Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung der Verhältnisse. Anrechnung von Unterhaltsleistungen der Ehefrau

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Neufeststellung nach BVG § 62 kommt es allein darauf an, ob die Tatsachen, die für den Bescheid maßgebend gewesen sind, sich später geändert haben. Das ist nicht der Fall, wenn die Behörde bei dem Erlaß des Bescheides von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist. Ein solcher Irrtum kann nur eine Rücknahme des Bescheides nach KOV-VfG § 41 rechtfertigen.

2. Unterhaltsleistungen, die eine Ehefrau ihrem Ehemann erbringt, sind sonstiges Einkommen des Ehemannes iS des BVG § 33 und daher auf dessen Ausgleichsrente anrechenbar. Ein Verstoß gegen das Grundgesetz - GG Art 6 Abs 1 - liegt in der Anrechnung nicht.

 

Normenkette

BVG § 62 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1950-12-20, § 33 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1956-06-06, Abs. 2 Fassung: 1956-06-06; KOVVfG § 41 Abs. 1 Fassung: 1960-06-27; GG Art. 6 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Juli 1961 wird aufgehoben. Die Bescheide vom 28. Januar 1958 und vom 24. März 1958 werden aufgehoben, soweit sie die Ausgleichsrente vom 1. Juni 1960 an betreffen; der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger insoweit einen neuen Bescheid zu erteilen und bei den Einkünften des Klägers aus den Unterhaltsleistungen seiner Ehefrau den Freibetrag des Klägers nach § 33 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes nF zu berücksichtigen; im übrigen wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27. Oktober 1959 zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger ein Drittel der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I.

Der im Jahre 1919 geborene Kläger erhält wegen der durch Bescheid des Versorgungsamts (VersorgA) H vom 7. Oktober 1957 festgestellten Schädigungsfolgen "Lungentuberkulose, Analfistel, Lähmung des rechten Beines, hochgradige kombinierte Schwerhörigkeit links und chronische Mittelohrentzündung links", hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v. H. Diese MdE war schon in den Bescheiden des VersorgA vom 2. April 1951 und 19. Januar 1955, in denen in geringerem Umfange Schädigungsfolgen anerkannt worden waren, zugrunde gelegt worden. Seit dem 1. Oktober 1956 ist der Kläger kinderlos verheiratet; seine Ehefrau ist seit dem 3. Dezember 1956 als Krankenschwester in der Universitätsklinik F. beschäftigt und bezog dort im Juli 1957 ein Gehalt von brutto 387,50 DM. Am 6. September 1957 teilte das VersorgA dem Kläger, der sein Studium der Rechte wegen seiner Heilbehandlung wiederholt unterbrochen und nach der Eheschließung wieder aufgenommen hatte, mit, daß von der Anrechnung des Einkommens seiner Ehefrau bis zum 31. Dezember 1957 vorerst abgesehen werde, weil er als Student über kein Einkommen verfüge und einen neuen Hausstand gründen müsse; es behielt sich aber vor, vom 1. Januar 1958 an eine "entsprechende Anrechnung des Einkommens" vorzunehmen. Durch den auf eine wesentliche Änderung der Verhältnisse (§ 62 Abs. 1 BVG) gestützten Bescheid vom 28. Januar 1958 rechnete das VersorgA für die Zeit vom 1. Januar 1958 an von dem Einkommen der Ehefrau des Klägers, das nach der Lohnbescheinigung vom 24. Oktober 1957 454,50 DM (brutto) monatlich betrug, 50,- DM als "sonstiges Einkommen" des Klägers nach § 33 Abs. 2 BVG in der Fassung des Sechsten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des BVG vom 1. Juli 1957 (BGBl I 661) an und forderte den Betrag von 70,- DM zurück, der sich für die Zeit vom 1. Januar 1958 bis 28. Februar 1958 aus der Verminderung der Rente von 345,- auf 310,- DM monatlich ergab. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte durch Bescheid vom 24. März 1958 zurück.

Das Sozialgericht (SG) Freiburg wies durch Urteil vom 27. Oktober 1959 die Klage ab. Durch Beschluß des Vorsitzenden dieses Gerichts vom 28. Oktober 1960 wurde die Urteilsformel durch Einfügung des Zusatzes "die Berufung wird gemäß § 150 Ziff. 1 Sozialgerichtsgesetz zugelassen" berichtigt und ein entsprechender Hinweis in die Urteilsgründe aufgenommen.

Das Landessozialgericht (LSG) wies die Berufung des Klägers durch Urteil vom 14. Juli 1961 zurück: Die Berufung sei zulässig; das Urteil des SG habe berichtigt werden dürfen, weil die Zulassung der Berufung beschlossen, bei der mündlichen Begründung des Urteils auch mitgeteilt und nur versehentlich nicht in das Urteil aufgenommen worden sei. Die Berufung sei aber unbegründet; der Bescheid vom 28. Januar 1958 habe auf eine Änderung der Verhältnisse gestützt werden dürfen, weil das Beschäftigungsverhältnis der Ehefrau des Klägers erst nach Erlaß des Bescheides vom 17. Dezember 1956, durch den der Zuschlag zur Ausgleichsrente für die Ehefrau bewilligt wurde, bekannt geworden und das Recht zur Neufeststellung der Rente durch das Schreiben des VersorgA vom 6. September 1957 nicht verbraucht worden sei. Das Einkommen der Ehefrau des Klägers sei in Höhe ihrer Unterhaltsleistungen als sonstiges Einkommen des Klägers im Sinne des § 33 BVG anzusehen, die Anrechnung von Unterhaltsleistungen verstoße auch nicht gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). In den §§ 32, 33 BVG seien ausreichende Vorkehrungen zum Schutze der Familie getroffen, besonders durch Gewährung von Zuschlägen für die Ehefrau und die unterhaltsberechtigten Kinder des Beschädigten; nach § 4 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 33 BVG bleibe zum Schutz der kleinen und mittleren Einkommen bei der Berechnung der Ausgleichsrente von dem Bruttoeinkommen des Ehegatten aus nichtselbständiger Arbeit ein Betrag von mindestens 300,- DM, also ein weit höherer Freibetrag als bei dem Beschädigten selbst, außer Ansatz; darüber hinaus habe im vorliegenden Fall das VersorgA von dem Bruttoeinkommen der Ehefrau des Klägers von 454,50 DM sogar rd. 400,- DM unberücksichtigt gelassen. Eine weitere Erhöhung des Freibetrages erscheine nicht vertretbar, zumal die Ehefrau des Klägers nach seinen Angaben einen Betrag zum gemeinsamen Lebensunterhalt beisteuere, der dem Gesamtbetrag seiner Rente entspreche.

Das LSG ließ die Revision zu. Das Urteil wurde dem Kläger am 31. Juli 1961 zugestellt; er legte am 21. August 1961 Revision ein und beantragte,

das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 14. Juli 1961 sowie den Bescheid des VersorgA H vom 28. Januar 1958 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 24. März 1958 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Ausgleichsrente ohne Anrechnung des Einkommens der Ehefrau und ihres Beitrages zum Familienunterhalt zu zahlen.

Er begründete die Revision am 18. September 1961: Als "sonstiges Einkommen" im Sinne des § 33 BVG aF könne, wie das Bundessozialgericht (BSG) entschieden habe (BSG 8, 140, 142), nur das Einkommen des Beschädigten, nicht auch das Einkommen dritter Personen angesehen werden. Darum sei auch der von dem anderen Ehegatten auf Grund einer Verpflichtung nach § 1360 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geleistete Beitrag zum gemeinsamen Familienunterhalt nicht "sonstiges Einkommen" des Beschädigten. Die in § 4 Abs. 1 Satz 1 DVO zu § 33 BVG angeordnete Anrechnung von Unterhaltsbeiträgen des Ehegatten finde somit in dem Gesetz selbst keine Stütze und überschreite die der Bundesregierung in § 33 Abs. 2 Satz 6 BVG erteilte Ermächtigung. Eine Anrechnung des Einkommens der Ehefrau des Beschädigten verstoße auch gegen den in Art. 6 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz der Familie. Diese Bedenken bestünden auch gegen § 4 DVO zu § 33 BVG in der Fassung vom 11. Januar 1961 (BGBl I 19); die Ermächtigung in § 33 Abs. 5 des Ersten Neuordnungsgesetzes vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) entbehre auch der nach Art. 80 Satz 2 GG erforderlichen Bestimmtheit.

II.

Die Revision ist nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft, der Kläger hat sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet; sie ist daher zulässig. Auch bei einer zulässigen Revision ist von Amts wegen zu prüfen, ob die das Verfahren als Ganzes betreffenden unverzichtbaren Verfahrensvorschriften erfüllt sind, also die, deren Verletzung noch in der Revisionsinstanz derart fortwirkt, daß ein Sachurteil nicht ergehen darf (Haueisen, NJW 1961, 2328, 2330 ff). Dazu gehören auch die Vorschriften über die Zulässigkeit der Berufung (BSG 2, 225, 226 f; 3, 124, 126; 4, 70, 72 und 281, 284; 6, 252, 253). Das LSG hat die nach § 148 Nr. 4 SGG ausgeschlossene Berufung (BSG 3, 124, 126 f) mit Recht für statthaft angesehen, weil das SG die Berufung zugelassen hat (§ 150 Nr. 1 SGG). Die Voraussetzungen einer Berichtigung des Urteils des SG Freiburg vom 27. Oktober 1959 wegen offenbarer Unrichtigkeit gemäß § 138 SGG haben vorgelegen. Aus dem Beschluß des SG vom 28. Oktober 1960 und dem Berichtigungsantrag des Klägers vom 14. Oktober 1960 ergibt sich, daß bei der mündlichen Begründung des Urteils - wenn auch nicht bei der Verkündung der Urteilsformel - zum Ausdruck gekommen ist, daß die Berufung nach § 150 Nr. 1 SGG zugelassen werde. Das schriftlich abgesetzte Urteil, dem diese Entscheidung nicht hat entnommen werden können, ist darum "offenbar" unrichtig gewesen; denn die Unstimmigkeit zwischen Wille und Erklärung ist durch den Widerspruch der mündlichen Begründung mit der verkündeten Urteilsformel und der schriftlichen Begründung nach außen hervorgetreten. Eine in dieser Form zum Ausdruck gekommene, nicht mehr intern gebliebene Nichtübereinstimmung zwischen dem Ergebnis der Abstimmung und dem verkündeten und schriftlich niedergelegten Inhalt des Urteils muß für eine Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit genügen; das Erfordernis der "offenbaren" Unrichtigkeit bedarf einer zwar gegen mißbräuchliche Anwendung des Gesetzes geschützten, aber im übrigen nicht zu engen Auslegung (Baumbach-Lauterbach, ZPO, 26. Aufl. § 319 Anm. 2 B; Peters/Sautter/Wolff, Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit, 3. Aufl. § 138 SGG, Anm. 1 Abs. 3; vgl. auch BGH 20, 192).

Die Revision ist nur teilweise begründet.

Die Neufeststellung der Rente des Klägers durch Bescheid vom 28. Januar 1958 nach § 62 Abs. 1 BVG hat nicht, wie das LSG meint, schon deswegen erfolgen dürfen, weil dem VersorgA erst kurz nach Erlaß des Bescheides vom 17. Dezember 1956 bekannt geworden ist, daß die Ehefrau des Klägers am 3. Dezember 1956 ein Arbeitsverhältnis eingegangen war. Das Bestehen des Arbeitsverhältnisses hat Tatsachen betroffen, die bei Erlaß des Bescheides vom 17. Dezember 1956 bereits vorhanden waren und sich nicht geändert haben. Eine Neufeststellung wegen Änderung der Verhältnisse kann nicht damit begründet werden, daß die Behörde bei dem Erlaß des Bescheides von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist; ein solcher Irrtum kann eine Rücknahme des Bescheides nach § 41 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) rechtfertigen. Bei der Neufeststellung nach § 62 BVG kommt es aber allein darauf an, ob die Tatsachen, die für den Bescheid maßgebend gewesen sind, sich später geändert haben. Darum hat die Neufeststellung der Rente zwar nicht auf den Abschluß des Arbeitsvertrages, jedoch auf die Erhöhung des Gehalts der Ehefrau des Klägers von 387,50 DM brutto im Juli 1957 auf 454,50 DM monatlich seit Oktober 1957 gestützt werden dürfen; denn diese Gehaltserhöhung war wesentlich, sie hat das VersorgA um so mehr zu einer Überprüfung im Sinne des § 62 BVG veranlassen dürfen, als es auf die persönlichen Verhältnisse des Klägers Rücksicht genommen und ihm die Ausgleichsrente - wegen der Gründung eines neuen Haushalts - widerruflich, aber nur bis zum 1. Januar 1958 ungekürzt, belassen hatte. Der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Neufeststellung nach § 95 SGG maßgebende Widerspruchsbescheid vom 24. März 1958 läßt auch erkennen, daß neben dem Ablauf der "Schonfrist" die Erhöhung des Gehalts der Ehefrau des Klägers auf 454,50 DM für die Neufeststellung maßgebend gewesen ist.

Der Beklagte ist auch berechtigt gewesen, von dem Einkommen der Ehefrau des Klägers 50,- DM monatlich als "sonstiges Einkommen" im Sinne des § 33 Abs. 1 und 2 BVG in der vor Erlaß des Ersten Neuordnungsgesetzes geltenden Fassung auf die dort bestimmte Einkommensgrenze von 220,- DM (einschließlich des Ehegattenzuschlages) anzurechnen. Die Ausgleichsrente wird nicht als eine von dem Einkommen unabhängige Leistung gewährt, sondern nur insoweit, als der Lebensunterhalt des Schwerbeschädigten "nicht auf andere Weise sichergestellt ist" (§ 32 Abs. 1 BVG aF). Damit trägt das Gesetz der Notwendigkeit Rechnung, die für die Versorgung der Kriegsopfer zur Verfügung stehenden beschränkten Mittel in erster Linie denjenigen zugute kommen zu lassen, die auf die Hilfe des Staates besonders angewiesen sind (Amtl. Begründung zum BVG, Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode 1949, Drucks. Nr. 1333 S. 43; siehe auch BSG 2, 10, 18 ff). Darum richtet sich die Höhe der Ausgleichsrente nach dem sonstigen Einkommen und nach den in § 33 BVG angegebenen, nach dem Grad der MdE gestuften Einkommensgrenzen; in § 33 Abs. 2 BVG aF ist noch besonders hervorgehoben, daß als sonstiges Einkommen "alle Einkünfte in Geld und Geldeswert ohne Rücksicht auf ihre Quelle" gelten. Nach dem Sinn und Wortlaut dieser Vorschrift fallen darunter auch solche Bezüge, die dem Schwerbeschädigten z. B. auf Grund einer bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflicht gewährt werden (vgl. hierzu auch § 2 Abs. 3 Nr. 7 ("sonstiges Einkommen") und § 22 Nr. 1 des EinkommenStG idF vom 23. September 1958 - BGBl I 673 -). Diese Auffassung steht auch im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des BSG, besonders auch des Senats, zu der Auslegung der Anrechnungsvorschriften des § 33 BVG aF und des § 47 BVG aF, der für die Waisenrente auf die Bestimmung des § 33 Abs. 2 und 3 BVG Bezug nimmt. Zwar hat der Senat in den Urteilen vom 14. Januar 1958 und 4. September 1958 (BSG 6, 252 ff; 8, 140) ausgeführt, daß die Kinderzuschläge, die neben dem Witwengeld nach den Vorschriften über die Besoldung der Beamten gezahlt werden, nicht zu dem "für den Unterhalt der Waisen zur Verfügung stehenden sonstigen Einkommen" (§ 47 Abs. 3 BVG aF) gehören, weil sie der Mutter auf Grund ihres Anspruchs auf Hinterbliebenenbezüge als ihr Einkommen gewährt werden und dem Gesetz nicht entnommen werden kann, daß der Rückgriff auch auf fremdes Einkommen gestattet ist (vgl. auch BSG 9, 158, 163 f). Bezüge, die von einem Dritten als Unterhaltsleistungen gewährt werden, sind dagegen eigenes Einkommen des Unterhaltsberechtigten. In dem Urteil vom 14. Januar 1958 (BSG 6, 255 ff) ist unter Hinweis auf das Urteil vom 30. Januar 1957 (BSG 4, 267 ff) deshalb ausgeführt: "Zu beachten ist aber, daß nach den §§ 47 Abs. 4, 33 Abs. 2 Satz 1 BVG als "sonstiges Einkommen" alle Einkünfte "in Geld und Geldeswert ohne Rücksicht auf ihre Quelle" gelten. Einkünfte in diesem Sinne sind - außer dem Waisengeld der Klägerinnen auch Leistungen der Mutter auf Grund ihrer Unterhaltspflicht". Dieselbe Rechtsauffassung liegt zahlreichen weiteren Entscheidungen des BSG zugrunde, die sich mit der Anrechnung von Unterhaltsleistungen auf die Ausgleichsrente des Beschädigten oder die Waisenrente befassen (z. B. BSG 3, 130; 4, 70, 73; 6, 125, 128). Hiernach beruht die Anrechnung von Unterhaltsleistungen, die der Ehegatte des Schwerbeschädigten auf Grund seiner Unterhaltspflicht zu erbringen hat, auf § 33 Abs. 1 und 2 BVG aF, nicht jedoch, wie der Kläger meint, auf § 4 der DVO zu § 33 vom 2. August 1958; diese am 1. Mai 1957 in Kraft getretene Verordnung begründet nicht die Anrechenbarkeit von Unterhaltsleistungen, sondern setzt sie voraus und bestimmt auf Grund der in § 33 Abs. 2 Satz 6 BVG aF enthaltenen Ermächtigung nur den Umfang und die Grenzen der Anrechnung durch die Feststellung von Mindestbeträgen, die dem Ehegatten von seinem Bruttoeinkommen verbleiben müssen. Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Inhalt der Ermächtigung ergibt sich aus der Vorschrift des § 33 Abs. 2 Satz 6 BVG aF, "Ausnahmen von § 33 Abs. 2 Satz 1 BVG zuzulassen" und "Näheres über die Berechnung des sonstigen Einkommens zu bestimmen". Der Bundesregierung wird damit aufgetragen zu bestimmen, welche Einkünfte des Schwerbeschädigten seinem Einkommen nicht zugerechnet werden sollen, soweit Ausnahmen von der Anrechnungspflicht nicht schon im Gesetz selbst bestimmt sind (§ 33 Abs. 2 Satz 2 bis 5, Abs. 3 und 4 BVG aF). Sie wird durch diese Vorschrift außerdem ermächtigt, alle zur Verdeutlichung und Konkretisierung erforderlichen Einzelheiten und damit die Maßstäbe zu bestimmen, die für die Nichtanrechnung von Einkünften im einzelnen von Bedeutung sein sollen; dazu gehört besonders die Berücksichtigung von Einkommen des anderen Ehegatten im Rahmen eines diesem nach den §§ 1356, 1360, 1360 a BGB nF zumutbaren Beitrags zu dem Familienunterhalt. Damit ergeben sich Inhalt, Ausmaß und Zielrichtung der Ermächtigung unmittelbar aus dem Gesetz; daß die Ermächtigung innerhalb dieser klar bestimmten Grenzen weit gefaßt ist - und nur so ihren Zweck erfüllen kann -, steht ihrer Bestimmtheit im Sinne des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nicht entgegen. An der erforderlichen Bestimmtheit würde es nur dann fehlen, wenn nicht mehr vorausgesehen werden könnte, in welchem Falle und mit welcher Tendenz von der Ermächtigung Gebrauch gemacht wird und welchen Inhalt die auf Grund der Ermächtigung erlassenen Vorschriften haben können (BVerfG 1, 14, 60; 2, 307, 334; 4, 7, 21; 5, 71, 76). Auch der Zweck der Ermächtigung ergibt sich hinreichend deutlich aus dem Gesetz, nämlich aus dem in § 33 Abs. 1 BVG aF bestimmten Erfordernis, den Betrag des sonstigen Einkommens ziffernmäßig zu bestimmen oder aber die Gesamtverhältnisse angemessen zu berücksichtigen, nach denen, wenn das sonstige Einkommen zahlenmäßig nicht feststellbar ist, die Ausgleichsrente gemäß § 33 Abs. 3 BVG aF zu bestimmen ist. Ähnlich, aber nicht weniger bestimmt, ist der Inhalt der in § 33 Abs. 5 BVG in der Fassung des Ersten Neuordnungsgesetzes enthaltenen Ermächtigung, näher zu bestimmen, was als Einkommen gilt, welche Einkünfte bei Feststellung der Ausgleichsrente unberücksichtigt bleiben und wie das Nettoeinkommen zu ermitteln ist.

Die Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen, die der Ehegatte des Schwerbeschädigten im Rahmen seiner Beitragspflicht zu leisten hat, verstößt auch nicht gegen den durch Art. 6 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz der Familie. Die Eingehung der Ehe begründet besondere Rechte und Pflichten im Verhältnis der Ehegatten zueinander; dazu gehört auch die Verpflichtung, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten (§ 1360 Satz 1 BGB nF); diese Verpflichtung trifft auch die Frau, wenn das Einkommen des Mannes nach der Lebensführung gleicher Berufskreise und dem Lebenszuschnitt der Ehegatten unzureichend ist (Palandt, BGB, 21. Aufl. § 1360 a Anm. 1). Daß die Höhe der Ausgleichsrente, die dem Schwerbeschädigten nach versorgungsrechtlichen Grundsätzen nur subsidiär gewährt werden kann, von der nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts bestehenden Unterhaltspflicht seines Ehegatten beeinflußt wird, ist eine Folgerung, die aus dem Wesen der ehelichen Lebensgemeinschaft abzuleiten ist und darum keinen störenden Eingriff in die Ehe und Familie und in die durch Art. 6 Abs. 1 GG getroffene Wertentscheidung darstellen kann, soweit der Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art. 3 Abs. 2 GG) bei der Bemessung des Unterhaltsbeitrags beachtet wird.

Die Ehefrau des Klägers ist verpflichtet gewesen, durch Berufsarbeit zu dem gemeinsamen Unterhalt angemessen beizutragen, weil der Kläger noch in der Berufsausbildung begriffen war (vgl. Brühl, FamRZ 1957, 277, 278 f), nur eine Rente erhielt und nicht in der Lage gewesen ist, ein für den Unterhalt der Familie ausreichendes Einkommen zu erzielen; sie war nicht berechtigt, sich auf eine bloße Tätigkeit im Haushalt zurückzuziehen, sondern verpflichtet, durch Einkommen aus Arbeitsverdienst zu dem Familienunterhalt beizutragen (BGH, Urt. vom 10. März 1959, FamRZ 1959, 203, 204; Urt. vom 14. Dezember 1956, NJW 1957, 537; vgl. auch BSG 10, 28, 30 ff; 9, 36, 39 f; BVerwG, Gr. S. JR 1961, 229, 230 ff). Das LSG hat festgestellt, daß sie in der Lage ist, von ihrem Bruttoeinkommen von 454,50 DM ohne Beeinträchtigung ihres eigenen Unterhalts einen Betrag von 50,- DM beizusteuern. An diese tatsächliche Feststellung, gegen die Revisionsrügen nicht vorgebracht sind, ist das BSG gebunden (§ 163 SGG). Ein Rechtsirrtum in der Anwendung des Gesetzes (§ 33 Abs. 2 aF iVm § 4 Abs. 1 DVO zu § 33 BVG idF vom 2. August 1958) ist für die Zeit bis zum Inkrafttreten des Ersten Neuordnungsgesetzes, d. h. bis zum 1. Juni 1960, nicht ersichtlich. Insbesondere muß der der Ehefrau des Klägers für ihren Unterhalt verbleibende Betrag von über 400,- DM als ausreichend angesehen werden; die Revision ist daher insoweit unbegründet.

Dagegen hat das LSG unberücksichtigt gelassen, daß nach § 33 Abs. 2 Halbsatz 2 BVG in der Fassung des Ersten Neuordnungsgesetzes von den "übrigen Einkünften" (d. h. außer den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 Nr. 1 EStG aus Land- und Forstwirtschaft, gewerblicher und selbständiger Arbeit) monatlich 25 v. H., mindestens jedoch 50.- DM, außer Ansatz bleiben. Das LSG hat den Betrag von 50,- DM als das auf die volle Ausgleichsrente "anzurechnende Einkommen" im Sinne des § 33 Abs. 1 BVG nF angesehen; es ist davon ausgegangen, daß dieser Betrag von der Ehefrau des Klägers auf Grund ihrer bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsverpflichtung zu leisten ist; es hätte ihn somit nach § 33 Abs. 2 BVG nF als Freibetrag berücksichtigen müssen. Darum ist die Revision begründet, soweit die Höhe der Ausgleichsrente für die Zeit vom 1. Juni 1960 an in Betracht kommt.

Der Beklagte wird bei der nach Art. IV § 1 Abs. 1 des Ersten Neuordnungsgesetzes erforderlichen Neufeststellung der Ausgleichsrente vom 1. Juni 1960 an Veränderungen des Einkommens der Ehefrau des Klägers, das Verhältnis der beiderseitigen Einkünfte und einen inzwischen etwa notwendig gewordenen erhöhten Aufwand des Klägers oder seiner Ehefrau bei der Ermittlung des anrechnungsfreien Betrages nach § 4 Abs. 1 DVO zu § 33 BVG zu berücksichtigen haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1983820

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