Entscheidungsstichwort (Thema)

Überleitung gebietet Auszahlung der ungekürzten Witwenrente. Teilrechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Überleitung eines Unterhaltsanspruchs, der einen Versorgungsanspruch beeinflußt (§ 81c BVG), ist auch gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten ein Verwaltungsakt.

2. Ob die Verwaltung an den Leistungsberechtigten in der Höhe geleistet hat, in der sie dessen Unterhaltsanspruch auf sich übergeleitet hat, ist auch auf die Klage des Unterhaltsverpflichteten zu prüfen.

 

Orientierungssatz

1. Nach § 44 Abs 5 S 1 BVG ist auf die wiederaufgelebte Witwenrente ein Unterhaltsanspruch, der sich aus der neuen, aufgelösten Ehe herleitet, anzurechnen, soweit er ua nicht auf den Kostenträger der Kriegsopferversorgung übergeleitet ist. Daraus folgt, daß die Überleitung eine Anrechnung ausschließt, also in entsprechender Höhe die Auszahlung der ungekürzten Witwenrente gebietet. Die Verwaltung darf sich nicht durch den einseitigen Zugriff auf den Unterhaltsanspruch befriedigen und zugleich in derselben Höhe zur eigenen Entlastung den Rententeil durch die nach § 44 Abs 5 S 1 BVG rechtswidrige Anrechnung kürzen. Sie darf nur entweder überleiten oder anrechnen und überleiten nur insoweit, als sie die Kriegsopferversorgungsleistung ohne Anrechnung anstelle der Unterhaltsleistung erbringt.

2. Die Gesetzeslücke, die wegen des Fehlens einer die Folgen einer Teilrechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes regelnden Vorschrift besteht, ist durch den Grundsatz des § 40 Abs 4 SGB 10 auszufüllen, der für Fälle der Nichtigkeit geschaffen ist; zwischen Nichtigkeit und Aufhebbarkeit besteht nur ein gradueller Unterschied. Der gesamte Verwaltungsakt ist demnach als rechtswidrig aufzuheben, wenn der rechtswidrige Teil so wesentlich ist, daß die Behörde den Verwaltungsakt ohne diesen Teil nicht erlassen hätte.

 

Normenkette

BVG § 81c; SGB 10 § 40 Abs. 4; BVG § 40 Abs. 5 S. 1; BSHG § 90 Abs. 3; SGG § 51

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 21.02.1989; Aktenzeichen L 15 V 96/88)

SG Nürnberg (Entscheidung vom 03.03.1988; Aktenzeichen S 15 V 130/86)

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die nach § 81 Buchst c Bundesversorgungsgesetz (BVG) vom Beklagten vorgenommene Überleitung eines gegen ihn gerichteten Unterhaltsanspruchs seiner geschiedenen Ehefrau, der Beigeladenen zu 1), von monatlich 480,- DM ab 1. Dezember 1985 (Anzeige vom 29. Oktober 1985, Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 1986). Er hat nach einem Vergleich von 1973 monatlich 300,- DM an seine geschiedene Ehefrau, der die Überleitung mitgeteilt wurde, zu zahlen. Die Beigeladene zu 1) bezieht eine wiederaufgelebte Witwenrente nach ihrem ersten, in Kriegsgefangenschaft verstorbenen Ehemann; auf die Rente wurde 1985 ein Unterhaltsanspruch von 200,- DM angerechnet (§ 44 Abs 2 und 5 BVG). Der Kläger bestreitet eine Unterhaltspflicht gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 3. März 1988). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 21. Februar 1989). Für die begehrte selbständige Feststellung, daß der Kläger nicht unterhaltspflichtig sei, ist nach Auffassung des Berufungsgerichts der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit nicht gegeben. Die gegen die Überleitungsmaßnahme, einen Verwaltungsakt, gerichtete Klage sei zwar zulässig, aber nicht begründet. Die Rechtmäßigkeit der Überleitung hänge nicht vom Bestehen eines Unterhaltsanspruchs ab; ein solcher dürfe nur nicht offensichtlich ausgeschlossen sein. Gegen eine solche Annahme spreche der Unterhaltsvergleich von 1973, der nach geltendem Eheunterhaltsrecht fortwirke. Die Verwaltung habe auch nicht ermessenswidrig bei der Überleitung gehandelt.

Der Kläger rügt mit der - vom LSG zugelassenen - Revision eine Verletzung der §§ 57 und 52 Sozialgerichtsgesetz (SGG), weil das örtlich nicht zuständige SG, in dessen Bezirk die Beigeladene wohne, entschieden habe. Außerdem sei die Überleitung nach § 81c BVG ein zivilrechtliches Rechtsgeschäft. Das Versorgungsamt hätte sie nicht als Verwaltungsakt vornehmen dürfen. Schließlich bestehe offensichtlich kein Unterhaltsanspruch gegen ihn, so daß die Voraussetzung für eine Überleitung fehle. Die §§ 58 und 59 Ehegesetz über die Unterhaltsverpflichtung seien mit dem 30. Juni 1977 außer Kraft getreten.

Die Klage auf Feststellung, daß kein Unterhaltsanspruch besteht, hat er zurückgenommen.

Der Kläger beantragt im übrigen,

die angefochtenen Urteile sowie die Bescheide des Beklagten aufzuheben.

Hilfsweise beantragt er, die Sache an das LSG zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Klage als unzulässig abgewiesen wird.

Der Vertreter der Beigeladenen zu 2) schließt sich im einzelnen den Rechtsauffassungen des LSG an.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist erfolgreich, allerdings aus anderen Gründen als er geltend macht.

Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen sind die angefochtenen Bescheide des Beklagten aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind. Es handelt sich um Verwaltungsakte (1); die gegen sie vom Unterhaltsverpflichteten erhobene Klage ist zulässig (2); seine Klage kann auf die Rechtswidrigkeit des Eingriffs gestützt werden (3).

Mit Recht hat das Berufungsgericht nach § 202 SGG iVm § 512a Zivilprozeßordnung (ZPO) ungeprüft gelassen, ob das SG Nürnberg für die Entscheidung über die Klage nach § 57 Abs 1 Satz 1 SGG örtlich zuständig war.

1.

Für die Anfechtungsklage gegen die Überleitungsanzeige ist die Sozialgerichtsbarkeit allein deshalb zuständig, weil die beklagte Versorgungsverwaltung durch einen Verwaltungsakt gehandelt hat (BSGE 49, 291, 292 = SozR 4100 § 145 Nr 1; BSGE 54, 117 f = SozR 3870 § 10 Nr 1; zur Veröffentlichung bestimmtes Urteil des BSG vom 13. Juni 1989 - 2 RU 32/88 -).

Die an den Kläger gerichtete, der geschiedenen Ehefrau bekanntgegebene Überleitungsanzeige ist entgegen seiner Ansicht als ein grundsätzlich durch die Sozialgerichtsbarkeit überprüfbarer Verwaltungsakt zu werten, dh als eine hoheitliche Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalles im öffentlichen Recht mit unmittelbarer Wirkung nach außen (§ 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren -SGB X- vom 18. August 1980 - BGBl I 1469).

Nach § 81c BVG (idF des Art II § 9 Nr 12 SGB Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten -SGB X- vom 4. November 1982 - BGBl I 1450 -) kann die Verwaltungsbehörde der Kriegsopferversorgung einen Anspruch gegen einen Dritten, der kein Leistungsträger (§ 12 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil -SGB I- vom 11. Dezember 1975 - BGBl I 3015 -) ist, bis zur Höhe einer BVG-Leistung, die vom Umfang eines solchen Anspruchs abhängt, durch schriftliche Anzeige auf den Träger der Kriegsopferkosten überleiten. Das ist hier geschehen. Entgegen Wilke/Fehl (Soziales Entschädigungsrecht, 6. Aufl 1987, § 81c BVG Rz 8) ist diese Überleitung kein einseitiges zivilrechtliches Rechtsgeschäft, wenn - wie hier - ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch von ihr erfaßt wird. Daß es sich um einen Hoheitsakt handelt, ist für die Überleitungen im Sozialhilferecht (§ 90 BSHG), im Recht der Kriegsopferfürsorge (§ 27g BVG), im Arbeitsförderungsrecht (§ 153 Arbeitsförderungsgesetz -AFG-), allgemein im Sozialrecht (§ 50 SGB I), ähnlich im Güterkraftverkehrsrecht (§ 23 Abs 3 Güterkraftverkehrsgesetz) in der höchstrichterlichen Rechtsprechung und im Schrifttum inzwischen unangefochten anerkannt (BGHZ 94, 141, 142; BSGE 44, 215, 216 = SozR 4100 § 153 Nr 1; BVerwGE 29, 229, 231; 34, 219, 220; BVerwG FEVS 18 -1971-, 446, 447; OVG Berlin FEVS 25 -1977-, 289, 292; Hessischer VGH FEVS 23 -1975-, 455, 459; Bär, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 1978, 77, 80 ff; Gagel, Arbeitsförderungsgesetz, Stand: 1989, § 153 Rz 6 unter Hinweis auf § 38 Rz 7; Heinze in: Bochumer Kommentar zum Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil, 1979, § 50 Rz 14; Knopp/Fichtner, BSHG, 6. Aufl 1988, § 90 Rz 15; Kühl in: Hennig/Kühl/Heuer, Arbeitsförderungsgesetz, Stand: September 1988, § 153 AFG, Anm 2a; Renck, Juristenzeitung 1965, 1314; Schellhorn/Jirasek/Seipp, Kommentar zum Bundessozialhilfegesetz, 13. Aufl 1988, § 90 Rz 7, 50; Schellhorn in: Gesamtkommentar zum Sozialgesetzbuch, Allgemeiner Teil, 2. Aufl 1981, § 50 Rz 14; Wilke/Leisner, Soziales Entschädigungsrecht, § 27g BVG, Rz 2). § 90 Abs 3 BSHG bestimmt dies ausdrücklich.

Wenn § 81c BVG eine solche ausdrückliche Regelung nicht enthält und insgesamt knapper als die anderen Überleitungsvorschriften formuliert ist, läßt sich aus dieser Fassung nicht folgern, für die dort eröffnete Überleitung solle etwas anderes gelten. Die Begründung des Gesetzentwurfes (BT-Drucks 9/95 S 31) hat sich dazu nicht geäußert, sondern lediglich die Einführung der Vorschrift mit einem Bedürfnis für Fälle wie den gegenwärtigen gerechtfertigt. Auf die wiederaufgelebte Witwenrente, die hier die Beigeladene zu 1) nach Scheidung ihrer mit dem Kläger geschlossenen Ehe bezieht (§ 44 Abs 2 BVG), sei ein Unterhaltsanspruch gegen den früheren Ehemann anzurechnen (§ 44 Abs 5 BVG), den die Witwe gegebenenfalls erstreiten müsse; es sei unbillig, sie dieses Prozeßrisiko tragen zu lassen. - Wenn auf solche Weise der Verwaltung die Möglichkeit eröffnet wird, den anzurechnenden Unterhaltsanspruch auf den Kostenträger der Kriegsopferversorgung überzuleiten und gegen den geschiedenen Ehemann geltend zu machen, damit die Witwe die ungeschmälerte Witwenrente aus der Kriegsopferversorgung erhalten kann, hat der Gesetzgeber die Rechtsnatur und die Wirkung der ihm bereits bekannten, ua im BVG für die Kriegsopferfürsorge geregelten Überleitung vorausgesetzt. Eine Rechtsnachfolge in bürgerlich-rechtliche Forderungen kann nur durch rechtsgeschäftliche Übertragung, die vom Willen und von der Mitwirkung des bisherigen Gläubigers abhängt, oder durch gesetzlich oder gerichtlich angeordneten Forderungsübergang oder durch Gesamtnachfolge herbeigeführt werden (für schuldrechtliche Forderungen: Larenz, Schuldrecht Band I Allgemeiner Teil, 14. Aufl, 1987, S 575). Den rechtsgeschäftlichen Zugriff desjenigen, der eine Forderung erwerben will, hätte der Gesetzgeber als etwas völlig Neues ausdrücklich regeln müssen.

2.

Die Klage des Unterhaltsschuldners gegen den Überleitungsakt ist zulässig (zu § 90 Bundessozialhilfegesetz -BSHG-; VGH Bd-Wttbg FEVS 33 -1984-, 286, 288; Mehr, ZfSH SGB 1986 26 ff; Münder, ZfSH SGB 1985, 193, 254, 256; für das Arbeitsförderungsrecht: Krebs, Arbeitsförderungsgesetz, § 153 Rz 24; Wagner in GK-AFG, § 153 Rz 22; aA LSG RhPf, ABA 1969, 274, mit zustimmender Anmerkung von Kühl; Hennig/Kühl/Heuer, Arbeitsförderungsgesetz, Stand: 1989, § 152 Anm 2a; Ketelsen in: Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Kommentar zum Arbeitsförderungsgesetz, 2. Aufl 1988, § 153 Rz 16; Schönfelder/Kranz/Wanka, Arbeitsförderungsgesetz, § 153 Rz 3; zu § 90 BSHG; Bernd Wille, Die Überleitung von Unterhaltsansprüchen gemäß §§ 90, 91 BSHG, Diss. Münster 1987, Frankfurt/M 1987, bes S 52 ff). Der Überleitungsakt hat eine Regelungsfunktion gegenüber dem Unterhaltsschuldner (Bär, aaO, 92, 95, 100 f). Der Unterhaltsanspruch als höchstpersönliches Recht, über dessen Geltendmachen und Durchsetzen im familienrechtlichen Rechtsverhältnis nach persönlichen Motiven entschieden wird, ist nicht pfändbar (§ 850 Abs 1 Nr 2, § 851 Zivilprozeßordnung -ZPO-, §§ 399, 400 Bürgerliches Gesetzbuch), also grundsätzlich nicht einem Zwangszugriff eines anderen zugänglich; nur ausnahmsweise ist der Anspruch kraft richterlicher Entscheidung unter beschränkten Voraussetzungen einer Pfändung unterworfen (§ 850 Abs 2 ZPO). Die Rechtsnatur dieses Anspruches wird von der Überleitung nicht berührt (BSGE 64, 17, 19 = SozR 1200 § 54 Nr 13; für die Überleitung nach Sozialhilferecht - § 90 BSHG; BGHZ 94, 141, 142; BVerwGE 34, 219, 221; 49, 311, 315; BSGE 47, 296, 299 = SozR 3100 § 10 Nr 12). In einem Zivilprozeß über den übergeleiteten Unterhaltsanspruch müßte der Schuldner den Überleitungsakt mit seiner Wirkung, der Überleitung der Forderung auf die Verwaltung, als rechtsverbindlich hinnehmen (BGHZ 94, 141, 142). Gegen die einseitige Überleitung nach § 81c BVG muß der Schuldner sich grundsätzlich auf dem Rechtsweg wehren können. Die Überleitung wirkt wie eine Überweisung an Zahlungs Statt nach § 835 ZPO (Bär, aaO, 92); dieser ist aber eine gerichtliche Prüfung der Forderung, deretwegen der Zwangseingriff vorgenommen wird, vorausgegangen (BSGE 16, 12, 16 = SozR Nr 3 zu § 21a Fürsorgepflichtverordnung). Wenn eine Behörde den Unterhaltsanspruch kraft einseitiger Herleitung geltend machen kann, kann der Schuldner nicht mehr in gleicher Weise, wie und solange der Anspruch der Ehefrau zusteht, mit einer familiären Verständigungsbereitschaft rechnen, und er ist gegenüber der öffentlichen Verwaltung zur Offenbarung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse verpflichtet. Darin liegt nicht nur eine faktische Änderung seiner Rechtsposition; durch den Gläubigerwechsel wird das bestehende Schuldverhältnis auch rechtlich umgestaltet. Das allein begründet bereits ein Rechtsschutzbedürfnis des Unterhaltsschuldners, ungerechtfertigte Eingriffe in dieses Schuldverhältnis abzuwehren. Er muß nicht unüberprüfbar hinnehmen, daß ihm die Verwaltung einen anderen Gläubiger aufdrängt.

Der Kläger behauptet auch, was für die Zulässigkeit der Klage erforderlich und ausreichend ist (§ 54 Abs 1 Satz 2 und Abs 2 Satz 1 SGG), die Überleitung, die er allerdings in erster Linie als zivilrechtlichen Akt ansieht, sei rechtswidrig und beschwere ihn (Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, 9. Aufl 1988, § 42 Rz 121 und 132; Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 9. Aufl 1988, § 42 Rz 14, 20, 21, jeweils mit weiteren Nachweisen). Ein Unterhaltsanspruch gegen ihn sei völlig ausgeschlossen, eine darauf bezogene Überleitung würde ihn in seinen rechtlich geschützten Interessen verletzen, was für die Zulässigkeit der Klage genügt (dazu BSGE 35, 224, 225 f = SozR Nr 140 zu § 54 SGG; vgl auch BSG SozR Nr 115 zu § 54 SGG; Eyermann/Fröhler, aaO, § 42 Rz 155, 157; Redeker/ von Oertzen, aaO, § 42 Rz 102 ff).

3.

Die Anfechtungsklage ist auch begründet, allerdings aus einem anderen Grund, als ihn der Kläger für zutreffend hält.

Wenn der Kläger meint, eine Forderung, die nicht besteht, könne nicht übergeleitet werden, ist das nur mit folgender Abwandlung richtig: Der Anspruch muß "nach objektivem Recht abstrakt-begrifflich" bestehen können, dh er muß im Gesetz vorgesehen und darf nicht nach den Umständen des Einzelfalles offensichtlich ausgeschlossen sein (BVerwGE 56, 300, 302; vgl auch 49, 311, 315 f; Bär, aaO, § 84 ff, § 98; Rohr/Sträßer, Bundesversorgungsgesetz und Verfahrensrecht, Band II, 6. Aufl 1988, Anm zu § 81c BVG; Schellhorn/Jirasek/Seipp, aaO, Rz 29 und 51). Die Überleitung eines Anspruches, der nach objektivem Recht nicht bestehen kann, wäre sinnlos. Durch die Überleitung tritt die Verwaltung in die Rechtsstellung ein, die die geschiedene Ehefrau als bisherige Gläubigerin innehatte; sie kann also nicht mehr erwerben, als dieser zustand. Mit dieser Einschränkung ist die Überleitung belastet. Das ist das Risiko der Verwaltung, die die Überleitung vornimmt. Ob der in der Überleitung bezeichnete, einseitig von der Versorgungsverwaltung errechnete Unterhaltsanspruch besteht, muß nicht in diesem Verfahren festgestellt werden. Darüber entscheiden die Gerichte der Zivilgerichtsbarkeit, wenn der Träger der Kriegsopferversorgung den Ehemann als Schuldner auf Erfüllung in Anspruch nimmt (§§ 13, 23b Abs 1 Nr 6 Gerichtsverfassungsgesetz). In einem darüber geführten Rechtsstreit kann der Kläger die Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Verwaltung bestreiten. Diese Verteidigungsmöglichkeit wird nicht durch die Überleitung eingeschränkt; darin liegt keine Vorentscheidung über den Unterhaltsanspruch.

Die Rechtmäßigkeit der Überleitung ist aber, wie das LSG zutreffend entschieden hat, nicht von einem Bestehen des in dem Verwaltungsakt bezeichneten Unterhaltsanspruchs abhängig (BVerwGE 49, 311, 314; 56, 300, 302; Wilke/Leisner, aaO, Rz 3). Einwände des Klägers gegen die von der Verwaltung gegen ihn geltend gemachte Forderung können allenfalls deren Verwirklichung beeinträchtigen; diese ist von der Überleitung zu trennen (BVerwGE 34, 219, 223; 49, 311, 313 f, 315; vgl auch BSGE 41, 237, 238 = SozR 5910 § 90 Nr 2).

Der angefochtene Überleitungsakt ist nicht deshalb rechtswidrig, weil ein Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau gegen den Kläger schlechthin ausgeschlossen wäre. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers gilt für die vor dem Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14. Juni 1976 (BGBl I 1421) - 1. Juli 1977- geschiedene Ehe das frühere Unterhaltsrecht (Art 12 Nr 3 Abs 2 des Gesetzes). Nach § 58 Abs 1 Ehegesetz 1946 hat der allein oder für überwiegend schuldig erklärte Mann der geschiedenen Ehefrau den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu gewähren, soweit die Einkünfte aus dem Vermögen der Frau und die Erträge einer Erwerbstätigkeit nicht ausreichen. Eine volle Unterhaltung der über 70jährigen Ehefrau, die auf eine Ausgleichsrente aus der Kriegsopferversorgung sowie auf Hilfe zum Lebensunterhalt aus der Kriegsopferfürsorge angewiesen ist, aus ihrem Vermögen (vgl auch § 59 Abs 2 Ehegesetz) oder aus einer Erwerbstätigkeit kommt hier nicht in Betracht, auch nicht eine völlige Beseitigung des Unterhaltsanspruchs unter Billigkeitsgesichtspunkten nach § 59 Abs 1 Ehegesetz 1946 oder eine Verwirkung nach § 66 Ehegesetz 1946. Der Unterhaltsvergleich von 1973 (§ 72 Ehegesetz 1946), der noch nicht rechtskräftig durch ein Abänderungsurteil (§ 323 Abs 1 und 2, § 794 Abs 1 Nr 1 ZPO) beseitigt worden ist, spricht positiv für das Bestehen eines Unterhaltsanspruchs.

Die Anfechtungsklage ist aber aus folgenden Gründen erfolgreich.

In diesem Rechtsstreit braucht nicht allgemeingültig entschieden zu werden, ob in einem Sozialgerichtsprozeß - ebenso wie im allgemeinen Verwaltungsstreitverfahren - eine Verletzung von Rechtsnormen, die nicht irgendwelche rechtlichen Interessen des Anfechtungsklägers schützen sollen, unbeachtlich ist (vgl zu § 131 Verwaltungsgerichtsordnung: Krebs in: Erichsen ua - Hg -, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Festschrift für Christian-Friedrich Menger, 1985, S 191 ff; Weyreuther, aaO, 681 ff, bes 686, 687 ff, 691). Jedenfalls ist zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, daß die wesentliche Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Überleitung und damit für einen Eingriff in seine Rechtsposition fehlt: Die Verwaltung hat an die geschiedene Ehefrau keine Kriegsopferversorgungs-Leistungen in der vollen Höhe des Überleitungsbetrages "erbracht", dessen Höhe vom Umfang des Unterhaltsanspruches beeinflußt wird.

Nach § 44 Abs 5 Satz 1 BVG ist auf die wiederaufgelebte Witwenrente (§ 44 Abs 2 BVG) ein Unterhaltsanspruch, der sich aus der neuen, aufgelösten Ehe herleitet, anzurechnen, soweit er ua nicht auf den Kostenträger der Kriegsopferversorgung übergeleitet ist. Daraus folgt, daß die Überleitung eine Anrechnung ausschließt, also in entsprechender Höhe die Auszahlung der ungekürzten Witwenrente gebietet. Die Verwaltung darf sich nicht durch den einseitigen Zugriff auf den Unterhaltsanspruch befriedigen und zugleich in derselben Höhe zur eigenen Entlastung den Rentenanteil durch die nach § 44 Abs 5 Satz 1 BVG rechtswidrige Anrechnung kürzen. Sie darf nur entweder überleiten oder anrechnen und überleiten nur insoweit, als sie die Kriegsopferversorgungsleistung ohne Anrechnung anstelle der Unterhaltsleistung erbringt. Das hat der Beklagte bei der Überleitung nicht beachtet. Er rechnet weiterhin einen Unterhaltsanspruch in Höhe von 200,- DM auf die Witwenrente an und zahlt insoweit nicht die Versorgungsleistung an die geschiedene Ehefrau. Insoweit kann der Kläger geltend machen, daß die Überleitung rechtswidrig ist. Zwar könnte nur seine Ehefrau verlangen, daß ihr durch einen neuen Leistungsbescheid eine höhere Rente gewährt werden muß, weil ihr der Unterhaltsanspruch zum Teil abgenommen worden ist. Es steht auch nicht fest, ob die Rechtmäßigkeit der Überleitung davon abhängt, daß die öffentlich-rechtliche Leistung, deretwegen sie vorgenommen wird, rechtmäßig war (für § 90 BSHG: BVerwGE 50, 64, 71 f; 55, 23, 25 ff, besonders 28; vgl auch Bundesverwaltungsgericht Buchholz 436.0 § 91 BSHG Nr 12; Jehle/Schmitt, BSHG, Stand Mai 1988, § 90 Rdnr 10). Daß die Leistung aber tatsächlich "erbracht" (§ 81c BVG) oder "gewährt" (§ 90 Abs 1 Satz 1 BSHG) worden ist, wird ausdrücklich vorausgesetzt. Bei jedem Eingriff in die Rechte des Bürgers bedarf die Verwaltung einer gesetzlichen Ermächtigung. Nur bei Vorliegen aller gesetzlichen Voraussetzungen ist der Eingriff rechtmäßig. Zur Abwehr eines rechtswidrigen Eingriffs kann der Betroffene auch geltend machen, daß die Verwaltung Rechtsvorschriften mißachtet hat, die in erster Linie dem Interesse Dritter oder der Allgemeinheit dienen, sofern damit gleichzeitig - wie hier - der Eingriff in Rechte des Bürgers gerechtfertigt werden soll. Der Kläger ist nicht auf die Geltendmachung familiärer Belange beschränkt, was die Verwaltungsrechtsprechung zu §§ 90, 91 BSHG bisher offenbar unentschieden gelassen hat (vgl BVerwGE 29, 229; 34, 319; FEVS 36, 309; 38, 410).

Die Rechtswidrigkeit des Überleitungsaktes in Höhe von 200,- DM, die demnach zugunsten des Klägers zu beachten ist, hat zur Folge, daß der ganze Bescheid, auch mit dem anderen Teil, der den Rest bis zu 480,- DM betrifft und der nicht an demselben Rechtsfehler leidet, aufzuheben ist. Allgemein ist die Gesetzeslücke, die wegen des Fehlens einer die Folgen einer Teilrechtswidrigkeit regelnden Vorschrift besteht, durch den Grundsatz des § 40 Abs 4 SGB X vom 18. August 1980 (BGBl I 1469) auszufüllen, der für Fälle der Nichtigkeit geschaffen ist (zum entsprechenden § 44 Abs 4 Verwaltungsverfahrensgesetz: Erichsen in: Erichsen/Martens - Hg -, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl 1988, S 239 mN); zwischen Nichtigkeit und Aufhebbarkeit besteht nur ein gradueller Unterschied. Der gesamte Verwaltungsakt ist demnach als rechtswidrig aufzuheben, wenn der rechtswidrige Teil so wesentlich ist, daß die Behörde den Verwaltungsakt ohne diesen Teil nicht erlassen hätte. Wenn hier darauf abgestellt wird, wie die Versorgungsverwaltung bei ihrer Ermessensausübung unter Beachtung des § 44 Abs 5 Satz 1 BVG hätte entscheiden müssen, dann ist gerade nicht von dem Fortbestehen des übrigen Verwaltungsaktes als Regelfall entsprechend § 40 Abs 4 SGB X auszugehen. Das Ermessen war insoweit auf "Null" geschrumpft; die Verwaltung hätte nicht teilweise - aufgeteilt nach dem als tatsächlich erfüllt angesehenen Unterhaltsanspruch und dem Rest bis zur Höhe des von ihr bisher errechneten - überleiten dürfen. Sie durfte den Unterhaltsschuldner nicht bezüglich des gesamten von ihr angenommenen Unterhaltsanspruches zwei verschiedenen Gläubigern durch eine Teilüberleitung aussetzen. Sonst müßte dieser gegen zwei verschiedene Gläubiger Unterhaltsprozesse wegen der einheitlichen Forderung führen. Eine Teilüberleitung brächte nur Nachteile für den Schuldner und keine Vorteile für die Verwaltung.

Obgleich der Kläger mit der Anfechtungsklage in vollem Umfang obsiegt, sind ihm nur drei Viertel der außergerichtlichen Kosten in allen drei Rechtszügen zu erstatten; denn er war mit der Feststellungsklage in zwei Instanzen unterlegen (§ 193 Abs 1 SGG). Die öffentlich-rechtlichen Körperschaften können keine Kostenerstattung verlangen (§ 193 Abs 4 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1658599

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