Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag
Leitsatz (amtlich)
Bei vollständigem Vorliegen eines Prozesskostenhilfeantrages bedeutet eine Entscheidung über die Prozesskostenhilfe erst nach Erlass eines die Instanz abschließenden Urteils eine pflichtwidrige Verzögerung. Es liegt damit eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Gebotes einer weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes vor. Die im Prozesskostenhilfeverfahren umstrittene Frage nach dem richtigen Zeitpunkt der Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussicht insbesondere, wenn bereits eine für den Kläger/Antragsteller negative und die Instanz abschließende Entscheidung ergangen oder das Verfahren auf andere Weise beendet worden ist (vgl LSG Erfurt vom 22.10.2001 - L 2 B 5/00 KN, OLG Schleswig vom 12.3.2001 - 2 W 167/00 = OLGR Schleswig 2001, 340, LArbG Hamm vom 30.3.2001 - 4 Ta 693/00, OLG Hamm vom 17.3.2004 - 11 WF 4/04 = OLGR Hamm 2004, 280, LSG Bremen vom 6.11.1997- L 5 BR 21/94), spielt jedenfalls dann keine Rolle, wenn das erstinstanzliche abweisende Urteil vom Kläger/Antragsteller mit der Berufung angefochten ist und vom Beschwerde/Berufungsgericht die hinreichende Erfolgsaussicht zu jedem maßgeblichen Zeitpunkt (Antragstellung, Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrages in erster Instanz, Schluss mit der mündlichen Verhandlung der ersten Instanz, erstinstanzliche Entscheidung, Entscheidungsreife des Beschwerdeverfahrens, Beschwerdeentscheidung) bejaht wird.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichtes Marburg vom 6. Oktober 2004 aufgehoben.
Dem Kläger wird für das vor dem Sozialgericht Marburg unter dem Aktenzeichen S 8 AL 862/03 geführte Verfahren Prozesskostenhilfe ab Antragstellung unter Beiordnung von Rechtsanwalt B., A-Stadt, bewilligt.
Tatbestand
Im zugrunde liegenden Rechtsstreit ist die Rechtmäßigkeit einer Sperrzeit von drei Wochen (5. bis 25. August 2003) streitig.
Der 1952 geborene Kläger hat nach seinen Angaben über den zweiten Bildungsweg die mittlere Reife abgelegt und war sodann in verschiedenen Berufen tätig. Von Januar 1984 bis Dezember 1985 absolvierte er eine Ausbildung zum Schreiner. Im März 1992 legte er die Ausbildereignungsprüfung ab. Er war Miteigentümer eines Transportunternehmens in B, Betreuer in einer Kindertagesstätte, Miteigentümer eines regionalen Kulturzentrums in Spanien, arbeitete als Schreiner in verschiedenen Betrieben, war ca. drei Jahre in Nicaragua berufstätig, arbeitete zwei Jahre als Ausbilder und Werkstattleiter im Bereich Schreinerei für sozial benachteiligte Jugendliche, seit 1996 führte er Holzprojekte mit jungen Leuten in der Berufsorientierung und ABH (ausbildungsbegleitende Hilfen) bei "Arbeit und Bildung" in M. durch und war Kursleiter an der Volkshochschule (VHS) für Spanisch. Von Oktober 1994 bis März 2001 studierte der Kläger Ethnologie mit den Nebenfächern Pädagogik, Soziologie, Hispanistik. Im März 2001 erlangte er den Grad eines Magisters mit der Gesamtnote "gut". Der Kläger war zuletzt vor dem hier streitigen Zeitraum vom 15. Juni 2002 bis zum 14. Juni 2003 als Angestellter bei dem Landkreis M. im Rahmen einer Beschäftigungsmaßnahme (25 Stunden wöchentlich) beschäftigt. Das letzte Bruttomonatseinkommen betrug ca. Euro 1.660,-. Ab 15. Juni 2003 bezog der Kläger Arbeitslosengeld in Höhe von wöchentlich Euro 182,35 (Bemessungsentgelt Euro 395,- wöchentlich, Leistungsgruppe B, Kindermerkmal 1, Anspruchsdauer 180 Tage). Der Kläger war schon vorher als Dozent bei der Volkshochschule nebenberuflich beschäftigt. Mit Schreiben vom 18. Juni 2003, das in den Verwaltungsakten nicht enthalten ist, bot die Beklagte dem Kläger eine Trainingsmaßnahme "Fit für den Job" bei dem Träger "X. - Der Baustein für Ihre Bildung" ab 30. Juni 2003 (Dauer 8 Wochen) an. Der Kläger widersprach dem Angebot u.a. mit der Begründung, dass diese Trainingsmaßnahme für ihn nicht relevant sei. Seit über 10 Jahren sei er als Honorarkraft bei Beschäftigungsfirmen aktiv und leite u.a. ABH und Berufsorientierungsmaßnahmen, so dass er den Jugendlichen und jungen Erwachsenen selber ähnliche Inhalte vermittelt habe. Leider sei hier keine feste Stelle in Aussicht. Außerdem habe er eine BSHG-Maßnahme von 25 Wochenstunden absolviert und damit schon gezeigt, dass er mit seinem 4-jährigen Sohn organisationsfähig sei. Auch würde das Praktikum in eine Zeit fallen, in der er von der VHS M. für die Sommersprachkurse als Sprachlehrer für Spanisch vorgesehen sei. Er sei sich sehr wohl bewusst, dass er dann für diese Zeit keine Leistungen des Arbeitsamtes in Anspruch nehmen könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 2003 verwarf die Beklagte den Widerspruch als unzulässig, da es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern lediglich um eine Information gehandelt habe. Der Kläger begann sodann die Trainingsmaßnahme. Per e-Mail vom 1. Juli 2003 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass die Trai...