger" erbracht. Einem solchen Erstattungsanspruch stehe das Urteil des SG vom 24. Juli 1981 nicht entgegen. Über die Gewährung vorläufiger Leistungen sei darin nicht entschieden worden.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden- Württemberg vom 17. April 1984 und des Sozialgerichts Ulm vom 3. Februar 1982 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten der stationären Unterbringung des Versicherten Albert E. im St. I. vom 11. März bis 29. April 1980 in Höhe von 5.750,-- DM und das in dieser Zeit gewährte Krankengeld im Gesamtbetrag von 3.914,12 DM zu erstatten; hilfsweise: den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen. Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil insbesondere insoweit für zutreffend, als danach § 102 Abs 1 SGB 10 als Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs nicht in Betracht komme. Die Klägerin sei nicht aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift vorleistungspflichtig gewesen. Für das Gebiet der medizinischen Rehabilitation sei die Vorleistungspflicht durch § 6 Abs 2 Nr 1 RehaAnglG eindeutig geregelt. Hiernach sei der Rentenversicherungsträger vorleistungspflichtig. Eine erweiternde Auslegung zugunsten der Krankenkassen sei unzulässig, weil eine ausfüllungsbedürftige, vom Gesetzgeber übersehene Lücke im Gesetz nicht bestehe.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Klägerin steht ein Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der für die stationäre Behandlung des Versicherten vom 11. März bis 29. April 1980 aufgewendeten Kosten und des ihm für diese Zeit gewährten Krankengeldes nicht zu. Das hat das LSG im Ergebnis zutreffend entschieden. In der Begründung kann ihm allerdings nur teilweise gefolgt werden.
Entsprechend der insoweit zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichts beurteilt sich der von der Klägerin erhobene Erstattungsanspruch nach den seit dem 1. Juli 1983 geltenden §§ 102 ff SGB 10. Das ergibt sich aus der Überleitungsvorschrift des Art II § 21 SGB 10. Hiernach sind bereits begonnene Verfahren nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen. Unter "Verfahren" in diesem Sinne ist auch - oder möglicherweise sogar nur (vgl speziell dazu BSG SozR 1300 § 102 Nr 1 S 2) - das gerichtliche Verfahren zu verstehen. Demzufolge entspricht es einer inzwischen gesicherten und ständigen Rechtsprechung des BSG, daß vor dem 1. Juli 1983 erhobene Erstattungsansprüche der Sozialleistungsträger untereinander, welche noch nach dem 30. Juni 1983 Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sind, bei der gerichtlichen Entscheidung nach §§ 102 ff SGB 10 zu beurteilen sind (vgl das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil des erkennenden Senats vom 30. Januar 1985 - 1/4 RJ 107/83 - mit eingehenden weiteren Nachweisen).
Der Klägerin steht ein Erstattungsanspruch nach § 102 Abs 1 SGB 10 nicht zu. Auch darin ist dem LSG zu folgen. Nach dieser Vorschrift ist, wenn ein Leistungsträger aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat, der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig.
Im Zusammenhang mit dieser Anspruchsgrundlage kann auf sich beruhen, ob die Beklagte "der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger" im Sinne des § 102 Abs 1 SGB 10 ist und welche Rechtswirkungen dem Urteil des SG Ulm vom 24. Juli 1981 hinsichtlich dieser Leistungspflicht zukommen. Ein auf § 102 Abs 1 SGB 10 gestützter Erstattungsanspruch der Klägerin scheitert bereits aus anderen Gründen. Zweifelhaft ist zunächst, ob sie überhaupt "vorläufig" Sozialleistungen erbracht hat. Jedenfalls hat sie diese Leistungen nicht "aufgrund gesetzlicher Vorschriften" erbracht.
Eine vorläufige Leistungsgewährung setzt begrifflich voraus, daß der in Anspruch genommene Leistungsträger zwar zunächst zur Leistung verpflichtet ist, dabei aber entweder in Kenntnis von der Zuständigkeit eines anderen Leistungsträgers und damit von der eigenen Unzuständigkeit leistet oder sich noch im ungewissen darüber befindet, welcher andere Leistungsträger zuständig ist (BSG SozR 1300 § 102 Nr 1 S 4; Kommentar zum Recht der Gesetzlichen Rentenversicherung, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger - im folgenden: Verbandskommentar -, § 102 SGB 10, Stand 1. Juli 1983, Rdn 4). Eine Vorleistung erfordert somit das Bestehen entweder eines Kompetenzkonfliktes oder einer sonstigen Unklarheit über die Zuständigkeit für die endgültige Leistungserbringung (Dederer DRV 1983, 566, 573). Dabei muß der Wille des erstattungsbegehrenden Leistungsträgers, entweder für einen anderen oder im Hinblick auf die ungeklärte Zuständigkeit leisten zu wollen, nach außen erkennbar sein (Engelmann bei Schroeder-Printzen ua, Sozialgesetzbuch-SGB X. Kommentar und Ergänzungsband, 1984, § 102, Anm 2). Der Charakter der Erbringung einer vorläufigen Sozialleistung muß von Anfang an feststehen; die nachträgliche Umdeutung einer erbrachten Leistung in eine vorläufige Sozialleistung kommt nicht in Betracht (Schellhorn in Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch - Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten; GK - SGB X 3, 1984, § 102, Rdn 16 und 29; § 104, Rdn 55; Gerlach DOK 1983, 393, 398).
Angesichts dessen begegnet es jedenfalls hinsichtlich der erst im August 1981 übernommenen Kosten der stationären Behandlung des Versicherten rechtlichen Bedenken, ob die Klägerin damit im Verhältnis zur Beklagten eine vorläufige Leistung erbracht hat. Diese Bedenken rühren daher, daß die Kostenübernahme nach der am 30. Juli 1981 durchgeführten Zustellung des Urteils des SG Ulm vom 24. Juli 1981 und somit erst nach Kenntnis der gerichtlichen Feststellung einer fehlenden Leistungszuständigkeit und -verpflichtung der Beklagten erfolgt ist. Das läßt es zweifelhaft erscheinen, ob die Kostenübernahme noch als vorläufige Leistung angesehen werden kann (vgl Stüwe SdL 1983, 94, 96: die vorläufige Leistungspflicht endet mit der negativen Leistungsfeststellung des zuständigen Leistungsträgers).
Diesen Zweifeln braucht indes nicht weiter nachgegangen zu werden. Unabhängig hiervon steht der Klägerin ein Erstattungsanspruch nach § 102 Abs 1 SGB 10 aus einem anderen Grunde nicht zu. Sie hat ihre Leistungen, selbst wenn diese als "vorläufige Sozialleistungen" zu qualifizieren wären, nicht "aufgrund gesetzlicher Vorschriften" im Sinne der genannten Bestimmung erbracht.
Als eine der Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs nach § 102 Abs 1 SGB 10 muß der erstattungsbegehrende Leistungsträger aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung vorläufige Leistungen erbracht haben (Schellhorn, aaO, § 102, Rdn 14 und 19; ders NDV 1983, 77, 79). Die Vorschrift erfaßt nicht den Fall einer freiwilligen Vorleistung ohne eine dafür vorhandene Rechtsgrundlage (Engelmann, aaO, § 102, Anm 2). Ebensowenig bietet sie die Rechtsgrundlage für einen Erstattungsanspruch, wenn der erstattungsbegehrende Sozialleistungsträger in der irrtümlichen Annahme seiner Zuständigkeit zur Erbringung vorläufiger Leistungen geleistet hat (Verbandskommentar, aaO, § 102, Anm 4; Schellhorn, aaO, § 102, Rdn 27; Lekon Die Leistungen 1983, 289, 293).
Im Verhältnis zur Beklagten hat im vorliegenden Fall eine Rechtsgrundlage für vorläufige Leistungen der Klägerin nicht bestanden. § 43 Abs 1 SGB 1 kommt als eine solche Rechtsgrundlage nicht in Betracht. Hiernach kann, wenn ein Anspruch auf Sozialleistungen besteht und zwischen mehreren Leistungsträgern streitig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist, der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen. Diese Vorschrift ist hier nicht anwendbar. Ihr geht für den Bereich der medizinischen (und beruflichen) Rehabilitation § 6 Abs 2 RehaAnglG als Spezialvorschrift vor (vgl Kugler, Rehabilitation in der Rentenversicherung, 1984, § 6 Abs 2 RehaAnglG, Anm 1 mit weiteren Literaturhinweisen). Danach (Nr 1) hat, wenn ungeklärt ist, welcher der in § 2 RehaAnglG genannten Rehabilitationsträger zuständig ist, oder die unverzügliche Einleitung der erforderlichen Maßnahmen aus anderen Gründen gefährdet ist, in Fällen medizinischer Maßnahmen zur Rehabilitation der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, bei dem der Behinderte versichert ist, und im übrigen die nach dem Wohnsitz des Behinderten zuständige Landesversicherungsanstalt (LVA) vorläufig Leistungen zu erbringen. In diesem Bereich sind somit die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung als Rehabilitationsträger (§ 2 Abs 1 Nr 1 RehaAnglG) und damit auch die Klägerin gerade nicht vorleistungspflichtig. Der Meinung der Klägerin, es müsse jedenfalls dann, wenn der zur Vorleistung verpflichtete Träger dieser Verpflichtung nicht nachkomme, "entweder in sachgerecht extensiver Auslegung des § 6 Abs 2 RehaAnglG bzw des § 43 SGB I oder unter Zuhilfenahme anderer gesetzlicher Vorschriften wie § 17 Abs 1 Nr 1 SGB 1 oder § 4 Abs 2 Satz 1, § 5 Abs 2 Satz 1 RehaAnglG zulässig sein, daß auch andere als die bei wörtlicher Auslegung des § 6 Abs 2 RehaAnglG bzw des § 43 Abs 1 SGB 1 zuständigen Leistungsträger vorläufige Leistungen erbringen und gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger im Rahmen des § 102 SGB 10 einen Erstattungsanspruch haben", stimmt der Senat jedenfalls hinsichtlich der von der Klägerin gezogenen Konsequenz nicht zu. Sie läßt zunächst unberücksichtigt, daß die Zuständigkeitsabgrenzung des § 6 Abs 2 RehaAnglG gerade dem in §§ 4 und 5 RehaAnglG und § 17 SGB I zum Ausdruck gebrachten besonderen Anliegen einer unverzüglichen Einleitung der erforderlichen Rehabilitationsmaßnahmen Rechnung trägt (vgl Kugler, aaO). Dann aber ist es verfehlt, unter Hinweis auf eben diese Vorschriften eine dem § 6 Abs 2 Nr 1 RehaAnglG direkt widersprechende Zuständigkeit für die vorläufige Erbringung medizinischer Leistungen zur Rehabilitation zu konstruieren. Im übrigen braucht der Senat nicht zu erörtern, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine von den Zuständigkeitsvorschriften der § 43 Abs 1 SGB 1 und § 6 Abs 2 RehaAnglG abweichende Pflicht oder zumindest Berechtigung zur Erbringung vorläufiger Leistungen bestehen kann. Jedenfalls vermag eine solche Vorleistung einen Erstattungsanspruch nach § 102 Abs 1 SGB 10 nicht auszulösen. Die Vorschrift gilt - wie erwähnt - nur im Falle einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung des erstattungsbegehrenden Leistungsträgers zur Erbringung vorläufiger Leistungen. Für eine vorläufige Leistung der Klägerin hat im vorliegenden Fall eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung nicht bestanden. Eine Erstattung der dem oder zugunsten des Versicherten erbrachten Leistungen nach § 102 SGB 10 kann sie deswegen nicht verlangen.
Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts kommt auch § 104 Abs 1 SGB 10 als maßgebende Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne daß die Voraussetzungen des § 103 Abs 1 SGB 10 vorliegen, der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat (Satz 1). Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre (Satz 2). Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen (Satz 3).
Auch in diesem Zusammenhang kann auf sich beruhen, welche Rechtswirkungen dem Urteil des SG Ulm vom 24. Juli 1981 zukommen. Ein auf § 104 Abs 1 SGB 10 gestützter Erstattungsanspruch der Klägerin scheitert an einem anderen und rechtslogisch vorgehenden Grund. Bezüglich der dem Versicherten erbrachten Leistungen stehen nämlich die Beklagte und die Klägerin zueinander nicht im Verhältnis des Vor- und Nachranges im Sinne des § 104 Abs 1 SGB 10.
Ob die an einem Ausgleichsverhältnis beteiligten Leistungsträger zueinander im Verhältnis des Vor- und Nachranges stehen, ist - sofern nicht wie im Bereich der Sozialhilfe (vgl § 2 Abs 2 des Bundessozialhilfegesetzes -BSHG-) die Nachrangigkeit ein gesamtes Leistungssystem erfaßt ("Systemsubsidiarität") - im Einzelfall anhand des jeweils geltenden materiellen Rechts zu prüfen ("Einzelfallsubsidiarität") (vgl Schellhorn, aaO, § 104, Rdn 22 bis 26, 50; Verbandskommentar, aaO, § 104 Anm 2; Lekon, aaO, S 321; Stüwe, aaO, S 101 f; Gerlach, aaO, S 400). Dabei ist zunächst von Bedeutung, daß - in Abgrenzung zu den Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach § 105 Abs 1 SGB 10 - die Leistungen des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers mit Rechtsgrund und somit rechtmäßig erbracht worden sein müssen (Schellhorn, aaO, § 104, Rdn 17; Engelmann, aaO, § 104 Anm 2, Lekon, aaO, S 322, Ziffer 4.1.1.; Gerlach, aaO, S 400; Krauthausen NDV 1984, 11, 15). Überdies muß in den Fällen des § 104 Abs 1 SGB 10 die Zuständigkeit und Verpflichtung des nachrangigen Leistungsträgers schon im Zeitpunkt der Leistungsgewährung - dies im Gegensatz zu den Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs des § 103 Abs 1 SGB 10 - subsidiär originär, dh der Höhe nach von der Leistungsverpflichtung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers abhängig sein (vgl Langenheim DRV 1983, 578, 582) mit der Folge, daß der nachrangig verpflichtete durch die Leistung des vorrangig verpflichteten Trägers nicht endgültig von seiner Leistungspflicht befreit wird, sondern diese eventuell wieder oder in größerem Umfange entsteht, wenn sich bei unveränderter Leistung des vorrangigen Trägers der Bedarf des Berechtigten erhöht (Laufer/Noch DAngVers 1983, 255, 259). Das entspricht dem Grundgedanken des § 104 SGB 10, der dem nachrangigen Leistungsträger einen Erstattungsanspruch für den Fall einräumt, daß eine einkommensabhängige Leistung durch die rückwirkende Gewährung einer als Einkommen anzurechnenden Leistung nachträglich gemindert oder beseitigt wird (Stüwe, aaO, S 102).
Hiervon abzugrenzen sind die Fälle, in denen zur Erbringung der Leistung an einen Berechtigten von mehreren Leistungsträgern je nachdem, welche Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, nur ein einziger dieser Leistungsträger zuständig und verpflichtet ist. Ein solcher Fall ist insbesondere dann gegeben, wenn infolge Bestehens eines "vorrangigen" Leistungsanspruchs (gegen den primär zuständigen Leistungsträger) ein Anspruch gegen einen "nachrangig" (sekundär) zuständigen Leistungsträger sowohl der Höhe als auch schon dem Grunde nach nicht mehr besteht und damit der nachrangige Träger auch subsidiär nicht (mehr) zuständig und verpflichtet ist. Sein Anspruch auf Erstattung einer dem Berechtigten gleichwohl erbrachten Leistung seitens des vorrangig zuständigen und verpflichteten Leistungsträgers unterfällt nicht dem § 104 Abs 1 SGB 10. Er richtet sich vielmehr nach § 105 SGB 10 (Schellhorn, aaO, § 104 Rdn 25; Gerlach, aaO, S 400).
Eine Regelung dieser Art ist zB in § 184a RVO (= § 184a Abs 1 RVO in der Fassung des Gesetzes zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts - Haushaltsbegleitgesetz 1983 - vom 20. Dezember 1982; BGBl I S 1857) enthalten. Nach § 184a Abs 1 Satz 1 RVO kann die Krankenkasse Behandlung mit Unterkunft und Verpflegung in Kur- oder Spezialeinrichtungen gewähren, wenn dies erforderlich ist, um eine Krankheit zu heilen, zu bessern oder eine Verschlimmerung zu verhüten, und wenn nach den für andere Träger der Sozialversicherung geltenden Vorschriften mit Ausnahme der § 1305 Abs 1 RVO, § 84 Abs 1 AVG oder § 97 Abs 1 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) oder nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) solche Leistungen nicht gewährt werden können. Kann dementgegen eine solche Leistung von einem primär zuständigen Träger zB der gesetzlichen Rentenversicherung gewährt werden, so ist ihm gegenüber der Träger der Krankenversicherung nicht im Sinne des § 104 Abs 1 SGB 10 nachrangig verpflichtet. Vielmehr entfällt dessen Zuständigkeit für die Gewährung der in § 184a Abs 1 Satz 1 RVO genannten Behandlung. Wird sie gleichwohl vom Träger der Krankenversicherung gewährt, so hat dieser damit nicht eine nachrangige Verpflichtung erfüllt. Vielmehr hat er als unzuständiger Träger geleistet. Damit kann er einen Erstattungsanspruch gegen den primär zuständigen und verpflichteten Träger lediglich aufgrund des § 105 Abs 1 SGB 10 haben (ebenso Lekon, aaO, S 321; Stüwe, aaO, S 107; Gerlach, aaO, S 400).
Das muß auch im vorliegenden Fall gelten. Die Revision weist selbst und zutreffend darauf hin, daß als Rechtsgrundlage der Gewährung der Gehschulung des Versicherten im St. im Rahmen der Krankenversicherung allenfalls § 184a Abs 1 RVO in Betracht kommt. Würde jedoch insofern - was in diesem Zusammenhang letztlich auf sich beruhen kann, so daß es hier auf die Rechtswirkungen des Urteils des SG Ulm vom 24. Juli 1981 nicht ankommt - eine vorrangige alternative Zuständigkeit und Leistungsverpflichtung der Beklagten bestehen, so hätte die Klägerin im Verhältnis zu ihr als unzuständiger und nicht als im Sinne des § 104 Abs 1 SGB 10 nachrangig verpflichteter Träger geleistet. Das schließt einen Erstattungsanspruch nach dieser Vorschrift aus.
Der Klägerin steht schließlich ein Erstattungsanspruch nach § 105 Abs 1 Satz 1 SGB 10 nicht zu. Hiernach ist, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne daß die Voraussetzungen des § 102 Abs 1 SGB 10 vorliegen, der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.
Die Klägerin hat, wie bereits ausgeführt, nicht oder jedenfalls nicht aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Verpflichtung im Sinne des § 102 Abs 1 SGB 10 vorgeleistet und ist damit bezüglich einer Vorleistung unzuständiger Leistungsträger im Sinne des § 105 Abs 1 Satz 1 SGB 10 gewesen. Ob das auch hinsichtlich der endgültigen Zuständigkeit und Leistungsverpflichtung gilt, kann auf sich beruhen. Ein Erstattungsanspruch nach § 105 Abs 1 Satz 1 SGB 10 ist jedenfalls aus einem anderen Grunde nicht gegeben. Die Beklagte ist nicht gemäß dieser Vorschrift "zuständiger oder zuständig gewesener Leistungsträger". Das ergibt sich - und nur in diesem Zusammenhang kommt ihm rechtliche Relevanz zu - aus dem Urteil des SG Ulm vom 24. Juli 1981.
Der Senat vermag allerdings dem Berufungsgericht nicht darin zu folgen, daß dieses Urteil gemäß § 141 Abs 1 SGG auch die im damaligen Rechtsstreit beigeladene Klägerin bindet und somit bereits aus prozessualen Gründen ihre Klage, zumindest soweit sie auf eine Erstattung der für die stationäre Unterbringung des Versicherten aufgewendeten Kosten gerichtet ist, nicht zum Erfolg führen kann. Nach § 141 Abs 1 SGG binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Der Begriff des "Streitgegenstandes" deckt sich mit demjenigen des "erhobenen Anspruchs" (BSGE 1, 52, 56; 9, 17, 20; 14, 99, 101 = SozR Nr 8 zu § 141 SGG). Die Rechtskraft eines Urteils steht damit der Zulässigkeit einer erneuten Klage wegen desselben Streitgegenstandes (Anspruchs) jedenfalls dann entgegen, wenn nicht aus besonderen Gründen ein Rechtsschutzinteresse für die neue Klage besteht (BSGE 13, 181, 189 = SozR Nr 7 zu § 141 SGG). Voraussetzung ist jedoch eine Identität der Streitgegenstände. Hierfür ist eine Deckungsgleichheit des in dem früheren und in dem erneut anhängig gemachten Rechtsstreit erhobenen Anspruchs erforderlich (BSGE 13, 181, 184 = SozR Nr 7 zu § 141 SGG; BSG SozR 3100 § 62 Nr 5 S 10).
An einer solchen Deckungsgleichheit fehlt es im vorliegenden Fall. In dem durch das rechtskräftige Urteil des SG Ulm vom 24. Juli 1981 abgeschlossenen Rechtsstreit hat der damals klagende Versicherte ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 11. März 1981 beantragt, die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 30. April 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 1980 zu verurteilen, die Kosten der stationären Unterbringung im Rehabilitationszentrum St. I. vom 11. März bis 29. April 1980 zu übernehmen. Ein solcher Leistungsanspruch des Versicherten ist nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Vielmehr begehrt die Klägerin eine Erstattung der inzwischen übernommenen Kosten an sich selbst. Entsprechend der grundlegenden Systematik der Neuregelung des Erstattungsrechts ab 1. Juli 1983 durch §§ 102 ff SGB 10 hat sie damit weder einen kraft gesetzlichen Forderungsübergangs (cessio legis) noch einen durch eine Überleitungsanzeige auf sie übergegangenen und damit von der Rechtsposition des Versicherten abgeleiteten Anspruch erhoben. Vielmehr handelt es sich um einen eigenständigen Anspruch des erstattungsbegehrenden Leistungsträgers, der zwar - worauf noch einzugehen sein wird - inhaltlich (materiell-rechtlich) mit dem Leistungsanspruch des Berechtigten verknüpft ist, mit diesem Leistungsanspruch aber nicht (prozeßrechtlich) identisch im Sinne einer Deckungsgleichheit der Streitgegenstände ist (zur Selbständigkeit des Erstattungsanspruchs vgl ua Schellhorn, aaO, Vorbem vor §§ 102 - 114 SGB 10, Rdn 28; Engelmann, aaO, Vorbem vor § 102 SGB, Anm 3; Langenheim, aaO, S 579; Lekon Die Leistungen 1983, 289, 290; Pappai BG 1983, 712, 713, 714; ders BKK 1983, 57; Stüwe, aaO, S 95 und 117; Gerlach, aaO, S 395; Andre NDV 1983, 73, 75). Im Einklang damit steht die im sozialrechtlichen Schrifttum vertretene Auffassung, daß der Erstattungsanspruch unabhängig von formalen Entscheidungen gegenüber dem Leistungsberechtigten sei (Pappai BG 1983, 712, 714) und selbst eine bindende Ablehnung des Anspruchs gegenüber dem Berechtigten der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nicht entgegenstehe (Schellhorn, aaO, Vorbem vor §§ 102 - 114 SGB 10, Rdn 35).
Ungeachtet seiner Selbständigkeit steht der Erstattungsanspruch des erstattungsbegehrenden Leistungsträgers aber inhaltlich in Abhängigkeit und untrennbarer Verknüpfung vom und mit dem Anspruch des (vermeintlich) Leistungsberechtigten. Das gilt nicht nur bezüglich der Höhe des Erstattungsanspruchs insofern, als - außer in den Fällen des § 102 Abs 2 SGB 10 - der erstattungspflichtige Leistungsträger grundsätzlich nicht mehr zu erstatten hat, als er gegenüber dem Berechtigten zu leisten gehabt hätte (Schellhorn, aaO, Vorbem vor §§ 102 - 114, Rdn 33; Dederer, aaO, S 575, 577, 578; Laufer/Noch DAngVers 1983, 221, 222 und 255, 256; vgl dazu auch Urteil des erkennenden Senats vom 22. Mai 1985 - 1 RA 45/84 -). Vielmehr besteht diese wechselseitige Abhängigkeit und Verknüpfung auch hinsichtlich des Grundes des Erstattungsanspruchs. Der auf Erstattung in Anspruch genommene Leistungsträger kann diejenigen Einwendungen, die ihm gegenüber dem Leistungsanspruch des Berechtigten zustehen, im Falle der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs auch gegenüber dem erstattungsbegehrenden Leistungsträger erheben (Engelmann, aaO, Vorbem vor § 102, Anm 3; Lekon Die Leistungen 1983, 289, 290 und 321, 324; Pappai BG 1983, 712, 714; Gerlach, aaO, S 395 und 401). Das muß auch für den Einwand gelten, daß über den Leistungsanspruch des Berechtigten gegenüber dem auf Erstattung in Anspruch genommenen Leistungsträger bereits rechtskräftig ablehnend entschieden worden sei. Zwar führt diese rechtskräftige Entscheidung aus den bereits dargelegten Gründen selbst dann, wenn der erstattungsbegehrende Leistungsträger zu dem Rechtsstreit zwischen dem Berechtigten und dem (angeblich) erstattungspflichtigen Leistungsträger beigeladen worden war, nicht gemäß § 141 Abs 1 SGG zur Unzulässigkeit der Klage in einem nachfolgenden Erstattungsrechtsstreit zwischen den beteiligten Leistungsträgern. Der in Anspruch genommene Träger kann sich jedoch - und zwar unabhängig davon, ob der erstattungsbegehrende Leistungsträger im Vorprozeß beigeladen worden war oder nicht - auf die rechtskräftige Entscheidung zuungunsten des Berechtigten berufen mit der Folge, daß dann aus sachlich-rechtlichen Gründen ein Erstattungsanspruch nicht gegeben ist.
Mit dieser Entscheidung weicht der erkennende Senat im Ergebnis nicht von dem Urteil des 4. Senats des BSG vom 9. Mai 1984 (BSG SozR 1500 § 141 Nr 13) ab. Hiernach ist der Erstattungsanspruch eines Sozialleistungsträgers - im entschiedenen Fall der Hauptfürsorgestelle nach § 28 Abs 5 des Gesetzes zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (Schwerbehindertengesetz -SchwbG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Oktober 1979 (BGBl I S 1649) - gegen einen Rentenversicherungsträger unbegründet, wenn dessen Leistungspflicht zuvor bereits in einem Rechtsstreit mit dem Versicherten durch rechtskräftiges Urteil verneint worden ist und der Sozialleistungsträger an diesem Rechtsstreit als Beigeladener beteiligt war. Auch der 4. Senat ist für diesen Fall von der Zulässigkeit der Erstattungsklage und davon ausgegangen, daß der Streitgegenstand des Erstattungsverfahrens nicht mit demjenigen des früheren Verfahrens zwischen dem Versicherten und dem Rentenversicherungsträger identisch sei (aaO, S 18 f). Er hat dann jedoch ausgesprochen, daß infolge der Beteiligung des Sozialleistungsträgers an dem Vorprozeß die dort ergangene Entscheidung für den im folgenden Verfahren geltend gemachten Erstattungsanspruch vorgreiflich und in einem solche Falle der Vorgreiflichkeit der im Erstprozeß getroffenen Entscheidung durch das Zweitgericht insoweit gebunden sei. Der erkennende Senat braucht weder zu dieser Rechtsansicht und ihrer Vereinbarkeit mit § 141 Abs 1 SGG Stellung zu nehmen noch gemäß § 42 SGG den Großen Senat des BSG anzurufen. Denn auch nach der hier vertretenen Meinung kommt der im Vorprozeß zwischen dem Versicherten und dem Rentenversicherungsträger ergangenen rechtskräftigen Entscheidung - wenn auch im Wege der sachlich rechtlichen Einwendung gegen den im nachfolgenden Rechtsstreit erhobenen Erstattungsanspruch - Bedeutung zu mit demselben wie im Urteil des 4. Senats vom 9. Mai 1984 gefundenen Ergebnis.
Nach dem rechtskräftigen Urteil des SG Ulm vom 24. Juli 1981 hat dem Versicherten ein Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung der stationären Behandlung im St. als medizinische Leistung zur Rehabilitation (§§ 13, 14 Nr 4 AVG) nicht zugestanden. Damit zugleich (vgl § 17 AVG) ist die Beklagte auch nicht zur Gewährung von Übergangsgeld an den Versicherten verpflichtet gewesen. Diese fehlende Leistungsverpflichtung kann sie dem von der Klägerin erhobenen Erstattungsanspruch entgegenhalten mit der Folge, daß sie nicht "der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger" im Sinne des § 105 Abs 1 SGB 10 ist. Auch nach dieser Vorschrift steht demnach der Klägerin ein Erstattungsanspruch nicht zu.
Insgesamt kann das Erstattungsbegehren der Klägerin unter keinem der in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkte zum Erfolg führen. Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 4 SGG.
Fundstellen