Entscheidungsstichwort (Thema)
Belgier. Dienstverpflichteter. Heimweg
Orientierungssatz
Zur Frage des Unfallversicherungsschutzes eines belgischen Staatsangehörigen, der im 2. Weltkrieg nach Recklinghausen dienstverpflichtet wurde, nach der Besetzung der Stadt durch amerikanische Truppen sich mit dem Fahrrad auf den Heimweg begab und bei der Heimfahrt auf eine Mine trat und erheblich verletzt wurde.
Normenkette
NotdienstV 1939 § 9; RAMErl 1942-09-26 Nr. 1 S. 1
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 30.11.1971) |
SG Detmold (Entscheidung vom 10.07.1968) |
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. November 1971 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Kläger zu 2) ist belgischer Staatsangehöriger. Er arbeitete seit 1942 in Deutschland, zuletzt vom 11. bis 31. März 1945 in einer Tischlerei in R. Nach der Besetzung der Stadt durch amerikanische Truppen am 1. April 1945 begab er sich nach seinen Angaben mit dem Fahrrad auf den Heimweg nach T. Am 3. April 1945 trat er am R in D auf eine Mine und erlitt dadurch zahlreiche Verletzungen, insbesondere an den Beinen.
Wegen der Folgen des Unfalls erhält der Kläger zu 2) vom belgischen Staat eine Rente.
Im Jahre 1960 beantragte der Kläger zu 1) unter Bezugnahme auf das deutsch-belgische Sozialversicherungsabkommen, eine Unfallrente aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Er machte geltend, der Kläger zu 2) sei im Zeitpunkt des Unfalls auf dem Weg von der Arbeit zu seinem Wohnsitz in Belgien gewesen.
Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 10. August 1966 Entschädigungsansprüche aus Anlaß des Unfalls vom 3. April 1945 ab. Zur Begründung führte sie aus: Das Arbeitsverhältnis in der Tischlerei in R sei mit der Heimfahrt nach Belgien am 31. März 1945 beendet gewesen. Der Unfall am 3. April 1945 sei durch Kriegshandlungen, nämlich eine Minenexplosion, verursacht worden. Zu diesem Zeitpunkt habe mit Sicherheit kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden. Die Voraussetzungen für einen Wegeunfall (§ 550 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) seien nicht gegeben. Selbst wenn das aber der Fall sein würde, wären Ansprüche gegen die gesetzliche Unfallversicherung ausgeschlossen, weil für schädigende Ereignisse im Zeitraum vom 1. Januar 1942 bis zum 8. Mai 1945, die sich zugleich als Unfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung darstellten, nur Ansprüche nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) gegeben seien (§ 54 BVG).
Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteile des Sozialgerichts - SG - Detmold vom 10. Juli 1968 und des Landessozialgerichts - LSG - Nordrhein-Westfalen vom 30. November 1971). Das LSG hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Ein Unfallversicherungsschutz hätte für den Kläger zu 2) nur bestanden, wenn sich der Unfall auf einem mit der Tätigkeit in der Tischlerei zusammenhängenden Weg nach seiner Familienwohnung ereignet hätte. Fraglich sei schon, ob der Kläger zu 2) die R in D nicht aus eigenwirtschaftlichen Gründen betreten habe, um eine Ruhepause einzulegen oder eine Mahlzeit einzunehmen. Das könne aber dahinstehen. Es beständen auch Zweifel darüber, ob er sich auf dem Weg zu seinem Elternhaus befunden habe. Es sei nicht von der Hand zu weisen, daß er - 25 Jahre alt - in irgendeine andere belgische Stadt habe fahren wollen, um sich dort eine Existenz aufzubauen. Schließlich sei die Wohnung seiner Eltern in T nicht mehr seine Familienwohnung gewesen. Es hätten zu seinen Eltern nur noch lockere Beziehungen bestanden; er habe dort nicht mehr den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen gehabt.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Kläger haben das Rechtsmittel eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Der Weg von der Arbeitsstätte zur Familienwohnung stehe mit der versicherten Tätigkeit immer dann im ursächlichen Zusammenhang, wenn der Arbeitnehmer gezwungen sei, seinen Arbeitsplatz zu verlassen, und auf dem Weg zur Familienwohnung verunglücke. Ausländische Zwangsarbeiter seien auf allen Wegen, die unmittelbar oder mittelbar dem Ziel der Rückkehr in die Heimat dienten, unfallversicherungsrechtlich geschützt. Die Wohnung der Eltern in T sei für den Kläger zu 2) nach wie vor der Mittelpunkt seines Lebens gewesen. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, daß er aus eigenwirtschaftlichen Gründen von dem Weg nach T abgewichen sei.
Die Kläger beantragen,
die angefochtenen Urteile aufzuheben und nach den Schlußanträgen der 2. Instanz zu erkennen,
hilfsweise,
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Sie trägt in der mündlichen Verhandlung unter Bezug auf das Urteil des erkennenden Senats vom 27. April 1972 (2 RU 121/71) vor, daß der dort erwähnte Erlaß des Reichsarbeitsministers (RAM) über die Unfallversicherung ausländischer Arbeitskräfte während des Transports vom 26. September 1942 (AN 1942, 512) in der Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung vom 13. Februar 1939 (RGBl I, 206) keine hinreichende Rechtsgrundlage habe; diese Verordnung gelte nur für Deutsche. Der Erlaß vom 26. September 1942 bestimme zudem, daß Leistungen ausländischer Versicherungsträger aus Anlaß desselben Unfalls anzurechnen seien. Dem Kläger zu 2) könne daher Rente aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung nur insoweit gewährt werden, als sie über das hinausgehe, was der Kläger zu 1) leiste. Da der Kläger zu 2) einen Leistungsanspruch allenfalls aufgrund des Erlasses vom 26. September 1942 habe, seien ihr die entstehenden Kosten nach Nr. 4 des Erlasses von dem Rechtsnachfolger des Reichsstocks für Arbeitseinsatz zu erstatten. Dieser hätte daher zum Verfahren beigeladen werden müssen. Ein Entschädigungsanspruch des Klägers zu 2) aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung sei aber durch § 54 BVG ausgeschlossen. Denn wenn eine Schädigung im Sinne des BVG zugleich ein Unfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sei, so bestehe nur ein Anspruch nach dem BVG, wenn das Ereignis zwischen dem 1. Januar 1942 und 8. Mai 1945 eingetreten sei. Das treffe hier zu. Zwar sei das BVG nach § 7 Abs. 2 BVG nicht auf Kriegsopfer anzuwenden, die aus derselben Ursache einen Anspruch auf Versorgung gegen einen anderen Staat besitzen, jedoch sei diese Vorschrift verfassungswidrig. Sie verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz (GG). Denn während Deutsche bei einem Arbeitsunfall, der zugleich ein schädigendes Ereignis im Sinne des BVG ist, sich auf die Leistungen der Kriegsopferversorgung verweisen lassen müßten, hätten Ausländer Anspruch auf die höheren Leistungen der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung. Im übrigen sei es vom Kläger zu 1) arglistig, Leistungen aus der Unfallversicherung zu fordern, wenn es zutreffen sollte, daß er wegen desselben Unfalls bereits aufgrund des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien über Kriegsopferversorgung vom 21. September 1962 (BGBl 1964 II, 455) Entschädigungsleistungen erhalten habe.
II.
Die zulässige Revision ist insoweit begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen ist.
Die Frage, ob die Voraussetzungen für den mit der Klage geltend gemachten Anspruch erfüllt sind, ist nach den deutschen Rechtsvorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung zu beurteilen. Sowohl nach der Verordnung Nr. 3 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer vom 25. September 1958 (BGBl 1959 II 473 - EWG-VO Nr. 3 - vgl. Art. 12) als auch nach dem allgemeinen Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien über Soziale Sicherheit vom 7. Dezember 1957 (BGBl 1963 II 404 - Allgemeines Abkommen) unterliegen die Arbeitnehmer den Rechtsvorschriften des Mitglieds- bzw. Vertragsstaates, in welchem sie beschäftigt sind oder waren. Es kann deshalb dahinstehen, ob die EWG-VO Nr. 3 (vgl. Art. 4) mit der in den Anhang D aufgenommenen 3. Zusatzvereinbarung zum Allgemeinen Abkommen vom 7. Dezember 1957 (BGBl 1963 II 438 - 3. ZV; vgl. Art. 6 Abs. 2 Buchst. e, Art. 5 Buchst. a EWG-VO Nr. 3) oder ob das Allgemeine Abkommen iVm der 3. ZV anzuwenden ist.
Der Kläger zu 2) gehörte bei seiner Beschäftigung in Recklinghausen während des 2. Weltkrieges zu dem Kreis der gegen Arbeitsunfall versicherten Personen. Er war aufgrund eines Arbeitsverhältnisses i.S. des - im Unfallzeitpunkt geltenden und deshalb hier maßgebenden - § 537 Nr. 1 RVO idF des Sechsten Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung vom 9. Februar 1942 (RGBl I 107 - RVO aF -) tätig. Das den Versicherungsschutz begründende Beschäftigungsverhältnis war mit dem Verlassen der Arbeitsstelle durch den Kläger zu 2) mit der Besetzung der Stadt Recklinghausen am 1. April 1945 beendet.
Wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 27. April 1972 - 2 RU 121/71 - SozR Nr. 1 zu RAM Erl. II b 2214/42 A vom 26. September 1942), genossen nach Nr. 1 Satz 1 des Erlasses des RAM über die Unfallversicherung ausländischer Arbeitskräfte während des Transports vom 26. September 1942 - II b 2214/42 A - (AN 1942, 512) die mit Zustimmung der Arbeitseinsatzverwaltung für eine Beschäftigung im Deutschen Reich, im Generalgouvernement oder in den besetzten Gebieten angeworbenen ausländischen Arbeiter schon während der Beförderung zur ersten Arbeitsstelle und noch während der Rückbeförderung den Schutz der Reichsunfallversicherung nach den Vorschriften über die Entschädigung von Unfällen auf dem Wege von und zur Arbeitsstätte. Dieser Erlaß beruht auf der Ermächtigung des § 9 der Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung vom 13. Februar 1939 (RGBl I 206) und ist, wie der Senat bereits im Urteil vom 27. April 1972 (aaO) ausgesprochen hat, unter Berücksichtigung der damaligen staatsrechtlichen Gegebenheiten als eine ausreichende Rechtsgrundlage für den Unfallversicherungsschutz - nur darauf kommt es hier an - der von ihm erfaßten Personen anzusehen.
Nr. 1 Satz 1 des Erlasses des RAM vom 26. September 1942 (aaO) umfaßt nach seinem Wortlaut allerdings nur die "angeworbenen" ausländischen Arbeiter, nicht auch diejenigen, die aufgrund einer Dienstverpflichtung beschäftigt waren. Die zwangsweise Beschäftigung belgischer Staatsangehöriger stützte sich auf die Anordnung Nr. 10 des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz über den Einsatz von Arbeitskräften der besetzten Gebiete vom 22. August 1942 (RABl I 1942, 382) i.V.m. der 6. Verordnung des Militärbefehlshabers Belgien über die Sicherstellung des Kräftebedarfs für Arbeiten von besonderer Bedeutung vom 6. Oktober 1942 (VOBl. des Militärbefehlshabers in Belgien und Nordfrankreich 1942, 1059). Es ist deshalb davon auszugehen, daß der RAM in seinem Erlaß vom 26. September 1942 (aaO) die - später - zwangsweise in Deutschland beschäftigten belgischen Arbeitskräfte nicht vom Versicherungsschutz bei der Beförderung zur ersten Arbeitsstelle und der Rückbeförderung ausnehmen wollte. Dagegen spricht vor allem, daß alle mit Genehmigung der Arbeitseinsatzbehörden in Deutschland Beschäftigten und damit auch die zwangsweise zur Arbeit herangezogenen Ausländer dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterstellt waren. In den Erlassen nach Oktober 1942 fehlt deshalb auch eine Unterscheidung zwischen angeworbenen und zwangsweise zur Arbeit herangezogenen Ausländern (vgl. Erlaß des RAM vom 18. Mai 1943 - AN 1943, 231; Runderlaß des RdI vom 3. Dezember 1943 - AN 1944, 41). In dem Erlaß des RAM vom 18. Mai 1943 ist bestimmt, daß der Erlaß vom 26. September 1942 über die Unfallversicherung ausländischer Arbeitskräfte während des Transports auch für die Entschädigung von Unfällen gilt, die bei Urlaubsreisen ausländischer Arbeitskräfte während der Beförderung zwischen dem Beschäftigungsort und ihrem Heimatort eintreten, wenn der Urlaub vom Arbeitsamt genehmigt ist. Hier wird nicht mehr zwischen angeworbenen und zwangsverpflichteten Ausländern unterschieden. Der Erlaß des RAM vom 26. September 1942 (aaO) ist deshalb entsprechend auch auf dienstverpflichtete Ausländer anzuwenden, so daß nicht festgestellt zu werden brauchte, ob der Kläger zu 2) während der hier maßgebenden Tätigkeit angeworbener oder zwangsverpflichteter Arbeiter war.
Eine Leistungspflicht der Beklagten ist nicht deshalb der Höhe nach begrenzt oder ausgeschlossen, weil nach Nr. 1 Satz 3 des Erlasses vom 26. September 1942 (aaO) Leistungen ausländischer Versicherungsträger aus Anlaß desselben Unfalls anzurechnen sind und der Kläger zu 2) wegen des Unfalls vom 3. April 1945 Leistungen vom Kläger zu 1) erhält. Diese Leistungen beruhen auf den belgischen Rechtsvorschriften über Entschädigungsrenten für zivile Opfer des Krieges 1940 bis 1945 und ihrer Hinterbliebenen vom 15. März 1954. Sie haben kein Versicherungsverhältnis zur Voraussetzung, sondern stellen eine Versorgung dar. Der Kläger zu 1) erbringt die Leistungen daher nicht als Versicherungsträger.
Wenn auch der Kläger zu 2) wegen des Unfalls vom 3. April 1945 beim Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen einen Entschädigungsanspruch ausschließlich aufgrund des Erlasses des RAM vom 26. September 1942 (aaO) haben würde und daher nach Nr. 4 des Erlasses ein Ersatzanspruch der Beklagten gegen den Rechtsnachfolger des Reichsstocks für Arbeitseinsatz bestehen könnte, erfordert dies nicht notwendig dessen Beiladung nach § 75 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Denn der Ersatzanspruch der Beklagten ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Die Entscheidung über den Anspruch auf Entschädigung wegen des Unfalls vom 3. April 1945 stellt für den möglichen Ersatzanspruch der Beklagten nur eine Vorfrage dar. Es ist daher entgegen der Ansicht der Beklagten kein wesentlicher Verfahrensmangel, daß der Rechtsnachfolger des Reichsstocks für Arbeitseinsatz zum Verfahren nicht beigeladen ist.
Ein Entschädigungsanspruch aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist auch nicht durch § 54 BVG ausgeschlossen. Die Anwendung dieser Vorschrift, nach der bei einem schädigenden Ereignis, das sich in der Zeit vom 1. Januar 1942 bis zum 8. Mai 1945 ereignet hat und das zugleich eine Schädigung i.S. des BVG und ein Arbeitsunfall i.S. der gesetzlichen Unfallversicherung ist, nur Anspruch nach dem BVG besteht, setzt voraus, daß ein Anspruch nach dem BVG nicht schon aus anderen Gründen entfällt (vgl. Bescheid des BAM vom 17. Dezember 1952 - BVBl 1953, 4). Wie die Beklagte selbst vorträgt, wird das BVG nach § 7 Abs. 2 BVG auf solche Kriegsopfer nicht angewendet, die aus derselben Ursache Anspruch auf Versorgung gegen einen anderen Staat besitzen, es sei denn, daß zwischenstaatliche Vereinbarungen etwas anderes bestimmen. Der Kläger zu 2) erhält wegen des Unfalls vom 3. April 1945 Versorgung vom belgischen Staat. Zwischenstaatliche Vereinbarungen, die etwas anderes als § 7 Abs. 2 BVG bestimmen, bestehen nicht. Der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien geschlossene Vertrag über Kriegsopferversorgung vom 21. September 1962 (BGBl 1964 II, 455) gilt nur für die aus den belgischen Ostgebieten stammenden Kriegsopfer, die zum Dienst in der deutschen Wehrmacht zwangsweise verpflichtet worden waren. Zu diesen Personen gehört der Kläger zu 2) nicht. Er war Zivilarbeiter und nicht Soldat in der deutschen Wehrmacht. Schon damit entfällt auch der von der Beklagten gegenüber dem Kläger zu 1) erhobene Vorwurf der Arglist seines Leistungsbegehrens. Zu Unrecht hält die Beklagte § 7 Abs. 2 BVG für verfassungswidrig, weil er Ausländer gegenüber Deutschen begünstige und daher gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG verstoße. Diese Auffassung wird vom Senat nicht geteilt. Die Anwendung des § 7 Abs. 2 BVG ist nicht auf Ausländer beschränkt; er gilt nämlich für alle in § 7 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BVG aufgeführten Personen: Deutsche und deutsche Volkszugehörige sowie andere Kriegsopfer, wozu Ausländer und Staatenlose gehören. Zweck der Vorschrift ist es, eine Doppelversorgung aus demselben Anlaß zu vermeiden. Eine solche Regelung war nicht nur geboten, sondern ist auch verfassungsrechtlich zulässig.
Bei dem nach dem Erlaß des RAM vom 26. September 1942 (aaO) zu beurteilenden Unfall kommt es nicht darauf an, ob der Kläger zu 2) in Belgien noch eine Familienwohnung i.S. des § 543 Abs. 1 Satz 2 RVO aF hatte. Zwar begründet Nr. 1 des Erlasses Versicherungsschutz "nach den Vorschriften über die Entschädigung von Unfällen auf dem Wege von und zur Arbeitsstätte". Damit waren jedoch nur die gesetzlichen Voraussetzungen für den Versicherungsschutz gemeint, die außerdem erfüllt sein mußten, um den Versicherungsschutz auf dem Weg zwischen dem Ort der Beschäftigung und dem Heimatort zu begründen, insbesondere der Kausalzusammenhang zwischen dem Weg und der versicherten Tätigkeit. Dazu zählte jedoch nicht das Vorhandensein einer Familienwohnung. Sonst wäre der Erlaß hinsichtlich des Versicherungsschutzes während des Rückweges überflüssig gewesen; denn § 543 Abs. 1 Satz 2 RVO aF galt auch für ausländische Arbeitskräfte, die während des 2. Weltkrieges in Deutschland beschäftigt waren. Ebenso setzte der Erlaß vom 18. Mai 1943 (aaO) für den Versicherungsschutz auf Urlaubsreisen zwischen dem Beschäftigungsort und dem Heimatort nicht voraus, daß am Heimatort eine Familienwohnung weiter bestanden hat.
Nach "den Vorschriften über die Entschädigung von Unfällen auf dem Wege von und zur Arbeitsstätte", die nach Nr. 1 des Erlasses vom 26. September 1942 (aaO) zu beachten waren, mußte jedoch - wie auch nach den nunmehr geltenden Vorschriften - ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Weg von der Arbeitsstätte - hier dem Weg nach Belgien - bestehen. Ob der Kläger zu 2) nach Beendigung seiner Tätigkeit in Recklinghausen den Rückweg nach Belgien ohne eine den ursächlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Weg von dem Ort der Tätigkeit endgültig lösende Unterbrechung angetreten und auch fortgesetzt hat, ist vom LSG nicht festgestellt worden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß eine endgültige Lösung - ohne Rücksicht auf die zeitliche Dauer einer Unterbrechung - nicht eintritt, wenn die Verzögerung auf Umständen beruht, die vom Willen des Versicherten unabhängig sind (EuM 48, 362, 363). Deshalb würde dem Versicherungsschutz auf dem Rückweg nicht entgegenstehen, daß der Kläger zu 2) etwa wegen der mit den Kriegsereignissen zusammenhängenden Umstände nur langsam und nicht auf direktem Wege nach Belgien vorankam. Es mangelt auch an tatsächlichen Feststellungen darüber, welche Tätigkeit der Kläger zu 2) im Zeitpunkt des Unfalls ausgeübt und ob es sich dabei um eine den Versicherungsschutz ausschließende eigenwirtschaftliche Verrichtung gehandelt hat. Die Ausführungen des LSG, es dürfte feststehen, daß der Weg nach Belgien nicht über die Rheinböschung führen mußte und es deshalb nahe liege, daß der Kläger zu 2) die Rheinböschung aufgesucht habe, um dort eine Ruhepause einzulegen, eine Mahlzeit einzunehmen oder andere denkbare private - und daher unversicherte - Verrichtungen auszuführen, stellen keine Feststellungen von Tatsachen, sondern lediglich Vermutungen dar. Das LSG wird daher, etwa durch Anhörung des Klägers zu 2) oder durch die Vernehmung noch zu benennender Zeugen aufzuklären haben, wie der Rückweg des Klägers zu 2) in die Heimat bis zum Unfall vonstatten gegangen ist, insbesondere bei welcher Gelegenheit sich der Unfall ereignet hat.
Die Zuständigkeit der Beklagten für eine etwaige Entschädigung der Kläger ist nicht zweifelhaft. Nach Nr. 2 Satz 1 des Erlasses vom 26. September 1942 (aaO) richtet sich die Zuständigkeit bei Unfällen während der Rückbeförderung nach dem Unternehmen, in dem der Verletzte vor Antritt der Rückreise zuletzt beschäftigt war.
Da das Revisionsgericht wegen der fehlenden tatsächlichen Feststellungen über die Ansprüche der Kläger nicht abschließend entscheiden konnte, war das Urteil des LSG gemäß § 170 Abs. 2 SGG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden hat.
Fundstellen