Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss eines konkurrierenden Apothekers von der Lieferung parenteraler onkologischer Zubereitungen bei bestehendem Exklusivlieferungsvertrag der Krankenkasse

 

Orientierungssatz

1. Nach § 129 Abs. 5 S. 3 SGB 5 sind im Fall eines Exklusivlieferungsvertrags andere Apotheken von parenteralen onkologischen Zubereitungen unmittelbar an den behandelnden Arzt solange ausgeschlossen, als nicht aus zwingenden medizinischen Gründen oder sonstigen berücksichtigungsfähigen besonderen Umständen von dem vorgegebenen wirtschaftlichsten Bezugsweg abgewichen werden muss.

2. Sind keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass der von der Krankenkasse zur Verfügung gestellte Bezugsweg für parenterale onkologische Zubereitungen unzureichend ist, so besteht kein Anspruch der konkurrierenden Apotheke auf Lieferung parenteraler Zubereitungen zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung in der Onkologie.

3. Das Wahlrecht des Versicherten an der Wahl der Apotheke beruht auf dessen Interesse an einer fachkundigen Beratung. Demgegenüber ist bei der gesetzlich vorgesehenen Direktbelieferung der Arztpraxis mit parenteralen Zubereitungen ein berechtigtes Interesse der Versicherten an der freien Wahl der Apotheke nicht zu erkennen (BSG Urteil vom 25. 11. 2015, B 3 KR 16/15 R).

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 10. September 2014 zu Ziff. 1 aufgehoben und die Klage insoweit abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Berechtigung des Klägers streitig ab Dezember 2013 zur Lieferung von vier bestimmten in seiner Apotheke hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung in der Onkologie.

Der Kläger ist Inhaber der C-Apotheke in A-Stadt. Er ist Mitglied im Apothekenverband Hessen e.V. (HAV), der seinerseits dem Deutschen Apothekenverband e.V. (DAV) angehört. Er ist berechtigt, patientenindividualisierte Zytostatika-Zubereitungen herzustellen und ist im Besitz der dafür erforderlichen Qualifikation (Sachkundige Person gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 Arzneimittelgesetz - AMG, Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG zur Herstellung aseptischer flüssiger Darreichungsformen, für die Herstellung von klinischen Prüfpräparaten und Primär- und Sekundärverpackungen von klinischen Prüfpräparaten).

Die Beklagte schloss gemeinsam mit anderen Krankenkassen mit dem HAV eine Ergänzungsvereinbarung zum Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) und zur Vereinbarung über die Übermittlung von Daten im Rahmen der Arzneimittelabrechnung nach § 300 SGB V vom 1. April 2008 (Arzneilieferungsvertrag - ALV).

Im Haus der Apotheke des Klägers befindet sich die Praxis der zur vertragsärztlichen Versorgung der in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Versicherten zugelassenen Fachärzte für Hämatologie und internistische Onkologie, Dr. med. E. und Dr. med. F. Seit vielen Jahren belieferte die Apotheke des Klägers diese Praxis mit patientenindividualisierten Zytostatika-Zubereitungen.

Der vorliegende Rechtsstreit betrifft die Herstellung und Lieferung der folgenden Zubereitungen, soweit diese in der Onkologie eingesetzt werden:

1. individuell hergestellten Zytostatika-Zubereitungen der Sonder-PZN 0999902292,

2. parentale Lösungen mit monoklonalen Antikörpern der Sonder-PZN 02567478,

3. parentale Lösungen mit Folinaten, die keine weiteren Wirkstoffe enthalten, Sonder-PZN 02567461 und

4. Zubereitungen der Sonder-PZN 0999152.

Die Beklagte führte eine europaweite Ausschreibung (Bekanntmachung vom ... Juli 2013 EU ABI. 2013 I S. ...) für die Versorgung ihrer Versicherten mit den streitbefangenen Zubereitungen zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten in der Onkologie durch. Das Losgebiet Nr. 6 (A-Stadt, PLZ xxx) umfasst die Arztpraxen, deren Patienten der Kläger mit den in seiner Apotheke hergestellten Zubereitungen versorgt.

Der Kläger beteiligte sich nicht an dieser Ausschreibung.

Den Zuschlag für das Losgebiet 6 erhielt die Apothekerin G., H. Apotheke, H-Straße in A-Stadt. Mit dieser wurde ein Vertrag nach § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V ab 1. Dezember 2013 für 12 Monate geschlossen, mit dem sich die Apothekerin zur Belieferung der Ärzte verpflichtete, die im Losgebiet 6 Versicherte der Beklagten mit den streitgegenständlichen Zubereitungen in der Onkologie ambulant behandelten.

Die Beklagte informierte den Kläger mit Schreiben vom 19. November 2013 darüber, dass zum 1. Dezember 2013 ein exklusiver Vertrag in Kraft getreten sei zur Versorgung ihrer Versicherten mit den vier streitigen in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten und machte darauf aufmerksam, dass sie parentale Zubereitungen aus anderen Apotheken nicht mehr erstatte.

Die Ap...

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