Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Urteil vom 26.05.1959) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. Mai 1959 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
I
Am Abend des 18. Juni 1954 nahm der Kläger in Seiner Eigenschaft als zweiter Vorsitzender des Kreisverbandes D. im Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands e.V. (VdK) an der jeden Freitag in der Geschäftsstelle des Kreisverbandes stattfindenden Vorstandssitzung teil. Auf dem Heimweg stürzte er und brach sich den linken Unterschenkel. Durch Bescheid vom 13. Dezember 1954 lehnte die Beklagte den Entschädigungsanspruch ab mit der Begründung, der Kläger sei für den VdK nur ehrenamtlich als freier Mitarbeiter tätig gewesen; ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 537 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) mit persönlicher Gebundenheit und wirtschaftlicher Abhängigkeit habe nicht bestanden. Auch ein Versicherungsschutz nach § 537 Nr. 10 RVO sei mangels eines wirtschaftlichen und persönlichen Abhängigkeitsverhältnisses des Klägers zum VdK zu verneinen.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 13. Mai 1955).
Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 26. Mai 1959 die Berufung des Klägers zurückgewiesen: Der Versicherungsschutz nach § 537 Nr. 10 RVO erfordere zwar nicht das Vorliegen einer persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit; es müsse sich hierbei aber jedenfalls um solche Tätigkeiten handeln, die an sich ihrem Wesen nach gemäß § 537 Nr. 1 bis 9 RVO versichert wären. Im Fall des Klägers komme es für den Versicherungsschutz nach § 537 Nr, 10 RVO darauf an, ob die von ihm ausgeübte Tätigkeit ihrer Art nach an sich gemäß § 537 Nr. 1 RVO versichert sein könnte. Dies sei nicht der Fall. Der Kläger habe im Unfallzeitpunkt eine Tätigkeit ausgeübt, die den organisatorischen Zwecken des VdK gedient habe und ihrem Wesen nach als reine Organisations- und Vereinstätigkeit aufzufassen sei. Eine solche von einem ehrenamtlichen Organ verrichtete Tätigkeit sei ihrem Wesen nach keine Tätigkeit eines „Beschäftigten” im Sinne des § 537 Nr. 1 RVO. Der Versicherungsschutz des § 537 Nr. 10 RVO könne nicht weitergehen als derjenige des betreffenden Grundtatbestandes. Die Voraussetzungen des Versicherungsschutzes nach § 537 Nr. 10 in Verbindung mit Nr. 1 RVO wie auch nach Nr. 1 dieser Vorschrift für sich allein seien somit nicht gegeben. –
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen das am 17. August 1959 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. August 1959 Revision eingelegt und sie zugleich wie folgt begründet: Versicherungsschutz auf Grund des § 537 Nr. 1 RVO habe zwar zur Zeit des Unfalls nicht bestanden, wohl aber seien die Voraussetzungen des Versicherungsschutzes nach § 537 Nr. 10 in Verbindung mit Nr. 1 RVO gegeben. Hierfür komme es nicht auf eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom Unternehmen an, sondern allein darauf, daß es sich um eine Tätigkeit gehandelt habe, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, welche in einem dem allgemeinen Erwerbsleben zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis ständen. Dies sei beim Kläger der Fall gewesen; denn er habe zur Unfallzeit eine Tätigkeit ausgeübt, die den organisatorischen Zwecken, also dem Aufbau und Ausbau des VdK gedient habe. Diese Tätigkeit werde in der Regel von hauptamtlichen Arbeitskräften des VdK ausgeführt. Jedenfalls enthalte die Satzung des Landesverbandes Bayern des VdK keine Bestimmung darüber, daß die dem zweiten Kreisvorsitzenden übertragenen Aufgaben nur ehrenamtlich wahrgenommen werden dürften. Könne hiernach die Tätigkeit eines zweiten Kreisvorsitzenden auch von hauptsamtlichen Kräften ausgeübt werden, so müsse es grundsätzlich auch möglich sein, daß die von dem Kläger nur ehrenamtlich geleistete Tätigkeit wie die eines nach § 537 Nr. 1 RVO versicherten bewertet werde. Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile sowie des angefochtenen Bescheids die Beklagte zu verurteilen, den Unfall des Klägers vom 18. Juni 1954 als Arbeitsunfall anzuerkennen und dafür nach den gesetzlichen Vorschriften Entschädigung zu gewähren,
hilfsweise,
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision. Sie pflichtet dem angefochtenen Urteil bei.
Die Beteiligten haben sich mit Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Der Senat hat von der Befugnis Gebrauch gemacht, in dieser Weise zu verfahren (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist statthaft und zulässig. Sie hatte jedoch keinen Erfolg.
Übereinstimmend mit dem Vorbringen beider Beteiligter hat das LSG angenommen, der Kläger sei als ehrenamtlicher zweiter Vorsitzender des Kreisverbandes D. im VdK nicht auf Grund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses beschäftigt und somit nicht nach § 537 Nr. 1 RVO versichert gewesen. Dieser Auffassung ist beizupflichten.
Mit Recht hat das LSG auch ein Versicherungsverhältnis des Klägers zur Beklagten auf Grund des § 537 Nr. 10 in Verbindung mit Nr. 1 bis 9 RVO verneint. Die Darlegungen der Revision, mit denen ein Versicherungsschutz aus § 537 Nr. 10 in Verbindung mit Nr. 1 RVO – die Nrn. 2 bis 9 dieser Vorschrift scheiden von vornherein aus – für den Kläger begründet werden soll, treffen nicht zu. Der Umstand, daß der Kläger aus rein ideellen Beweggründen für den VdK tätig geworden ist und von ihm nicht persönlich oder wirtschaftlich abhängig war, schließt zwar die Anwendbarkeit des § 537 Nr. 10 in Verbindung mit Nr. 1 RVO nicht aus. Jedoch erfordert der Versicherungsschutz nach dieser Vorschrift eine Tätigkeit, welche ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die zu dem Unternehmen in einem dem allgemeinen Erwerbsleben zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 29. Mai 1962 (SozR RVO § 537 Bl. Aa 30 Nr. 29) entschieden hat, fehlt es an dieser Voraussetzung bei einem ehrenamtlichen Ortsverbandsvorsitzenden im Landesverband Bayern des VdK, wenn dieser Vorsitzende mit der Teilnahme an einer Kreisarbeitstagung lediglich Aufgaben erfüllt, die ihm als Repräsentant des Ortsverbandsvorstandes obliegen. Der Senat hält an dieser Auffassung fest und sieht demgemäß in dem hier zu entscheidenden Rechtsstreit keine Möglichkeit, die vom Kläger am Unfalltag ausgeübte Tätigkeit, nämlich die Teilnahme an einer routinemäßigen Vorstandssitzung, anders zu beurteilen. Wie in dem angeführten Urteil des näheren dargelegt ist, beruht der Ausschluß des Versicherungsschutzes in Fällen der hier gegebenen Art auf der Erwägung, daß ein ehrenamtlicher Orts- bzw. Kreisverbandsvorsitzender als Repräsentant eines Verbandsorgans anzusehen ist, dessen Tätigkeit im Rahmen der allgemein dem Aufbau und Ausbau des VdK dienenden Willensbildung bei Tagungen, Sitzungen und dgl. nur von einem nach den Bestimmungen der Satzung gewählten Verbandsmitglied ausgeübt werden kann, nicht hingegen von einer hauptamtlich angestellten Person auf Grund eines dem allgemeinen Erwerbsleben zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnisses. Im Unterschied zu dem vom erkennenden Senat ebenfalls am 30. November 1962 entschiedenen Rechtsstreit (2 RU 186/59) ist der hier gegebene Sachverhalt auch nicht dadurch gekennzeichnet, daß der Kläger im Unfallzeitpunkt etwa besondere, dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Tätigkeiten für den VdK zu verrichten gehabt hätte; Anhaltspunkte hierfür ergeben sich weder aus den vom LSG getroffenen Feststellungen noch aus dem Revisionsvorbringen. Hiernach lagen beim Kläger während des zum Unfall führenden Heimwegs die Voraussetzungen des § 537 Nr. 10 RVO und damit auch des § 543 RVO nicht vor.
Die Revision des Klägers ist mithin unbegründet und mußte deshalb zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen