[1] Ein sofortiges Krankenkassenwahlrecht bedeutet, dass eine wahlberechtigte Person eine neue Krankenkasse ohne Kündigung und ohne Rücksicht auf die Dauer der Mitgliedschaft bei der bisherigen Krankenkasse wählen darf. Keiner Kündigung bedarf es immer dann, wenn die Mitgliedschaft kraft Gesetzes endet (§§ 190 und 191 SGB V). Wird anschließend ein neuer Tatbestand der Versicherungspflicht oder der Versicherungsberechtigung begründet, besteht ein sofortiges Krankenkassenwahlrecht aus Anlass dieser Veränderung im versicherungsrechtlichen Status. Mit der Beendigung der Mitgliedschaft kraft Gesetzes erlischt die bisherige 12-monatige Bindung des Mitglieds an die bisherige Krankenkasse (vgl. Abschnitt 8.3). Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 175 Abs. 4 Satz 2 SGB V in der ab dem 1.1.2021 geltenden Fassung. Die eventuell bestehenden Mindestbindungsfristen für Wahltarife (vgl. Abschnitt 8.5) spielen im Falle der Beendigung der Mitgliedschaft kraft Gesetzes ebenso keine Rolle.
[2] Aufgrund der Gesetzesänderung entfällt ab dem 1.1.2021 die aus der Rechtsprechung des BSG resultierende Unterscheidung der rechtlichen Voraussetzungen des Krankenkassenwahlrechts danach, ob ein neuer Tatbestand der Versicherungspflicht bzw. der Versicherungsberechtigung nach einer Unterbrechung der Mitgliedschaft eintritt oder sich nahtlos an die vorangegangene Mitgliedschaft anschließt. In beiden Fallkonstellationen besteht ein neues Wahlrecht ohne Rücksicht darauf, wie lange die Mitgliedschaft bei der bisherigen Krankenkasse bestanden hat. Nach diesem Grundsatz sind alle Sachverhalte zu bewerten, in denen ein neuer Tatbestand der Versicherungspflicht bzw. der Versicherungsberechtigung nach dem 31.12.2020 eintritt. Hierbei ist es ohne Bedeutung, ob eine entsprechende Wahlerklärung bei der gewählten Krankenkasse nach oder bis zum 31.12.2020 eingeht.
[3] Die einheitlichen Grundsätze zur Ausübung des sofortigen Krankenkassenwahlrechts gelten für Versicherungspflichtige und für Versicherungsberechtigte gleichermaßen. Hinsichtlich der Frage, ob bei Beginn einer neuen Mitgliedschaft ein Krankenkassenwahlrecht einzuräumen ist, kommt es regelmäßig auf den Status weder der künftigen noch der vorangegangenen Mitgliedschaft an. Entscheidend in diesem Kontext ist ausschließlich der Umstand, dass eine vorangegangene Mitgliedschaft kraft Gesetzes endet; die Sonderregelungen zur Mitgliedschaft nach § 188 Abs. 4 SGB V und zur Auffang-Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB V bleiben unberührt (vgl. folgende Ausführungen).
[4] Entsprechend diesem Grundsatz ist ein Krankenkassenwahlrecht nicht nur dann einzuräumen, wenn Zeiten der Versicherungspflicht unmittelbar aneinander anschließen oder nach einer Unterbrechung der Mitgliedschaft aufeinanderfolgen; ein sofortiges Wahlrecht ist vielmehr auch dann gegeben, wenn eine Zeit der Versicherungspflicht sich unmittelbar an eine zuvor kraft Gesetzes (hier: § 191 Nr. 2 SGB V) beendete freiwillige Mitgliedschaft anschließt (z.B. Eintritt der Versicherungspflicht bei Unterschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze). In Erweiterung dieses Grundsatzes ist ein sofortiges Wahlrecht ohne Rücksicht auf die Bindungsfristen auch bei der Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft durch Kündigung wegen der Begründung einer Familienversicherung bzw. einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung und einem anschließenden Eintritt der Versicherungspflicht oder Versicherungsberechtigung nach § 9 SGB V einzuräumen.
[5] Kein sofortiges Krankenkassenwahlrecht besteht dagegen aus Anlass der Begründung der obligatorischen Anschlussversicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V. Schließt sich also eine freiwillige Mitgliedschaft nach § 188 Abs. 4 SGB V unmittelbar an eine zuvor kraft Gesetzes beendete Versicherungspflicht oder eine Familienversicherung an, bleibt die betroffene Person kraft Gesetzes Mitglied der Krankenkasse, bei der zuletzt eine Versicherung bestanden hat. Ein Krankenkassenwahlrecht kann in diesen Fällen nur dann eingeräumt werden, wenn die anschließende freiwillige Mitgliedschaft nicht im Rahmen der obligatorischen Anschlussversicherung, sondern im Zuge eines Beitritts nach § 9 SGB V (bei Erfüllung der Vorversicherungszeit nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 SGB V) bei einer anderen Krankenkasse begründet werden soll (vgl. Abschnitt 4.3.2.2). Außerdem ist ein sofortiges Krankenkassenwahlrecht aus Anlass des Beginns der Auffang-Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB V nach Maßgabe des § 174 Abs. 3 SGB V ausgeschlossen.
[6] Bei unmittelbar aufeinanderfolgenden Mitgliedschaften Versicherungspflichtiger knüpft das sofortige Krankenkassenwahlrecht nur an die Voraussetzung an, dass die vorangegangene Mitgliedschaft kraft Gesetzes endet. Aus welchem Grund die bisherige Mitgliedschaft endet, ist dagegen irrelevant. Es spielt daher auch keine Rolle, wenn die an die Versicherungspflicht geknüpften Voraussetzungen zwar weiterhin vorliegen, d...