Leitsatz (amtlich)
Hat der Angestellte einer Knappschaft oder einer entsprechenden Berufsversicherung Beitrags- oder Beschäftigungszeiten iS der FRG §§ 15 und 16 zurückgelegt, so werden sie - sofern nicht Beiträge zur Knappschaft oder entsprechenden Berufsversicherung entrichtet sind - nicht der knappschaftlichen Rentenversicherung zugeordnet.
Normenkette
FRG § 20 Abs. 4 S. 1 Fassung: 1960-02-25, § 15 Abs. 1 Fassung: 1960-02-25, § 16 Fassung: 1960-02-25
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Januar 1969 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Knappschaftsruhegeldes. Im einzelnen geht es um die Frage, ob die vom Kläger in der Zeit vom 1. Januar 1947 bis 2. Juli 1950 in Mitteldeutschland zurückgelegten Beitragszeiten der knappschaftlichen oder der Angestelltenversicherung zuzuordnen sind.
Der im Jahre 1900 geborene, seit 1916 bei der H Knappschaft beschäftigt gewesene Kläger war nach Kriegsdienst und Gefangenschaft vom 1. August 1946 bis 22. Juni 1947 bei der Sozialversicherungskasse (SVK) Bergbau - Geschäftsstelle H und vom 23. Juni 1947 bis 2. Juli 1950 bei der Sozialversicherungskasse für den Stadt- und Landkreis Q tätig. Ab 1. Januar 1947 wurden für ihn Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe des allgemeinen Beitragssatzes der Sozialversicherten (20 v.H. des beitragspflichtigen Arbeitsverdienstes), vorher in der für Bergleute geltenden Höhe (30 v.H. des beitragspflichtigen Arbeitsverdienstes) entrichtet. Noch im Jahre 1950 übersiedelte der Kläger in die Bundesrepublik Deutschland und war sodann bei der Ruhrknappschaft beschäftigt.
Mit Bescheid vom 19. November 1965 bewilligte die Ruhrknappschaft dem Kläger ab 1. Dezember 1965 Knappschaftsruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Dabei ordnete sie die Beitragszeiten bis zum 31. Dezember 1946 und ab 1. August 1950 der knappschaftlichen Rentenversicherung, die Zeit vom 1. Januar 1947 bis 31. Juli 1950 dagegen der Angestelltenversicherung zu. Der mit dem Ziel der Zuordnung auch dieser Zeit zur knappschaftlichen Rentenversicherung erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid der Knappschaft vom 31. Oktober 1966).
Die vom Kläger im Zuge des von ihm angestrengten Streitverfahrens erwirkte, seinen Standpunkt billigende Entscheidung des Sozialgerichts (SG) Dortmund vom 19. September 1967 hatte keinen Bestand. Mit Urteil vom 7. Januar 1969 hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen die Entscheidung des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es war der Auffassung, dem Kläger könne § 20 Abs. 4 des Fremdrentengesetzes (FRG) nicht zugute kommen. Zwar ermögliche diese Bestimmung die Zuordnung von Beitrags- oder Beschäftigungszeiten zur knappschaftlichen Rentenversicherung, ohne daß Beiträge zu einer der knappschaftlichen Rentenversicherung entsprechenden Berufsversicherung entrichtet seien. Jedoch sei die Anwendbarkeit dieser Bestimmung an zwei Voraussetzungen geknüpft. Einmal müsse es sich um Beitrags- oder Beschäftigungszeiten in einem knappschaftlichen Betrieb im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) handeln, und zum anderen hätte die Beschäftigung, wäre sie im Bundesgebiet verrichtet worden, nach den jeweils geltenden reichs- oder bundesrechtlichen Vorschriften der Versicherungspflicht in der knappschaftlichen Rentenversicherung unterliegen müssen. Bei der SVK Bergbau in H und bei der SVK für den Stadt- und Landkreis Q habe es sich nicht um knappschaftliche Betriebe im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 RKG gehandelt. Es seien vielmehr Einrichtungen der Sozialversicherung, die mit den Knappschaften in der Bundesrepublik Deutschland vergleichbar seien. Knappschaften könnten aber nicht als knappschaftliche Betriebe angesehen werden. Die Erwägung der Vorinstanz, die Anwendung des § 20 Abs. 4 FRG rechtfertige sich allein aus dem das Fremdrentenrecht beherrschenden Eingliederungsprinzip und auf Grund des § 187 RKG, könne nicht gebilligt werden. Der Grundsatz der Eingliederung sei nicht konsequent durchgeführt, sondern mehrfach durchbrochen worden. Im übrigen sei der Wortlaut des § 20 Abs. 4 FRG klar und keiner Auslegung bedürftig.
Mit der zugelassenen Revision wendet sich der Kläger gegen diese Auffassung. Er bringt vor: Unbestreitbar hätte ihm der geltend gemachte Anspruch zugestanden, wenn er die strittigen Beitragszeiten im Bundesgebiet zurückgelegt hätte; denn hier würden nicht nur die knappschaftlichen Betriebe (§ 2 RKG), sondern auch die knappschaftlich Versicherten (§ 187 RKG) erfaßt. Anders verhalte es sich dagegen in der DDR. Hier würden seit Anfang 1947 die in den knappschaftlichen Versicherungen beschäftigten Angestellten nicht mehr knappschaftlich versichert (Beitragssatz nur noch 20 v.H. statt früher 30 v.H. des Arbeitsverdienstes). Dementsprechend sei er, Kläger, in dem hier strittigen Zeitraum behandelt worden. Nach § 20 Abs. 4 FRG sollten "echte" Bergleute nicht deswegen benachteiligt werden, weil es im Herkunftsland keine entsprechende Berufsversicherung gegeben habe. Das gesamte Fremdrentenrecht stehe unter dem Gesichtspunkt der Eingliederung der Flüchtlinge und Vertriebenen. Das Fehlen der "Versicherungsangestellten" in § 20 Abs. 4 FRG stelle daher eine Lücke im Gesetz dar. Zur Ausfüllung der Lücke sei das "hiesige Recht" hinzuzuziehen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 19. September 1967 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Auf die Voraussetzung, daß es sich bei Anwendung des § 20 Abs. 4 FRG um Beitrags- oder Beschäftigungszeiten in einem knappschaftlichen Betrieb im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 RKG gehandelt haben müsse, könne nicht verzichtet werden. Der Gesetzeswortlaut sei eindeutig und verbiete auch unter dem Gesichtspunkt des Eingliederungsgedankens eine Anwendung auf den Fall des Klägers.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die zugelassene Revision ist nicht begründet.
Die vom Kläger nach dem Kriege in Mitteldeutschland zurückgelegten Beitragszeiten stehen gemäß § 17 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. § 15 Abs. 1 FRG Beitragszeiten gleich, die nach Bundesrecht zurückgelegt sind. Sie werden nach § 20 Abs. 1 Satz 1 FRG der knappschaftlichen Rentenversicherung zugeordnet, sofern sie auf Grund einer Pflichtversicherung in einer der knappschaftlichen Rentenversicherung entsprechenden Berufsversicherung zurückgelegt sind; im übrigen werden sie nach Art der Beschäftigung entweder der Rentenversicherung der Arbeiter oder der Rentenversicherung der Angestellten zugeordnet (§ 20 Abs. 1 Satz 2 RVO). Unter den Beteiligten besteht kein Streit darüber, daß der Kläger während seiner Beschäftigung als Angestellter der Sozialversicherung in Mitteldeutschland ab 1. Januar 1947 nicht mehr der bergbaulichen Versicherung unterlegen und demgemäß nur Beiträge zur Sozialversicherung in der allgemein vorgeschriebenen Höhe von 20 v.H. des beitragspflichtigen Arbeitsverdienstes entrichtet hat (vgl. § 2 Abs. 1 der dort ab 1. Januar 1947 geltenden Verordnung über die Sozialversicherung der Bergleute vom 19. Dezember 1946 - ASF S. 417 -, wonach von der Verordnung nur die in bergbaulichen Betrieben Beschäftigten erfaßt werden). Im übrigen hat das LSG zu diesem Punkt zutreffend ausgeführt, daß die vom Kläger in der Zeit vom 1. Januar 1947 bis 31. Dezember 1949 zum Zwecke der Aufrechterhaltung der höheren knappschaftlichen Versicherung geleisteten, später erstatteten Anwartschaftsgebühren keine Beiträge zu einer bergbaulichen Rentenversicherung darstellen.
Der Kläger glaubt indessen, daß er die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4 Satz 1 FRG erfülle. Danach werden den vom FRG begünstigten Personen auch dann, wenn sie im Herkunftsland Beiträge zu einer der knappschaftlichen Rentenversicherung entsprechenden Berufsversicherung nicht entrichtet haben, die ab 1. Januar 1924 zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten der knappschaftlichen Rentenversicherung zugeordnet, wenn sie in einem knappschaftlichen Betrieb im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 RKG zurückgelegt sind und sofern weiterhin die Beschäftigung, wäre sie im Bundesgebiet verrichtet worden, nach den jeweils geltenden reichs- oder bundesrechtlichen Vorschriften der Versicherungspflicht in der knappschaftlichen Rentenversicherung unterlegen hätte. Ob letzteres auf den Kläger zutrifft, braucht der Senat nicht zu prüfen. Jedenfalls hat der Kläger in der streitbefangenen Zeit vom 1. Januar 1947 bis 2. Juli 1950 Beitragszeiten nicht in einem nach § 20 Abs. 4 Satz 1 - 1. Teilsatz - FRG in Betracht kommenden Betrieb zurückgelegt.
Dem Kläger ist einzuräumen, daß der Wortlaut der Bestimmung allein die Anwendung auf Personen, die nicht in knappschaftlichen Betrieben beschäftigt waren, nicht von vornherein ausschließen muß: Bei Inkrafttreten der Vorschrift am 1. Januar 1959 (Art. 7 § 3 Abs. 1 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes - FANG -) waren die Angestellten der Knappschaft(en) - wie schon vorher mit allerdings erheblichen, noch zu besprechenden zeitlichen Unterbrechungen - nach § 187 Abs. 1 Satz 1 RKG (ab 1. August 1969: § 159 Abs. 1 Satz 1 RKG) knappschaftlich pflichtversichert; § 20 Abs. 4 Satz 1 - 1. Teilsatz - FRG könnte daher immerhin lückenhaft in dem Sinne sein, daß bei Anwendung der Bestimmung die Beschäftigung als Angestellter bei einer Knappschaft der Beschäftigung "in einem knappschaftlichen Betrieb im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 des Reichsknappschaftsgesetzes" gleichzubehandeln wäre.
Gegen eine solche Lückenhaftigkeit sprechen indessen gewichtige Umstände. Es läßt sich nicht übersehen, daß die Vorschrift nicht nur die "Knappschaftsangestellten", sondern eine ganze Reihe anderer nicht in knappschaftlichen Betrieben beschäftigter und gleichwohl knappschaftlich versicherter Personen - vgl. §§ 1 Abs. 1 Nr. 2 a, 2 Abs. 3 RKG; Art. 17 des Einführungsgesetzes zum RKG vom 23. Juni 1923; Verordnung des Reichsarbeitsministers über knappschaftliche Arbeiten vom 11. Februar 1933 i.V.m. Art. 2 § 2 des Knappschaftsversicherungs-Neuregelungsgesetzes - nicht erwähnt. Der Senat vermag nicht anzunehmen, dem Gesetzgeber könne bei Schaffung des § 20 Abs. 4 Satz 1 FRG entgangen sein, daß mehrere bedeutende Gruppen knappschaftlich versicherter Personen nicht in knappschaftlichen Betrieben beschäftigt waren und beschäftigt sind. Daraus ist weiter zu folgern, daß der Gesetzgeber den Kreis der durch die Vorschrift Begünstigten bewußt auf solche Vertriebene und Flüchtlinge beschränken wollte, die in ihren Herkunftsländern in knappschaftlichen Betrieben im Sinne des RKG beschäftigt waren.
Der dadurch bewirkte Ausschluß bestimmter Gruppen knappschaftlich Versicherter von der Vergünstigung des § 20 Abs. 4 FRG hat jedenfalls in Bezug auf die sogenannten Knappschaftsangestellten gute Gründe. Nach § 82 des Gesetzes über den Ausbau der Rentenversicherung vom 21. Dezember 1937 i.V.m. § 6 der Durchführungsverordnung hierzu waren sie als nicht mit wesentlich bergmännischen Arbeiten befaßte Angestellte ab 1. Januar 1938 nicht mehr gemäß § 187 Abs. 1 Satz 1 RKG knappschaftlich zwangsversichert; erst § 7 des Knappschaftsversicherungs-Anpassungsgesetzes vom 30. Juli 1949 stellte vom 1. Juni 1949 an den bis 31. Dezember 1937 gültig gewesenen Rechtszustand wieder her. In Bezug auch auf Zeiträume, die vorliegend streitbefangen sind, war es sonach selbst im Gebiet der heutigen Bundesrepublik nicht die gesetzliche Regel, daß die Knappschaftsangestellten knappschaftlich zwangsversichert waren. Hieraus erhellt, daß sich der Gesetzgeber durch das "Eingliederungsprinzip", welches das ab 1. Januar 1959 geltende neue Fremdrentenrecht wesentlich prägt, nicht zwingend verpflichtet fühlen mußte, diese Gruppe von Angestellten den bergmännisch tätig gewesenen Versicherten gleichzustellen. Daß er dies in § 20 Abs. 4 Satz 1 - 1. Teilsatz - FRG bezüglich der in knappschaftlichen Betrieben beschäftigt gewesenen "Bergbauangestellten" getan hat, nötigte ihn nicht, die Knappschaftsangestellten in gleicher Weise zu begünstigen. Denn diese abgegrenzte Gruppe von Verwaltungsangestellten des öffentlichen Dienstes steht den Bergleuten im engeren Sinne nicht durch Beschäftigung in einem knappschaftlichen Betrieb auch in Bezug auf die sozialversicherungsrechtlich gebotene Behandlung augenfällig nahe. Es liegt auf der Hand, daß der Gesetzgeber die Angestellten der Knappschaft(en) aus grundsätzlich anderen Gründen - mit den erwähnten wesentlichen zeitlichen Unterbrechungen - in die knappschaftliche Versicherung einbezogen hat. Sachlich einleuchtende Gründe rechtfertigen es daher, daß der Gesetzgeber die Knappschaftsangestellten von der Vergünstigung des § 20 Abs. 4 Satz 1 FRG bewußt ausgenommen hat.
Bei diesen Gegebenheiten kann dahinstehen, ob das Begehren des Klägers nicht auch daran scheitern müßte, daß er in Mitteldeutschland jedenfalls ab 1. Januar 1947 weder bei einer Knappschaft noch bei einer mit einer Knappschaft vergleichbaren eigenständigen Einrichtung für Bergleute tätig war; er war dort nämlich durchweg bei "Sozialversicherungskassen" als - regelmäßig bezirklichen, ausnahmsweise fachlichen - Gliederungen der zuständigen ostdeutschen Sozialversicherungsanstalt beschäftigt, also bei einem Träger einer Einheitssozialversicherung (vgl. §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 der vorerwähnten ostdeutschen Verordnung über die Sozialversicherung der Bergleute i.V.m. §§ 8 und 10 der ostdeutschen Verordnung über die Sozialpflichtversicherung vom 28. Januar 1947 - ASF S. 92 -).
Die den Anspruch des Klägers verneinende Entscheidung des LSG trifft daher zu. Die Revision des Klägers war mit der auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gestützten Kostenentscheidung zurückzuweisen.
Mit dem Einverständnis der Beteiligten hat der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Fundstellen