Entscheidungsstichwort (Thema)
Bösgläubigkeit iS von § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB 10 im Zeitpunkt der Bekanntgabe des zurückzunehmenden Verwaltungsaktes. Korrektur eines Bescheides über die Bewilligung eines Beitragszuschusses nach § 106 SGB 6. Abgrenzung der Anwendungsbereiche des § 45 SGB 10 und des § 48 SGB 10
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bösgläubigkeit des Begünstigten iS von § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X muss bereits im Zeitpunkt der Bekanntgabe des zurückzunehmenden Verwaltungsaktes vorgelegen haben. Dass der Begünstigte nachträglich von der Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung Kenntnis erlangt, genügt insoweit nicht.
2. Bei einer Korrektur eines Bescheides über die Bewilligung eines Beitragszuschusses zur freiwilligen Krankenversicherung nach § 106 SGB VI ist ein Fall des § 45 SGB X gegeben, sofern bereits bei Erlass des Bewilligungsbescheides die Voraussetzungen für die Gewährung eines Beitragszuschusses objektiv nicht (mehr) vorlagen. Dass der Sozialleistungsträger hiervon erst nach Erlass des Bescheides Kenntnis erlangt, eröffnet nicht den Anwendungsbereich des § 48 SGB X.
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 23. Februar 2015 sowie der Bescheid der Beklagten vom 22. März 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2012 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten für beide Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rücknahme der Bewilligung von Zuschüssen zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung des Klägers und deren Erstattung in Höhe von 5.794,05 €.
Dem 1940 geborenen Kläger gewährte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) als Rechtsvorgängerin der Beklagten Altersrente für langjährig Versicherte wegen Vollendung des 63. Lebensjahres für die Zeit ab 1. April 2005 (Bescheid vom 14. Juli 2005). Anlässlich der Rentenantragstellung hatte der Kläger unter anderem angegeben, ab Rentenbeginn weniger als 345,00 € zu verdienen, und außerdem beantragt, ihm einen Zuschuss zu den Aufwendungen für seine freiwillige Krankenversicherung zu gewähren.
Nachdem der Kläger von der BfA insbesondere darauf hingewiesen worden war, dass der Anspruch auf Beitragszuschuss nur bestehe, wenn er nicht gleichzeitig in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sei (Schreiben vom 13. Juli 2005) und er auf dem dafür vorgesehenen Vordruck mit Datum vom 26. Juli 2015 weitere Angaben zu seinem freiwilligen Krankenversicherungsverhältnis bei der Techniker Krankenkasse (TKK) gemacht hatte, berechnete die BfA seine Altersrente mit Bescheid vom 1. August 2005 für die Zeit ab 1. April 2005 neu. Ab 1. September 2005 ergab sich nunmehr ein monatlicher Rentenzahlbetrag von 1.071,45 € sowie für die Zeit vom 1. April 2005 bis 31. August 2005 eine Nachzahlung in Höhe von 335,84 €. Als Gründe für die Neuberechnung gab die BfA an, dass sich das Krankenversicherungsverhältnis des Klägers geändert habe. Weiter hieß es, dass der Kläger einen Anspruch auf Beitragszuschuss zur Krankenversicherung ab 1. April 2005 in Höhe von 64,45 € monatlich hat.
Der im System der BfA gespeicherte KV-Meldesatz (Zählernummer 002), wonach der Kläger ab 1. April 2005 die Voraussetzungen für die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) erfülle, wurde am 22. August 2005 als fehlerhaft storniert.
Ausweislich des am 25. Januar 2012 im System der Beklagten gespeicherten weiteren KV-Meldesatzes (Zählernummer 003) ist der Kläger ab 1. April 2005 bis 14. Juni 2005 und ab 15. Juni 2005 in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert.
Daraufhin berechnete die Beklagte die Altersrente des Klägers mit Bescheid vom 1. Februar 2012 für die Zeit ab 1. Dezember 2007 neu. Ab 1. Februar 2012 ergab sich nunmehr ein monatlicher Rentenzahlbetrag von 951,19 € sowie für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis 31. Januar 2012 eine Überzahlung in Höhe von 5.138,24 €. Zur Begründung hieß es, die Rente werde neu berechnet, weil sich das Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnis des Klägers geändert habe. Laut Mitteilung der Krankenkasse sei die Änderung zwar bereits zum 1. April 2005 eingetreten. Für die Zeit bis zum 30. November 2007 seien die Beitragsansprüche allerdings bereits verjährt. In der Anlage 10 des Bescheides ("Ergänzende Begründungen und Hinweise") setzte die Beklagte den Kläger außerdem von ihrer Absicht in Kenntnis, den Bescheid über die Bewilligung des Zuschusses zur Krankenversicherung vom 1. August 2005 mit Wirkung zum 1. April 2005 zurückzunehmen, die laufende Zuschusszahlung einzustellen sowie eine Überzahlung von 5.794,05 € (1. April 2005 bis 31. Januar 2012) zurückzufordern, und gab ihm Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
Hiervon machte der Kläger keinen Gebrauch, sondern erklärt mit Schreiben vom 9. März 2012 lediglich sein Einverständnis mit der Rückzahlung der 5.138,24 € durch monatlichen Einbehalt seiner laufenden Rente in Höhe von 120,00 €.
Nachdem ihr telefonisch von der TKK am 21. ...