Leitsatz (redaktionell)
Versicherungsschutz für einen gelegentlich einer kurzen Besorgung auf dem Heimweg bei der Straßenüberquerung erlittenen Verkehrsunfall.
Orientierungssatz
Der Umstand, daß der Kläger sich in der Apotheke ein Medikament besorgen wollte, um seine Arbeitsfähigkeit für den nächsten Tag sicherzustellen, reicht für sich allein noch nicht aus, um einen auch rechtlich wesentlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Arbeitstätigkeit und dem beabsichtigten Aufsuchen der Apotheke zu begründen; die beabsichtigte Besorgung ist vielmehr grundsätzlich dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen. Das Überschreiten der Fahrbahnen in Richtung auf die Apotheke ist auch sowohl hinsichtlich der örtlichen Zielrichtung als auch hinsichtlich des Zwecks von dem eigentlichen Weg zur Wohnung abzugrenzen.
Jedoch ist nicht jedes Einschieben einer dem Zurücklegen des Heimweges nicht unmittelbar dienenden Tätigkeit rechtlich als eine Unterbrechung dieses Weges zu werten, die zur Folge hat, daß während ihrer Dauer kein Versicherungsschutz besteht. Eine solche Unterbrechungswirkung hat vielmehr nur eine Verrichtung, die nach Art und Umfang auch rechtlich als so wesentlich zu werten ist, daß während ihrer Dauer die ursächlichen Verknüpfungen mit dem Zurücklegen des Weges als rechtlich unwesentlich in den Hintergrund treten.
Normenkette
RVO § 543 Fassung: 1942-03-09
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. September 1960 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Kläger beansprucht Entschädigung für die Folgen eines Verkehrsunfalls vom 3. November 1958.
Über den Hergang des Unfalls enthält das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 27. September 1960 folgende Feststellungen:
Der Kläger war bei der Firma R. GmbH in Düsseldorf, S.-straße … beschäftigt. Er wohnte in Düsseldorf, E.-R.-Straße ... . Den Weg von der Arbeitsstätte nach Hause legte er regelmäßig mit der Straßenbahn oder mit einem Omnibus zurück. Er fuhr zunächst mit der Linie 12 bis zur Ecke G. Allee/Uhlandstraße und stieg dort in die Straßenbahnlinie 8 um, mit der er bis zur Haltestelle H.-straße fuhr. Wenn an der Ecke G. Allee der Zug der Linie 8 gerade abgefahren war, fuhr er mit der Linie 12 bis zur Haltestelle So.-straße weiter und fuhr von dort mit einem Autobus der Linie 34 bis zur Haltestelle H.-straße. Öfters stieg der Kläger auch bereits in der Brehmstraße aus und ging zu Fuß - um die Franziskus-Apotheke herum - nach der H.-straße.
Am Unfalltage hatte der Kläger bis etwa 18,00 Uhr gearbeitet und fuhr im unmittelbaren Anschluß daran mit den Straßenbahnlinien 12 und 8 zur Haltestelle H.-straße, die er gegen 18,30 Uhr erreichte. Diese Straßenbahnhaltestelle liegt auf einem Mittelstreifen, der die Fahrbahnen der H.-straße trennt. Der Kläger überschritt, wie gewöhnlich, die nördliche Fahrbahn der H.-straße, ging auf dem nördlichen Gehweg in Richtung auf den Mörsenbroicher Weg und überquerte dann die Fahrbahn des Mörsenbroicher Weges. Von diesem Punkt aus hätte er, um zu seiner Wohnung zu gelangen, entweder nach links den Mörsenbroicher Weg entlang gehen müssen, um dann in die Eugen-Richter-Straße einzubiegen. Er hätte aber auch auf dem nördlichen Gehweg der H.-straße geradeaus weitergehen und von der H.-straße aus in die Eugen-Richter-Straße einbiegen können, die vom Mörsenbroicher Weg zur H.-straße verläuft. Am Unfalltage überschritt der Kläger jedoch von der Ecke H.-straße/Mörsenbroicher Weg aus erneut in südlicher Richtung die H.-straße. Er wollte in der Franziskus-Apotheke, die an der Ecke H.-straße/Brehmstraße liegt, ein Heilmittel zur Behebung einer Halsentzündung besorgen. Nachdem er die nördliche Fahrbahn und den Mittelstreifen überquert hatte, wurde er auf der südlichen Fahrbahn von einem Pkw erfaßt und erlitt Verletzungen, die längere stationäre Behandlung in einem Krankenhaus erforderten. Die Stelle, an welcher der Kläger von dem Kraftwagen erfaßt wurde, liegt etwa 30 m von der Stelle entfernt, an welcher der Kläger in den Mörsenbroicher Weg hätte abbiegen müssen, um seine Wohnung zu erreichen. Von dem Eingang zur Franziskus-Apotheke ist die Unfallstelle noch etwa 15 m entfernt.
Der Kläger hatte beabsichtigt, nach Erledigung des Einkaufs in der Apotheke wieder die H.-straße zu überqueren und zu dem Ausgangspunkt der Überquerung zurückzukehren; von dort aus wollte er wieder den Mörsenbroicher Weg überqueren und auf der nördlichen Gehbahn der H.-straße, also an der Stelle vorbei, an der er von der Haltestelle der Linie 8 diese Gehbahn erreicht hatte, zur Münsterstraße gehen, um dort an der Haltestelle der Straßenbahn Linie 1 seine Ehefrau, mit der er sich für 19,00 Uhr verabredet hatte und seine beiden Kinder, die damals 2 und 5 Jahre alt waren, zu erwarten. Anschließend wollte er dann mit der Ehefrau und den Kindern den üblichen Weg zur Wohnung gehen. Er wäre dann also mit Frau und Kindern wieder auf der nördlichen Gehbahn der H.-straße zum Mörsenbroicher Weg gegangen und nach Überquerung des Mörsenbroicher Weges diesen nach links zur Eugen-Richter-Straße.
Die Beklagte lehnte die Entschädigungsansprüche des Klägers durch Bescheid vom 26. Mai 1959 mit folgender Begründung ab: Bis zu der Überquerung des Mörsenbroicher Weges stimme der am Unfalltag eingeschlagene Weg mit dem üblichen, dem Versicherungsschutz unterliegenden Heimweg überein. Der Verletzte sei dann von dem versicherten Heimweg abgewichen und habe die H.-straße überquert, um zu der Apotheke zu gelangen. Der Unfall habe sich auf einem unversicherten Umweg aus eigen-wirtschaftlichen Gründen zugetragen.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben. Das SG hat dem Kläger durch einen in der mündlichen Verhandlung am 29. Oktober 1959 verkündeten Beschluß für die Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erteilt und durch Urteil von demselben Tage die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Es habe nicht mit Sicherheit festgestellt werden können, ob der Kläger sich entschlossen gehabt habe, nach Erledigung der Besorgung in der Apotheke doch zu seiner nahe gelegenen Wohnung zu gehen und erst von dort aus wieder zur Haltestelle der Straßenbahn 1. Auf jeden Fall habe er sich aber entschlossen gehabt, die Zeit zu benutzen, um zunächst die Besorgung in der Apotheke zu erledigen. Hierbei habe er sich im Bereich seines Privatlebens befunden. Der Versicherungsschutz entfalle, weil auf dem Wegeteil zur Apotheke keine Fortbewegung mehr von der Arbeitsstätte in Richtung zur Wohnung erfolgt sei. Es handele sich um eine Unterbrechung des Heimweges zur Erledigung einer eigenwirtschaftlichen Besorgung. Wenn er von der Apotheke aus seinen Weg durch die H.-straße fortsetzen wollte, um zur Wohnung zu gelangen, so hätte nach dem Verlassen der Apotheke wieder Versicherungsschutz bestanden. Denn es sei gleichgültig, ob die eine oder andere Straßenseite benutzt werde. Während der eigenwirtschaftlichen Tätigkeit einer Besorgung bestünden aber stets eine Unterbrechung des Heimweges und somit kein Versicherungsschutz. Es sei zwar richtig, daß die Besorgung von Mitteln gegen Halsentzündung der Erhaltung der Arbeitskraft diene, trotzdem handele es sich jedoch um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Der Versicherungsschutz nach § 543 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF setze voraus, daß es sich um einen Weg von der Arbeitsstätte zur Wohnung handele, der mit der betrieblichen Tätigkeit in Zusammenhang stehe. Jede Besorgung auf einem solchen versicherungsgeschützten Wege führe zur Unterbrechung des Versicherungsschutzes. Es sei rechtlich ohne Bedeutung, ob Heilmittel oder Genuß- und Nahrungsmittel beschafft werden sollten, die auch der Erhaltung der Arbeitskraft dienten.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger - fristgerecht - Berufung zum LSG Nordrhein-Westfalen eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, es habe sich um eine geringfügige Abweichung vom Heimweg gehandelt, die keine Unterbrechung des Versicherungsschutzes zur Folge gehabt habe. Auch stehe das Aufsuchen der Apotheke mit der versicherten Tätigkeit im Zusammenhang, weil das Mittel der Erhaltung der Arbeitskraft hätte dienen sollen. Zu der vom SG angeführten Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) - SozR RVO § 543 aF Aa 2 Nr. 5 - hat der Kläger darauf hingewiesen, daß in dem vom BSG entschiedenen Fall die Fleischerei bereits erreicht gewesen sei, während sich im vorliegenden Fall der Unfall noch auf der Straße ereignet habe. Außerdem hat der Kläger u. a. noch auf die Entscheidung des Senats SozR RVO § 543 aF Aa 21 Nr. 28 hingewiesen. Die Beklagte hat ausgeführt, die Unterbrechung sei zwar örtlich und zeitlich geringfügig gewesen, habe aber den Kläger durch die Notwendigkeit, die stark befahrene H.-straße zu überqueren, einer erhöhten Gefahr ausgesetzt.
Das LSG hat durch Urteil vom 27. September 1960 das Urteil des SG und den Bescheid der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Unfall des Klägers vom 3. November 1958 als Arbeitsunfall nach den gesetzlichen Bestimmungen zu entschädigen.
Die Revision ist vom LSG zugelassen worden.
Zur Begründung hat das LSG u. a. ausgeführt: Im Zeitpunkt des Unfalls sei die Zielrichtung des Klägers nicht seine Wohnung, sondern die Apotheke gewesen. Er habe sich also nicht auf dem unmittelbaren Weg von der Arbeitsstätte zur Wohnung befunden, sondern auf einem Umweg. Dieser sei aber so gering gewesen, daß der Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nicht gelöst oder unterbrochen worden sei (BSG SozR RVO § 543 aF Aa 21 Nr. 28). Die Unfallstelle auf der Fahrbahn liege in gleicher Höhe mit der Stelle, an welcher der Kläger für gewöhnlich in den Mörsenbroicher Weg eingebogen sei. Sie liege außerdem an einer Stelle, die der Kläger überschritten hätte, wenn er nach dem Verlassen der Straßenbahn nicht die nördliche, sondern die südliche Fahrbahn der H.-straße überquert hätte, um seinen Heimweg zunächst über den südlichen Gehweg fortzusetzen. Er hätte dann in Höhe der Franziskus-Apotheke die südliche Fahrbahn in nördlicher Richtung überschreiten müssen, um den gewöhnlichen Heimweg über den Mörsenbroicher Weg benutzen zu können. Es stehe dem Versicherten frei, welchen Gehweg er benutzen wolle. Schließlich hätte der Kläger auch den südlichen Gehweg der H.-straße nach Überqueren der Brehmstraße bis zur Eugen-Richter-Straße benutzen können. Es sei auch gleichgültig, ob je nach der Wahl des Gehweges die Fahrbahnüberschreitung nötig gewesen wäre oder nicht. Daß der Kläger sich im Augenblick des Unfalls etwa 30 m von dem unmittelbaren Weg zur Wohnung abgewandt hatte, um eine persönliche Besorgung auszuführen, habe daher den inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit weder unterbrochen noch gelöst. Eine solche Unterbrechung oder Lösung sei auch deshalb nicht eingetreten, weil der Kläger sich Medikamente besorgen wollte, die es ihm ermöglichen sollten, am anderen Tag die Arbeit ohne Unterbrechung zu verrichten. Die erhebliche Gefahrenerhöhung durch das Überqueren der stark befahrenen H.-straße habe den inneren Zusammenhang nicht unterbrochen oder gelöst, da der Kläger bei diesem Umweg auf derselben Straße geblieben sei und lediglich den Bürgersteig gewechselt habe. Es handele sich um einen so geringfügigen Umweg, daß die damit verbundene besondere Gefahrenerhöhung den Zusammenhang nicht gelöst bzw. unterbrochen habe, zumal da der Unfall an einer Stelle eingetreten sei, die noch etwa 15 m vom Eingang der Apotheke entfernt liege. Es sei also nicht zu entscheiden, ob der Versicherungsschutz entfallen wäre, wenn der Kläger die Apotheke betreten hätte und während des Aufsuchens der Apotheke verunglückt wäre.
Die Beklagte, die den Empfang dieses Urteils unter dem 24. November 1960 bestätigt hat, hat gegen das Urteil am 21. Dezember 1960 Revision eingelegt und sie am 12. Januar 1961 begründet.
Sie beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Düsseldorf vom 20. Oktober 1959 zurückzuweisen;
hilfsweise,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Zur Begründung der Revision hat die Beklagte vorgetragen:
Der Kläger habe gar nicht nach Hause gehen wollen, so daß es sich überhaupt nicht um einen Fall des Heimweges von der Arbeit gehandelt habe. Ziel seines Weges sei nicht der häusliche Wirkungskreis gewesen, sondern das Treffen mit seiner Frau. Mit ihr habe er sich außerhalb der Wohnung unterwegs treffen und offenbar mit ihr noch ausgehen oder sich sonst außerhalb ihrer Wohnung in der Stadt aufhalten wollen. Auf jeden Fall handele es sich aber nicht um einen belanglosen rechtlich nicht ins Gewicht fallenden Umweg, da der Kläger anstatt nach Hause zu gehen langsam, ruhig, zeithabend erst in eine Apotheke und dann zu einem Zusammentreffen mit seiner Frau gehen wollte. Dabei sei vor allem auch die besondere Gefahrenerhöhung zu berücksichtigen. Die Geringfügigkeit eines Umweges ergebe sich nicht nur aus räumlicher Länge und zeitlicher Dauer, sondern auch aus anderen Umständen. Bereits ein Umweg von nur 10 m, der z. B. in gefährlicher Weise über befahrene Eisenbahngleise führe, falle rechtlich entscheidend ins Gewicht, selbst wenn dadurch der Gesamtweg vielleicht sogar verkürzt würde. Der Kläger habe eine breite, von Kraftwagen viel befahrene Straße überquert und an der Ecke, an der er sie überquert habe, liefen zudem verschiedene Straßen zusammen. Das LSG habe auch die räumliche Bedeutung des Umweges verkannt. Die Apotheke befinde sich südlich der H.-straße. Der Kläger sei mit der Linie 8 eben erst an ihr vorbeigefahren gewesen. Auch bei der zweiten, vom LSG als möglich angesehenen Art des Heimweges, nämlich nicht durch den Mörsenbroicher Weg, hätte der Kläger nur einmal vom Mittelstreifen her die nördliche Fahrbahn überqueren brauchen und dann auf dieser bis zur Einmündung der Eugen-Richter-Straße gehen können. Er wäre dann nicht noch einmal zu Fuß über beide Fahrbahnen der H.-straße und den Mittelstreifen hinweggegangen. Im Augenblick des Unfalls habe er sich in genau entgegengesetzter Richtung zu der Richtung seines Heimweges bewegt. Von dem Punkt an, wo er zur Apotheke gegangen sei, wäre er bei normaler Fortsetzung des Heimweges überhaupt nicht an die Unfallstelle gelangt.
Die Absicht, sich in der Apotheke Medikamente zu kaufen, die ihm die Verrichtung seiner Arbeit am anderen Morgen ohne Unterbrechung ermöglichen sollten, sei nicht geeignet, den Schutz der Unfallversicherung herbeizuführen. Es sei nicht ausreichend tatsachlich belegt, weshalb der Kläger Medikamente zur Erzielung seiner Arbeitsfähigkeit am nächsten Tag brauchte. Es werde gerügt, daß insoweit keine ausreichenden Ermittlungen und Feststellungen stattfanden. Außerdem sei eine betriebliche Dringlichkeit nicht gegeben, da der Kläger sich mit seiner Frau noch habe treffen wollen. Vor allem aber sei das Beschaffen der Medikamente genauso zu beurteilen, wie sonstige Voraussetzungen, die ein Beschäftigter schaffen müsse um eine Betriebsarbeit verrichten zu können (z. B. Kauf einer Arbeiterwochenkarte - BSG 7, 255 -).
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Gegenüber den Ausführungen in der Revisionsschrift hat der Kläger vorgetragen:
Aus den Angaben des Klägers im Verwaltungsverfahren und aus dem Tatbestand des LSG-Urteiles ergebe sich ausdrücklich, daß der Kläger seine Frau und die beiden Kinder um 19,00 Uhr an der Haltestelle H.-straße abholen und nach Hause bringen wollte. Da der Unfall sich gegen 18,30 Uhr ereignet habe, hätte der Kläger, wenn es nicht zum Unfall gekommen wäre, noch genügend Zeit gehabt, nach dem Kauf der Medikamente zu der kaum 5 Minuten entfernten Wohnung zu gehen, wie er es von Anfang an vorgehabt habe. Dort hätte er sich frisch gemacht, Kaffee getrunken und die Post durchgesehen und wäre noch pünktlich um 19,00 Uhr wieder an der Haltestelle gewesen. Daß er an der Haltestelle warten wollte, bis seine Frau mit den Kindern ankam, sei ausgeschlossen, denn es habe geregnet und der Aufenthalt im Freien sei sehr ungemütlich gewesen. Der Kläger hätte die Frau und die Kinder, wie schon mehrfach erwähnt, erst abgeholt, wenn er sich eine Zeitlang in der Wohnung aufgehalten hätte. Es könne keine Rede davon sein, daß der Kläger von der Arbeitsstelle aus nicht nach Hause gehen wollte.
Die in der gesetzlichen Form und Frist eingelegte und begründete Revision ist durch Zulassung (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) statthaft und somit zulässig. Sie hatte jedoch keinen Erfolg.
Das Vorbringen der Revision, der Kläger habe sich nicht auf einem versicherten Weg von der Arbeitsstätte befunden, sondern habe sich mit seiner Frau treffen und sich mit ihr in der Stadt aufhalten wollen, ist unbegründet. Nach den Feststellungen des LSG, die von der Revision nicht mit wirksamen Rügen angegriffen sind (§ 163 SGG), wollte der Kläger seine Frau nur an der Straßenbahnhaltestelle abholen, um sie und die damals noch kleinen Kinder zur Wohnung zu begleiten. Weder dieses Vorhaben noch das beabsichtigte Aufsuchen der Apotheke rechtfertigen den Schluß, daß der Kläger nicht den Heimweg von der Arbeit zurücklegen wollte, sondern vielmehr bereits dazu übergegangen war, seine Freizeit zu Betätigungen im unversicherten persönlichen Lebensbereich zu verwenden.
Andererseits reicht allerdings - entgegen der Auffassung des Klägers - der Umstand, daß der Kläger sich in der Apotheke ein Medikament besorgen wollte, um seine Arbeitsfähigkeit für den nächsten Tag sicherzustellen, für sich allein noch nicht aus, um einen auch rechtlich wesentlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Arbeitstätigkeit und dem beabsichtigten Aufsuchen der Apotheke zu begründen; die beabsichtigte Besorgung ist vielmehr grundsätzlich dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen (vgl. z. B. BSG 4, 219, 223; 7, 255, 256; 9, 222, 225). Das Überschreiten der Fahrbahnen der Heinrichstraß in Richtung auf die Apotheke ist auch sowohl hinsichtlich der örtlichen Zielrichtung als auch hinsichtlich des Zwecks von dem eigentlichen Weg zur Wohnung abzugrenzen.
Jedoch ist nicht jedes Einschieben einer dem Zurücklegen des Heimweges nicht unmittelbar dienenden Tätigkeit rechtlich als eine Unterbrechung dieses Weges zu werten, die zur Folge hat, daß während ihrer Dauer kein Versicherungsschutz besteht. Eine solche Unterbrechungswirkung hat vielmehr nur eine Verrichtung, die nach Art und Umfang auch rechtlich als so wesentlich zu werten ist, daß während ihrer Dauer die ursächlichen Verknüpfungen mit dem Zurücklegen des Weges als rechtlich unwesentlich in den Hintergrund treten. Derartige rechtliche Wertungen sind z. B. auch erforderlich, um zu entscheiden, ob dem persönlichen Lebensbereich zuzurechnende Verrichtungen während der Arbeitszeit am Arbeitsort eine Unterbrechung des Versicherungsschutzes zur Folge haben oder ob der Übergang zu derartigen Verrichtungen den Versicherungsschutz für einen Heimweg von der Arbeitsstätte endgültig beendet hat. Diesen Wertungen ist gemeinsam, daß es der Rechtsprechung nur selten möglich ist, durch allgemein gültige Grundsätze klare Grenzziehungen zu schaffen; vielmehr bedarf es jeweils einer Würdigung der tatsächlichen Gesamtumstände des Einzelfalls.
Bei dieser rechtlichen Wertung des Sachverhalts sind nach der Auffassung des erkennenden Senats in tatsächlicher Beziehung nicht die Absichten zugrundezulegen, die der Kläger nach den Feststellungen des LSG vor dem Unfall gehabt hatte; denn es sind keine Feststellungen darüber möglich, welche Entschlüsse der Kläger - ohne Unfall - tatsächlich nach Erledigung der Besorgung endgültig gefaßt haben würde. Ob der Kläger von der Apotheke aus zunächst seine Wohnung aufgesucht oder sich entschlossen hätte, unmittelbar zur Haltestelle Münsterstraße zu gehen und dort zu warten, hätte u. a. auch davon abgehangen, wieviel Zeit ihm dann noch bis zu dem für das Abholen vereinbarten Zeitpunkt zur Verfügung gestanden hätte. Das LSG hat deshalb zutreffend darauf Gewicht gelegt, daß dem Kläger - nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG - verschiedene Möglichkeiten für das Zurücklegen des Weges zur Wohnung offenstanden, ohne daß durch die Wahl eines dieser Wege der Versicherungsschutz in Frage gestellt worden wäre. Nach den Feststellungen des LSG hätte das Überqueren der beiden Fahrbahnen der H.-straße den Kläger zu einer Stelle des Gehweges der H.-straße geführt, die er auch auf einem der zur Wahl stehenden Wege zur Wohnung berührt hätte. Der Kläger befand sich also beim Überqueren der Fahrbahnen noch im Bereich der Straßen, die er für seinen Heimweg benutzen konnte. Da das Zurücklegen des zur Erledigung der Besorgung eingeschobenen Wegteils auch nur kurze Zeit gedauert hätte, hat das LSG den Weg zur anderen Straßenseite mit Recht als einen unwesentlichen Umweg angesehen. Der Kläger stand im Augenblick des Unfalls noch unter Versicherungsschutz, so daß das LSG die Beklagte mit Recht dem Grunde nach zur Entschädigungsleistung verurteilt hat.
Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 SGG).
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens ergeht auf Grund von § 193 SGG.
Fundstellen