Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitssuchende: Anforderungen an die Zuerkennung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs. aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Versagungsbescheid. negative Schufa-Eintrag als Anordnungsgrund
Orientierungssatz
1. Leidet ein Grundsicherungsempfänger an einer in den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe aufgelisteten sog. verzehrenden Erkrankung (hier: Zöliakie bzw. Sprue), ist ihm grundsätzlich ein ernährungsbedingter Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 5 SGB 2 zuzuerkennen.
2. Eine Grundsicherungsleistung darf durch Versagungsbescheid gemäß § 66 SGB I nur versagt werden, wenn die geforderten Mitwirkungshandlungen bis zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung nicht erbracht sind. Als letzte behördliche Entscheidung gilt dabei der Widerspruchsbescheid.
3. Einem Widerspruch gegen einen Versagungsbescheid über Leistungen nach dem SGB 2 gemäß § 66 SGB 2 kommt aufschiebende Wirkung.
4. Bei Vorliegen eines Anordnungsanspruchs im einstweiligen Rechtschutzverfahrens über die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende kann bereits die konkrete Gefahr eines negativen Schufa-Eintrags einen Anordnungsgrund begründen.
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. Dezember 2010 abgeändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller für den Zeitraum vom 3. Mai 2010 bis 31. Oktober 2010 vorläufig, bis zur Erledigung in der Hauptsache, einen ernährungsbedingten Mehraufwand in Höhe von monatlich 20 % des Regelbedarfs sowie Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 390,64 Euro für Mai 2010, 624,94 Euro monatlich für die Monate Juni bis August 2010 sowie 147,41 Euro für September 2010 zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner trägt 3/4 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers beider Instanzen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der 1953 geborene Antragsteller beantragte am 2. November 2009 die Weiterbewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II einschließlich eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs. Er legte eine ärztliche Bescheinigung vom 7. Dezember 2009 über eine “Maldigestion-Malabsorption" mit gestörter Nährstoffaufnahme und -Verwertung vor. Seit November 2007 betrieb er unter der Firma C. einen Internet-Handel, aus dem nach Angaben des Antragstellers keine Gewinne entstanden.
Am 11. Januar 2010 stellte er beim Sozialgericht Frankfurt am Main einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. In einem Erörterungstermin am 2. März 2010 schlossen die Beteiligten zur Beendigung des Eilverfahrens (Aktenzeichen S 19 AS 58/10 ER) einen Vergleich. Der Antragsgegner verpflichtete sich, dem Antragsteller für die Zeit vom 11. Januar 2010 bis zum 30. April 2010 Leistungen in gesetzlicher Höhe zu gewähren unter Berücksichtigung eines Erwerbseinkommens von 400 Euro. Gegen den ausführenden Bescheid vom 15. März 2010 legte der Kläger Widerspruch ein, weil der Bescheid falsch sei und den Vergleich nicht erfülle.
Unter Hinweis auf die Folgen einer fehlenden Mitwirkung forderte der Antragsgegner den Antragsteller mit Schreiben vom 15. März 2010 zur Vorlage verschiedener Unterlagen auf, z.B. der vollständigen Betriebskostenabrechnung des Jahres 2008, der Jahresabrechnung der D. und eine Bestätigung des Shareholders der C. darüber, ob und in welcher Höhe der Antragsteller Zahlungen, z.B. Umsatzprovisionen erhalten hat.
Am 30. April 2010 stellte der Antragsteller erneut einen Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen nach dem SGB II einschließlich eines Mehrbedarfes für kostenaufwändige Ernährung. Er hat am 3. Mai 2010 um gerichtlichen Eilrechtsschutz bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main ersucht. Das Gericht hat den zu dem abgeschlossene Eilverfahren S 19 AS 58/10 ER übersandten Schriftsatz als neues Eilverfahren registriert. Der Antragsteller hat insbesondere geltend gemacht, der Antragsgegner habe entgegen der Vereinbarungen im Vergleich einen ernährungsbedingten Mehrbedarf nicht berücksichtigt. Den Anstellungsvertrag bei der C. habe er aufgehoben und die Geschäftsanteile übertragen bekommen. Seitdem sei er als Selbstständiger anzusehen.
Mit Bescheid vom 19. Mai 2010 hat der Antragsgegner den Antrag vom 7. Mai 2009 auf Krankenkostzulage nach § 21 Abs. 5 SGB II unter Berufung auf eine Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit abgelehnt. Hiergegen hat der Antragsteller Widerspruch eingelegt und eine weitere ärztliche Bescheinigung von Dr. E. vom 2. Juli 2010 zu den Akten gereicht.
Mit Schreiben vom 5. Mai 2010 und 31. Mai 2010 hat der Antragsgegner den Antragsteller mit Hinweis auf die Rechtsfolgen einer unterbliebenen Mitwirk...