Entscheidungsstichwort (Thema)
Entziehung der Zulassung eines Kassenarztes. unselbständige Hilfeleistung iS des § 122 RVO
Leitsatz (amtlich)
Wenn der Arzt seine kassenärztlichen Pflichten gröblich verletzt, ist die Zulassung zu entziehen. Eine Pflichtverletzung ist gröblich, wenn ihretwegen die Entziehung zur Sicherung der kassenärztlichen Versorgung notwendig ist.
Orientierungssatz
Zur Entziehung der Zulassung eines Kassenarztes - unselbständige Hilfeleistung iS des § 122 RVO:
1. Die Entziehung der Kassenzulassung ist in der Regel nur dann zu bejahen, wenn aufgrund früherer Pflichtverletzungen des Kassenarztes oder aufgrund der Schwere der jetzigen Verstöße den Verantwortlichen für die kassenärztliche Versorgung, der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen, die auf einem besonderen Vertrauensverhältnis basierende Zusammenarbeit mit dem Kassenarzt nicht mehr zugemutet werden kann (vgl BVerfG vom 28.3.1985 1 BvR 1245/84 = SozR 2200 § 368a Nr 12).
2. Die Sicherung der kassenärztlichen Versorgung beruht wesentlich auf der freiberuflichen Tätigkeit des niedergelassenen Kassenarztes und deshalb auf dem Vertrauen der Kassenärztlichen Vereinigung und der Kassen insbesondere auf der ordnungsgemäßen Behandlung der Patienten und der Richtigkeit der Abrechnungen (vgl BSG vom 30.3.1977 6 RKa 4/76 = BSGE 43, 250 und BVerfG aaO).
Damit kommt zum Ausdruck, daß die Entziehung, die der schwerste Eingriff in den Kassenarztstatus ist, das einzige Mittel zum Schutz des kassenärztlichen Systems gegen Störungen sein muß. Die Entziehung hat allein diesen Zweck und ist keine Sanktion für strafwürdiges Verhalten (vgl BSG vom 15.4.1986 6 RKa 6/85 = SozR 2200 § 368a Nr 15).
Deshalb wird sie auch nicht unzulässig, wenn dieselben Pflichtverletzungen bereits Gegenstand von Disziplinarmaßnahmen waren (vgl BSG vom 29.10.1986 6 RKa 4/86 = SozR 2200 § 368a Nr 16).
3. Der Entziehung muß nicht in jedem Fall eine Disziplinarmaßnahme vorausgehen, sie kann je nach Art und Schwere der Verfehlung auch ohne diese geboten sein (vgl BSG vom 18.2.1988 6 RKa 23/87 = USK 8817).
4. Die Tätigkeit von akademisch ausgebildeten Diplompsychologen kann nicht als unselbständige Hilfeleistung iS des § 122 Abs 1 S 2 RVO iVm § 4 Abs 1 S 2 ÄBMV angesehen werden (vgl BSG vom 22.2.1974 3 RK 79/72 = SozR Nr 1 zu § 122 RVO).
Normenkette
RVO § 368a Abs 6 Fassung: 1955-08-17; SGB 5 § 95 Abs 6 Fassung: 1988-12-20; BMV-Ä § 4 Abs 1 S 2; RVO § 122 Abs 1 S 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist die Entziehung der Zulassung des Klägers zur kassenärztlichen Versorgung.
Der seit dem 20. April 1982 als Arzt für Neurologie und Psychiatrie anerkannte Kläger übt seit dem 1. Oktober 1982 die kassenärztliche Tätigkeit aus. Mit Beschluß vom 5. Juni 1985 entzog der Zulassungsausschuß dem Kläger die Zulassung. Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung aus: Der Kläger habe über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr falsche Abrechnungen vorgelegt und darin Leistungen nach den Nrn 800 bis 812 BMÄ aufgeführt, die er nicht selbst erbracht habe. Nach den Abrechnungen des Klägers gefertigte Tagesprofile zeigten, daß für die angeforderten ärztlichen Leistungen 19 bis 30 Stunden täglich erforderlich gewesen seien. Der Kläger habe zugegeben, während zweier Monate Kollegen und danach Diplompsychologen beschäftigt zu haben, die für ihn diese Leistungen erbrachten. Darin liege in mehrfacher Hinsicht eine gröbliche Pflichtverletzung. Der Arzt müsse wissen, daß die Leistungen von ihm und nicht von ärztlichen Hilfspersonen zu erbringen sind. Das sei dem Kläger nicht nur aus dem der Zulassung vorausgehenden Einführungslehrgang bekannt, sondern darauf sei er auch in einer Besprechung am 24. Juli 1984 hingewiesen worden. Dennoch habe der Kläger in den Quartalen IV/1984 und I/1985 wiederum Ziffern abgerechnet, für die er die Leistungen nicht selbst erbracht habe. Durch dieses Verhalten habe der Kläger zum Ausdruck gebracht, daß er sich beharrlich geweigert habe, seine Praxis ordnungsgemäß zu führen und ordnungsgemäß die Abrechnung vorzunehmen. Ein ganz grober Verstoß liege darin, daß er nur dem Arzt zustehende Leistungen durch die Diplompsychologen habe erbringen lassen.
Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Beschlüsse aufgehoben. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zu 2) zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger habe von Beginn seiner kassenärztlichen Tätigkeit an ständig gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen. Beginnend mit dem ersten Quartal sei jede Quartalsabrechnung in irgendeinem Bereich Kürzungen unterworfen gewesen. Bei der Besprechung der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) mit dem Kläger am 24. Juli 1984 habe sich ergeben, daß er ohne Genehmigung der KÄV in seiner Praxis Kollegen beschäftigte und deren Leistungen als eigene Leistungen abrechnete. In diesem Gespräch sei der Kläger eindringlich darauf aufmerksam gemacht worden, daß er nur von ihm selbst erbrachte ärztliche Leistungen abrechnen dürfe. Dies habe ihn aber nicht davon abgehalten, statt ärztlicher Kollegen nunmehr Diplompsychologen ohne Genehmigung der KÄV zu beschäftigen und deren Leistungen als eigene Leistungen abzurechnen. Es handele sich um Leistungen in ganz erheblichem Umfang. Wenn sich der Senat trotz dieser erheblichen und gröblichen Pflichtverletzungen des Klägers nicht dazu habe verstehen können, die Entscheidung des Beklagten zu bestätigen, dann deshalb, weil die KÄV auf ihr bekannte, auch gröbliche Pflichtverletzungen nicht rechtzeitig mit geeigneten Mitteln reagiert habe. Bis zur Einleitung des Entziehungsverfahrens sei gegen den Kläger nicht einmal die leichteste Disziplinarmaßnahme ergriffen und auch keine Strafanzeige erstattet worden. Im übrigen sei nicht auszuschließen, daß der Kläger nicht nur durch rechtzeitiges Ergreifen geeigneter Disziplinarmaßnahmen zur Erfüllung seiner kassenärztlichen Pflichten hätte gebracht werden können, sondern daß er auch jetzt noch durch eine entsprechende Maßnahme dazu geführt werden könne.
Die Beigeladenen zu 1), 2), 3) und 4) haben Revision eingelegt. Die Beigeladene zu 1) rügt als Verfahrensmangel, das LSG habe nach durchgeführter Beweisaufnahme die in den Urteilsgründen erforderliche Beweiswürdigung vermissen lassen. Zu Unrecht habe das LSG entschieden, daß im vorliegenden Fall Disziplinarmaßnahmen vorgreiflich seien. Die Beigeladene zu 2) macht geltend, das LSG verstoße gegen die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), indem es stets - also auch wie hier bei Untragbarkeit des Kassenarztes im System der kassenärztlichen Versorgung wegen gröblicher Pflichtverletzungen - Disziplinarmaßnahmen als unumgängliche Vorstufe für die Entziehung der Zulassung voraussetze.
Die Beigeladenen zu 1), 2), 3) und 4) beantragen,
unter Aufhebung der Urteile des Landessozialgerichts Berlin vom 20. Januar 1988 - L 7 Ka 11/87 - und des Sozialgerichts Berlin vom 8. April 1987 - S 71 Ka 3/86 - die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen sind begründet. Zu Unrecht hat das LSG die Aufhebung des Entziehungsbescheides und des Bescheides des Beklagten bestätigt. Der Entziehungsbescheid ist nicht rechtswidrig.
1a) Nach § 368a Abs 6 Reichsversicherungsordnung (RVO) aF kann die Zulassung entzogen werden, wenn der Kassenarzt seine kassenärztlichen Pflichten gröblich verletzt. § 95 Abs 6 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) schreibt vor, daß die Zulassung unter dieser Voraussetzung zu entziehen ist. Nach den Feststellungen des LSG hat der Kläger seine kassenärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Die Entziehung der Zulassung ist aber nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nur geboten, wenn sich der Kassenarzt durch sein Fehlverhalten als ungeeignet für die Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung erwiesen hat. Bei der Prüfung dieser Voraussetzung ist zu berücksichtigen, daß die Entziehung der Kassenzulassung der schwerste Eingriff in den Kassenarztstatus ist. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erlaubt diesen Eingriff erst dann, wenn nicht mehr zu erwarten ist, daß der Arzt durch andere Maßnahmen zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner kassenärztlichen Pflichten angehalten werden kann. Die Entscheidungen der Zulassungsinstanzen sind insoweit voll überprüfbar (Urteil des Senats vom 18. Februar 1988 - 6 RKa 23/87 - mwN). Es ist also bei Vorliegen gröblicher Pflichtverletzungen die Frage zu klären, ob die vom Kassenarzt ausgehende Störung des kassenärztlichen Versorgungssystems nur durch die Entziehung der Kassenzulassung und nicht durch eine weniger einschneidende Maßnahme behoben werden kann. Diese Frage ist in der Regel nur dann zu bejahen, wenn aufgrund früherer Pflichtverletzungen des Kassenarztes oder aufgrund der Schwere der jetzigen Verstöße den Verantwortlichen für die kassenärztliche Versorgung, der KÄV und den Krankenkassen, die auf einem besonderen Vertrauensverhältnis basierende Zusammenarbeit mit dem Kassenarzt nicht mehr zugemutet werden kann (Urteil des Senats aaO; BVerfGE 69, 233, 244 = SozR 2200 § 368a RVO Nr 12).
b) Diese Rechtsprechung ist fortzuentwickeln. Wenn der Arzt seine kassenärztlichen Pflichten gröblich verletzt, ist die Zulassung zu entziehen. Die Entziehung setzt keine weiteren Tatbestandsmerkmale als die gröbliche Pflichtverletzung voraus (Spieß SGb 1989, 368). Diese Auslegung entspricht im wesentlichen dem Wortlaut des § 368a Abs 6 RVO aF und ist insbesondere deshalb geboten, weil der Gesetzgeber trotz der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zu dieser Vorschrift deren Wortlaut insoweit in die Bestimmung des § 95 Abs 6 SGB V übernommen hat.
Entscheidend ist nunmehr, unter welchen Voraussetzungen eine gröbliche Pflichtverletzung anzunehmen ist. Dies ist nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschrift zu bestimmen. Danach ist die Rechtsfolge der Entziehung ausschlaggebend. Eine Pflichtverletzung ist gröblich, wenn ihretwegen die Entziehung zur Sicherung der kassenärztlichen Versorgung notwendig ist; diese Sicherung beruht wesentlich auf der freiberuflichen Tätigkeit des niedergelassenen Kassenarztes und deshalb auf dem Vertrauen der KÄV und der Kassen insbesondere auf die ordnungsgemäße Behandlung der Patienten und die Richtigkeit der Abrechnungen (vgl BSGE 43, 250, 252 f = SozR 2200 § 368 Nr 3; BVerfGE 69, 233, 244 = SozR aaO Nr 12 S 30). Damit kommt auch zum Ausdruck, daß die Entziehung, die der schwerste Eingriff in den Kassenarztstatus ist, das einzige Mittel zum Schutz des kassenärztlichen Systems gegen Störungen sein muß. Die Entziehung hat allein diesen Zweck und ist keine Sanktion für strafwürdiges Verhalten (BSG aaO; BSG SozR 2200 § 368a Nr 15; 21). Deshalb wird sie auch nicht unzulässig, wenn dieselben Pflichtverletzungen bereits Gegenstand von Disziplinarmaßnahmen waren (BSGE 61, 1, 2 = SozR 2200 § 368a RVO Nr 16). Die Entziehung setzt deshalb auch kein Verschulden voraus. Die in der Rechtsprechung verwendeten Kriterien der fehlenden Eignung und der Unzumutbarkeit der weiteren Zusammenarbeit mit dem Kassenarzt besagen nichts anderes, als daß bei ihrem Vorliegen die Entziehung notwendig ist, um das kassenärztliche System zu schützen. Jedoch stellen sie keine eigentlichen Tatbestandsmerkmale dar. Dasselbe gilt hinsichtlich der Prüfung, ob der Arzt auf andere Weise zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Pflichten angehalten werden kann (BSGE 61, 1, 4 = SozR 2200 § 368a RVO Nr 16). Wenn die Pflichtverletzung gröblich, dh wenn die Entziehung zum Schutz der kassenärztlichen Versorgung notwendig und dafür das einzige Mittel ist, dann reichen Disziplinarmaßnahmen nicht mehr aus und die Zulassung ist zu entziehen. Ob Disziplinarmaßnahmen ergangen sind oder ergehen könnten, ist unerheblich. Der Senat hat im übrigen auch bisher schon entschieden, daß nicht etwa der Entziehung in jedem Fall eine Disziplinarmaßnahme vorausgehen müsse, sondern daß sie je nach Art und Schwere der Verfehlung auch ohne diese geboten sein kann (Urteil des Senats vom 18. Februar 1988 - 6 RKa 23/87 -).
Zu Unrecht hat das LSG die Aufhebung des Entziehungsbescheides im Fall des Klägers deshalb bestätigt, weil die KÄV auf ihr bekannte Pflichtverletzungen nicht rechtzeitig mit geeigneten Mitteln reagiert habe. Die fehlende Rechtzeitigkeit einer Reaktion der KÄV hat nichts mit der Eignung zu tun und rechtfertigt nicht die Erwartung der Pflichterfüllung durch den Kläger. Für die Unzulässigkeit der Entziehung genügt es entgegen der Ansicht des LSG auch nicht, daß die Möglichkeit der zukünftigen Pflichterfüllung nicht ausgeschlossen ist.
2) Der Kläger hat seine kassenärztlichen Pflichten so schwer verletzt, daß die Entziehung als einziges Mittel zum Schutz der kassenärztlichen Versorgung notwendig ist.
a) Vom Beginn seiner Tätigkeit, also vom IV. Quartal 1982 an bis mindestens zum Entziehungsantrag (27. Februar 1985) hat der Kläger ständig gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen. Dauernde Verstöße dieser Art sind Pflichtverletzungen, die das kassenärztliche System empfindlich stören.
b) Der Kläger hat ohne Genehmigung in seiner Praxis Ärzte beschäftigt. Auf diese Weise hat er Dritte an der kassenärztlichen Versorgung beteiligt. Durch sein Verhalten hat er gegen die Pflicht verstoßen, die kassenärztliche Versorgung persönlich durchzuführen (§ 4 Abs 1 des Bundesmantelvertrages-Ärzte - BMV-Ä -). Eine Beschäftigung der beiden Ärzte als Assistenten hätte der Genehmigung der KÄV bedurft (§ 32 Abs 2 der Zulassungsordnung für Kassenärzte); die Genehmigung hat gefehlt. Ob die weiteren Voraussetzungen für die Beschäftigung von Assistenten gegeben waren, kann dahingestellt bleiben. Die KÄV hat die kassenärztliche Versorgung sicherzustellen. Dazu gehört, daß ihr die Bestimmung vorbehalten sein muß, wer außer den Kassenärzten an der kassenärztlichen Versorgung teilnimmt. Diese Aufgabe hat der Kläger durch die Beschäftigung der beiden Ärzte unterlaufen.
c) Nachdem der Kläger in der Besprechung am 24. Juli 1984 eindringlich darauf aufmerksam gemacht worden war, daß er nur von ihm selbst erbrachte Leistungen abrechnen dürfe, hat er nunmehr - wieder ohne Genehmigung der KÄV - Diplompsychologen in der Praxis beschäftigt. Sie haben nach den Feststellungen des LSG in erheblichem Umfang ärztliche Leistungen erbracht. Dies ist ein besonders schwerer Verstoß gegen die Pflicht des Kassenarztes, die kassenärztliche Versorgung persönlich durchzuführen (§ 4 BMV-Ä). Wenn der Kassenarzt ärztliche Leistungen von einem Nichtarzt erbringen läßt, dann ist die Behandlung nicht sachgerecht und nicht vertragsgemäß; der Arzt verursacht eine Heilbehandlung ohne erforderliche Qualifikation des Behandlers. Es geht insoweit um einen eigenständigen und von der späteren Abrechnung solcher Leistungen unabhängigen Pflichtverstoß, durch den die Gesundheit der Versicherten beeinträchtigt werden kann. Dadurch verletzt der Kassenarzt auch seine wichtigste Pflicht, nämlich den Versicherten nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu heilen oder seine Beschwerden zu lindern (§ 368e RVO aF; § 4 Abs 2 BMV-Ä).
Kassenarztrechtlich nicht verboten ist allerdings der Einsatz von "Hilfskräften" (vgl § 4 Abs 1 Satz 2 BMV-Ä). Die ärztliche Behandlung umfaßt die vom Arzt angeordneten Hilfeleistungen anderer Personen (§ 122 RVO aF). Indessen sind die beiden Diplompsychologen keine "Hilfskräfte" gewesen; ihre Tätigkeit ist nicht als Hilfeleistung zu werten. Dazu gehören nämlich nur unselbständige Leistungen (BSG SozR § 122 Nr 1 zu RVO). Die Tätigkeit von akademisch ausgebildeten Diplompsychologen kann nicht als unselbständige Hilfeleistung angesehen werden.
Aus diesem Grund bedurfte es für die Delegation der tiefenpsychologisch fundierten und analytischen Psychotherapie an nichtärztliche Psychotherapeuten einer Vereinbarung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung mit den Verbänden der Krankenkassen (Psychotherapie-Vereinbarung vom 6. Mai 1988). Die Vereinbarung regelt die besonderen Voraussetzungen, unter denen die Delegation zulässig ist. Im Fall des Klägers trifft sie nicht zu. Sie macht aber deutlich, daß eine Delegation ärztlicher Leistungen an die Diplompsychologen ohne Regelung der Vertragspartner des BMV-Ä oder mindestens Genehmigung der KÄV nicht zulässig ist. Soweit die KÄV überhaupt für bestimmte Leistungsarten solche Genehmigungen erteilt, muß sie insbesondere sicherstellen, daß der die Leistung ausführende Behandler eine hinreichende Qualifikation aufweist. Im Fall des Klägers hatte nicht nur die Genehmigung gefehlt, sondern ist auch die Qualifikation nicht nachgewiesen worden.
Bei den Behandlungen, die die beiden vom Kläger beschäftigten Diplompsychologen durchgeführt haben, hat es sich nach den Abrechnungen um Leistungen nach den Nrn 800 ff BMÄ gehandelt, zu denen auch psychiatrische und neurologische Leistungen gehören. Soweit die Diplompsychologen tatsächlich solche Leistungen erbracht haben, hat der Kläger besonders schwer gegen die Pflicht zur persönlichen Durchführung der kassenärztlichen Versorgung verstoßen. Psychiatrische und neurologische Leistungen sind nämlich nicht delegierbar (vgl Brück, Kommentar zum einheitlichen Bewertungsmaßstab Anm 1 zu Nrn 804 bis 817). Gegen die Pflicht zur persönlichen Durchführung der kassenärztlichen Versorgung hat der Kläger aber auch verstoßen, wenn und soweit die Diplompsychologen in Wahrheit andere, insbesondere psychotherapeutische Leistungen erbracht haben. Ob es sich dabei um Leistungen gehandelt hat, für die die KÄV überhaupt Delegationsgenehmigungen erteilt, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls fehlt es nach den Feststellungen des LSG sowohl an der Genehmigung wie am vorherigen Nachweis der Qualifikation.
d) Der Kläger hat seine kassenärztlichen Pflichten weiter dadurch gravierend verletzt, daß er in erheblichem Umfang Leistungen abgerechnet hat, für die ihm kein Honorar zustand. Der Bewertungsmaßstab, in dem der Inhalt der abrechnungsfähigen ärztlichen Leistungen bestimmt wird (§ 368g Abs 4 RVO aF), gilt schon nach seiner Überschrift nur für kassenärztliche Leistungen. Diese hat der Kassenarzt aber persönlich zu erbringen. Da es für die Beschäftigung der beiden Ärzte an der Genehmigung fehlte, hat es sich bei den von ihnen erbrachten Leistungen nicht um kassenarztrechtliche, abrechnungsfähige Leistungen gehandelt. Ein besonderes Gewicht kommt aber der Abrechnung von Leistungen der Diplompsychologen zu, denn es besteht keinerlei Anlaß, diese Leistungen wenigstens als einer ärztlichen Leistung gleichwertig anzusehen; sie waren für die Erfüllung der Pflicht zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung gänzlich ungeeignet. Hinsichtlich der Schwere des Pflichtverstoßes ist daher die Abrechnung von Leistungen der Diplompsychologen als eine Abrechnung nicht erbrachter Leistungen zu werten. Diese Pflichtverletzung ist auch nicht etwa deshalb milder zu beurteilen, weil der Kläger die Beschäftigung der Diplompsychologen der KÄV angezeigt hatte. Mit Schreiben vom 28. November 1984 hat die KÄV nämlich dem Kläger noch während des laufenden IV. Quartals mitgeteilt, daß bei der Einstellung von Diplompsychologen als Hilfspersonen deren Qualifikation durch Vorlage bestimmter Unterlagen nachgewiesen werden müsse. Der Kläger konnte nach diesem Schreiben keinen Zweifel haben, daß die Anzeige der Einstellung rechtlich nichts bewirkt hatte und daß er die Leistungen der Diplompsychologen nicht abrechnen durfte. Da er sie trotzdem weiter abgerechnet hat, zeigt dies eine fehlende Bereitschaft, sich an die Regeln der Zusammenarbeit im kassenärztlichen System zu halten.
Die zu 2c) und d) festgestellten Pflichtverletzungen des Klägers wiegen jede für sich genommen schon so schwer, daß die Entziehung geboten ist. Disziplinarmaßnahmen würden hier das kassenärztliche System nicht ausreichend schützen. Dies gilt auch bei der Annahme - zu der der Senat neigt -, daß hier die Disziplinarmaßnahme des Ruhens der Zulassung bis zu zwei Jahren (§ 81 Abs 5 SGB V) abzuwägen wäre. Aus dem Verhalten des Klägers ergibt sich, daß er nicht bereit oder nicht fähig ist, seine kassenärztlichen Pflichten zu erfüllen. Der KÄV und den Kassen ist die weitere Zusammenarbeit mit ihm nicht zuzumuten.
Die Kostenentscheidung wird auf § 193 SGG gestützt.
Fundstellen
Haufe-Index 1664499 |
BSGE, 6 |
NJW 1990, 1556 |
AusR 1990, 23 |