Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. altersbedingte Makuladegeneration. Vorliegen einer allgemein anerkannten, medizinischen Standards entsprechenden Behandlung (hier: epimakuläre Brachytherapie). einstweiliger Rechtsschutz
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage des Vorliegens einer allgemein anerkannten, medizinischen Standards entsprechenden Behandlung bei altersbedingter Makuladegeneration im einstweiligen Rechtsschutzverfahren.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 2. Juli 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch im Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um die Versorgung der Antragstellerin mit der außervertraglichen Behandlungsmethode epimakuläre Brachytherapie im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die 1944 geborene und bei der Antragsgegnerin versicherte Antragstellerin leidet an einer feuchten altersbedingten Makuladegeneration (AMD) beider Augen. An dem austherapierten rechten Auge besteht eine Sehminderung auf mittlerweile Fingerzählen. Am linken Auge wird die Antragstellerin mit intravitrealen Lucentis-Injektionen (Antikörper, die Gefäßwachstumshormone aus dem erkrankten Auge binden) versorgt, zuletzt am 22. April 2013, und es besteht ein Visus von 0,6 (letzte Kontrolluntersuchung am 27. Juni 2013).
Am 7. November 2011 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin die Kostenübernahme für eine epimakuläre Brachytherapie am linken Auge mit dem Behandlungssystem Vidion. Bei der epimakulären Brachytherapie wird mittels eines kurzen (ambulanten) operativen Eingriffs eine mikroskopisch kleine Strahlenquelle mit einem dünnen Strahlenstift gezielt bis zur beschädigten Stelle an der Netzhaut vorgeschoben und eine radioaktive Beta-Strahlung abgegeben. Die Beta-Strahlung zerstört dabei die bei der feuchten AMD wuchernden Endothel-, Bindegewebs- und Entzündungszellen. Mitte des Jahres 2013 stellte die in den USA ansässige Herstellerfirma die Produktion des Therapiesystems ein. Zur Bestätigung ihres Vorbringens legte die Antragstellerin u.a. eine Stellungnahme von Dr. QW., Augenklinik der Johannes-Gutenberg Universität in Mainz, vom 9. November 2011 vor. Die Antragsgegnerin veranlasste eine augenärztliche Begutachtung durch Frau Dr. ER., die im Rahmen ihrer Begutachtung nach Aktenlage am 6. Dezember 2011 zu dem Ergebnis kam, dass bei der Antragstellerin zwar das Vorliegen einer notstandsähnlichen Situation (ab einem Visus am verbliebenen Auge von 0,3) zu bejahen sei, für die Antragstellerin aber zugelassene alternative Behandlungsmethoden in Form von weiteren Injektionen mit Lucentis oder Macugen zur Verfügung stünden. Mit Bescheid vom 16. Dezember 2011 lehnte die Antragsgegnerin die Kostenübernahme für die epimakuläre Brachytherapie ab. Den Widerspruch der Antragstellerin, dem diese u.a. ein ärztliches Attest von Dr. TZ. vom 9. Januar 2012 beifügte, wies die Antragsgegnerin nach Einholung einer weiteren augenärztlichen Stellungnahme nach Aktenlage bei Frau Dr. ER. vom 27. Januar 2012 mit Widerspruchsbescheid vom 6. März 2012 zurück.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 5. April 2012 Klage beim Sozialgericht Darmstadt erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass die Ablehnung der Kostenübernahme für die epimakuläre Brachytherapie mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Erweiterung des Leistungsspektrums der gesetzlichen Krankenversicherung in einer notstandsähnlichen Situation, die bei ihr durch die drohende Erblindung vorliege, nicht vereinbar sei. Sowohl Professor Dr. QW., Dr. TZ. und auch die Gutachterin Frau Dr. ER. würden den Einsatz der streitgegenständlichen Therapie in ihrem Sonderfall befürworten. Zur Bestätigung ihres Vorbringens hat die Antragstellerin u.a. erneut eine Stellungnahme von Prof. Dr. QW. vom 13. August 2012 vorgelegt. Die Antragsgegnerin hat im Klageverfahren an ihrer Rechtsauffassung, dass eine Kostenübernahme für die epimakuläre Brachytherapie nicht in Betracht komme, festgehalten. Ergänzend hat sie die Stellungnahme der Retinologischen Gesellschaft, der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft und des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands zur epimakulären Brachytherapie bei AMD (Stand: 28. November 2011) vorgelegt. Das Sozialgericht hat u.a. eine Stellungnahme bei Professor Dr. QW. vom 6. August 2012 und dem Klinikum Darmstadt - Augenklinik - vom 4. September 2012 eingeholt und ein augenärztliches Gutachten bei Professor Dr. UO. in Auftrag gegeben, welches dieser am 7. Juni 2013 vorgelegt hat. Professor Dr. UO. kommt im Rahmen seines Gutachtens vom 5. Juni 2013 zu dem Ergebnis, dass sich bei der Antragstellerin immer noch Aktivitäten der CNV zeigten, sodass er den Verdacht auf eine therapierefraktäre (nicht auf eine Therapie ansprechende) Erkrankung habe. In diesem Fall könne durchaus die epimakuläre Brachytherapie indiziert sein. Studien hätten gezeigt, dass dieses Verfahren sicher sei und durchaus zu einer dauerhaften Stab...