Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Tätigkeit als Programmierer in Heimarbeit. Anfrageverfahren nach § 7a SGB 4. keine Ermächtigung zur bloßen Elementenfeststellung des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung. Anfechtbarkeit einer unzulässigen Elementenfeststellung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Versicherungspflicht in allen vorgenannten Zweigen der Sozialversicherung kann sich beim Vorliegen der Voraussetzungen der Heimarbeit allein aus der gesetzlichen Fiktion des § 12 Abs 2 Halbs 2 SGB IV ergeben. Heimarbeiter sind danach als Beschäftigte pflichtversichert in der gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung. Tätigkeiten die eine höherwertige Qualifikation erfordern - wie die eines Programmierers -, sind hiervon nicht ausgenommen.
2. Der gesonderte Ausspruch des Vorliegens von Beschäftigung ist zwar materiell eine unzulässige Elementenfeststellung, jedoch dann ausnahmsweise isoliert anfechtbar, wenn eine Verwaltungsmaßnahme nach dem Empfängerhorizont in der äußeren Form eines Verwaltungsaktes erlassen worden ist.
Orientierungssatz
zu Leitsatz 1: Anschluss an BAG vom 14.6.2016 - 9 AZR 305/15 = BAGE 155, 264
Normenkette
SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 1; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1, §§ 7a, 12 Abs. 2; SGB III §§ 13, 24, 25 Abs. 1 S. 1; HAG § 2 Abs. 1; SGG §§ 183, 193, 197a; VwGO § 154 Abs. 3, § 155 Abs. 1, § 163 Abs. 3
Tenor
Auf die Berufung des Beigeladenen zu 1) wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 3. Juli 2019 abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen, als seitens der Beklagten in dem Bescheid vom 8. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2014 die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt worden ist.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Klägerin und die Beklagten werden die Kosten des Rechtsstreits in der 1. Instanz jeweils zur Hälfte auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1) in beiden Instanzen sind von der Klägerin und der Beklagten als Gesamtschuldner jeweils zur Hälfte zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der gesetzlichen Kranken, Pflege und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund seiner Tätigkeit bei der Klägerin zwischen dem 1. September 1992 und dem 31. Dezember 2013.
Die Klägerin betreibt ein „Baustatik-Softwarehaus mit Sitz in A-Stadt“ (http://www.a.xxx). Der Beigeladene zu 1) war bei der Klägerin von 1989 bis 1992 auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags als Bauingenieur und Programmierer beschäftigt. Mit Schreiben vom 4. Mai 1992 kündigte der Beigeladene zu 1) das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 1. Juli 1992. Dabei wurde von ihm der Klägerin mitgeteilt, an einer weiteren Beschäftigung als freier Mitarbeiter interessiert zu sein. Im Anschluss setzte die Klägerin die Zusammenarbeit mit dem Beigeladenen zu 1) bis 2013 fort, wobei von diesem weiterhin Programmiertätigkeiten für die Klägerin gegen eine Stundenvergütung erbracht wurden. Diesbezüglich wurde zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) keine schriftliche Vereinbarung abgeschlossen. Seit Dezember 2013 erhielt der Beigeladene zu 1) keine weiteren Aufträge mehr durch die Klägerin.
Der Beigeladene zu 1) beantragte bei der Beklagten mit Schreiben vom 12. November 2013 die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status bezüglich seiner Tätigkeit für die Klägerin. Jeweils mit Bescheid vom 8. April 2014 teilte die Beklagte der Klägerin sowie dem Beigeladenen zu 1) mit, die Prüfung des versicherungsrechtlichen Status habe ergeben, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Programmierer bei der Klägerin im Zeitraum zwischen dem 1. September 1992 und dem 31. Dezember 2013 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. In dem Beschäftigungsverhältnis bestehe beginnend mit dem 1. September 1992 Versicherungspflicht in der Kranken, Pflege und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, der von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2014 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Beigeladene zu 1) habe bei der Ausführung seiner Leistungen nicht näher spezifizierten Einschränkungen der Klägerin und damit deren Direktionsrecht unterlegen und sei dabei überwiegend fremdbestimmt tätig gewesen. Trotz der Ausübung der Tätigkeit im eigenen Büro liege keine Selbständigkeit vor, da eine hinreichende Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Klägerin erfolgt sei. Im Außenverhältnis sei der Beigeladene zu 1) nicht als selbständiger Unternehmer erschienen. Die eigene Arbeitskraft werde nicht mit ungewissem Erfolg eingesetzt, weil als Vergütung ein fester, nicht an einen erkennbaren Arbeitserfolg geknüpfter Pauschalbetrag i. H.v. 45,00 DM bzw. 37,5...