Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. Verfahrensfehler. Überschreitung der gesetzlichen Grenzen richterlicher Beweiswürdigung. Wegeunfall. haftungsbegründende Kausalität. Nachweis. alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit. objektive Beweislast
Orientierungssatz
1. Zur Überschreitung der gesetzlichen Grenzen der richterlichen Beweiswürdigung, wenn das LSG eine Feststellung bezüglich der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit des Versicherten getroffen hat, die nicht dem Beweisergebnis (hier: Zeugenaussagen) entsprach.
2. Nach der Rechtsprechung des 2. Senats des Bundessozialgerichts (BSG), der auch der erkennende Senat folgt, betrifft die Frage, ob der Unfall eines Versicherten außer durch dessen alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit auch durch betriebsbezogene Umstände wesentlich verursacht worden ist, die haftungsbegründende Kausalität. Die Folgen einer insoweit bestehenden Ungewissheit sind daher vom Versicherten bzw seinen Hinterbliebenen nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu tragen.
Normenkette
SGG § 128 Abs. 1; RVO § 550
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Urteil vom 14.05.1975) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 14. Mai 1975 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landesozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerinnen Entschädigungsansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) gegen die Beklagte bzw. Beigeladene wegen des tödlichen Verkehrsunfalles ihres Ehemannes bzw. Vaters haben.
Der 1940 geborene Ehemann der Klägerin zu 1. und Vater der Klägerinnen zu 2. und 3. Bernhard M (M.) hatte ab 1963 zunächst den elterlichen landwirtschaftlichen Hof bewirtschaftet. Anfang 1969 hatte er daneben eine Beschäftigung als Bandarbeiter in einer Fahrradfabrik übernommen. Am 22. Juli 1971 hatte er einen Umschulungsvertrag zum Elektroinstallateur mit dem Elektromeister August N in Cloppenburg geschlossen. Das Umschulungsverhältnis begann am 1. Oktober 1971 und sollte zwei Jahre dauern. M. erhielt im ersten Jahr eine Vergütung von 140,- DM, im zweiten eine solche von 165,- DM monatlich. Auf seinen entsprechenden Antrag erhielt M. vom Arbeitsamt Vechta Unterhaltsgeld und Leistungen für Lernmittel, Fahrkosten und Arbeitsbekleidung nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG).
In der zweiten Hälfte des Jahres 1972 arbeitete M. zusammen mit dem 20-jährigen Elektromonteur S und dem 19-jährigen Elektroinstallateur T an einem Kirchenneubau in Oldenburg-Eversten. Den Weg von und zur Arbeitsstelle zwischen Cloppenburg und Oldenburg legten die drei Genannten entweder mit einem Betriebsfahrzeug oder mit dem S gehörenden Pkw-VW-Variant 1500 zurück. Gelegentlich wurde auch der Pkw des M. benutzt. Nach den Angaben von S wurde das benutzte Fahrzeug überwiegend von ihm, vereinzelt aber auch von M. oder T gefahren. Er sei stets über Beverbruch-Bornhake, nicht aber über Garrel gefahren.
Am 20. Oktober 1972 waren die drei Genannten mit dem Pkw von S zur Arbeitsstelle gekommen. Nach der Abfahrt am Nachmittag kam das Fahrzeug gegen 14,45 Uhr auf der Landstraße 70 kurz vor der Ortschaft Garrel von der Fahrbahn ab und fuhr mit der vorderen rechten Frontpartie gegen einen rechts neben der Fahrbahn stehenden starken Straßenbaum. 43 m vor dem Baum war es in einer in spitzem Winkel zur Straße verlaufenden geraden Spur von der Fahrbahn abgekommen und 11,40 m hinter diesem Baum, etwa in der Straßenmitte, schrägstehend zum Stehen gekommen. Es war total, insbesondere auf der rechten Seite beschädigt. Die drei Insassen, S, T und M. lagen nach dem Unfall außerhalb des Wagens. T und M. erlitten tödliche Verletzungen, S wurde schwerverletzt. Nach den entnommenen Blutproben wurde bei S für die Unfallzeit eine Blutalkoholkonzentration von ca. 2,0 0 / 00 errechnet, bei T enthielt das Leichenblut 2,89 bzw. 2,82 0 / 00 , von M. konnte wegen des hohen Blutverlustes keine Blutprobe entnommen werden.
Die Beklagte lehnte Entschädigungsansprüche der Klägerinnen ab (Bescheid vom 24. September 1973), weil M. und die beiden anderen Arbeitnehmer der Firma Nordmann sich vom Betrieb gelöst hätten. Sie hätten sich ab 9,30 h im wesentlichen nur noch eigenwirtschaftlich betätigt, indem sie sich unterhalten und alkoholische Getränke zu sich genommen hätten. Im übrigen sei der Unfall durch die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Fahrers versursacht worden, bei dem es sich nach den Gesamtumständen um S gehandelt habe; dessen Fahruntüchtigkeit habe M. erkennen können. Selbst wenn man davon ausgehe, es lasse sich nicht aufklären, welcher der drei Insassen gefahren sei, entfielen Entschädigungsansprüche der Klägerinnen, weil alle drei fahruntüchtig gewesen seien. Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, den Klägerinnen die gesetzlichen Leistungen zu gewähren (Urteil vom 20. August 1974). Nach seiner Auffassung ist M. zur Unfallzeit der Fahrer gewesen. Es sei aber nicht mehr feststellbar, daß er alkoholbedingt fahruntüchtig gewesen sei. Das SG hat die Berufung zugelassen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat nach Beiladung der Bundesrepublik auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 14. Mai 1975). Es hat zur Begründung ua ausgeführt: Passiv legitimiert sei die Beklagte und nicht die Beigeladene, weil M. in einem Lehrverhältnis im Sinne von § 539 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) gestanden habe. Der Versicherungsschutz des M. sei nicht schon vor Antritt der Heimfahrt verlorengegangen, denn er habe sich bis dahin nicht vom Betrieb gelöst gehabt. Es habe nicht festgestellt werden können, daß M. bis kurze Zeit vor der Abfahrt nicht wenigstens zeitweilig die ihm übertragenen Arbeiten verrichtet habe. Im übrigen habe er den Weisungen S auch bezüglich des Antritts der Rückfahrt unterlegen.
Der Unfall habe sich auch nicht auf einem unversicherten Umweg ereignet. Die Wegstrecke über Garrel sei nur etwa 2,5 km länger als die kürzeste Entfernung zwischen Wardenburg und Cloppenburg. Dieser Unterschied sei im Hinblick auf die Gesamtentfernung so unbedeutend, daß ein erheblicher Umweg nicht vorliege. Maßgeblich hänge der Versicherungsschutz aber davon ab, ob M. im Unfallzeitpunkt den benutzten Pkw geführt habe oder nur Beifahrer gewesen sei. Wenn eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit die rechtlich allein wesentliche Ursache eines tödlichen Unfalles sei, so gehöre der Umstand, daß der Getötete nicht der Fahrer, sondern der Beifahrer gewesen sei, zu den anspruchsbegründeten Tatsachen der Hinterbliebenenentschädigungsansprüche. Lasse sich nicht aufklären, wer von den Wageninsassen im Unfallzeitpunkt den verunglückten Kraftwagen gesteuert habe, so seien die Folgen dieser objektiven Beweislosigkeit von den Hinterbliebenen zu tragen. Im vorliegenden Falle könne nicht festgestellt werden, daß M. nur Beifahrer gewesen sei, vielmehr sei für das weitere Verfahren davon auszugehen, daß er im Unfallzeitpunkt der Fahrer des Wagens gewesen sei. Es sei erwiesen, daß M. alkoholische Getränke in einem so erheblichen Ausmaß zu sich genommen habe, daß seine Verkehrstüchtigkeit als Fahrer eines Kraftfahrzeuges im Zeitpunkt des Unfalles in rechtserheblichem Umfang herabgesetzt gewesen sein könne. Fahruntüchtigkeit trete nicht erst bei einer Alkoholkonzentration (BAK) von 1,3 0 / 00 ein. Die BAK des M. im Unfallzeitpunkt könne zwar nicht festgestellt werden. Aus der Aussage des Zeugen Z (Z.) sei aber zunächst zu folgern, daß die drei Arbeitnehmer im Laufe des Vormittags zwei Flaschen zu 0,7 1 Rum oder Rumverschnitt vermischt mit erheblichen Mengen Coca-Cola getrunken hätten. Rumverschnitt enthalte mindestens 40 vol.% reinen Alkohols, so daß bei gleicher Trinkmenge auf jeden der drei Beteiligten ein Alkoholkonsum entfalle, der eine BAK von weit mehr als 1,3 0 / 00 bewirke. Bei S und T habe diese auch vorgelegen. Daraus ergebe sich aber nicht, daß auch die BAK des M. über 1,3 0 / 00 gelegen habe. Der Grundsatz der objektiven Beweislast finde aber schon dann Anwendung, wenn feststehe, daß der Betroffene alkoholische Getränke in einem Ausmaß zu sich genommen habe, das die Überschreitung der bei 0,8 0 / 00 zu ziehenden Toleranzgrenze zur relativen Fahruntüchtigkeit als nicht unwahrscheinlich erscheinen lasse. Liege die BAK dagegen erwiesenermaßen unter 0,8 0 / 00 , müsse alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit als allein rechtlich wesentliche Ursache ausgeschlossen werden. Die Grundsätze der objektiven Beweislast von Fahrunfähigkeit könnten bei der weiteren Prüfung nur angewendet werden, wenn die Annahme einer BAK von mindestens 0,8 0 / 00 nicht fernliege. Nach der Aussage des Z. müsse diese Schlußfolgerung gezogen werden. Z. habe beobachtet, daß S, T und M. in annähernd gleichem Umfang an dem Verzehr der Cola-Rumgetränke beteiligt gewesen seien. Der Senat könne diese Beobachtung als Tatsache zugrunde legen. Wenn M. sich nach den Beobachtungen des Z. nicht wesentlich anders verhalten habe als die beiden anderen, so lasse allein schon dieser Umstand es als möglich erscheinen, daß die BAK auch bei M. mindestens 0,8 0 / 00 betragen oder sogar noch wesentlich darüber gelegen habe. Diese Möglichkeit sei nach den Beobachtungen des Z. so naheliegend, daß sie in den Bereich der Wahrscheinlichkeit rücke und zumindest die Anwendung der oben genannten Beweislastregelung erforderlich mache. Die Aussagen der übrigen Zeugen stünden einer solchen Schlußfolgerung nicht entgegen. Auch der Unfallverlauf - Abkommen von der Fahrbahn auf gerader Straße, Fehlen einer konkreten Wegegefahr - spreche nicht gegen eine alkoholbedingte Einschränkung der Verkehrstüchtigkeit des Fahrers. Daher könne der naheliegende Verdacht, M. sei fahruntüchtig gewesen und diese Fahruntüchtigkeit sei die alleinige Ursache für den Eintritt des tödlichen Unfalles gewesen, nicht entkräftet werden.
Mit der zugelassenen Revision tragen die Klägerinnen ua vor, das angefochtene Urteil verstoße gegen den Grundsatz der objektiven Beweislast bzw. der dazu ergangenen Rechtsprechung des BSG. Das LSG habe nicht festgestellt, daß eine alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit die alleinwesentliche Unfallursache gewesen sei. Das LSG habe den Sachverhalt insoweit nicht hinreichend aufgeklärt, es hätte mindestens den Kraftfahrer G als Zeugen hören müssen. M. sei auch nicht erwiesenermaßen fahruntüchtig gewesen, außerdem sei nicht erwiesen, daß er der Fahrer war, wo daß der Grundsatz der objektiven Beweislast nicht hätte angewendet werden dürfen. Zu Unrecht stütze das LSG seine Feststellungen über die Fahruntüchtigkeit des M. auf die Aussagen des Zeugen Z. Dessen Aussage sei nicht glaubhaft, und das LSG habe daraus nicht die von ihm gezogenen Schlüsse ziehen dürfen. Die Aussage des Z. vor dem LSG sei in sich widersprüchlich. Die Schlußfolgerung des LSG, die beiden von Z. vorgefundenen Rumflaschen seien von den drei Verunglückten getrunken worden, sei nicht zwingend. Entgegen der Behauptung des LSG, Z. habe bekundet, daß er beobachtet habe, S, T und M. seien in annähernd gleichem Umfang an dem Verzehr der Cola-Rumgetränke beteiligt gewesen, habe der Zeuge eine solche Aussage nie gemacht. Eine entsprechende Schlußfolgerung des LSG wäre unlogisch. Z. habe vielmehr erklärt, er könne nicht sagen, ob einer von ihnen wesentlich mehr oder wesentlich weniger getrunken habe, d. h. er habe zu diesem Punkt keine konkreten Angaben machen können. Bezüglich des Alkoholgenusses des M. könne es nur auf das Ergebnis einer Blutalkoholbestimmung - die hier fehle - ankommen. Nur wenn feststehe, daß bei M. eine BAK von über 1,3 0 / 00 - und nicht etwa von 0,8 0 / 00 - nicht unwahrscheinlich sei, könne der Grundsatz der objektiven Beweislast angewendet werden. Das sei aber nicht festgestellt.
Die Klägerinnen beantragen sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 14. Mai 1975 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 20. August 1974 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Verfahrensfehler, die eine Aufhebung des angefochtenen Urteils rechtfertigen würden, seien von der Revision nicht vorgetragen. Die von dem LSG aus dem festgestellten Sachverhalt gezogenen rechtlichen Folgerungen entsprächen der Sach- und Rechtslage, insbesondere der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG).
Die Beigeladene stellt keine Anträge.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision der Klägerinnen hatte im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG Erfolg.
Zutreffend hat das LSG die Berufung der Beklagten vollen Umfangs für zulässig erachtet, weil dieses Rechtsmittel von dem Sozialgericht ausdrücklich zugelassen worden war (§ 150 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beklagte ist auch der passiv legitimierte Versicherungsträger, weil der Ehemann der Klägerin zu 1. und Vater der Klägerinnen zu 2. und 3. (M.) nicht bei einer von der Beigeladenen durchgeführten Maßnahme i. S. von § 539 Abs. 1 Nr. 14 c iVm § 654 Nr. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) verunglückt ist, sondern bei dem Elektromeister N in einem Umschulungs- oder Lehrverhältnis i. S. von § 539 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 14 c RVO gestanden hat (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 19. Juni 1975 - 8 RU 124/74 - in SozR 2200 § 654 Nr. 1).
Das Verfahren des LSG leidet jedoch an einem von der Revision zutreffend gerügten wesentlichen Mangel des Verfahrens. Das LSG hat seine, das Urteil wesentlich tragende Feststellung, M. sei im Zeitpunkt des tödlichen Unfalls während der Heimfahrt von der Arbeitsstelle mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von mindestens 0,8 0 / 00 verkehrsuntüchtig gewesen, im wesentlichen auf die Aussage des Zeugen Z (Z.) gestützt und damit sein Recht der freien richterlichen Beweiswürdigung verletzt (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG).
In sachlicher Hinsicht begegnet das angefochtene Urteil allerdings keinen Bedenken. Nach der Rechtsprechung des 2. Senats des Bundessozialgerichts (BSG), der auch der erkennende Senat folgt, betrifft die Frage, ob der Unfall eines Versicherten außer durch dessen alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit auch durch betriebsbezogene Umstände wesentlich verursacht worden ist, die haftungsbegründende Kausalität. Die Folgen einer insoweit bestehenden Ungewißheit sind daher vom Versicherten bzw. seinen Hinterbliebenen nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu tragen. Da zur Begründung des ursächlichen Zusammenhanges in derartigen Fällen feststehen muß, daß die alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit nicht die rechtlich allein wesentliche Unfallursache gewesen ist, handelt es sich hierbei um ein negatives Tatbestandsmerkmal. Die alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit ist demnach keine rechtshindernde Tatsache mit der Folge, daß der Versicherungsträger, der sich darauf beruft, die objektive Beweislast trägt (vgl. BSG 35, 216, 218). Dementsprechend hat der 2. Senat bereits in seiner Entscheidung vom 31. Oktober 1969 (BSG 30, 121, 123) ausgesprochen, daß, wenn alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit die rechtlich allein wesentliche Unfallursache gewesen ist, es zu den anspruchsbegründenden Tatsachen gehört, daß der Verletzte (Getötete) nur Mitfahrer und nicht Fahrer gewesen ist. Läßt sich nicht klären, wer von den sämtlich fahruntüchtigen Insassen eines Kfz im Unfallzeitpunkt das Fahrzeug gesteuert hat, sind die Folgen auch dieser objektiven Beweislosigkeit von den die Entschädigung beanspruchenden Verletzten bzw. Hinterbliebenen zu tragen.
Die Anwendung dieser Beweisregeln setzt voraus, daß die rechtlich allein wesentliche Unfallursache die alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit des Kfz-Fahrers im Unfallzeitpunkt war und daß jeder der insoweit als Fahrer in Betracht kommenden Insassen alkoholbedingt fahruntüchtig gewesen ist. Alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit liegt jedoch, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, nicht erst bei einer BAK von 1,3 0 / 00 oder mehr vor, sondern kann schon bei einer wesentlich niedrigeren BAK bestehen. Es handelt sich dabei insofern nur um einen graduellen Unterschied, als bei einer BAK von 1,3 0 / 00 oder mehr in jedem Falle Verkehrsuntüchtigkeit nachgewiesen ist (sogenannte absolute Verkehrsuntüchtigkeit). Da alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit aber als rechtlich allein wesentliche Unfallursache in der Regel immer dann anzunehmen ist, wenn nach den Erfahrungen des täglichen Lebens ein nicht unter Alkoholeinfluß stehender Kraftfahrer bei gleicher Sachlage wahrscheinlich nicht verunglückt wäre (BSG 12, 242, 246), geht das LSG zu Recht davon aus, daß bei einem Kraftfahrer, der Alkohol in solcher Menge zu sich genommen hat, die zur Verkehrsuntüchtigkeit führen kann, die Nichterweisbarkeit anderer mindestens gleichwertiger Unfallursachen ebenso dem Entschädigungsanspruch entgegensteht, wie bei nachgewiesener absoluter Fahruntüchtigkeit. Ob die untere Grenze der relativen Fahruntüchtigkeit, wie das LSG meint, zur Vermeidung unbilliger Härten bei 0,8 0 / 00 zu ziehen ist, d. h. bei einer noch niedrigeren BAK eine Verkehrstüchtigkeit wegen Alkoholgenusses grundsätzlich nicht mehr angenommen werden kann, brauchte beim jetzigen Verfahrensstand nicht entschieden zu werden, zumal hier eine bestimmte BAK nicht feststellbar ist. Wie der 2. Senat bereits in seiner Entscheidung vom 31. Oktober 1969 in BSG 30, 121, 123, 124 ausgeführt hat, betraf das auch von der Revision herangezogene Urteil vom 26. (nicht 20.) Juni 1958 - 2 RU 281/55 (BSG 7, 249, 254) - eine andere Problematik, und dort herangezogene Beweisgrundsätze können jedenfalls nach der genannten neueren Rechtsprechung zur alkoholbedingten Verkehrsuntüchtigkeit in Fällen der vorliegenden Art nicht mehr angewendet werden.
Das LSG hat also zu Recht untersucht, ob auch M. zur Unfallzeit alkoholbedingt verkehrsuntüchtig war, weil es nicht ausschließen konnte, daß er - zumindest im Unfallzeitpunkt - das Fahrzeug gesteuert hat. Andernfalls wäre nicht feststellbar, daß der Unfall wesentlich durch alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit des Fahrzeugführers verursacht worden ist, so daß der während der Heimfahrt von der Arbeitsstätte nach § 550 RVO für M. bestehende Versicherungsschutz nicht verlorengegangen wäre. Die gewählte Fahrstrecke über Garrel steht nach den Feststellungen des LSG über die unterschiedlichen Entfernungen dem Versicherungsschutz nicht entgegen, denn danach hat es sich insoweit allenfalls um einen geringfügigen Umweg gehandelt, was auch von der Beklagten offenbar nicht bezweifelt wird.
Zutreffend ist das LSG der Auffassung des Sozialgerichts nicht gefolgt, daß alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit des M. praktisch nur nachgewiesen werden könne, wenn eine Blutalkoholbestimmung vorgenommen worden sei. Wenn auch die Blutalkoholkonzentration das zuverlässigste Beweismittel für die Menge des genossenen Alkohols und damit für die Frage der alkoholbedingten Verkehrsuntüchtigkeit ist, so ist es doch nicht ausgeschlossen, mit Hilfe anderer Beweismittel die erforderlichen Feststellungen zu treffen, wobei allerdings entsprechend sorgfältig abzuwägen ist, welcher Wert derartigen Beweismitteln zukommt.
Das LSG hat es aufgrund der Beweisaufnahme für erwiesen erachtet, daß M. alkoholische Getränke in einem Umfang zu sich genommen hat, der seine Verkehrstüchtigkeit in einem rechtlich erheblichen Ausmaß beeinträchtigt haben kann (Urteil S. 20 unten). Es ist dabei zunächst davon ausgegangen, daß die drei Beschäftigten der Firma Nordmann zwei Flaschen zu 0,7 1 Rum oder Rumverschnitt mit mindestens 40 vol. % reinen Alkohols vermischt mit Coca-Cola am Vormittag des Unfalltages getrunken haben. Es hat aus der Aussage des Zeugen Z. geschlossen, daß M. eine solche Menge Alkohol zu sich genommen habe, daß dies eine BAK von mindestens 0,8 0 / 00 zur Folge gehabt habe. Zu dieser Schlußfolgerung gelangte es, weil der Zeuge beobachtet habe, daß S, T und auch M. in annähernd gleichem Umfange an dem Verzehr der Coca-Rum-Getränke beteiligt gewesen seien. Diese Beobachtung könne der Senat als Tatsache zugrunde legen (Urteil S. 22 unten). Demgegenüber rügt die Revision zutreffend, daß Z. eine solche Aussage nicht gemacht habe. Z. ist von dem LSG in der mündlichen Verhandlung am 13. Mai 1975 (Bl. 113-115 der LSG-Akte) vernommen worden und hat sich dabei zunächst auf seine Aussage vor dem Ermittlungsbeamten S (Bl. 114 der Akten der Beklagten) bezogen und sodann weitere ergänzende Aussagen gemacht. In keiner dieser Vernehmungen hat er jedoch die von dem LSG als Tatsache festgestellte Beobachtung geschildert. Seine Aussage kann nur dahin verstanden werden, daß M. ebenfalls - wenn auch vielleicht weniger - Alkohol getrunken hat. Denn in der früheren Aussage hieß es ua "Es war aber immer derselbe, der nicht so stark trank". Vor dem LSG hat Z. erklärt: Ich habe auch beobachtet, daß Rum in alle drei Gläser eingeschenkt worden ist". Wie häufig und welche Menge Rum auch M. eingeschenkt worden ist, hat er dagegen nicht angegeben, vielmehr erklärt: "Ob einer von ihnen wesentlich mehr oder wesentlich weniger getrunken hat, kann ich...nicht sagen". Er hat also gerade nicht beobachtet, daß die drei "in annähernd gleichem Umfange" Alkohol getrunken haben. Das LSG hat insoweit eine Feststellung getroffen, die nicht dem Beweisergebnis entspricht. Diese Feststellung ist jedoch die Grundlage für seine Entscheidung, denn weitere Beweismittel für die von M. genossene Alkoholmenge hat das LSG nicht verwertet, sondern nur ausgeführt, das übrige Beweisergebnis stehe seiner diesbezüglichen Feststellung nicht entgegen.
Dieser von der Revision gerügte Verfahrensmangel ist auch für die Entscheidung wesentlich, denn es ist nicht auszuschließen, daß das LSG, wenn es die Aussage des Zeugen Z., wie sie tatsächlich gemacht worden ist, seiner Entscheidung zugrunde gelegt hätte, zu einem den Klägerinnen günstigeren Ergebnis gelangt wäre. Ob noch weitere Verfahrensmängel mit Erfolg gerügt worden sind, konnte dahinstehen. Denn das angefochtene Urteil war bereits wegen des genannten Verfahrensverstoßes aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Das LSG wird nun unter Würdigung der tatsächlichen und gesamten Angaben des Zeugen Z sowie evtl. der weiteren Zeugen zu prüfen haben, ob aus den gegebenen Umständen darauf geschlossen werden muß, daß M. in einem solchen Maße alkoholbedingt fahruntüchtig war, daß hierin die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls zu erblicken ist. Dabei kann außer einer Würdigung der ab 9,30 Uhr beobachteten Vorgänge des Unfalltags auch die Erwägung von Bedeutung sein, ob ein nicht unter Alkoholeinfluß stehender Kraftfahrer bei einwandfreiem Zustand des Fahrzeugs und ohne Vorhandensein einer irgendwie gearteten Wegegefahr (vgl. dazu die Feststellungen auf S. 23/24 des LSG-Urteils) wahrscheinlich nicht verunglückt wäre (BSG 12, 242). Schließlich wird das LSG auch die weiteren Rügen der Revision einer Würdigung unterziehen können.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen