Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenärztliche Vereinigung Hessen. Rechtmäßigkeit des Abzugs eines Betriebskostenanteils zur Finanzierung des organisierten Notdienstes. Entscheidung durch Verwaltungsakt

 

Orientierungssatz

1. Bei Notdiensten handelt es sich um ein von den Kassenärztlichen Vereinigungen nach § 75 Abs 1 S 2 SGB 5 öffentlich-rechtlich organisiertes Versorgungssystem zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung außerhalb der üblichen Sprechstundenzeiten. Die Kassenärztliche Vereinigung ist berechtigt, gegenüber dem privatärztlich niedergelassenen Arzt über seine Honoraransprüche aus notdienstärztlicher Tätigkeit durch Verwaltungsakt zu entscheiden.

2. Die Erhebung eines Betriebskostenanteils von 35 % zur Finanzierung des von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen organisierten Notdienstes in den Quartalen III/03 bis einschließlich IV/07 ist materiell nicht zu beanstanden.

3. Die Beschlüsse der Notdienstgemeinschaften über die Erhebung eines Betriebskostensatzes von 35 % sind nicht unwirksam.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.07.2013; Aktenzeichen B 6 KA 34/12 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 10. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird endgültig auf 174.852,71 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die zulässige Höhe des Abzugs eines Betriebskostenanteils zur Finanzierung des von der Beklagten organisierten Notdienstes während des Notdienstes des Klägers in den 18 Quartalen III/03 bis einschließlich IV/07, insgesamt ein Betrag in Höhe von 174.852,71 €.

Der Kläger ist Rechtsanwalt und privatärztlich niedergelassener Arzt. Seit 1999 nahm er am organisierten ärztlichen Notdienst der Beklagten in verschiedenen Notdienstzentralen teil. Er erklärte sich am 30. September 2002 gegenüber der Beklagten bereit, in den eingerichteten ärztlichen Notfalldiensten mitzuarbeiten, und erkannte mit Abgabe der Erklärung zugleich die ab 1. Oktober 2002 geltende Notdienstordnung der Beklagten sowie die hierzu ergänzenden Beschlüsse des Vorstandes der Beklagten, des Geschäftsausschusses der Bezirksstelle und der Abgeordnetenversammlung der Beklagten an. In den folgenden Quartalen war der Kläger mit den Abrechnungsnummern 4077621 und 4077661 im Bereitschaftsdienst EC., mit der Abrechnungsnummer 4077764 im Bereitschaftsdienst TS. und mit den Abrechnungsnummern 4075650 und 4075710 im Bereitschaftsdienst EA. tätig.

Die Abgeordnetenversammlung der Beklagten hatte im September 2002 zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung in Notfällen eine ab 1. Oktober 2002 geltende Notdienstordnung (im Folgenden: NDO) beschlossen, die in § 8 die Finanzierung der Organisation des Notdienstes regelt. Gemäß § 8 Abs. 3 S. 1 Buchst. a NDO ist, soweit die bei Betrieb von Notdienstzentralen und Notdienstleitstellen zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichend sind, für die Finanzierung des organisierten Notdienstes ein Abzug eines angemessenen Betriebskostenanteils von mindestens 15%, höchstens 35%, bezogen auf die im Rahmen des Notdienstes von den Notdienstärzten erarbeiteten Honorare, zu erheben. Art und Umfang des Betriebskostenabzugs sind dabei von der Versammlung der Notdienstgemeinschaft, die von den in einem Notdienstbezirk niedergelassenen Vertragsärzten gebildet wird (§ 2 Abs. 2 NDO), festzulegen und von dem Geschäftsausschuss der zuständigen Bezirksstelle zu genehmigen (§ 8 Abs. 3 S. 2 NDO). Nach § 11 Abs. 1 S. 1 NDO sind die Beschlüsse der Abgeordnetenversammlung, des Vorstandes und des Geschäftsausschusses der jeweiligen Bezirksstelle der Beklagten zur Gestaltung des Notdienstes für alle Vertragsärzte bindend. Nach § 11 Abs. 1 S. 2 Halbsatz 1 NDO haben nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Notdienstärzte durch entsprechende Erklärung vor der erstmaligen Teilnahme am organisierten Notdienst schriftlich die Anerkennung dieser Notdienstordnung zu bestätigen.

Mit Schreiben vom 24. September 2002 informierte die Bezirksstelle DT. die Notdienstärzte in ihrem Bereich über das Inkrafttreten der neuen Notdienstordnung zum 1. Oktober 2002 und teilte mit, dass der Geschäftsausschuss mit Wirkung zum 1. Oktober 2002 in allen Notdienstzentralen einen Betriebskostenabzug in Höhe von 15% beschlossen habe. Am 2. November 2002 beschloss der Geschäftsausschuss der Bezirksstelle DT. mit Wirkung ab 1. Januar 2003 die Erhöhung des einheitlichen Betriebskostenabzugs von 15 % auf 35%. Zeitgleich beschloss er, dass den Notdienstgemeinschaften die Möglichkeit gegeben werde, durch Sockelbeträge oder Stundenpauschalen die Situation für die Dienstausübenden so zu gestalten, dass zur früheren Regelung keine Honorareinbußen entstünden. Mit Schreiben vom 4. März 2003 unterrichtete die Beklagte alle dienstausübenden Ärzte der Notdienstzentralen über diese Entscheidung.

Mit jeweils auf die einzelnen Arztnummern und Quartale bezogenen Honorarbescheiden setzte die Beklagte das Ho...

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