Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweilige Anordnung. Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Gewährung eines persönlichen Budgets. Zulässigkeit des Antrags trotz Fehlens einer Zielvereinbarung zwischen den Beteiligten. Streit über den Inhalt dieser Zielvereinbarung. Zulässigkeit der Festlegung von Anforderungen an die Qualifikation der Leistungserbringer
Orientierungssatz
1. Der Zulässigkeit des Antrags eines Leistungsberechtigten, den Rehabilitationsträger zu verpflichten, ihm im Wege der einstweiligen Anordnung ein persönliches Budget für eine psychosoziale Betreuung zu gewähren, steht das Fehlen einer Zielvereinbarung zwischen den Beteiligten insbesondere dann nicht entgegen, wenn die Bewilligung des begehrten persönlichen Budgets an einem Streit über den zulässigen Inhalt der zu treffenden Zielvereinbarung scheitert.
2. Die vom Rehabilitationsträger zum Inhalt der Zielvereinbarung gemachte Voraussetzung, dass die psychosoziale Betreuung des Leistungsberechtigten durch geeignete Fachkräfte erfolgen muss, ist zulässig.
3. Das persönliche Budget begründet keinen Anspruch auf neue Formen der Teilhabeleistung, sondern lediglich die Möglichkeit, anstelle der Inanspruchnahme der durch den Rehabilitationsträger bereitgestellten Sachleistung sich selbst die erforderlichen Hilfen zu organisieren. Die selbstbeschafften Hilfen müssen den allgemeinen Anforderungen an Teilhabeleistungen in gleicher Weise entsprechen wie die von Seiten der Rehabilitationsträger erbrachten Leistungen.
4. Zu den grundlegenden allgemeinen Anforderungen an Teilhabeleistungen gehört, dass diese durch fachlich ausreichend qualifiziertes Personal erbracht werden.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 24. April 2012 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
Die gemäß § 172 SGG zulässige Beschwerde des Antragstellers mit dem Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts vom 24. April 2012 aufzuheben und dem Antragsgegner aufzugeben, ihm ein persönliches Budget in Höhe von 245,97 Euro für eine psychosoziale Begleitung zu gewähren, hilfsweise die psychosoziale Begleitung als Geld- oder Sachleistung zu gewähren,
hat in der Sache keinen Erfolg.
Die von dem Antragsteller beantragte Verpflichtung des Antragsgegners, ihm im Wege der einstweiligen Anordnung ein persönliches Budget in Höhe von 245,97 Euro für eine psychosoziale Begleitung zu gewähren, ist entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts allerdings zulässig. Der Zulässigkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass es bisher an einer Zielvereinbarung zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin fehlt. Zwar setzt die Bewilligung eines persönlichen Budgets (§ 57 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) i. V. m. § 17 Abs. 2 bis 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) den vorherigen Abschluss einer Zielvereinbarung im Rahmen eines Bedarfsfeststellungsverfahren voraus (vgl. § 17 Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB IX, § 3 Abs. 3 und 4 der Verordnung zur Durchführung des § 17 Abs. 2 bis 4 des Neuntes Buches Sozialgesetzbuch vom 27. Mai 2004 - BudgetV -). Die Zielvereinbarung muss nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BudgetV mindestens Regeln enthalten über 1.) die Ausrichtung der individuellen Förder- und Leistungsziele, 2.) die Erforderlichkeit eines Nachweises für die Deckung des festgestellten individuellen Bedarfs und 3.) die Qualitätssicherung. Die Bewilligung des begehrten persönlichen Budgets scheitert vorliegend bisher aber an dem Streit über den zulässigen Inhalt der zu treffenden Zielvereinbarung, weil der Antragsteller die Auffassung vertritt, die Antragsgegnerin dürfe entsprechende Budgetleistungen nicht davon abhängig machen, dass die von ihm in Anspruch genommenen Dienstleister bestimmte von der Antragsgegnerin verlangte fachliche Qualifikationen ausweisen. Diese verfahrensrechtliche Situation schließt den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Auszahlung des persönlichen Budgets jedoch nicht aus. Denn zwischen den Beteiligten sind bis auf die Frage der “Fachkräfteklausel„ sämtliche übrigen Voraussetzungen für die Bewilligung eines persönlichen Budgets unstreitig. Der Antragsteller hat in dem Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2011 entsprechende Budgetleistungen tatsächlich bereits erhalten, und zwar auf der Grundlage einer Zielvereinbarung, die bis auf die streitige “Fachkräfteklausel„ inhaltlich mit der nunmehr diskutierten Zielvereinbarung identisch ist. Angesichts dessen wäre die Antragsgegnerin, sofern es für die streitige Regelung keine Rechtsgrundlage gäbe, zum Abschluss der ansonsten inhaltlich unstreitigen Zielvereinbarung mit dem Antragsteller und zum Erlass eines entsprechenden Bewilligungsbescheides verpflichtet, weshalb auch eine entsprechende einstweilige Anordnung ergehen könnte.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts kann ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers nicht mit der Begründung verneint werden, d...