Entscheidungsstichwort (Thema)
wirtschaftliche Verhältnisse und Kindergeldanspruch. Begriff Schulausbildung
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Begriff der Schulausbildung.
2. Ist ein Ausbildungsgang weder vorgeschrieben noch geregelt, so ist der Erwerb von Kenntnissen und Fertigkeiten nur dann Schul- oder Berufsausbildung, wenn diese für den angestrebten Beruf notwendige Voraussetzung sind (Fortentwicklung von BSG 1982-03-25 10 RKg 11/81 = SozR 5870 § 2 Nr 29).
Leitsatz (redaktionell)
Der Besuch einer mennonitischen Bibelschule begründet keinen Anspruch auf Kindergeld, weil es sich hierbei weder um Schul- noch um Berufsausbildung iS des § 2 Abs 2 Nr 1 S 1 BKGG handelt.
Orientierungssatz
1. Die Ansprüche auf Kindergeld nach dem BKGG sind von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Berechtigten oder des Kindes nur in den vom Gesetz ausdrücklich genannten Fällen und nur in dem im Gesetz genannten Umfang abhängig. Es gibt keinen aus der Zweckbestimmung des Kindergeldes herzuleitenden Grundsatz, wonach etwa Kindergeld nicht zu gewähren ist, wenn das Kind, aus welchem Grund auch immer, in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten (Festhaltung BSG 1979-06-28 8b RKg 3/78 = SozR 5870 § 2 Nr 16).
2. Schulausbildung ist eine Ausbildung an allgemeinbildenden öffentlichen oder privaten Schulen, deren Unterricht nach staatlich genehmigten Lehrplänen erteilt wird, oder der nach den staatlich genehmigten Lehrplänen für öffentliche Schulen gestaltet wird Schulausbildung liegt auch vor, wenn das Kind, ohne einen Beruf auszuüben, allgemeinbildenden Schulunterricht in Privat- oder Abendkursen mit dem Ziel erhält, eine staatlich anerkannte Abschlußprüfung abzulegen.
3. Ein deutsches Kind, das nur zum Zweck einer bestimmten zeitlich begrenzten Ausbildung ins Ausland geht, behält in der Regel seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland bei, es sei denn, daß Umstände vorliegen, die darauf schließen lassen, daß es sich nicht um einen nur vorübergehenden Auslandsaufenthalt handeln soll.
Normenkette
BKGG § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 5 S. 2 Fassung: 1977-08-16
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 11.01.1983; Aktenzeichen L 13 Ar 8/81) |
SG Düsseldorf (Entscheidung vom 13.11.1980; Aktenzeichen S 22 Ar 152/79) |
Tatbestand
Streitig ist ein Kindergeldanspruch des Klägers für seine Tochter Elke (E.) in der Zeit vom 1. Oktober 1975 bis einschließlich April 1977.
E. ist am 4. Juni 1953 geboren. Sie hatte nach der Schule zunächst als kaufmännische Angestellte gearbeitet. 1975 entschloß sie sich, Sozialarbeiterin im kirchlichen Bereich zu werden. Sie besuchte deshalb als "reguläre Schülerin" vom 6. Oktober 1975 bis 24. April 1977 die "Europäische Mennonitische Bibelschule Bienenberg" in Liestal/Schweiz. Sie war dort internatsmäßig untergebracht und nahm an zwei Hauptkursen teil. Außerdem leistete sie im Rahmen der Ausbildung - als notwendige Voraussetzung für den Erwerb des Abschlußdiploms - zwischen den beiden Kursen ein Praktikum als Sozialbetreuerin für Jugendliche und alte Menschen in Fremdenheimen der mennonitischen Gemeinde in der Schweiz. Hierfür erhielt sie ein Taschengeld von monatlich 40 sfrs. Das Abschlußdiplom erwarb sie am 24. April 1977. Anschließend war sie ohne Beschäftigung. Von Oktober 1977 bis zum Frühjahr 1978 arbeitete sie nach eigenen Angaben als Aushilfe in einer evangelischen freikirchlichen Tagesstätte mit Altersheim in der französischen Schweiz. Sie heiratete am 30. Juni 1978 einen französischen mennonitischen Pastor, belegte vom Oktober 1978 bis Juni 1979 Sprachkurse zur Verbesserung ihrer Französischkenntnisse, besuchte von Oktober 1979 bis Juni 1980 einige Kurse an einem Bibelinstitut in Frankreich und ist seit Januar 1981 mit ihrem Ehemann in der mennonitischen Gemeinde Colmar als "Prediger-Ehepaar" angestellt. Sie selbst erhält für ihre Tätigkeit keine Vergütung, sondern nur ihr Ehemann.
Der Kläger, der zuvor bis 1971 Kindergeld unter Berücksichtigung seiner Tochter E. bezogen hatte, stellte am 31. Januar 1976 Antrag auf Wiedergewährung des Kindergeldes für E. wegen des begonnenen Besuchs der oben genannten Bibelschule. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Februar 1976 ab, weil E. sich weder in Schul- noch in Berufsausbildung befinde. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit dem Bescheid vom 2. März 1977 zurück, weil der Kläger nicht alle Tatsachen angegeben habe, die für die Kindergeldleistung erheblich seien.
Am 12. Juli 1977 beantragte der Kläger erneut Kindergeld für E. Er wies auf seinen früheren Antrag hin und trug weiter vor, E. habe inzwischen ihre Ausbildung abgeschlossen. Sie könne nun die Berufe einer Gemeindeschwester oder einer Jugendleiterin ausüben. Die Beklagte stellte weitere Ermittlungen an und lehnte auch diesen Antrag mit Bescheid vom 13. Januar 1978 ab. Den Widerspruch wies sie mit Bescheid vom 31. August 1979 zurück.
Das Sozialgericht Düsseldorf (SG) hat mit seinem Urteil vom 13. November 1980 die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen.
Das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG) hat mit seinem Urteil vom 11. Januar 1983 das Urteil des SG abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Kindergeld unter Berücksichtigung seiner Tochter E. für die Zeit von Oktober 1975 bis einschließlich April 1977 zu gewähren. Der Besuch der mennonitischen Bibelschule Bienenberg sei, wenn nicht Schul-, so doch jedenfalls Berufsausbildung für E. iS von § 2 Abs 2 Nr 1 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) gewesen. Das "Diplom" dieser Schule habe eine schriftliche Abschlußarbeit erfordert und belege eine bestimmte erworbene Qualifikation. Allerdings sei ein derartiger Qualifikationsnachweis weder Voraussetzung für irgendeinen anderen, ggf weiterführenden Bildungsgang oder Ausbildungsabschnitt und stelle auch nicht die Berechtigung für irgendeine bestimmte Berufstätigkeit dar. Ziel des Schulbesuches sei nach Auffassung der beteiligten mennonitischen Kreise, den jungen Menschen eine gediegene Ausbildung im Bereich des Religiösen zu vermitteln, die für Menschen der verschiedensten Berufe wertvoll sein könne. Die Ausbildung solle mancherlei Möglichkeiten zeigen, sich in einem kirchlichen oder sozialen Beruf zu betätigen, bzw sich für ihn ausbilden zu lassen. Jedoch würden auch Diplomanden aus der Bibelschule Bienenberg, ggf ohne eine andere abgeschlossene Berufsausbildung, in den Dienst einer mennonitischen Gemeinde eingestellt. Jede mennonitische Gemeinde sei nämlich völlig frei und könne selbständig bestimmen, welche konkreten Ausbildungsvoraussetzungen sie im konkreten Einzelfall für die Anstellung für eine bestimmte Tätigkeit in ihrer Gemeinde verlangen wolle. Allgemein gesehen ziele danach der Besuch der Bibelschule Bienenberg nicht auf die Berechtigung zur Ausübung eines bestimmten gegen Entgelt auszuübenden Berufs. Werde eine bestimmte berufliche Tätigkeit angestrebt, für die kein geregelter Ausbildungsgang mit entsprechendem Prüfungsabschluß vorgeschrieben oder zumindest üblich und allseits anerkannt sei, müsse es für den Begriff der Berufsausbildung genügen, wenn im Einzelfall in fester, auf die Erlangung eines Berufes gerichteter Absicht eine Ausbildung durchlaufen werde, die die Befähigung für den angestrebten Beruf tatsächlich verleihe. Die von E. anvisierte Tätigkeit einer Gemeindehelferin in einer mennonitischen Gemeinde könne als hauptberufliche Beschäftigung eine Existenzgrundlage bilden. Es handele sich dabei um einen Beruf mit ungeregeltem Ausbildungs- und Berufsweg. Die von E. hierfür durchlaufene zweisemestrige Ausbildung an der Bibelschule Bienenberg mit einem Praktikum und Abschlußdiplom stelle einen Weg dar, der zum gewünschten Erfolg, also zur Befähigung führe, als Gemeindehelferin in einer mennonitischen Gemeinde zu arbeiten.
Mit ihrer - von dem LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BKGG. Nicht jede Aus-, Weiter- oder Fortbildung eines Kindes über das 16. Lebensjahr hinaus sei Berufsausbildung im Sinne des BKGG. E. habe bereits eine Ausbildung zum Industriekaufmann absolviert gehabt und sei als kaufmännische Angestellte tätig gewesen, bevor sie sich 1975 entschlossen habe, Sozialarbeiterin im kirchlichen Bereich zu werden, was es ihr ermöglicht habe, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Eine "Zweitausbildung" könne allenfalls dann als Umschulung und damit als Berufsausbildung angesehen werden, wenn die vorangegangene Berufsausbildung es dem Kind nicht ermöglicht habe, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Wenn einerseits die Zeit einer freiwilligen Verlängerung der Ausbildung durch eine zwar wünschenswerte, aber in einer Ausbildungsordnung nicht vorgeschriebene Tätigkeit nicht berücksichtigungsfähig sei, sei andererseits kein sachlicher Grund ersichtlich, der die Berücksichtigung einer freiwilligen Zweitausbildung rechtfertigen könnte. Selbst wenn aber eine freiwillige Zweitausbildung "Berufsausbildung" sein könne, seien die übrigen Voraussetzungen bei E. nicht erfüllt. Die Bibelschule Bienenberg wolle ihren Besuchern eine einer staatlichen Schule vergleichbare allgemeine oder berufliche Bildung nicht vermitteln. Es handele sich auch nicht um Berufsausbildung. Der Besuch der Schule ziele nicht auf die Berechtigung zur Ausübung eines bestimmten gegen Entgelt auszuübenden Berufs. Berufsausbildung könne auch nicht deshalb angenommen werden, weil es keinen für das angestrebte Berufsziel geregelten oder vorgeschriebenen Ausbildungsgang gebe. Es sei schon zweifelhaft, ob E. überhaupt ein konkretes Berufsziel gehabt habe. Ob eine besondere religiöse Ausbildung erforderlich sei, hänge von der Kirche oder der Religionsgemeinschaft ab, die Sozialarbeiter beschäftige. Der Besuch der Bibelschule werde von mennonitischen Arbeitgebern zwar begrüßt oder empfohlen und als Zusatzausbildung bezeichnet. Eine Berufsausbildung liege aber allein schon deshalb nicht vor, weil der Besuch der Bibelschule nicht zur Qualifizierung für einen bestimmten gegen Entgelt auszuübenden Beruf diene. Letztlich sei er weder Voraussetzung für eine Tätigkeit als mennonitische Gemeindehelferin noch sei das erteilte Diplom - auch aus der Sicht mennonitischer Gemeinden - Nachweis einer für den Beruf der Gemeindehelferin ausreichenden Berufsausbildung.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 11. Januar 1983 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13. November 1980 zurückzuweisen.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hat zu Unrecht das klagabweisende Urteil des SG geändert und die Beklagte zur Gewährung des streitigen Kindergeldes verurteilt. Dem Kläger steht für seine Tochter E. in der streitigen Zeit kein Kindergeld zu.
Es kann dahingestellt bleiben, ob dem Anspruch des Klägers bereits der bindende ablehnende Bescheid der Beklagten vom 9. Februar 1976 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. März 1977 entgegensteht, der denselben Anspruch betrifft, den der Kläger erneut mit seinem Antrag vom 12. Juli 1977 geltend gemacht hat, oder ob die Beklagte im Falle der Rechtswidrigkeit berechtigt oder gar verpflichtet gewesen wäre, diesen Bescheid aufzuheben und dem Kläger das Kindergeld zu bewilligen (Art I § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB X - vom 18. August 1980 - BGBl I 1469 - iVm § 20 Abs 5 BKGG idF des Art II § 24 Nr 2 SGB X und Art 2 § 37 SGB X). Denn die Beklagte hat den streitigen Anspruch zu Recht abgelehnt.
Der streitige Anspruch ist allerdings nicht schon nach § 2 Abs 5 BKGG ausgeschlossen, weil E. in der streitigen Zeit, als sie die "Europäische Mennonitische Bibelschule" in der Schweiz besuchte, nicht im Geltungsbereich des BKGG wohnte. Für die streitige Zeit gilt noch § 2 Abs 5 Satz 2 BKGG in der bis zum 31. Dezember 1978 gültig gewesenen Fassung. Danach wurden Kinder, die zwar keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des BKGG hatten auch dann berücksichtigt, wenn der Anspruchsberechtigte insgesamt mindestens 15 Jahre lang einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet oder als Deutscher im damaligen Reichsgebiet gehabt hat (Satz 2 Nr 1a und b aaO). Selbst wenn aber diese Voraussetzungen nicht erfüllt waren, so hatte E. doch in der streitigen Zeit auch weiterhin ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland, nämlich bei ihren Eltern. Sie hielt sich nur vorübergehend in der Schweiz auf, um dort die Bibelschule zu besuchen, weil eine gleichartige Einrichtung in der Bundesrepublik seinerzeit nicht bestand. Daß sie später nicht zurückgekehrt ist, ändert daran nichts, denn der Grund dafür, nämlich die Heirat mit einem französischen Pastor und der Entschluß, sich mit ihm in Frankreich niederzulassen, ist erst später eingetreten. Anders als in den Fällen der Gastarbeiter, die ihre Kinder zur Schulausbildung in ihr Heimatland schicken (SozR 5870 § 2 Nr 25), behält ein deutsches Kind, das nur zum Zweck einer bestimmten zeitlich begrenzten Ausbildung ins Ausland geht, in der Regel seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland bei, es sei denn, daß Umstände vorliegen, die darauf schließen lassen, daß es sich nicht um einen nur vorübergehenden Auslandsaufenthalt handeln soll. Das war aber bei E. ersichtlich nicht der Fall.
Der Besuch der Bibelschule war jedoch nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG für E. keine Schul- oder Berufsausbildung iS von § 2 Abs 2 Nr 1 BKGG. Allerdings kommt dabei, entgegen der Auffassung der Beklagten, dem Umstand keine Bedeutung zu, daß E. schon vorher offenbar einen Beruf erlernt und als kaufmännische Angestellte gearbeitet hatte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), insbesondere auch zu §§ 1262 Abs 3 und 1267 Abs 1 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung -RVO- (verlängerte Waisenrente und Kinderzuschuß bei Schul- oder Berufsausbildung), ist der Begriff der "Berufsausbildung" nicht dahin eingeschränkt, daß diese Ausbildung nur für einen einzigen Beruf erfolgen könne, die Ausbildung zu einem weiteren Beruf aber nicht mehr als Berufsausbildung zu werten wäre (SozR Nrn 14 und 17 zu § 1267 RVO; SozR 2200 § 1267 Nr 12). Diese Grundsätze gelten auch für § 2 Abs 2 Nr 1 BKGG, weil diese Leistungen demselben Zweck dienen (BSGE 31, 152, 154; SozR 5870 § 2 Nr 2). Das BSG hat wiederholt darauf hingewiesen, daß die Ansprüche auf Kindergeld nach dem BKGG von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Berechtigten oder des Kindes nur in den vom Gesetz ausdrücklich genannten Fällen und nur in dem im Gesetz genannten Umfang abhängig sind und es keinen aus der Zweckbestimmung des Kindergeldes herzuleitenden Grundsatz gibt, wonach etwa Kindergeld nicht zu gewähren ist, wenn das Kind, aus welchem Grund auch immer, in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten (vgl SozR 5870 § 2 Nrn 12, 15, 16). Hieran ist festzuhalten. Solange der Gesetzgeber die Ansprüche auf verlängertes Kindergeld wegen Schul- oder Berufsausbildung einerseits zeitlich begrenzt (bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres) und andererseits nur in bestimmten Fällen und in bestimmtem Umfang Einkünfte berücksichtigt, widerspräche es dieser typisierenden und generalisierenden Systematik, weitere wirtschaftliche Umstände grundsätzlich oder im Einzelfall als zusätzliche Ausschlußtatbestände zu berücksichtigen.
Schul- oder Berufsausbildung iS von § 2 Abs 2 Nr 1 BKGG und auch von §§ 1262, 1267 RVO ist jedoch nicht jeder Erwerb von Bildungsinhalten oder Kenntnissen und Fertigkeiten, die für eine spätere berufliche Beschäftigung oder Tätigkeit nützlich, wertvoll oder erwünscht sind. "Schulausbildung" kann deshalb nicht schon allein angenommen werden, wenn irgendein Lernstoff in der Organisationsform einer Schule oder mit "schulischen Mitteln" dargeboten wird. Da weder das Gesetz selbst noch die Gesetzesmaterialien Hinweise darauf enthalten, was unter "Schulausbildung" zu verstehen ist, hat sich die Rechtsprechung am allgemeinen Sprachgebrauch orientiert (ua SozR Nr 33 zu § 1267 RVO). Unter Schulausbildung wird in der Regel der Besuch allgemeinbildender Schulen verstanden, mit dem die gesetzliche Schulpflicht erfüllt wird, darüber hinaus aber auch der Besuch weiterführender Schulen. Seewald/Schreiber (in: Wickenhagen/Krebs, Bundeskindergeldgesetz Band II Stand November 1983 § 2 RdNr 17) definieren danach zutreffend Schulausbildung als Ausbildung an allgemeinbildenden öffentlichen oder privaten Schulen, deren Unterricht nach staatlich genehmigten Lehrplänen erteilt wird, oder der nach den staatlich genehmigten Lehrplänen für öffentliche Schulen gestaltet wird. Schulausbildung liegt auch vor, wenn das Kind, ohne einen Beruf auszuüben, allgemeinbildenden Schulunterricht in Privat- oder Abendkursen mit dem Ziel erhält, eine staatlich anerkannte Abschlußprüfung abzulegen (vgl zum Fernunterricht SozR 2200 § 1267 Nr 9). Es ist nicht zu verkennen, daß auch in den Formen eines "Schulunterrichts" Bildungsangebote in zunehmendem Maße und auf den verschiedensten Gebieten vorhanden sind, die dem Bildungsbedürfnis weiter Kreise der Bevölkerung entsprechen. Solche, meist auf bestimmte Gebiete gerichtete Bildungsveranstaltungen, die jedermann je nach seinen Neigungen wählen und in Anspruch nehmen kann, sind aber keine "Schulausbildung" iS des Sozialrechts, und zwar auch dann nicht, wenn sie von über 18 (jetzt 16)-jährigen Kindern wahrgenommen werden. Ein Schulunterricht fällt, wenn er spezielle Fachkenntnisse vermittelt, nicht mehr unter den Begriff der Schul-, sondern allenfalls der Berufsausbildung - etwa bei einer Fachschule -. Eine genaue Trennung mag nicht immer möglich sein, was jedoch nicht rechtserheblich ist, weil sowohl Schul- als auch Berufsausbildung gleichermaßen anspruchsbegründende Tatbestände sind. Die Europäische Mennonitische Bibelschule gestaltet ihre Lehrpläne aus eigener Entschließung; sie sind weder genehmigt noch anerkannt und auch das Abschlußdiplom genießt keinerlei öffentlich-rechtliche Anerkennung. Die Schule und das Diplom entsprechen auch nicht vergleichbaren Institutionen, die in der Bundesrepublik genehmigt oder anerkannt sind. Der Schulbesuch von E. war deshalb keine Schulausbildung iS von § 2 Abs 2 Nr 1 BKGG.
E. genoß aber in der streitigen Zeit auch keine Berufsausbildung. Nach der Rechtsprechung des BSG ist unter Beruf in diesem Sinne eine für die Dauer vorgesehene Arbeit zu verstehen, die geeignet ist, in der Gesellschaft auftretende materielle oder auch geistige Bedürfnisse zu befriedigen, die außerdem der Existenzsicherung dient, und bei der schließlich die Befähigung zu ihrer Ausführung durch eine Ausbildung erworben wird (BSGE 23, 231, 233; SozR Nr 28 zu § 1267 RVO; SozR 2200 § 1267 Nrn 12 und 19). Ob E. mit dem Besuch der Bibelschule einen Beruf in diesem Sinne anstrebte, dh, ob eine Beschäftigung oder Tätigkeit bei einer mennonitischen Gemeinde als Sozial- oder Gemeindehelferin oder in welcher Funktion auch immer, nicht nur einen sehr eingeengten und speziellen Ausschnitt eines Berufs darstellt, nämlich eine Tätigkeit oder Beschäftigung nur bei bestimmten Arbeitgebern, und deshalb möglicherweise kein "Beruf" ist, kann letztlich dahinstehen. Denn der Erwerb der in der Bibelschule vermittelten Kenntnisse ist keine für eine solche Tätigkeit oder Beschäftigung notwendige Ausbildung und das Abschlußdiplom kein notwendiger Befähigungsnachweis. Gibt es - wie hier - für eine bestimmte berufliche Tätigkeit keinen vorgeschriebenen oder doch wenigstens von den beteiligten Kreisen allgemein anerkannten oder üblichen Ausbildungsweg, so ist Berufsausbildung nur der Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten, die für die Ausübung des Berufs notwendig sind. So ist etwa der Besuch einer Privatschule zum Erlernen von Buchführung, Kurzschrift und Maschinenschreiben als Berufsausbildung angesehen worden, weil der Lehrgang dazu diente, Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, die für die in Aussicht genommene berufliche Anstellung im Großhandel oder in der Industrie vorausgesetzt werden (SozR Nr 14 zu § 1267 RVO). Eine Beschäftigung als sogenanntes "au-pair"-Mädchen im Ausland ist dagegen allein keine Berufsausbildung etwa für eine Beschäftigung als Auslandskorrespondentin, obwohl das Erlernen der fremden Umgangssprache zwar nützlich aber nicht ausreichend ist, weil die Sprache in Wort und Schrift beherrscht werden muß. Nur wenn die "au-pair"-Tätigkeit mit einer regelmäßigen Ausbildung an einer Sprachschule in wesentlichem Umfang einhergeht, kann der Auslandsaufenthalt als Berufsausbildung anerkannt werden (BSG Urteile vom 29. Oktober 1969 - 12 RJ 440/63 in Mitteilungen LVA Berlin 1970, 65 und vom 30. Januar 1973 - 7 RKg 28/70 in Dienstblatt der BA, Rechtsprechung Bd 14 Kindergeld-Nr 1697a). Schließlich hat auch der erkennende Senat Berufsausbildung bei einem Studenten verneint, der den Beruf eines Lehrers mit einem fremdsprachlichen Fach anstrebte, sich vom Studium für zwei Semester hatte befreien lassen und in dieser Zeit an ausländischen Schulen im Sprachgebiet des angestrebten Lehrfachs als Lehrerassistent im dortigen Deutschunterricht tätig war, obwohl diese Tätigkeit von der Universität als nützlich angesehen und gefördert wurde (SozR 5870 § 2 Nr 29). Was insoweit für den Erwerb nützlicher Kenntnisse und Fähigkeiten neben einer vorgeschriebenen geregelten Ausbildung gilt, kann grundsätzlich bei Berufen ohne solche Ausbildungsgänge nicht anders beurteilt werden. Auch hier reicht es nicht aus, daß einzelne Kenntnisse und Fertigkeiten nützlich sind, solange sie nicht unverzichtbare Voraussetzungen für die Ausübung des angestrebten Berufs sind. Daß ein Bewerber möglicherweise bessere Chancen hat, eine Beschäftigung oder Tätigkeit in dem angestrebten Beruf zu finden, wenn er über weitere nützliche Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, ändert daran nichts. Das würde nämlich bedeuten, daß der Erwerb der unterschiedlichsten und vielfältigsten Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten in aller Regel Berufsausbildung wäre, weil in sehr vielen Berufen weitere als die unverzichtbar notwendigen Fähigkeiten nützlich sind oder mindestens sein können. "Ein Weg" oder Wegabschnitt zu einem Beruf ist deshalb nur ein solcher, auf dem notwendige, unverzichtbare Kenntnisse und Fähigkeiten erworben werden, wobei die äußere Form, in der das geschieht, weniger bedeutsam ist.
Da nach den Feststellungen des LSG mennonitische Gemeinden in ihrer Entscheidung darüber völlig frei sind, welche Anforderungen sie in bezug auf Vorbildung und Ausbildung an Bewerber für eine Tätigkeit in ihrem Bereich stellen, wie sie E. angestrebt hat, und auch Bewerber eingestellt werden, die keine Bibelschule besucht haben, erfüllt der Besuch dieser Schule nicht die Voraussetzungen einer Berufsausbildung iS von § 2 Abs 2 Nr 1 BKGG.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen