Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Dienstreise. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. keine gemischte Motivationshandlung. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. privates Telefonat. Sturz beim Gang zum Telefon im Hotelzimmer. keine Rückreise zum Wohnort. sich anschließende private Urlaubsreise)
Orientierungssatz
Eine Arbeitnehmerin, die am Rückreistag ihrer Dienstreise in ihrem Hotelzimmer beim Gang zum Telefon stürzt, steht nicht gem § 8 Abs 1 S 1, Abs 2 Nr 1 SGB 7 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn das geplante Telefonat auf ein ausschließlich privates Ereignis ausgerichtet war (hier: telefonische Bestellung eines Taxis für eine Fahrt zum Mietwagenverleih als Ausgangspunkt einer sich anschließenden privaten Urlaubsreise).
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. November 2017 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Feststellung des Ereignisses vom 20. Juni 2015 als Arbeitsunfall.
Die 1953 geborene Klägerin, die an einer Polio-Erkrankung mit deutlich links betonten Ausfallerscheinungen leidet, nahm als Behindertenvertreterin auf Veranlassung ihres Arbeitgebers, der C., in der Zeit vom 17. bis 19. Juni 2015 an einer internationalen Konferenz zum barrierefreien Bauen in europäischen Städten in Lissabon teil.
Am Samstag, den 20. Juni 2015, stürzte die Klägerin nach ihren eigenen Angaben um ca. 13.00 Uhr auf dem Weg vom Bad zum Telefon ihres Hotelzimmers, als sie ein Taxi für den Transport zum Flughafen rufen wollte. Sie zog sich dabei eine distale Femurfraktur links zu (vgl. Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. D. vom 10. Juli 2015). Nach Auskunft der Klägerin endete die Konferenz am 19. Juni 2015 um 16.00 Uhr. Da eine Rückreise am gleichen Tag zeitlich nicht mehr möglich gewesen sei, habe die Dienststelle die Rückreise für den nächsten Tag genehmigt. Nach dem Sturz, Aufenthalten in Kliniken in Lissabon und Notversorgung mit einer Gipsschiene flog die Klägerin in Begleitung des ADAC am 25. Juni 2015 zurück und wurde am 26. Juni 2015 in der Berufsgenossenschaftlichen Klinik in Frankfurt am Main (BGU) stationär operativ behandelt.
Mit Bescheid vom 24. August 2015 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 20. Juni 2015 als Arbeitsunfall und die Gewährung von Leistungen ab. Zur Begründung führte sie aus, dass im Rahmen einer Dienstreise nur bei den Tätigkeiten gesetzlicher Unfallversicherungsschutz bestehe, die mit dem Beschäftigungsverhältnis und der betrieblich bedingten Dienstreise in einem rechtlich wesentlichen Zusammenhang stünden. Dies sei nicht bei Verrichtungen der Fall, die wesentlich allein dem privaten und eigenwirtschaftlichen Lebensbereich zuzuordnen seien wie der Aufenthalt im Zimmer, die Morgentoilette oder das Packen des Reisegepäcks. Der Unfall der Klägerin habe sich im privaten und eigenwirtschaftlichen Lebensbereich ereignet und stehe nicht unter Unfallversicherungsschutz. Es lägen keine Anhaltspunkte vor, wonach eine besondere Betriebsgefahr der Übernachtungsstätte bestanden habe. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Polioerkrankung der Klägerin rechtlich wesentlich für den Sturz gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 4. September 2015 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass sie sich bei dem Sturz innerhalb des Hotelzimmers, aber nicht mehr im Badezimmer befunden habe. Die Morgentoilette sei bereits beendet gewesen. Ihr Gepäck sei fertig gepackt gewesen und sie sei auf dem Weg gewesen, das Zimmer zu verlassen. Das telefonische Rufen eines Taxis zum Flughafen habe zu einer Tätigkeit gehört, die mit dem Beschäftigungsverhältnis und der betrieblich bedingten Dienstreise in einem rechtlich wesentlichen Zusammenhang stehe. Es habe keine Unterbrechung der dienstlichen Tätigkeit stattgefunden.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Klägerin mit Schreiben vom 19. Oktober 2015 ergänzend mit, dass sie am 19. Juni 2015 nach Ende der Konferenz noch ein dienstliches Gespräch mit Mitarbeitern der Stadt Lissabon geführt habe, welches erst gegen 17:30 Uhr beendet gewesen sei. Dieser Gesprächstermin sei ursprünglich für den 20. Juni 2015 geplant gewesen und kurzfristig auf den 19. Juni 2015 vorverlegt worden. Zu dem Gespräch legte sie ein Bestätigungsschreiben der Stadt Lissabon vor. Außerdem sei es ihr aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht möglich gewesen, noch am 19. Juni 2015 den Rückflug anzutreten, da sie sonst die zulässige Dienstzeit von max. 10 Stunden überschritten hätte. Wegen der bei ihr neben der Polioerkrankung vorliegenden rheumatoiden Arthritis in den Fingergelenken beider Hände, welche zu einer teilweise mehrstündigen morgendlichen Steifigkeit der Fingergelenke führe, sei es ihr nicht möglich gewesen, frühmorgens Koffer zu packen und unter Zeitdruck eine Reise anzutreten. Bis zum geplanten ...