Verfahrensgang
SG Wiesbaden (Urteil vom 22.11.1996; Aktenzeichen S 3 Kr 302/92) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 22. November 1996 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die dem Beigeladenen zu 1) entstandenen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Im übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen für eine gezahlte Abfindung.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das elektronische Marktanalysen der Finanz- und Warenhandelsmärkte der Welt in Form von Finanzmarktgrafiken nach einem von ihr entwickelten Datenverarbeitungssystem erstellt.
Der Beigeladene zu 1) war der Klägerin im April 1989 als Langzeitarbeitsloser vom Arbeitsamt für eine Tätigkeit als Programmierer (monatliches Bruttoentgelt 3.200,00 DM) vermittelt worden. Wegen fehlender Eignung hierfür war der Beigeladene zu 1) ab 1. Juni 1989 aufgrund eines „Anstellungsvertrages für kaufmännische Angestellte” als „Praktikant” mit einem monatlichen Bruttoentgelt von zunächst 1.500,00 DM, ab 1. Oktober 1990 von 2.400,00 DM bei der Klägerin als einziger Arbeitnehmer beschäftigt. Seine Aufgabe bestand nach den eigenen Angaben der Klägerin in einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden (Az.: 4 Ca 192/91) darin, ab 6.30 Uhr morgens bis 18.00 Uhr die neuesten Devisen- und sonstigen Kurse der einzelnen Finanzmärkte in den Computer einzugeben und besondere Vorkommnisse sofort der Geschäftsführerin zu melden.
Nachdem sich der Beigeladene zu 1) während einer Geschäftsreise der Geschäftsführerin der Klägerin und ihres ebenfalls für die Klägerin tätigen Ehemannes am 14. Januar 1991 krank gemeldet hatte, kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis unter Hinweis auf eine Abmahnung vom 2. Januar 1991 zunächst fristlos aus Verhaltens- und leistungsbedingten Gründen mit Schreiben vom 14. Januar 1991 und erteilte zugleich Hausverbot. Hiergegen und gegen die mit Schreiben vom 17. Januar 1991 und wegen nicht formgerechter Bevollmächtigung erneut am 25. Januar 1991 hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung zum 31. März 1991 erhob der Beigeladene zu 1) am 24. Januar 1991 beim Arbeitsgericht Wiesbaden Kündigungsschutzklage (Az.: 4 Ca 192/91). Die Klägerin trug in ihrer Klageerwiderung vor, daß ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar sei, da ihre wirtschaftliche Existenz von der permanenten Anwesenheit eines Mitarbeiters abhänge, der die sich ständig ändernden Kurse aktualisieren und jederzeit für ihre anspruchsvolle und hochkarätige Kundschaft telefonisch erreichbar sein müsse. Darüber hinaus leide der Beigeladene zu 1) an einer chronischen psychischen Erkrankung, die er ihr bei Abschluß des Anstellungsvertrages verschwiegen habe. In der Güteverhandlung des Arbeitsgerichts am 11. März 1991 wurde folgender Vergleich geschlossen:
„1) Die Beteiligten sind sich darüber einig, daß das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten am 31.03.1991 beendet wird.
2) Die Beklagte zahlt an den Kläger gem. §§ 9, 10 KSchG und § 3 Ziffer 9 EStG eine Abfindung in Höhe von 3.300,00 DM.
…
4) Mit der Erfüllung des Vergleiches sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, seien sie bekannt oder unbekannt, erledigt.
…”
Nach Anhörung forderte die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 6. November 1991 zur Nachentrichtung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 1.577,55 DM – die sie im einzelnen aufgrund einer Hochrechnung des Bruttoentgeltes ermittelte – auf. Das Beschäftigungsverhältnis habe aufgrund der gezahlten Abfindung von 3.300,00 DM netto bis zum 31. März 1991 fortbestanden. Zugleich bewilligte die Beklagte dem Beigeladenen zu 1) für die nach der Zeit vom 14. Januar 1991 bis 10. Februar 1991 erneut seit 10. März 1991 bestehende Arbeitsunfähigkeit Krankengeld ab 1. April 1991.
Hiergegen legte die Klägerin am 19. November 1991 Widerspruch ein und verwies darauf, daß nach dem arbeitsgerichtlichen Vergleich ausdrücklich eine Nettoabfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, nicht aber Arbeitsentgelt gezahlt worden sei, mit der Folge, daß eine Verpflichtung zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht bestehe. Aus ihrer Sicht sei das Arbeitsverhältnis mit Zugang der fristlosen Kündigung beendet gewesen, so daß für weitere Lohnzahlungen kein Anlaß bestanden habe. Ohne Belang sei insoweit, daß vorsorglich auch ordentlich gekündigt worden sei. Da im übrigen mit der Erfüllung des Vergleichs alle gegenseitigen Ansprüche abgegolten und erledigt seien, könne die Zahlung der streitgegenständlichen Beiträge nicht von ihr verlangt werden.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. März 1992 zurück. Der Text des arbeitsgerichtlichen Vergleichs spreche dafür, daß es den vergleichschließenden Parteien in Wirklichkeit um die Zahlung noch ausste...