Verfahrensgang
SG Detmold (Urteil vom 18.12.1980) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 18. Dezember 1980 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Umstritten ist ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG).
Die Klägerin war während ihres Vorbereitungsdienstes für das Lehramt an der Grund- und Hauptschule Beamtin auf Widerruf des Landes Nordrhein-Westfalen. Das Beamtenverhältnis endete mit der Aushändigung des Zeugnisses über die Zweite Staatsprüfung am 31. Oktober 1979. Die Klägerin war bereits ab 8. September 1979 vom Dienst freigestellt, weil sie ein Kind erwartete. Sie hat am 8. November 1979 entbunden. Am 23. Oktober 1979 stellte sie bei der Beklagten den Antrag, ihr nach § 13 Abs. 2 MuSchG oder in analoger Anwendung dieser Vorschrift Mutterschaftsgeld zu gewähren. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die Klägerin bei Beginn der Schutzfrist (6 Wochen vor der Entbindung) nicht in einem Arbeitsverhältnis, sondern in einem öffentlich-rechtlichen Beamtenverhältnis gestanden habe; das MuSchG finde daher – wie sich auch aus der Entscheidung des Senats vom 9. November 1977 (BSGE 45, 114 ff) ergebe – auf sie keine Anwendung.
Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Sozialgericht (SG) hat das Begehren der Klägerin, Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG für die Zeit vom 1. November 1979 bis 4. Januar 1980 zu gewähren, im wesentlichen mit der gleichen Begründung wie die Beklagte zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision. Nach Hinweis darauf, daß sie seit dem 1. Februar 1980 als Lehrerin im Angestelltenverhältnis mit 18 Wochenstunden beschäftigt sei, trägt sie zur Begründung der Revision vor: Ihr Anspruch auf Mutterschaftsgeld ergebe sich aus § 13 Abs. 2 MuSchG. Da einerseits nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) unter „Arbeitsverhältnis” iS des MuSchG ausschließlich ein Arbeitsverhältnis iS des Arbeitsrechts, nicht aber ein öffentlich-rechtliches Dienst- und Treue Verhältnis zu verstehen sei, andererseits aber nach der Verordnung über den Mutterschutz für Beamtinnen im Lande Nordrhein-Westfalen bei einer Beendigung des Beamtenverhältnisses nach Beginn der Schutzfrist keine Leistungen zustünden, müsse festgestellt werden, daß eine Gesetzeslücke bestehe. Mit dem MuSchG habe der Gesetzgeber der sich aus Art. 6 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Verpflichtung entsprochen, in geeigneter Weise dafür zu sorgen, daß jeder Mutter der Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft zuteil werde. Art. 3 Abs. 1 GG verbiete es aber, hinsichtlich des Mutterschutzes sachlich unbegründete Unterschiede zu machen. Sofern die Mutterschutzverordnungen weniger Schutz für Beamtinnen gewährten als das MuSchG, seien die Verordnungen durch das MuSchG zu ergänzen. Das ergebe sich aus dem Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung von Gesetzen. Durch die Nichtgewährung des Mutterschaftsgeldes werde somit geltendes Recht verletzt.
Die Klägerin stellt zwar im Revisionsverfahren keinen ausdrücklichen Antrag, sie verfolgt jedoch den im vorangegangenen Verwaltungs- und Klageverfahren geltend gemachten Anspruch auf Mutterschaftsgeld weiter.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie macht in erster Linie geltend, die Sprungrevision sei, da ihre Zustimmungserklärung erst nach Ablauf der Revisionsfrist angefordert worden sei, nicht ordnungsgemäß eingelegt worden. Im übrigen habe das SG zu Recht einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG verneint. Eine andere Frage sei es, ob die Klägerin Ansprüche gegen ihren früheren Dienstherrn habe. Dies sei hier aber nicht zu prüfen.
Entscheidungsgründe
II
Die Sprungrevision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Revision ist nicht deshalb unzulässig, weil die der Revisionsschrift beizufügende Zustimmungserklärung des Gegners (§ 161 Abs. 1 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–), hier die Zustimmungserklärung der Beklagten, erst am 1. April 1981, also nicht innerhalb der Revisionsfrist von einem Monat nach Zustellung des angefochtenen Urteils, am 6. Februar 1981 beim BSG eingegangen ist. Die Zustimmungserklärung ist trotzdem noch fristgerecht vorgelegt worden, denn die Revisionsfrist hat, weil das angefochtene Urteil eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung enthält, nicht mit der Zustellung des Urteils zu laufen begonnen (§ 66 Abs. 1 SGG). Das SG hat seinem Urteil eine Rechtsmittelbelehrung beigegeben, die uU bei einer nachträglichen Zulassung der Revision durch Beschluß verwendet werden kann, wenn lediglich eine zuvor mit dem Urteil erteilte Rechtsmittelbelehrung ergänzt werden soll. Die Rechtsmittelbelehrung beschränkt sich auf die Einlegung der durch Beschluß zugelassenen Revision. Sie enthält aber weder eine Belehrung über das zunächst ebenfalls gegebene Rechtsmittel der Berufung noch einen Hinweis auf das Erfordernis des § 161 Abs. 1 Satz 3 SGG, wonach bei Einlegung der Sprungrevision die Zustimmung des Gegners hierzu der Revisionsschrift beizufügen ist. Eine solche unvollständige Rechtsmittelbelehrung ist unrichtig iS des § 66 SGG (BSG SozR 1500 § 66 SGG Nrn 7 und 10). Die Frist zur Einlegung der Revision war daher bei Eingang der Zustimmungserklärung der Beklagten noch nicht abgelaufen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG genügt es, wenn die Zustimmungserklärung des Gegners noch innerhalb der Revisionsfrist beim BSG eingeht (SozR 1500 § 67 SGG Nr. 11 mwN).
Bedenken bestehen jedoch, ob die Revision ordnungsgemäß begründet worden ist. Die form- und fristgerechte Begründung ist eine Zulässigkeitsvoraussetzung (§ 164 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Begründung muß ua einen bestimmten Antrag enthalten (§ 164 Abs. 2 Satz 3 SGG). Die von der Klägerin vorgelegte Revisionsbegründung läßt lediglich erkennen, daß das bisherige Begehren weiter verfolgt wird, ein ausdrücklicher Antrag wird nicht gestellt. Das Begehren der Klägerin ist jedoch in jeder Hinsicht eindeutig. Sie verlangt von der Beklagten für die an das Beamtenverhältnis anschließende Zeit Mutterschaftsgeld in analoger Anwendung des § 13 Abs. 2 MuSchG. Durch die Bezugnahme auf diese gesetzliche Bestimmung wird der Umfang der begehrten Leistung in zeitlicher und betragsmäßiger Hinsicht ausreichend präzisiert („… für die Zeit der Schutzfristen des § 3 Abs. 2 und des § 6 Abs. 1 Mutterschaftsgeld zu Lasten des Bundes in entsprechender Anwendung der Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über das Mutterschaftsgeld.”). Der Revisionsbegründung läßt sich deshalb ein hinreichend bestimmter Antrag entnehmen. Die Klägerin begehrt danach, den Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 1980, den Widerspruchsbescheid vom 28. März 1980 und das Urteil des SG vom 18. Dezember 1980 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Mutterschaftsgeld für die Zeit vom 1. November 1979 bis zum Ende der an die Entbindung (8. November 1979) anschließenden Schutzfrist von acht Wochen zu zahlen.
Das SG hat jedoch in der Sache zu Recht entschieden, daß der Klägerin gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG für die hier streitbefangene Zeit zusteht. Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich eine Leistungsverpflichtung der Beklagten auch nicht aus § 13 Abs. 2 MuSchG.
Das MuSchG gilt nach seinem § 1 lediglich für Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen sowie für weibliche in Heimarbeit Beschäftigte und ihnen Gleichgestellte, soweit sie am Stück arbeiten. § 13 Abs. 2 MuSchG in der hier maßgebenden ab 1. Juli 1979 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs vom 25. Juni 1979, BGBl I 797), der im vorliegenden Fall allein als Rechtsgrundlage des erhobenen Anspruchs in Betracht kommt, bietet keinen Anhalt dafür, daß sich sein Geltungsbereich ausnahmsweise über den allgemeinen Geltungsbereich des MuSchG hinaus erstreckt. Sein Wortlaut bestätigt vielmehr, daß die hier getroffene Regelung nur auf den in § 1 genannten Personenkreis Anwendung findet. Nach § 13 Abs. 2 MuSchG erhalten Frauen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, während der Schutzfristen des § 3 Abs. 2 (6 Wochen vor der Entbindung) und des § 6 Abs. 1 (8 Wochen nach der Entbindung) Mutterschaftsgeld zu Lasten des Bundes in entsprechender Anwendung der Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) über das Mutterschaftsgeld, wenn sie bei Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs. 2 in einem Arbeitsverhältnis stehen oder in Heimarbeit beschäftigt sind oder ihr Arbeitsverhältnis während ihrer Schwangerschaft vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden ist. Es wird also auf die in § 1 genannten Erwerbstätigkeiten abgestellt.
Die Klägerin stand weder bei Beginn der Schutzfrist noch zu einem sonstigen Zeitpunkt während der Schwangerschaft und der anschließenden Schutzfrist des § 6 Abs. 1 MuSchG in einem Arbeitsverhältnis. Sie war in dieser Zeit auch nicht als Heimarbeiterin beschäftigt. Bis zum 31. Oktober 1979 war sie Beamtin auf Widerruf, anschließend bis 31. Januar 1980 ohne Beschäftigung. Der Senat hat bereits entschieden, daß es sich bei einem Beamtenverhältnis nicht um ein Arbeitsverhältnis iS des MuSchG handelt (BSGE 45, 114, 116, 117 = SozR 7830 § 13 MuSchG Nr. 3). Er hat dabei anhand der Entstehungsgeschichte dieses Gesetzes dargelegt, daß es die erklärte Absicht des Gesetzgebers gewesen ist, den Geltungsbereich des Gesetzes nicht auf Beamtinnen zu erstrecken; vielmehr sollte im Rahmen des Beamtenrechts dafür Sorge getragen werden, daß die im MuSchG vorgesehenen Schutzmaßnahmen auch den Beamtinnen in gleicher Weise zugestanden werden (BSGE aaO 116; vgl. hierzu auch Bulla/Buchner, Mutterschutzgesetz, Kommentar, 4. Aufl, § 1 RdNr. 63; Zmarzlik/Zipperer, Mutterschutzgesetz, 3. Aufl, Einf III 1, a) und § 1 RdNr. 11; Gröninger/Thomas, Mutterschutzgesetz, Kommentar, Stand: September 1979, § 1 Anm. 5b).
Ob die beamtenrechtlichen Mutterschutzleistungen, die die Klägerin für die hier fragliche Zeit von ihrem früheren Dienstherrn bereits erhalten und evtl. noch zu erhalten hat, den Leistungen des MuSchG entsprechen, ist eine Frage, die im anhängigen Verfahren nicht geklärt werden kann. Es handelt sich dabei nicht um Leistungen, die die Beklagte zu erbringen hat. Zudem haben über Ansprüche aus dem Beamtenverhältnis nicht die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zu entscheiden (§ 51 SGG).
Auch der Einwand der Revision, es bestehe insoweit eine Gesetzeslücke, als nach der Verordnung über den Mutterschutz für Beamtinnen im Lande Nordrhein-Westfalen (MuSchVB NW) bei einer Beendigung des Beamtenverhältnisses nach Beginn der Schutzfrist keine Leistungen zustünden, rechtfertigt es nicht, aus dem MuSchG eine Leistungspflicht der Beklagten herzuleiten. Es trifft zwar zu, daß die MuSchVB NW in der hier maßgebenden Fassung (in der durch die Verordnung vom 5. September 1979 – GV NW S 550 – geänderten Fassung vom 4. Juli 1968 – GV NW S 230 –) nicht ausdrücklich eine dem Mutterschaftsgeld des MuSchG entsprechende Leistung für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses vorsieht. Das Verhalten des Verordnungsgebers kann jedoch nicht dazu führen, daß anstelle eines allein aus dem Beamtenverhältnis zu begründenden Leistungsanspruchs ein Anspruch aus dem MuSchG tritt, das lediglich für arbeitsrechtliche und nicht für beamtenrechtliche Arbeitnehmerverhältnisse gilt.
Es erscheint fraglich, ob die Landesregierung Nordrhein-Westfalen mit ihrer Mutterschutzverordnung dem hier vom Landesgesetzgeber erteilten Auftrag in vollem Umfang nachgekommen ist. Nach § 86 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen hat die Landesregierung durch Rechtsverordnung die der Eigenart des öffentlichen Dienstes entsprechende Anwendung der Vorschriften des MuSchG auf Beamtinnen zu regeln. Dieser beamtenrechtlichen Vorschrift ist jedenfalls zu entnehmen, daß sich auch der Gesetzgeber des Landes Nordrhein-Westfalen – gemäß der Entschließung des Bundestages bei der Verabschiedung des MuSchG vom 24. Januar 1952 (vgl. die in BSGE 45, 114, 116 angegebenen Fundstellen, insbesondere: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 1. Wahlperiode, Stenographische Berichte, Band 9 S 7519 B und 7530 A sowie Anlage-Band 14 BT-Drucks Nr. 2876) – dafür entschieden hat, im Rahmen des Beamtenrechts einen Mutterschutz zur Verfügung zu stellen, der zwar der Eigenart des öffentlichen Dienstes Rechnung trägt, aber im übrigen den Vorschriften des MuSchG entspricht. Sollte die MuSchVB NW lückenhaft sein, so wäre evtl. daran zu denken, bei der Gewährung des beamtenrechtlichen Mutterschutzes Leistungsvorschriften des MuSchG analog anzuwenden. Dies könnte dann uU dazu führen, den Dienstherrn zu Leistungen zu verpflichten, die in den beamtenrechtlichen Vorschriften nicht ausdrücklich vorgesehen sind. Dieser Frage ist jedoch hier nicht näher nachzugehen. Das MuSchG und das Beamtenrecht stimmen jedenfalls darin überein, daß für den Mutterschutz, der aufgrund eines Beamtenverhältnisses zusteht, allein der Dienstherr, also nicht ein nach dem MuSchG zuständiger Leistungsträger als Leistungspflichtiger in Betracht kommt.
Die Beendigung des Beamtenverhältnisses während der Schutzfrist ändert daran nichts (zu der kraft Gesetzes eintretenden Beendigung eines Beamtenverhältnisses auf Widerruf trotz des Entlassungsverbotes nach § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchGVB NW: BVerwG Buchholz 237.7 § 35 Nrn 3 und 4). Die Sorgepflicht des Dienstherrn gegenüber den Beamtinnen endet nicht stets mit dem Beamtenverhältnis. Wie bei einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, aus der sich nachgehende arbeits- und versicherungsrechtliche Ansprüche ergeben können, begründet auch das Beamtenverhältnis die Verpflichtung des Dienstherrn, im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl des Beamten und seiner Familie auch für die Zeit nach der Beendigung des Beamtenverhältnisses zu sorgen (§ 48 des Beamtenrechtsrahmengesetzes). Darauf, daß die Vorschriften, die dem Schutz der werdenden Mutter dienen, nicht nur Bedeutung innerhalb eines bestehenden Beamtenverhältnisses haben, hat bereits das Bundesverfassungsgericht hingewiesen (BVerfGE 44, 211, 215). Andererseits werden mit der Beendigung des Beamtenverhältnisses nicht die Voraussetzungen erfüllt, von denen die Anwendung des MuSchG abhängig ist. Nach dem derzeit geltenden Recht hat nicht jede (werdende) Mutter Anspruch auf Mutterschaftsleistungen, sondern grundsätzlich nur diejenige, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht oder in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist. Welche Mutterschaftsleistungen gegebenenfalls beansprucht werden können und welcher Leistungsträger zuständig ist, richtet sich nach dem Gesetz, dessen Voraussetzungen erfüllt sind. Ansprüche nach dem MuSchG setzen voraus, daß eine Erwerbstätigkeit iS dieses Gesetzes ausgeübt worden ist. Ein Beamtenverhältnis kann also keine Ansprüche aus dem MuSchG begründen. Demnach ließe sich auch eine evtl. bestehende Regelungslücke, wie sie von der Klägerin angenommen wird, durch richterliche Rechtsauslegung oder Rechtsfortbildung nur im Rahmen des beamtenrechtlichen Mutterschutzes schließen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen