Leitsatz (amtlich)
1. Verschleppung iS des UBG § 2 Abs 2 setzt die Verbringung in ein für den Betroffenen - iS seiner Staatsangehörigkeit - fremdes Staatsgebiet voraus.
2. Der Anspruch der unterhaltsberechtigten Angehörigen auf Unterhaltsbeihilfe nach UBG § 2 Abs 2 erlischt nicht bereits mit der Entlassung der dem Kriegsgefangenen gleichgestellten Person aus dem Status des Sondersiedlers in der Sowjetunion, sondern erst mit ihrer Heimkehr nach UBG § 5 Abs 1. Ein aus der Ukraine nach Sibirien verbrachter russischer Staatsangehöriger deutscher Volkszugehörigkeit ist erst heimgekehrt, wenn er an den Ort seines früheren Wohnsitzes (in der Ukraine) zurückkehren kann.
Orientierungssatz
Zum Begriff des "Festgehaltenwerdens" iS des UBG § 2 Abs 2.
Zur Auslegung des Begriffs "Heimkehr".
Normenkette
UBG § 5 Abs. 1 Fassung: 1964-08-13, § 2 Abs. 2 Fassung: 1964-08-13
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. November 1963 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 7. September 1962 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin ist als deutsche Volkszugehörige russischer Staatsangehörigkeit in B (Wolgagebiet) geboren und heiratete 1921 den russischen Staatsangehörigen deutscher Volkszugehörigkeit C R (R.). Sie erwarb 1943 die deutsche Staatsangehörigkeit und gelangte vor dem Zusammenbruch in das Gebiet der Bundesrepublik. Beim Vormarsch der deutschen Truppen wurde ihr Ehemann 1941 von sowjetischen Behörden zur Trud-Armee einberufen, die aus Zwangsarbeitereinheiten bestand, die sich aus "unzuverlässigen" Landesbewohnern zusammensetzten. Diese wurden im Panzergrabenbau sowie zu anderen Zwangsarbeiten im rückwärtigen sowjetischen Gebiet eingesetzt. R. kam später nach S O in K, in ein Dorf, das etwa 4000 km von seinem früheren Wohnort S (Ukraine) entfernt ist. Bis Dezember 1957 erhielt die Klägerin von ihm kein Lebenszeichen. Sie beantragte, nachdem sie von einer in der Sowjetunion lebenden Schwester seinen Aufenthaltsort erfahren hatte, seine Rückführung in das Bundesgebiet; die auch von R. erstrebte Ausreise wurde von den sowjetischen Behörden nicht erlaubt. Während des Revisionsverfahrens ist R. im Mai 1965 gestorben.
Die Klägerin bezog in der Nachkriegszeit Hinterbliebenenrente wegen Verschollenheit ihres Ehemannes. Diese wurde mit Ende Juni 1959 eingestellt. Den im Juni 1959 gestellten Antrag, Leistungen nach dem Gesetz über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen in der Fassung vom 30. April 1952 - BGBl I, 262 - (UBG) zu gewähren, lehnte das Versorgungsamt durch Bescheid vom 7. Januar 1960 ab, weil R. nicht Kriegsgefangener, nicht in ein ausländisches Staatsgebiet verschleppt worden sei und auch nicht von einer ausländischen Macht festgehalten werde. Der Widerspruch blieb erfolglos.
Das Sozialgericht (SG) hob durch Urteil vom 7. September 1962 die ablehnenden Bescheide auf und verurteilte den Beklagten, der Klägerin ab 1. Juli 1959 Unterhaltsbeihilfe zu gewähren und darüber einen Bescheid zu erteilen. Nach Beiladung der Bundesrepublik Deutschland änderte das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 6. November 1963 das Urteil des SG, wies die Klage ab und ließ die Revision zu. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 UBG lägen seit Antragstellung nicht vor. Verschleppung setze die zwangsweise Verbringung in ein ausländisches, vom bisherigen Aufenthaltsland verschiedenes Staatsgebiet voraus. R. sei 1941 im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen nur zwangsweise innerhalb eines ausländischen Staatsgebietes verschickt und als sowjetischer Staatsangehöriger deutscher Volkszugehörigkeit nach dem Einmarsch der deutschen Truppen auf Veranlassung der Sowjetregierung zum Stellungsbau verpflichtet und später nach Kasachstan umgesiedelt worden, wo er unter dem rechtlichen Status eines sogenannten Sondersiedlers gestanden habe. Er sei somit nicht verschleppt worden. Die Vermutung der Klägerin, daß er beim Stellungsbau von den Deutschen überrollt und später als deutscher Soldat in russische Gefangenschaft geraten sei, reiche zu einer entsprechenden Feststellung nicht aus. R. werde seit Ende 1957 auch nicht mehr von einer ausländischen Macht im Sinne des § 2 Abs. 2 UBG festgehalten. Hierzu sei Voraussetzung, daß er auf engbegrenztem Raum unter dauernder Bewachung stehe. Es sei zwar erwiesen, daß die Klägerin und ihr Ehemann alles in ihren Kräften Stehende unternähmen und unternommen hätten, um R. die Ausreise aus der Sowjetunion zu ermöglichen, jedoch vermöchten die Ausreiseschwierigkeiten allein das Tatbestandsmerkmal des Festgehaltenwerdens nicht zu erfüllen. Auf Grund des Dekrets des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR über die Aufhebung der Beschränkungen der Deutschen und ihrer Familienangehörigen, die sich in Sondersiedlungen befinden, seien die volksdeutschen Bürger aus der Zugehörigkeit zu Sondersiedlungen entlassen und von der administrativen Kontrolle durch die MWD (Ministerium für Inneres) befreit. Der Ehemann der Klägerin unterliege demnach nur noch der Beschränkung, daß er als Volksdeutscher nicht an seinen Wohnort, in dem er 1941 lebte, zurückkehren dürfe und sein Vermögen nicht zurückverlangen könne. Er könne sich aber innerhalb der Sowjetunion im Rahmen seiner Mittel und der allgemeinen arbeitsrechtlichen Beschränkungen frei bewegen und unterliege insoweit keinen weiteren Beschränkungen als die übrigen Bürger der Sowjetunion.
Die Klägerin rügt mit der Revision Verletzung des § 2 Abs. 2 UBG. Das LSG habe verkannt, daß Verschleppung im Sinne dieser Vorschrift nicht nur die Verbringung in das Ausland, sondern auch die Deportation oder Verbannung innerhalb eines Staatsgebietes sei, wenn sie im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen erfolge. Ebenso wie im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) die Internierung, abweichend von dem völkerrechtlichen Begriff, auch die gegen den eigenen Staatsangehörigen (Volksdeutschen) gerichtete Freiheitsentziehung einschließe, müsse auch die von der Sowjetunion aus Sicherheitsgründen gegen Volksdeutsche angeordnete Deportation der Verschleppung gleichgestellt werden. Jedenfalls sei die zweite Alternative des § 2 Abs. 2 UBG erfüllt, denn R. werde, nachdem er aus der Kontrolle der Organe des Ministeriums für Inneres befreit und seit 1957 aus der Zugehörigkeit zu Sondersiedlungen entlassen worden sei, weiterhin festgehalten, weil er nicht zu seiner Familie heimkehren könne. Der Begriff des Festgehaltenwerdens könne nicht in Anlehnung an das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz (KGfEG) ausgelegt werden. Nach dem Sinn und Zweck des UBG habe den Angehörigen der mit den Kriegsgefangenen gleichgestellten Personengruppen Unterhalt gewährt werden sollen, solange eine Unterhaltsleistung des von der Familie getrennt lebenden Ehemannes nicht möglich sei. Notfalls müsse eine sich aus § 2 Abs. 2 UBG ergebende Gesetzeslücke geschlossen werden. Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Urteils des LSG vom 6. November 1963 die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Detmold vom 7. September 1962 zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Wenn § 1 Abs. 2 Buchst. c BVG auch auf die Internierung volksdeutscher Sowjetbürger anzuwenden sei, so besage dies nichts darüber, wann eine Verschleppung im Sinne des § 2 Abs. 2 UBG vorliege. R. werde nicht mehr auf eng begrenztem Raum festgehalten. Deshalb scheide auch die zweite Alternative des § 2 Abs. 2 UBG aus. Die Klägerin übersehe auch, daß eine Heimkehr nach § 5 UBG entfalle, wenn der Festgehaltene sich im Zeitpunkt der Entlassung aus dem Gewahrsam bereits in seiner Heimat befinde. In dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. April 1964 (SozR Nr. 1 zu § 2 UBG) habe es sich um einen anderen Sachverhalt gehandelt.
Die Beigeladene hat im Sinne der Auffassung des Beklagten weitere Rechtsausführungen zu dem Begriff der Verschleppung und des Festgehaltenwerdens gemacht. Das UBG habe in erster Linie das Gesetz über die Unterstützung der Angehörigen der einberufenen Wehrpflichtigen und Arbeitsdienstpflichtigen idF vom 26. Juni 1940 ersetzen sollen, das von den Alliierten aufgehoben war. Dabei sei vorausgesetzt worden, daß es sich bei der Verschleppung oder Festhaltung um ein der Kriegsgefangenschaft ähnliches Schicksal gehandelt habe. Deshalb seien diese Begriffe wie im KGfEG auszulegen. Heimkehr im Sinne des § 5 UBG bedeute Beendigung der echten oder unechten Kriegsgefangenschaft und sei nicht mit der Rückkehr zu den Angehörigen gleichzusetzen. Diese Auffassung werde auch durch Art. IV des Zweiten Neuordnungsgesetzes (2. NOG) vom 21. Februar 1964 (BGBl I, 85, 99) gestützt. Auch bei den Personen, die den echten Kriegsgefangenen gleichgestellt seien, bedürfe es einer Heimschaffung nur, sofern sie aus ihrem Heimatstaat in ein ausländisches Staatsgebiet verbracht worden seien. Sonst ende ihre Gefangenschaft mit der Freilassung.
Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; sie ist daher zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie ist auch sachlich begründet.
Die Klägerin begehrt Leistungen nach § 2 Abs. 2 UBG idF vom 30. April 1952 (BGBl I 262). Diese Vorschrift ist seit dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 13. Juni 1950 nicht mehr geändert worden; sie ist insbesondere auch von der durch Art. IV des 2. NOG zum BVG vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85, 99) bestimmten Änderung des Gesetzes, die zu der Neufassung vom 18. März 1964 (BGBl I, 219) geführt hat, unberührt geblieben. Diese letzte Fassung des Gesetzes ist der Entscheidung im Revisionsverfahren zugrunde zu legen (BSG 16, 260; 19, 261).
Nach § 2 Abs. 2 UBG sind - für den Anspruch der Angehörigen auf Unterhaltsbeihilfe - den Kriegsgefangenen die Personen gleichgestellt, die im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen verschleppt worden sind oder von einer ausländischen Macht festgehalten werden. Nach den von der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG ist R. 1941 nach dem Einmarsch der deutschen Truppen als sowjetischer Staatsangehöriger deutscher Volkszugehörigkeit auf Veranlassung der Sowjetregierung zum Stellungsbau verpflichtet und später nach Kasachstan - etwa 4000 km von seinem Heimatort in der Ukraine entfernt - umgesiedelt worden, wo er dem rechtlichen Status eines Sondersiedlers unterworfen war. Auf Grund des Dekrets des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR über die Aufhebung der Beschränkungen in der Rechtsstellung der Deutschen und ihrer Familienangehörigen, die sich in Sondersiedlung befinden (vgl. hierzu das bei Geilke, Das Staatsangehörigkeitsrecht der Sowjetunion, Dok. Nr. 75 S. 385 abgedruckte Dekret vom 13. Dezember 1955), wurde er aus der Zugehörigkeit zu Sondersiedlungen entlassen und von der administrativen Kontrolle befreit. Er durfte nicht in seinen Heimatort zurückkehren, konnte auch sein früheres Vermögen nicht zurückverlangen, unterlag nach den Feststellungen des LSG sonst aber keinen weiteren Beschränkungen als die übrigen Bürger der Sowjetunion auch. Er durfte sich im Rahmen der allgemeinen arbeitsrechtlichen Beschränkungen innerhalb des Gebiets der Sowjetunion frei bewegen. Das LSG hat weiter festgestellt, daß die Klägerin einen Rückführungsantrag gestellt hat, daß auch R. selbst bestrebt war, zu der Klägerin zurückzukehren, und daß diese Bemühungen keinen Erfolg gehabt haben.
Das LSG hat eine Verschleppung im Sinne des § 2 Abs. 2 UBG verneint, weil R. als sowjetischer Staatsangehöriger nur innerhalb eines ausländischen Staatsgebiets verschickt und nicht zwangsweise in ein für ihn fremdes Staatsgebiet verbracht worden ist. Dieser Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Verschleppung ist zuzustimmen. Der Sprachgebrauch verbindet mit dem Begriff der Verschleppung die gewaltsame, rechtswidrige Verbringung eines Menschen an einen anderen Ort. Verschleppung im strafrechtlichen Sinn (§ 234 a des Strafgesetzbuches - StGB -) ist - im wesentlichen - die Verbringung eines anderen durch Drohung, List oder Gewalt in ein Gebiet außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Gesetzes, wenn der Betroffene dadurch der Gefahr ausgesetzt wird, aus politischen Gründen verfolgt zu werden und hierbei im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen Schaden zu erleiden. Das Personenschädengesetz vom 15. Juli 1922 (RGBl I 620 - PSchG -) gewährte u. a. Versorgung für die Folgen einer durch feindliche Behörden angeordneten Verschleppung von Reichsangehörigen (§§ 1 Abs. 1, 2 Nr. 2 PSchG); damit war sinngemäß nur die Verschleppung (Wegführung) in das Ausland gemeint (vgl. Ausführungsbestimmungen - AB - zu § 2 Nr. 2 des Gesetzes in Handbuch der Reichsversorgung Bd. I S. 423). Für eine außerhalb des Reichsgebiets von "fremden" Behörden nach dem Krieg angeordnete "Verschleppung" wurde Entschädigung nur gewährt, wenn sie im Laufe politischer, mit dem Krieg im Zusammenhang stehender Wirren veranlaßt war (§ 2 Nr. 4 PSchG und AB hierzu). In neueren Gesetzen wird der Begriff der Verschleppung im Zusammenhang mit der Verbringung in ein fremdes Staatsgebiet verwendet. So spricht das Heimkehrergesetz vom 19. Juni 1950 (BGBl I 221) idF vom 17. August 1953 (BGBl I 931) - HkG - von der Verschleppung in ein fremdes Staatsgebiet (§ 1 Abs. 3 HkG). Das KGfEG vom 30. Januar 1954 (BGBl I 5) idF vom 8. Dezember 1956 (BGBl I 908) entschädigt Personen, die in ursächlichen Zusammenhang mit den Ereignissen des zweiten Weltkrieges von einer ausländischen Macht in ein ausländisches Staatsgebiet oder aus dem Ausland in ein anderes ausländisches Staatsgebiet verschleppt wurden (§ 2 Abs. 2 unter 1 b und 2 b KGfEG). Das rechtfertigt zunächst die Vermutung, daß § 2 Abs. 2 UBG von der gleichen Bedeutung dieses Wortes ausgeht. Aus der Gegenüberstellung der Personen, die im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen verschleppt worden sind und denen, die festgehalten werden, läßt sich aber auch entnehmen, daß mit der Verschleppung ein besonders erschwerendes Tatbestandsmerkmal herausgehoben werden sollte, das durch bloße Umsiedlung eines Bürgers innerhalb seines Staatsgebiets noch nicht erfüllt ist. Für die Fälle, die das Gesetz erfassen wollte und die ganz überwiegend den kommunistischen Machtbereich betrafen, konnte davon ausgegangen werden, daß der innerhalb eines fremden Staatsgebiets von der eigenen Staatsgewalt im Land "Verschleppte" in aller Regel im Anschluß an die Verschleppung weiter festgehalten wurde. Solange dieser Zustand andauerte, genoß der Betroffene bereits den durch die zweite Alternative des § 2 Abs. 2 UBG gekennzeichneten Status eines Festgehaltenen, der nach § 5 UBG erst mit seiner Heimkehr endigt. Mit dem Ablauf des auf die Heimkehr folgenden Monats erlischt nach dieser Vorschrift auch der Anspruch der Angehörigen auf Unterhaltsbeihilfe. Es bestand somit für den Gesetzgeber kein überzeugender Grund, auch Maßnahmen eines fremden Staates gegen seine Bürger, insbesondere Umsiedlungen, in den Begriff der Verschleppung einzubeziehen. Abgesehen hiervon erfordert der Rechtsbegriff der Verschleppung, soweit nicht strafrechtliche Tatbestände oder nach Völkerrecht zu beurteilende unmittelbare Kriegshandlungen, sondern nur innerstaatliche Maßnahmen in Betracht kommen, daß die Grundsätze nicht außer acht gelassen werden, die in dem Staat gelten, der die Maßnahme getroffen hat. Da insoweit grundsätzlich nur eine nach dem Recht des ausländischen Staates rechtswidrige Handlung als Verschleppung bezeichnet werden kann, ist nicht anzunehmen, daß unter Verschleppung im Sinne des § 2 Abs. 2 UBG auch eine Umsiedlung gemeint ist. R. war Staatsangehöriger der Sowjetunion und als solcher deren Staatsgewalt unterworfen. Wenn das Vorgehen des Heimatstaates gegen seine Staatsangehörigen dazu führt, daß ihnen ein anderer Aufenthaltsort innerhalb des Staatsgebiets ihres Heimatstaates - hier der Sowjetunion - zugewiesen wird, so handelt es sich sonach nicht um eine Verschleppung im Sinne dieser Vorschrift. Der Senat ist daher zu dem Ergebnis gelangt, daß eine Verschleppung die zwangsweise Verbringung in ein ausländisches Staatsgebiet, d. h. in ein für den Betroffenen in bezug auf seine Staatsangehörigkeit fremdes Staatsgebiet, voraussetzt (so auch Rundschreiben des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte - BMVt - vom 20. März 1957 unter II B, veröffentlicht in BVBl 1957, 68, 69; ferner LSG Nordrhein-Westfalen in Breith 1964, 148; vgl. auch LSG Bremen in Breith. 1958, 565, 566). Da R. als Staatsbürger der Sowjetunion innerhalb deren Staatsgebiets aus der Ukraine nach Kasachstan verbracht worden ist, liegt somit eine Verschleppung im Sinne des § 2 Abs. 2 UBG nicht vor.
Das Berufungsgericht hat auch verneint, daß die zweite Alternative des § 2 Abs. 2 UBG - von einer ausländischen Macht festgehalten - noch vorliegt. Es hat diesen Tatbestand nur als erfüllt angesehen, wenn der Betroffene auf eng begrenztem Raum unter dauernder Bewachung steht. Dieser Auffassung kann allerdings nicht zugestimmt werden. In dem Urteil vom 23. April 1964 (SozR Nr. 1 zu § 2 UBG) ist der erkennende Senat zu dem Ergebnis gekommen, daß der Begriff des Festgehaltenwerdens nach § 2 Abs. 2 UBG nicht dem der Internierung im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. c BVG gleichgesetzt werden kann; der Gesetzgeber sei genötigt gewesen, den Sachverhalt versorgungsrechtlich durch eine elastische, nicht zu enge Formulierung zu erfassen, mit der zugleich auch einer etwaigen späteren Lockerung der Freiheitsbeschränkung und den Besonderheiten des Einzelfalles besser Rechnung getragen werden konnte. Deshalb wurde in dem dort entschiedenen Fall ein Festhalten im Sinne des § 2 Abs. 2 UBG noch angenommen, weil der Ehemann der Klägerin aus der Ukraine nach Sibirien verbracht worden war und ihm dort nur ein verhältnismäßig kleiner Raum von 25 km im Durchmesser zugeteilt wurde, in dem er sich "frei" bewegen durfte. Im vorliegenden Fall hat das LSG festgestellt, daß R. seit dem Antrag der Klägerin (Juni 1959) nur noch der Beschränkung unterlag, daß er als Volksdeutscher nicht an seinen Heimatort, in dem er 1941 wohnte, zurückkehren durfte und sein früheres Vermögen nicht zurückverlangen konnte; im übrigen habe er sich innerhalb der Sowjetunion wie andere Sowjetbürger frei bewegen können. Es handelt sich hier somit um einen grundsätzlich anderen Sachverhalt, bei dem die Voraussetzungen eines Festgehaltenwerdens auch dann nicht mehr erfüllt sind, wenn man diesen Begriff weit auslegt. Dem Ehemann der Klägerin war zwar die Möglichkeit genommen, das Staatsgebiet der Sowjetunion zu verlassen; das LSG hat ein Ausreiseverbot aber offenbar als eine allgemeine innerpolitische Maßnahme angesehen, der grundsätzlich alle Bürger der Sowjetunion, unabhängig von den Kriegsereignissen und ihren Folgen, unterworfen sind. Schon im Urteil des erkennenden Senats vom 23. April 1964 ist hervorgehoben, daß die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 in Verbindung mit § 5 UBG nicht schon dann erfüllt sind, wenn die Bürger eines Staates nur von einem allgemeinen Ausreiseverbot betroffen sind (aaO, Ca 4). Das LSG hat somit im Ergebnis zutreffend festgestellt, daß der Anspruch der Klägerin nicht mehr auf ein Festgehaltenwerden ihres Ehemannes im Sinne des § 2 Abs. 2 UBG gestützt werden kann.
Die Revision der Klägerin ist jedoch aus einem anderen Gesichtspunkt begründet. Das LSG hat nicht geprüft, ob der Klägerin nach § 5 Abs. 1 UBG ein Anspruch auf Unterhaltsbeihilfe noch zusteht. Nach dieser Vorschrift erlischt der Anspruch auf Unterhaltsbeihilfe mit Ablauf des auf die Heimkehr des Kriegsgefangenen (§ 2) folgenden Monats. Dasselbe gilt nach § 2 Abs. 2 UBG auch für die den Kriegsgefangenen gleichgestellten Personen, die festgehalten wurden. Eine solche Festhaltung lag bei R. früher vor. Denn nach den Feststellungen des LSG wird R., der in Kasachstan unter dem Status eines Sondersiedlers gestanden hat, seit Ende 1957 nicht mehr von einer ausländischen Macht im Sinne des § 2 Abs. 2 UBG festgehalten. Damit ist auch festgestellt, daß eine Festhaltung im Sinne dieser Vorschrift bis Ende 1957 vorlag.
Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt somit davon ab, was unter "Heimkehr" des früher Festgehaltenen zu verstehen ist. Denn erst die Heimkehr beendet den einmal begründeten Anspruch nach dem UBG. Eine weite, von dem allgemeinen Sprachsinn des Wortes abgeleitete Auslegung führt zu dem Ergebnis, daß nur der heimkehrt, dem die Möglichkeit der Reise zu seinen Angehörigen eröffnet wird. Da das UBG in der ersten Fassung vom 13. Juni 1950 (BGBl I 204) kurz vor dem mit Rückwirkung zum 1. April 1950 erlassenen HkG vom 19. Juni 1950 (§ 29) ergangen ist, und dieses Gesetz als Heimkehrer die Deutschen bezeichnet, die innerhalb der in § 1 HkG bestimmten Frist nach der Entlassung aus fremdem Gewahrsam ihren Aufenthalt im Bundesgebiet genommen haben, läge die Annahme nahe, daß das UBG an den im HkG vorausgesetzten Begriff der Heimkehr anknüpft. In diesem Sinne könnten - zumal § 5 UBG nicht nur auf Kriegsgefangene, sondern auch auf die ihnen Gleichgestellten zu beziehen ist - auch die Verwaltungsvorschriften Nr. 1 Satz 2 zu § 5 UBG idF vom 26. August 1952 (BAnz Nr. 169) verstanden werden, die bestimmen, daß "als Rückkehr des Gefangenen der Tag der Entlassung aus einem Heimkehrerlager oder der Tag des Eintreffens im Bundesgebiet (gilt), falls er nicht durch ein Heimkehrerlager entlassen wurde". Nachdem § 5 UBG aber durch Art. IV des 2. NOG einen Zusatz erhalten hat, der eine besondere Regelung für den Fall trifft, daß der ehemalige Kriegsgefangene gegen seinen Willen gehindert ist, im Anschluß an die Heimkehr zu seinen unterhaltsberechtigten Angehörigen zu gelangen, muß davon ausgegangen werden, daß hier Heimkehr nicht mit der Rückkehr zu den Angehörigen gleichzusetzen ist. In einem etwas eingeschränkten Sinn bedeutet Heimkehr aber auch soviel wie Rückkehr in die Heimat, d. h. an den früheren Wohnsitz. Schließlich könnte im Sinne des völkerrechtlichen Begriffs der Beendigung der Kriegsgefangenschaft als Heimkehr die Entlassung in das Land, dem der Kriegsgefangene angehört, in Betracht kommen. Bei der Entlassung im eigenen Land würde die Heimschaffung an den Ort des früheren Wohnsitzes wegfallen und die Kriegsgefangenschaft mit der Freilassung beendet sein (vgl. BVerwG, Urt. vom 13. November 1957 in DVBl 1958 S. 134). Der Senat ist schon im Urteil vom 23. April 1964 zu dem Ergebnis gekommen, daß Heimkehr in § 5 UBG nicht im Sinne einer Entlassung aus der Festhaltung zu verstehen ist. Gegen die von dem Beklagten und der Beigeladenen vertretene Auffassung, daß § 5 UBG von dem völkerrechtlichen Begriff der Heimat ausgehe, spricht die Verwendung des Ausdrucks "Heimkehr", der zur Kennzeichnung der Beendigung der Gefangenschaft ungewöhnlich ist. Wenn das Gesetz den Tatbestand der Beendigung der Kriegsgefangenschaft als maßgebend für die Heimkehr hätte bestimmen wollen, wäre wohl schon zur Vermeidung von Mißverständnissen die im Völkerrecht übliche Terminologie angewendet worden. Der Zweite Abschnitt des Vierten Titels des Genfer Abkommens über die Behandlung der Kriegsgefangenen vom 27. Juli 1929 (RBGl 1934 II 227, 249) steht unter der Überschrift "Freilassung und Heimschaffung nach Beendigung der Feindseligkeiten". Art. 75 bestimmt, daß die Kriegführenden, wenn sie einen Waffenstillstandsvertrag schließen, in diesen grundsätzlich Bestimmungen über die "Heimschaffung" der Kriegsgefangenen aufzunehmen haben. In dem Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über die Behandlung der Kriegsgefangenen (vgl. BGBl II 1954, 838 und Bekanntmachung vom 4. November 1954 in BGBl II 1133) ist im IV. Teil (Beendigung der Gefangenschaft) unter dem Abschnitt II die "Freilassung und Heimschaffung der Kriegsgefangenen bei Beendigung der Feindseligkeiten" behandelt. Nach Art. 118 Abs. 1 werden die Kriegsgefangenen nach Beendigung der aktiven Feindseligkeiten ohne Verzug freigelassen und heimgeschafft . Gemeint ist nach Abs. 4 dieser Vorschrift die Entlassung in das Land, von dem die Kriegsgefangenen abhängen. Wenn in § 5 Abs. 1 UBG statt der Begriffe "Heimschaffung", Freilassung, Beendigung der Kriegsgefangenschaft oder der Entlassung aus fremdem Gewahrsam nur der unbestimmte Ausdruck "Heimkehr" verwendet ist, so kann daraus nicht entnommen werden, daß die Beendigung des Status des Kriegsgefangenen im Sinne des Völkerrechts genügt, vielmehr bedarf es der tatsächlichen Rückkehr in die Heimat, d. h. an den Ort des früheren Wohnsitzes (hier in der Ukraine). Diese Auslegung führt auch am ehesten zu dem mit dem Gesetz bezweckten Ergebnis, daß die Unterhaltsbeihilfe eine Unterhaltsersatzfunktion haben soll. Nach den bei der Beratung des Gesetzes im Bundestag abgegebenen Erklärungen sollten die Personen in die Versorgung einbezogen werden, "die das gleiche Schicksal mit den Hinterbliebenen der Gefallenen und der Vermißten tragen" (Deutscher Bundestag, 1. Wahlp. 1949 Bd. 3 S. 1890 C). Auch bei der Beratung des Entwurfs zum Änderungsgesetz vom 30. April 1952 wurde hervorgehoben, der Grundsatz der Regelung des Gesetzes vom 13. Juni 1950 sei gewesen, "daß die Angehörigen der Kriegsgefangenen den Hinterbliebenen der Gefallenen und den Angehörigen der Vermißten in allen Punkten der Versorgung gleichgestellt sein sollten ..."; die Situation dieser Angehörigen sei praktisch genau dieselbe wie die der Hinterbliebenen (Deutscher Bundestag, 1. Wahlp. 1949 Bd. 10 S. 8339 D). Die Ergänzung, die § 5 UBG durch Art. IV des 2. NOG in Abs. 3 gefunden hat, steht der hier vertretenen Auffassung über die Auslegung des Begriffs der Heimkehr nicht entgegen, bestätigt vielmehr ihre Richtigkeit. Hiernach kann die Unterhaltsbeihilfe zur Vermeidung unbilliger Härten auch für die Zeit belassen oder gewährt werden, in der der ehemalige Kriegsgefangene (§ 2) gegen seinen Willen gehindert ist, im Anschluß an die Heimkehr zu seinen unterhaltsberechtigten Angehörigen (§ 1) zu gelangen. Nach der Begründung im Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen des Deutschen Bundestags (Drucks. IV 1831 S. 11 zu Art. IV des 2. NOG) soll die Härteregelung die Möglichkeit eröffnen, bei Vorliegen eines sozialen Bedürfnisses die Unterhaltsbeihilfe auch dann zu gewähren, wenn die in § 2 des Gesetzes ... genannten Personen zwar heimgekehrt sind, jedoch gegen ihren Willen - z. B. durch Versagung der Ausreisegenehmigung oder durch Reiseunfähigkeit - gehindert sind, "im Anschluß an die Heimkehr" zu ihren unterhaltsberechtigten Angehörigen im Sinne des § 1 zu gelangen. Dies wäre bei R. dann der Fall gewesen, wenn er zwar in seinen Heimatort in der Ukraine zurückkehren, aber nicht zu seinen unterhaltsberechtigten Angehörigen in der Bundesrepublik gelangen konnte. Da der Gesetzgeber sich im Jahre 1964 nicht veranlaßt gesehen hat, den Rechtsbegriff der Heimkehr durch eine authentische Interpretation klarzustellen, wenn er damit die Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft bezeichnen wollte, kann nur von der eigentlichen Bedeutung dieses Wortes als der Rückkehr in die Heimat ausgegangen werden. In den Fällen, in denen Volksdeutsche in der Sowjetunion im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen zwangsweise umgesiedelt wurden, nach der Entlassung aus den Beschränkungen der Sondersiedlung, die eine Festhaltung im Sinne des § 2 Abs. 2 UBG darstellten, jedoch nicht wieder in ihre Heimat zurückkehren dürfen, besteht auch insoweit der Zusammenhang mit den Kriegsereignissen fort, der den Anspruch der Angehörigen auf Unterhaltsbeihilfe begründet.
Nach den Feststellungen des LSG konnte der Ehemann der Klägerin nicht in seinen Heimatort zurückkehren. Ebenso sind seine Bemühungen fehlgeschlagen, die Ausreisegenehmigung zur Rückkehr zu seinen Angehörigen in der Bundesrepublik zu erlangen. Deshalb ist der Anspruch der Klägerin auf Unterhaltsbeihilfe nicht mit der Entlassung ihres Ehemannes aus dem Status der Sondersiedlung erloschen. Ob und welche Ansprüche sie vom Zeitpunkt des Todes des R. (Mai 1965) an erheben kann, etwa nach § 38 BVG, hatte der Senat nicht zu entscheiden. Da die Feststellungen des LSG zur Entscheidung des Rechtsstreits ausreichen und hiernach der Klägerin die Unterhaltsbeihilfe ab 1. Juli 1959 - der Antrag wurde schon im Juni 1959 gestellt - als Pflichtleistung zusteht, war auf die Revision der Klägerin das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Detmold vom 7. September 1962 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen