Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausgleichsabgabe nach Schwerbehindertengesetz. Anrechnung eines Pflichtplatzes für Schwerbehinderte. Arbeitgeber, Pflichtplatz für Schwerbehinderte für –. Einzelunternehmer, Anrechnung eines schwerbehinderten – auf Pflichtplatz für Schwerbehinderte. Geschäftsführer, Pflichtplatz für schwerbehinderten – einer GmbH. Gesellschafter, Pflichtplatz für schwerbehinderten – einer GmbH. Pflichtplatz, Anrechnung des schwerbehinderten Geschäftsführers einer GmbH auf – für Schwerbehinderte. Organ, Anrechnung des – einer juristischen Person auf Pflichtplatz für Schwerbehinderte. Schwerbehinderter, Anrechnung auf Pflichtplatz für –

 

Leitsatz (amtlich)

Ein schwerbehinderter Geschäftsführer einer GmbH wird jedenfalls dann nicht auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 7 Abs. 1 SchwbG beschäftigt, wenn er zugleich Gesellschafter der GmbH mit einem Anteil vom 50 v.H. ist.

Arbeitgeber im Sinne des § 9 Abs. 3 SchwbG sind nur (schwerbehinderte) Einzelunternehmer, nicht hingegen (schwerbehinderte) Personen, die als Organ (oder als Organmitglied) einer juristischen Person Arbeitgeberfunktionen ausüben. Diese Auslegung ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (wie BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1994 – BVerwG 5 C 44.92 – ≪Buchholz 436.61 § 9 SchwbG Nr. 1≫).

 

Normenkette

SchwbG F. 1986 § 7; SchwbG F. 1986 § 9 Abs. 1; SchwbG F. 1986 § 9 Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Hessischer VGH (Urteil vom 10.10.1996; Aktenzeichen 9 UE 638/95)

VG Wiesbaden (Entscheidung vom 27.01.1995; Aktenzeichen 2/VE 110/93)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Oktober 1996 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

 

Tatbestand

I.

Die klagende GmbH wendet sich dagegen, daß der Beklagte bei der Berechnung der Ausgleichsabgabe nach dem Schwerbehindertengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1986 (BGBl I S. 1421, ber. S. 1550) – SchwbG – für das Erhebungsjahr 1991 ihren schwerbehinderten Geschäftsführer nicht auf einen Pflichtplatz für Schwerbehinderte angerechnet hat.

Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Anfechtungsklage gegen den Heranziehungsbescheid vom 6. November 1992 und den Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 1993 hatte in beiden Rechtszügen keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Zurückweisung der Berufung im wesentlichen wie folgt begründet:

Der schwerbehinderte Geschäftsführer der Klägerin, der nach eigenen Angaben zu gleichen Teilen mit seinem Sohn Gesellschafter der Klägerin sei, sei weder nach § 9 Abs. 1 noch nach § 9 Abs. 3 SchwbG auf einen Pflichtplatz anzurechnen. Die von einem Geschäftsführer einer GmbH wahrzunehmenden Arbeitgeberfunktionen schlössen es aus, den Geschäftsführer als „auf einem Arbeitsplatz beschäftigt” anzusehen. Auch eine Anrechnung gemäß § 9 Abs. 3 SchwbG komme nicht in Betracht, da diese Vorschrift nur Arbeitgeber als natürliche Personen, nicht hingegen „arbeitgebergleiche Personen”, die Arbeitgeberfunktionen wahrnähmen, erfasse. Diese Abgrenzung des Kreises der von den Anrechnungsregelungen des Schwerbehindertengesetzes begünstigten Personen sei willkürfrei und liege im Rahmen der dem Gesetzgeber zukommenden Gestaltungsfreiheit.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie ihren Aufhebungsantrag weiterverfolgt. Sie rügt Verletzung des § 9 Abs. 3 SchwbG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Auffassung des Berufungsgerichts.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin, über die der Senat nach § 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist unbegründet, so daß sie zurückzuweisen ist (§ 144 Abs. 2 VwGO).

Die das Berufungsurteil tragende Auslegung des § 9 Abs. 3 SchwbG verletzt Bundesrecht nicht. Sie stimmt überein mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 30. September 1992 – 11 RAr 79/91 – ≪SozR 3 – 3870 § 9 SchwbG Nr. 2≫), der sich der erkennende Senat in seinem Urteil vom 24. Februar 1994 – BVerwG 5 C 44.92 – (Buchholz 436.61 § 9 SchwbG Nr. 1 = AP Nr. 1 zu § 7 SchwbG 1986 = NJW-RR 1994, 1252 = DVBl 1994, 1300 = ZfSH/SGB 1994, 642) mit eingehender Begründung angeschlossen hat. Das Vorbringen der Revision zeigt keine Gesichtspunkte auf, die nicht bereits in der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung gewürdigt worden sind.

Ausdrücklich offengelassen hat der erkennende Senat, ob ein schwerbehinderter sogenannter Fremdgeschäftsführer (ohne eigene Gesellschafterstellung) einen Arbeitsplatz im Sinne des § 7 Abs. 1 SchwbG einnimmt und deshalb nach § 9 Abs. 1 SchwbG auf einen Pflichtplatz angerechnet werden könnte (bejahend LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Dezember 1995 – L 3 Ar 2276/93 – sowie Dörner, SchwbG, Anm. IV zu § 9), ebenso, ob eine entsprechende Beurteilung bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer mit geringer Beteiligung und ohne maßgeblichen Einfluß in Betracht kommen könnte (vgl. hierzu HessVGH, Urteil vom 19. September 1996 – 9 UE 3009/94 – ≪NZA 1997, 658 = ZfSH/SGB 1997, 226≫). Diese Fragen bedürfen auch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Denn der Geschäftsführer der Klägerin ist nach den nach Maßgabe des § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts zu gleichen Teilen mit seinem Sohn Gesellschafter der Klägerin und hat infolge seiner Arbeitgeberfunktion nicht nur unmaßgeblichen Einfluß auf die Führung des Betriebs.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.

 

Unterschriften

Dr. Säcker, Dr. Pietzner, Schmidt, Dr. Rothkegel, Dr. Franke

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1212093

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