Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der unfallversicherungsrechtlichen Beitragszahlungspflicht eines Schneidermeisters, welcher hauptsächlich im Auftrag und für Rechnung anderer Firmen tätig ist und 10 Arbeitskräfte beschäftigt.

 

Normenkette

RVO § 162 Abs. 1 Fassung: 1911-07-19, § 729 Abs. 1 Fassung: 1924-12-15

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 16. November 1965 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger ist in seiner Hausschneiderei zu 15 % für eigene Rechnung, im übrigen im Auftrag und für Rechnung mehrerer Firmen in Hamburg und Schleswig tätig. Er übt in seiner Schneiderei die kaufmännische und technische Leitung aus und arbeitet selbst wesentlich am Stück mit.

Die Beklagte nahm den Kläger mit Wirkung vom 1. Januar 1954 als Hausgewerbetreibenden in ihr Mitgliederverzeichnis auf. Sie teilte ihm mit Schreiben vom 23. März 1956 eine Betriebsnummer zu und klärte ihn dahin auf, daß er, seine mitarbeitende Ehefrau und von ihm beschäftigte Personen gegen die Folgen von Arbeitsunfällen versichert seien, die Versicherungsbeiträge jedoch die auftraggebenden Firmen zu entrichten hätten, soweit er nicht für eigene Rechnung arbeite.

§ 30 der damals geltenden Satzung der Beklagten lautete ua:

"Die Heimarbeiter, Hausgewerbetreibenden und Zwischenmeister, ihre mittätigen Ehegatten und die sonstigen mitarbeitenden Personen gelten als im Unternehmen des Auftraggebers beschäftigt, solange sie unter das Heimarbeitsgesetz vom 14. März 1951 (BGBl I 191) fallen oder den in Heimarbeit Beschäftigten wegen ihrer Schutzbedürftigkeit gleichgestellt sind (§ 1 Abs. 1 und 2 des Heimarbeitsgesetzes). Diese Hausgewerbetreibenden und Zwischenmeister haben, soweit sie nicht vorübergehend für eigene Rechnung arbeiten oder arbeiten lassen, keine Beiträge zu entrichten. Im übrigen haben sie alle Pflichten der Mitglieder.

Die Auftraggeber der Hausgewerbetreibenden, Zwischenmeister und Heimarbeiter haben für diese, deren mitarbeitenden Ehegatten und die sonstigen mitarbeitenden Personen die Beiträge zu zahlen."

Mit Wirkung vom 1. Januar 1962 änderte die Vertreterversammlung der Beklagten durch Beschluß vom 8. November 1961 diese Satzungsbestimmung ua dahin:

"Die Auftraggeber haben für die Hausgewerbetreibenden, die in eigenen Betriebsstätten in ihrem Auftrag und für ihre Rechnung gewerbliche Erzeugnisse herstellen oder bearbeiten, selbst wesentlich am Stück mitarbeiten und regelmäßig nicht mehr als zwei fremde Arbeitnehmer beschäftigen, die Beiträge für diese und deren hausgewerblich Beschäftigte zu zahlen.

Dies gilt auch dann, wenn der Hausgewerbetreibende die Roh- oder Hilfsstoffe selbst beschafft oder vorübergehend, jedoch nicht mehr als 25 % seines Jahresumsatzes für eigene Rechnung arbeitet."

Diese Satzungsänderung wurde durch das Bundesversicherungsamt am 23. Januar 1962 genehmigt.

In der Schneiderei des Klägers arbeiteten im Jahre 1961, wie der Kläger der Beklagten am 12. Dezember 1961 auf deren Anfrage mitteilte, seine Ehefrau, acht fremde Arbeitskräfte sowie zwei Heimarbeiter.

Auf Grund der geänderten Satzung schrieb die Beklagte den Kläger mit Wirkung vom 1. Januar 1962 in das Verzeichnis der selbst beitragspflichtigen Unternehmer um und erteilte ihm am 19. März 1962 einen Aufnahme- und Veranlagungsbescheid.

Seinem Widerspruch gab sie nicht statt (ablehnender Bescheid vom 13. Dezember 1962).

Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 12. Dezember 1963, Urteil des Landessozialgerichts - LSG - Niedersachsen vom 16. November 1965).

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Der Bescheid der Beklagten sei zu Recht ergangen, denn der Kläger sei als Unternehmer anzusehen. Dies treffe einmal zu, soweit er zu 15 v. H. seines Geschäftsumsatzes für eigene Rechnung arbeite. Aber auch soweit er als Hausgewerbetreibender kein kaufmännisches Risiko trage, weil ihm seine Auftraggeber die abgelieferten Erzeugnisse bezahlten, sei er, obwohl wirtschaftlich abhängig, rechtlich selbständiger Unternehmer, denn die Einnahmen seines Betriebes kämen ihm unmittelbar zugute und er müsse für die Löhne an seine Hilfskräfte sowie für sonstige Abgaben selbst aufkommen. Deshalb könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger, obwohl er mit mehr als zwei fremden Hilfskräften arbeite, nach § 1 Abs. 2 Buchst. b des Heimarbeitsgesetzes vom 14. März 1951 den Hausgewerbetreibenden gleichgestellt sei, die nicht mehr als zwei fremde Hilfskräfte beschäftigen, und ein ordnungsmäßiger Gleichstellungsbescheid der zuständigen Behörde vorliege. Als Unternehmer sei der Kläger beitragspflichtig. Nach § 735 der Reichsversicherungsordnung - idF bis zum Inkrafttreten des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (RVO aF); jetzt § 729 Abs. 1 RVO nF - könne die Satzung des Unfallversicherungsträgers allerdings bestimmen, daß der Auftraggeber die Beiträge für den Hausgewerbetreibenden und dessen Beschäftigte zahle. Es stehe jedoch im pflichtgemäßen Ermessen der Selbstverwaltung des Versicherungsträgers, ob und wie lange sie von dieser Möglichkeit Gebrauch mache. Die gesetzliche Ermächtigung umfasse auch die Befugnis, Auftraggeber zur Beitragszahlung nur für solche Hausgewerbetreibende heranzuziehen, die eine bestimmte Beschäftigtenzahl nicht überschreiten. Die zum 1. Januar 1962 in Kraft getretene Satzungsänderung verletze den Gleichheitsgrundsatz nicht. Der Gedanke der Selbstverwaltung schließe die Möglichkeit ein, daß die Vertreterversammlungen der jeweils sachlich zuständigen Unfallversicherungsträger über die Beitragszahlungspflicht von Hausgewerbetreibenden unterschiedliches Recht setzten. Der Gesetzgeber habe ihnen, um den Besonderheiten des Einzelfalles gerecht zu werden, gestattet, abweichende Bestimmungen darüber zu treffen, wie die Ermittlung des Jahresarbeitsverdienstes und damit die Entschädigung sowie die Mitgliedsbeiträge festzusetzen seien. Für den Kläger seien auch als beitragspflichtigen Unternehmer im wesentlichen die gleichen Wettbewerbsbedingungen wie für andere Hausgewerbetreibende gegeben; er könne zum Ausgleich seine Beiträge auf den Auftraggeber nach § 2 der Bekanntmachung einer bindenden Festsetzung über die Erstattung der Beiträge zur Berufsgenossenschaft und zur Familienausgleichskasse für die Herstellung von Damenoberbekleidung und verwandten Erzeugnissen in Heimarbeit vom 4. Mai 1962 (Bundesanzeiger Nr. 178) in Höhe von 1 v. H. des reinen Arbeitsentgelts abwälzen. Darauf, wie der Kläger dieses Recht verwirkliche, komme es nicht an. Der Satzungsänderungsbeschluß vom 8. November 1961 widerspreche nicht dem Zweck des Heimarbeitsgesetzes, denn die echten Hausgewerbetreibenden, die nicht mehr als zwei fremde Hilfskräfte beschäftigten, seien nach wie vor beitragsfrei.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Kläger hat dieses Rechtsmittel eingelegt. Sein Prozeßbevollmächtigter hat es im wesentlichen wie folgt begründet:

Der Kläger sei nicht Mitglied der Beklagten, weil er kein selbständiger Unternehmer sei. Soweit er zu 15 v. H. für eigene Rechnung arbeite, handele es sich um eine vorübergehende Beteiligung am Absatzmarkt, welche seine Eigenschaft als Hausgewerbetreibender nicht beeinträchtige. Die Vertragsbeziehungen des Hausgewerbetreibenden seien den Dienst- und Arbeitsverhältnissen zumindest angenähert. Infolge seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von seinen Auftraggebern sei sein Betrieb in der Regel als ein organisatorisch unselbständiger Betriebsteil des auftraggebenden Unternehmers anzusehen. Der Kläger sei unselbständiger Hausgewerbetreibender i. S. des Heimarbeitsgesetzes. § 735 RVO aF gelte nur für die selbständigen Hausgewerbetreibenden nach § 162 RVO. Die Beklagte habe durch die Neufassung des § 30 ihrer Satzung die unselbständigen Hausgewerbetreibenden anders eingestuft und sich damit in Gegensatz zu den Satzungen der übrigen Berufsgenossenschaften gestellt. So sei der Kläger beitragsfrei, wenn er für den Großhandel (Versandhandel) arbeite.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Kläger beantragt,

die Urteile der Vorinstanzen sowie die Bescheide der Beklagten aufzuheben,

hilfsweise,

die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

II

Der Senat hat ohne mündliche Verhandlung entschieden; die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) liegen vor.

Die Revision ist nicht begründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten setzt, wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, voraus, daß der Kläger Unternehmer i. S. des Dritten Buches der RVO ist (§ 633 RVO aF, § 658 Abs. 2 RVO nF). Nach den §§ 623, 731 Abs. 1 RVO aF, § 723 RVO nF werden die Beiträge zu den Berufsgenossenschaften von den ihr als Mitglieder angehörenden Unternehmern aufgebracht. Davon gehen auch § 735 RVO aF und § 729 Abs. 1 RVO nF aus; danach kann die Satzung bestimmen, daß für Hausgewerbetreibende und ihre im Unternehmen tätigen Ehegatten sowie die sonstigen mitarbeitenden Personen der Auftraggeber die Beiträge - also anstelle des an sich beitragspflichtigen Unternehmers - zahlt. Durch § 537 Nr. 7 RVO aF, § 539 Abs. 1 Nr. 2 RVO nF ist dieser Personenkreis, unabhängig davon, ob und in welcher Art der jeweils sachlich zuständige Versicherungsträger durch Satzungsbestimmung die Unternehmerversicherung eingeführt hat, wegen seiner Zwischenstellung - einerseits selbständiger Gewerbetreibender, andererseits überwiegend für fremde Rechnung arbeitend - und der damit in der Regel gegebenen Schutzbedürftigkeit in den Kreis der versicherungspflichtigen Personen einbezogen (RVO-Gesamtkommentar, Anm. 5 zu § 539 RVO; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand 15. Mai 1967, Bd. II S. 472 l). Wegen ihrer regelmäßig vorhandenen wirtschaftlichen Abhängigkeit kann die zuständige Berufsgenossenschaft sie von der Zahlung der Beitragspflicht entlasten und diese - auch in ihrem eigenen Interesse, nämlich um vor Beitragsausfällen geschützt zu sein - den Auftraggebern der Hausgewerbetreibenden auferlegen (Lauterbach, Unfallversicherung, 2. Aufl., Anm. 1 zu § 735 RVO aF; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 4 zu § 729 RVO; RVO-Gesamtkommentar, Anm. 4 zu § 729 RVO).

Die Ansicht der Revision, die Beitragspflicht des Klägers entfalle schon deshalb, weil er unselbständiger Hausgewerbetreibender sei und seine vertraglichen Beziehungen zu den auftraggebenden Firmen den Verhältnissen eines Dienst- und Arbeitsvertrages zumindest angenähert seien, trifft nicht zu. Die vom Kläger gegenüber den auftraggebenden Firmen in einem Dauerschuldverhältnis zu erbringenden Leistungen unterliegen - je nach dem, ob die zu verarbeitenden Stoffe von dem Auftraggeber gestellt oder vom Kläger beschafft werden - den Regeln des Werkvertrags oder des Werklieferungsvertrags (§§ 631, 651 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Dies spricht aber in der Regel für ein selbständiges und nicht für ein Abhängigkeitsverhältnis (SozR Nr. 45 zu § 537 RVO aF, Aa 50 R; Brackmann, aaO, S. 470 c; Balser, SozVers 1957, 52). Der Kläger schuldet den auftraggebenden Firmen nicht eine bestimmte Art von Diensten, sondern einen vertraglich festgelegten Arbeitserfolg, dessen in einem Wert ausgedrücktes Ergebnis ihm zum Vorteil oder Nachteil gereicht. Infolge des wirtschaftlichen Übergewichts seiner Auftraggeber mag der Kläger zwar in nicht geringem Grade von diesen wirtschaftlich abhängig sein. Da er jedoch in eigener Arbeitsstätte mit seinen Leuten tätig und somit - was auch die Revision nicht in Zweifel zieht - persönlich unabhängig ist, steht er zu den Firmen, welche ihm ständig Aufträge erteilen und dadurch seine wirtschaftliche Existenz in erheblichem Umfange sichern, nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis, das nach § 537 Nr. 1 RVO aF, § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO nF Versicherungspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung begründen würde.

Allein daraus, daß ein Abhängigkeitsverhältnis i. S. dieser Vorschrift nicht besteht, vielmehr ein selbständiges Verhältnis gegenüber den auftraggebenden Firmen vorliegt, kann indessen nicht bereits auf die Unternehmereigenschaft des Klägers geschlossen werden (vgl. SozR Nr. 45 zu § 537 RVO aF, Aa 52; Brackmann, aaO, S. 470 f). Da der Kläger, wie das LSG festgestellt hat, die technische und kaufmännische Leitung in seiner Schneiderei sowie das Weisungsrecht über seine Arbeitskräfte ausübt und das wirtschaftliche Wagnis seines Geschäfts trägt, mag es auch infolge von Dauervertragsverhältnissen zu verschiedenen Firmen gemindert sein, ist er Unternehmer i. S. von § 633 Abs. 1 RVO aF, § 658 Abs. 2 Nr. 1 RVO nF.

Ob der Kläger, wovon die Beklagte und das LSG ausgehen, als Hausgewerbetreibender anzusehen und somit nach § 537 Nr. 7 RVO aF, § 539 Abs. 1 Nr. 2 RVO nF pflichtversichert ist, braucht in der vorliegenden Streitsache nicht entschieden zu werden. Die Versicherungspflicht nach diesen beiden Vorschriften beurteilt sich danach, ob die Voraussetzungen des § 162 RVO gegeben sind (s. hierzu BSG 18, 70; Breithaupt 1966, 891; Gura, Die Sozialversicherung der Hausgewerbetreibenden und Heimarbeiter, 1952, S. 8 ff; RVO-Gesamtkommentar, Anmerkungen zu § 162). Dies war für das alte Recht in ständiger Rechtsprechung anerkannt (RVA, AN 1940, 245) und ergibt sich nach dem neuen Recht durch den Klammerhinweis auf § 162 RVO (über die Rechtsentwicklung nach 1945 s. Brackmann, aaO, S. 472 k ff). Die Begriffsbestimmungen des Heimarbeitsgesetzes vom 14. März 1951 (BGBl I 191 - HAG), insbesondere die in § 2 Abs. 2 enthaltene Beschränkung der Zahl der fremden Hilfskräfte, finden daher keine Anwendung. Allerdings gibt es auch für Hausgewerbetreibende i. S. von § 162 RVO insoweit eine Grenze. Ist diese überschritten, handelt es sich um Unternehmer eines unabhängigen Gewerbebetriebes (Brackmann, aaO, S. 472 m; Sprengel, Beiträge zur Sozial- und Arbeitslosenversicherung, 1967, 231, 234). Ob beim Unternehmen des Klägers diese Grenze eingehalten ist, bedarf keiner Entscheidung, weil der Kläger, auch wenn er die Voraussetzungen des § 162 RVO erfüllen sollte, verpflichtet ist, an die Beklagte den Beitrag selbst zu entrichten.

Die Beklagte hat, indem sie von der ihr in § 735 RVO aF, § 729 Abs. 1 RVO nF eingeräumten Ermächtigung Gebrauch gemacht hat, in § 30 ihrer Satzung Hausgewerbetreibende - allerdings nicht schlechthin, sondern mit Einschränkungen - von der Pflicht zur Beitragszahlung befreit und diese den Auftraggebern dieser Hausgewerbetreibenden auferlegt. Ob der Kläger - vorausgesetzt, daß er Hausgewerbetreibender i. S. von § 162 RVO ist - schon vor der Änderung dieser Satzungsbestimmung mit Wirkung vom 1. Januar 1962 selbst zur Zahlung des Beitrags verpflichtet gewesen ist, kann dahinstehen; da er bereits vor diesem Stichtag mehr als zwei fremde Hilfskräfte beschäftigt hatte, wäre er nach dem früheren Satzungsrecht von der Beitragszahlung nur befreit gewesen, wenn er - worüber das LSG keine Feststellungen getroffen hat - wegen Schutzbedürftigkeit nach § 1 Abs. 2 HAG den Hausgewerbetreibenden i. S. des § 2 Abs. 2 HAG gleichgestellt gewesen wäre (§ 1 Abs. 4 HAG). Jedenfalls ist der Kläger - sei es als Unternehmer eines unabhängigen Gewerbebetriebes, sei es als Hausgewerbetreibender - vom 1. Januar 1962 an von der Beklagten zu Recht als zahlungspflichtig angesehen worden, weil von diesem Zeitpunkt an auf Grund der geänderten Fassung des § 30 ihrer Satzung auch für Hausgewerbetreibende diese Pflicht bereits besteht, wenn sie - ohne Rücksicht darauf, ob sie zu den nach § 1 Abs. 2 HAG Gleichgestellten gehören - regelmäßig mehr als zwei fremde Arbeitnehmer beschäftigen; der Kläger hat diese Zahl damals bei weitem überschritten.

Die §§ 735 RVO aF, 729 Abs. 1 RVO nF schränken das Ermessen des Unfallversicherungsträgers ("kann") nicht etwa dahin ein, daß sie ihn - ohne eine Differenzierungsmöglichkeit - nur vor die Wahl stellen, ob er bei den nach §§ 537 Nr. 7 RVO aF, 539 Abs. 1 Nr. 2 RVO nF pflichtversicherten Personen die Pflicht zur Zahlung des Beitrags bei diesem Personenkreis belassen oder sie auf deren Auftraggeber übertragen will. Der Wortlaut beider Vorschriften schließt nicht aus, Abstufungen nach dem Grad der besonderen Schutzbedürftigkeit jenes Personenkreises vorzunehmen. Die Beklagte hat im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts diese Abstufung in einer Weise vorgenommen, die sich an die - im Vergleich zu § 162 RVO: engere - Abgrenzung in § 2 Abs. 2 HAG anlehnt. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, daß die in dieser Vorschrift bezeichneten Hausgewerbetreibenden, welche nicht mehr als zwei fremde Arbeitskräfte beschäftigen, in besonderem Maße sozial schutzbedürftig sind. Es beruht somit auf sachlichen Erwägungen, daß die Beklagte diesen Personenkreis von der Pflicht zur Zahlung des Beitrags entlastet und diese den Auftraggebern aufgebürdet hat. Der Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes ist daher durch die Satzungsbestimmung der Beklagten nicht verletzt (BVerfG 1, 14, 52; 2, 118, 119; 3, 58, 135; 4, 144, 155).

Falls der Kläger zu den nach § 1 Abs. 2 HAG Gleichgestellten gehört, er also durch die Änderung des § 30 der Satzung der Beklagten betroffen worden ist, ist durch die bindende Festsetzung des Heimarbeitsausschusses für die Herstellung von Damenoberbekleidung und verwandten Erzeugnissen vom 4. Mai 1962 dadurch ein wirtschaftlicher Ausgleich geschaffen worden, daß diesen Personen, soweit sie Mitglieder der Beklagten sind, vom Tage der Satzungsänderung an (1. Januar 1962) als Abgeltung der an die Beklagte abzuführenden Beiträge von ihren Auftraggebern bei jeder Abrechnung 1 v. H. des reinen Arbeitsentgelts zu zahlen ist, es sei denn, daß die Beitragszahlung bereits in den bindend festgesetzten Unkostenzuschlägen berücksichtigt ist (Bekanntmachung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung in der Nr. 178 des Bundesanzeigers vom 19. September 1962). Damit entfällt der Einwand der Revision, daß der Kläger, würde er für Auftraggeber im Dauerauftrag arbeiten, die einer anderen - die Beitragszahlungspflicht nicht von so engen Voraussetzungen wie die Beklagte abhängig machenden - Berufsgenossenschaft angehören, diese Belastung nicht tragen müßte. Im übrigen hat das LSG mit Recht darauf hingewiesen, daß es eine natürliche Folge der nach Fachbereichen gegliederten gesetzlichen Unfallversicherung und des bei jedem Unfallversicherungsträger verwirklichten Selbstverwaltungsgedankens ist, wenn - um den Besonderheiten des betreffenden Gewerbszweiges gerecht zu werden - bei den verschiedenen Berufsgenossenschaften, soweit das Gesetz dies zuläßt, das Beitragsrecht unterschiedlich geregelt und somit die Beitragsbelastung der Mitglieder bei den einzelnen Unfallversicherungsträgern verschiedenartig sein kann. Dies macht auch die neue im wesentlichen am 1. Januar 1966 in Kraft getretene Satzung der Beklagten deutlich. In ihr ist eine dem früheren § 30 entsprechende Satzungsbestimmung nicht mehr enthalten, so daß nunmehr alle unter § 539 Abs. 1 Nr. 2 RVO nF fallenden Personen, soweit sie Unternehmer sind, die Beiträge selbst an die Beklagte zu entrichten haben.

Die Revision des Klägers erweist sich somit als unbegründet. Deshalb war sie zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324446

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