Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherungsschutz bei Tätigkeiten wie ein Beschäftigter. Begriff des Unternehmens
Orientierungssatz
1. Nach RVO § 658 Abs 2 Nr 1 ist Unternehmer derjenige, für dessen Rechnung das Unternehmen (Betrieb, Einrichtung oder Tätigkeit) geht. Ein Unternehmen iS der gesetzlichen UV setzt eine planmäßige, für eine gewisse Dauer bestimmte Vielzahl von Tätigkeiten voraus, die auf ein einheitliches Ziel gerichtet sind und mit einer gewissen Regelmäßigkeit ausgeübt werden (vgl BSG 1973-08-09 2 RU 5/72 = BSGE 36, 111 und BSG 1976-08-05 2 RU 189/74 = BSGE 42, 126). An dieser Planmäßigkeit mangelt es bei einem Maurerpolier, der beim Umbau eines Privathauses bei dem Bauherrn dann hilft, wenn es gerade nötig ist, keine Aufträge sucht und auch nicht mit einer gewissen Regelmäßigkeit tätig ist.
2. Obwohl der Unternehmerbegriff keinen Geschäftsbetrieb oder eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit verlangt, ist ihm doch die Risikotragung eigen.
3. Aus dem Fehlen der Unternehmereigenschaft kann allein nicht hergeleitet werden, es habe ein Beschäftigungsverhältnis vorgelegen (vgl BSG 1978-01-26 2 RU 90/77 = BSGE 45, 279, 282).
4. Gegen einen Versicherungsschutz nach RVO § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 spricht nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nicht, daß der Verletzte hinsichtlich der Ausführung seiner Arbeiten gegenüber dem Bauherrn nicht weisungsgebunden war. Für die Tätigkeit wie ein nach RVO § 539 Abs 1 Nr 1 Versicherter ist vielmehr geradezu typisch, daß ein durch die Weisungsgebundenheit charakterisiertes persönliches Abhängigkeitsverhältnis des Tätigwerdenden zum Unternehmer nicht vorliegt (vgl BSG 1957-05-28 2 RU 150/55 = BSGE 5, 168, 173).
5. Es entspricht durchaus der Tätigkeit wie ein nach RVO § 539 Abs 1 Nr 1 Versicherter iS des RVO § 539 Abs 2, daß sich der Bauherr um die Bauausführung nicht kümmerte und der Verletzte somit nach seiner Entscheidung die Arbeit durchführen und auch die Zeit hierfür bestimmen konnte. Auch das Fehlen einer Lohnvereinbarung schließt eine Tätigkeit iS des RVO § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 nicht aus.
Normenkette
RVO § 539 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1963-04-30, Abs. 2 Fassung: 1963-04-30, § 658 Abs. 2 Nr. 1 Fassung: 1963-04-30
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Entscheidung vom 21.11.1978; Aktenzeichen I UBf 10/78) |
SG Hamburg (Entscheidung vom 03.02.1978; Aktenzeichen 24 U 81/76) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 21. November 1978 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Beigeladene zu 3) arbeitete während seiner Beschäftigung als Maurerpolier ua an der Errichtung des Privathauses des Inhabers einer Baufirma mit. Infolge der dadurch zustande gekommenen Bekanntschaft mit dem Bauherrn führte der Beigeladene zu 3) später öfter Aushilfsarbeiten für die Baufirma aus, für die bis zum 1. Januar 1975 die Beigeladene zu 1) zuständig war. Für diese Aushilfsarbeiten wurden entsprechende Beiträge im Gesamtlohnnachweis ausgewiesen. Da der Firmeninhaber den Beigeladenen zu 3) als tüchtigen und sachkundigen Polier kannte, hatte er sich auch wegen des Umbaus seines Privathauses an ihn gewandt. Dabei war dem Bauherrn und dem Beigeladenen zu 3) klar, daß der Beigeladene zu 3) wegen einer Handbehinderung die schweren Arbeiten nur mit Hilfe seines Bruders ausführen konnte. Über die Höhe der Entlohnung wurde nicht gesprochen, da man davon ausging, daß die gleichen Bedingungen gelten sollten wie bei den früheren Arbeiten. Die Bezahlung erfolgte tatsächlich nach einem Stundenlohn. Es erfolgte keine Absprache über die tägliche Arbeitszeit und auch nicht über Beginn und Ende der Tätigkeit. Die im Zusammenhang mit der Ausführung der Arbeiten entstandenen Kosten wurden zunächst auf ein Firmenkonto, von dort auf das Privatkonto des Firmeninhabers verbucht. Der Beigeladene zu 3) beaufsichtigte nur seinen Bruder, nicht aber die Stammarbeiter der Baufirma, die während der normalen Arbeitszeit am Bau mitwirkten. Bei diesen Arbeiten verunglückte der Beigeladene zu 3) am 7. Februar 1974.
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten, hilfsweise von den Beigeladenen zu 1) und 2), Ersatz der ihr aus Anlaß dieses Unfalles entstandenen Kosten.
Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 3. Februar 1978 die Beigeladene zu 1) verurteilt, der Klägerin Ersatz in Höhe von 4.042,35 DM zu leisten.
Auf die Berufung der Beigeladenen zu 1) hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 21. November 1978 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat ua ausgeführt: Die Arbeiten, bei denen der Beigeladene zu 3) verunglückt sei, hätten in keiner Beziehung zur Baufirma gestanden. Es hätten auch keine arbeitsvertraglichen Beziehungen zum Inhaber der Firma bestanden. Die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Beigeladenen zu 3) und dem Firmeninhaber seien werkvertraglicher Art gewesen. Dies gehe bereits aus der fehlenden Weisungsgebundenheit des Beigeladenen zu 3) hervor. Der Beigeladene zu 3) hätte die Arbeit hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs gestalten können wie er es wollte. Beginn und Ende der Baumaßnahmen bzw des täglichen Arbeitsablaufs seien von ihm festgelegt worden. Der Bauherr hätte sich nicht um die Bauausführung gekümmert. Auch das Mitwirken einer Hilfskraft habe für eine werkvertragliche Ausführung gesprochen. Zwar sei es zutreffend, daß gegen eine unternehmerische Tätigkeit des Beigeladenen zu 3) das Merkmal einer planmäßigen, auf eine gewisse Dauer angelegten und auf Gewinn ausgerichteten Tätigkeit fehle. Dies bedeute jedoch nicht zugleich, daß eine Tätigkeit im Sinne des § 539 Abs 1 Nr 1 oder Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) vorgelegen habe. Bestätigt werde dies zusätzlich, daß sich die Bezahlung nach der Arbeitszeit gerichtet habe. Die Höhe der Entlohnung habe im Ermessen des Beigeladenen zu 3) und seines Bruders gelegen.
Der Senat hat die Revision zugelassen.
Die Klägerin hat dieses Rechtsmittel eingelegt.
Sie trägt vor: Der Beigeladene zu 3) sei bei dem Inhaber der Baufirma nicht als Unternehmer tätig geworden, denn er habe ua kein wirtschaftliches Risiko getragen. Er habe auch keine Aufträge gesucht. Der Versicherungsschutz des Beigeladenen zu 3) sei deshalb nach § 539 Abs 2 RVO gegeben gewesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Hamburg vom 21. November 1978 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG Hamburg vom 3. Februar 1978 zurückzuweisen, hilfsweise, die Beigeladene zu 2) zur Ersatzleistung zu verurteilen.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 2) beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene zu 1) beantragt,
die Revision zurückzuweisen, soweit ihre Verurteilung in Frage stehe.
Sie ist der Auffassung, daß jedenfalls nicht sie zur Ersatzleistung verpflichtet sei, da die Bauarbeiten, bei denen der Beigeladene zu 3) verunglückt sei, nicht der Firma, sondern dem Privatbereich des Firmeninhabers gedient hätten.
Der Beigeladene zu 3) hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist insoweit begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist.
Ist eine Krankheit die Folge eines Arbeitsunfalls, den der Träger der Unfallversicherung zu entschädigen hat, so hat dieser, wenn der Verletzte bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist, dem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung die Kosten mit Ausnahme des Sterbegeldes zu erstatten, die nach Ablauf des 18. Tages nach dem Arbeitsunfall entstehen (§ 1504 Abs 1 Satz 1 RVO).
Der Beigeladene zu 3) hat am 7. Februar 1974 einen Arbeitsunfall erlitten. Er war bei der zum Unfall führenden Tätigkeit gemäß § 539 Abs 2 iVm Abs 1 RVO gegen Arbeitsunfall versichert.
Der Senat teilt aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht die Auffassung des Berufungsgerichts, daß der Beigeladene zu 3) im Rahmen eines Werkvertrages wie ein Unternehmer tätig gewesen sei. Nach § 658 Abs 2 Nr 1 RVO ist Unternehmer derjenige, für dessen Rechnung das Unternehmen (Betrieb, Einrichtung oder Tätigkeit) geht. Ein Unternehmen im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung setzt eine planmäßige, für eine gewisse Dauer bestimmte Vielzahl von Tätigkeiten voraus, die auf ein einheitliches Ziel gerichtet sind und mit einer gewissen Regelmäßigkeit ausgeübt werden (BSGE 36, 111, 115; 42, 126, 128; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. - 9. Aufl, S. 504 a). Beim Beigeladenen zu 3) hat es schon an der Planmäßigkeit gemangelt, denn er half bei dem Bauherrn dann, wenn es gerade nötig war; er suchte keine Aufträge und war auch nicht mit einer gewissen Regelmäßigkeit tätig. Obwohl der Unternehmerbegriff keinen Geschäftsbetrieb oder eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit verlangt, ist ihm doch die Risikotragung eigen (Brackmann aaO S. 506). Den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist jedoch nichts darüber zu entnehmen, was darauf hindeuten könnte, daß der Beigeladene zu 3) aus seiner Tätigkeit heraus ein wirtschaftliches Risiko zu tragen gehabt hätte. Da dies auch für den als Hilfskraft mitarbeitenden Bruder des Beigeladenen zu 3) zutrifft, kann auch aus der gemeinsamen Entlohnung der beiden nicht auf deren Unternehmereigenschaft geschlossen werden.
Aus dem Fehlen der Unternehmereigenschaft kann allerdings allein nicht hergeleitet werden, es habe ein Beschäftigungsverhältnis vorgelegen (s. BSGE 45, 279, 282). Die tatsächlichen Feststellungen des LSG ergeben jedoch, daß der Beigeladene zu 3) im Zeitpunkt des Unfalles wie ein nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO Versicherter tätig und deshalb nach Abs 2 dieser Vorschrift versichert war.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hat der Beigeladene zu 3) durch seine Mitarbeit an dem Ausbau des Wohnhauses eine dem in Frage stehenden Unternehmen dienliche Tätigkeit verrichtet, die dem erklärten Willen des Unternehmers entsprach und auch hinsichtlich der zum Unfall führenden Tätigkeit im inneren ursächlichen Zusammenhang mit dem Unternehmen stand (vgl BSGE 5, 168; BSG SozR Nr 16 zu § 537 RVO aF; BSG SozR 2200 § 539 Nr 43; BSG Urteile vom 26. Oktober 1978 - 8 RU 14/78 - und 1. Februar 1979 - 2 RU 65/78 -; Brackmann aaO S. 475 ff.). Die Tätigkeit wurde auch unter solchen Umständen geleistet, daß sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses (§ 539 Abs 1 Nr 1 RVO) ähnlich war. Gegen einen Versicherungsschutz nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO spricht entgegen der Auffassung des LSG nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht, daß der Beigeladene zu 3) hinsichtlich der Ausführung seiner Arbeiten gegenüber dem Bauherrn nicht weisungsgebunden war. Für die Tätigkeit wie ein nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO Versicherter ist vielmehr, wie der Senat in seinem Urteil vom 5. August 1976 noch einmal dargelegt hat (BSGE 42, 126, 129), geradezu typisch, daß ein durch die Weisungsgebundenheit charakterisiertes persönliches Abhängigkeitsverhältnis des Tätigwerdenden zum Unternehmer nicht vorliegt (s. auch BSGE 5, 168, 173). Somit entspricht es, wie der Senat gleichfalls in seinem Urteil vom 5. August 1976 wiederholt hat (aaO), durchaus der Tätigkeit wie ein nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO Versicherter im Sinne des Abs 2 dieser Vorschrift, daß sich der Bauherr um die Bauausführung nicht kümmerte und der Beigeladene zu 3) somit nach seiner Entscheidung die Arbeit durchführen und auch die Zeit hierfür bestimmen konnte. Auch das Fehlen einer Lohnvereinbarung schließt eine Tätigkeit im Sinne des § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO nicht aus (BSGE 42 aaO). Dabei ist hier außerdem zu berücksichtigen, daß der Beigeladene zu 3) mit dem Bauherrn davon ausgegangen war, daß sich die Bezahlung in etwa nach der Arbeitszeit richte und daß die Entlohnung auch tatsächlich nach einem Stundenlohn erfolgte, während es in dem vom Senat in seinem Urteil vom 5. August 1976 entschiedenen Fall an einer Lohnvereinbarung auch insoweit fehlte. Es kann dahinstehen, ob eine Entschädigung nach Arbeitsstunden, wie das LSG meint, auch einem Werkvertrag nicht zwingend widerspricht; jedoch entspricht sie mehr einer Tätigkeit wie ein Beschäftigter.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG war der Beigeladene zu 3) somit im Unfallzeitpunkt wie ein nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO Versicherter tätig und deshalb nach Abs 2 dieser Vorschrift versichert.
Aufgrund seiner Rechtsauffassung hat das LSG ua nicht festgestellt, ob es sich bei den Arbeiten um nicht gewerbsmäßige kurze Bauarbeiten im Sinne von § 657 Abs 1 Nr 7 RVO gehandelt hat. Mangels tatsächlicher Feststellungen des LSG darf der Senat somit nicht abschließend entscheiden.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Fundstellen