Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Recht der Krankenkasse zur Kündigung eines mit einem Personenbeförderungsunternehmen abgeschlossenen Versorgungsvertrags. Vergütung von Krankentransportleistungen. Preisvereinbarung. Rechtsmissbrauch. Einstweilige Anordnung
Orientierungssatz
1. Kommt nach § 133 Abs 1 iVm Abs 3 SGB 5 ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen den Krankenkassen und einem Personenbeförderungsunternehmen über Transportentgelte zustande, so erwirbt das Unternehmen einen rahmenvertraglich näher ausgestalteten Anspruch auf die Vergütung gegen die Krankenkasse.
2. Wesentliches Regelungsziel dieser Norm ist es, den Anstieg der Preise für Kranken- und Rettungsfahrten zu begrenzen. Die Höchstpreisregelung berechtigt die Krankenkassen nicht dazu, eingegangene rahmenvertragliche Vergütungsverpflichtungen einseitig einem Vorbehalt günstigerer Vertragsangebote Dritter zu unterwerfen.
3. Damit verbleibt einer Krankenkasse, der die mit einem Anbieter von nicht qualifizierten Krankentransportleistungen vereinbarten Preise auf Grund veränderter Marktbedingungen zu hoch erschien, nur der Weg, einen auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Vertrag zu kündigen. Zu einer Begründung ist die Krankenkasse dabei nicht verpflichtet.
4. Liegt das von einem Transportunternehmen der Krankenkasse unterbreitete Angebot über den Vergütungskonditionen, welche die Krankenkasse in neuen Verträgen mit anderen Marktteilnehmern vereinbart hat, so ist die Krankenkasse zur Kündigung der getroffenen Preisvereinbarung berechtigt.
Normenkette
SGB V § 133 Abs. 1, 3; SGG § 86b Abs. 2
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. Mai 2012 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz wegen der Kündigung eines mit ihr abgeschlossenen Versorgungsvertrages.
Die Antragstellerin ist ein in der Rechtsform einer GmbH tätiges Unternehmen, welches den Transport von Personen, die durch Krankheit und/oder Behinderung nicht mehr gehfähig sind, zum Gegenstand hat. Der Betriebssitz liegt in A-Stadt, Main-Kinzig-Kreis. In 2012 verfügte die Antragstellerin ihren Angaben zufolge über 13 Fahrzeuge des Typs T1, die mit Tragestuhl und Liege für den Krankentransport ausgerüstet sind. Zur Fahrzeugbesatzung gehören jeweils zwei Personen, die über keine medizinische Ausbildung verfügen.
Am 4. November 2004 hatte die Antragstellerin mit der Antragsgegnerin nach § 133 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) eine “Vereinbarung über die Vergütung von Liegendkrankenfahrten im Rahmen des Personenbeförderungsgesetzes" abgeschlossen. Diese Vereinbarung war mit Wirkung zum 1. Mai 2007 durch die “Vereinbarung über die Durchführung und Vergütung von Liegendkrankenfahrten und Tragestuhltransporten im Rahmen des Personenbeförderungsgesetzes in Hessen" vom 1. April 2007 ersetzt worden. § 3 Abs. 1 dieser Vereinbarung bestimmt, dass die Gesamtkosten einer Liegendkrankenfahrt in Main-Kinzig, einschließlich der ersten 20. Besetztkilometer mit einer Pauschale von 47,00 € abgegolten werden. Ab dem 21. Besetztkilometer wird je Besetztkilometer ein Betrag in Höhe von 1,20 € gezahlt. § 3 der Vereinbarung aus 2004 hatte eine Pauschale von 49,00 € bis zu 15 Besetzkilometern und ab dem 16. Besetztkilometer einen Betrag von 1,20 € je Besetztkilometer als Vergütung vorgesehen. In § 1 Abs. 4 beider Vereinbarungen heißt es, Liegendkrankenfahrten oder Transporte im Tragestuhl sind solche Fahrten, bei denen Patienten befördert werden, die nach ärztlicher Behandlung zwar liegend oder im Tragestuhl befördert werden müssen, darüber hinaus aber keine fachgerechte Betreuung mit qualifiziertem Einsatzpersonal in einem Krankentransportwagen gemäß des Hessischen Rettungsdienstgesetzes (HRDG) benötigen.
Nach Angaben der Antragstellerin verhielt es sich bei Abschluss der Vereinbarung 2007 so, dass die Vergütungssätze auf einer Mischkalkulation beruhten und es neben ihr nur den Krankentransportdienst der KRT1 gab. Es seien dann weitere Unternehmen, die Krankentransporte durchführen, hinzugekommen.
§ 10 Abs. 1 Satz 2 der Vereinbarung vom 1. April 2007 bestimmt, dass die Vereinbarung mit einer Frist von drei Monaten zum Quartalsende ohne Angabe eines Grundes gekündigt werden kann, frühestens jedoch sechs Monate nach Inkrafttreten dieser Vereinbarung. Hiervon machte die Antragsgegnerin Gebrauch und kündigte mit Schreiben vom 16. November 2011 die Vereinbarung vom 1. April 2007 ohne Angabe eines Grundes ordentlich zum 31. März 2012.
Hierauf erhob die Antragstellerin Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main (S 25 KR 262/12) und beantragte am 15. Mai 2012 bei diesem Sozialgericht die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Krankenfahrten der Antragstellerin gemäß den Vereinbarungen vom 4. November 2004 beziehungsweise 1. April 2007 weiter zu genehmigen und die vertraglich vereinbar...