Orientierungssatz

1. § 256 Abs 3 SGB 6 ist nach dem Wortlaut eindeutig nicht auf Zeiten beim Bundesgrenzschutz anwendbar.

2. Für die Jahre 1970 und 1971 kommt auch eine Gleichstellung eines geleisteten Polizeivollzugsdienstes beim Bundesgrenzschutz mit Wehr- oder Zivildienst nicht in Betracht.

3. Vielmehr bestand für Polizeivollzugsbeamte in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherungsfreiheit und bei unversorgtem Ausscheiden aus einer derartigen versicherungsfreien Beschäftigung hatte eine Nachversicherung zu erfolgen.

4. Die rentenrechtlich unterschiedliche Behandlung des allgemeinen Polizeivollzugsdienstes im Bundesgrenzschutz und eines eigens ausgestalteten Grenzschutzdienstes stellt keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes dar.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 04.01.2024; Aktenzeichen B 5 R 68/23 B)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 14. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung einer höheren Altersrente für besonders langjährig Versicherte.

Der 1950 geborene Kläger leistete in der Zeit vom 5. Januar 1970 bis 31. Dezember 1971 einen Polizeivollzugsdienst beim Bundesgrenzschutz in C-Stadt. In der Zeit vom 2. Oktober 1972 bis 28. Oktober 1972 nahm er an einer Einzelgrenzschutzpflichtübung teil.

Mit Bescheid vom 14. Dezember 2011 stellte die Beklagte die von dem Kläger bis zum 31. Dezember 2004 zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten verbindlich fest, soweit nicht früher hierüber entschieden worden war. Aus dem beigefügten Versicherungsverlauf ging unter anderem hervor, dass die Zeit vom 5. Januar 1970 bis 31. Dezember 1971 als „Pflichtbeitragszeit Nachversicherung“ in seinem Versicherungskonto erfasst war. Das beitragspflichtige Entgelt betrug für die Zeit vom 5. Januar 1970 bis 31. Dezember 1970 6.621,01 Deutsche Mark (DM), für das Jahr 1971 9.061,45 DM. Die Zeit vom 2. Oktober 1972 bis 28. Oktober 1972 war als „Pflichtbeitragszeit Wehrdienst/Zivildienst“ erfasst.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 9. Januar 2012 Widerspruch und begehrte die Berücksichtigung der Zeit vom 5. Januar 1970 bis 31. Dezember 1971 als Wehrdienstzeit, wie dies bei der Wehrübung im Oktober 1972 auch geschehen sei. Da der zur damaligen Zeit abgeleistete Wehrdienst mit einem Wert von 1,0 bewertet werde, ergebe sich für ihn ein Nachteil von ca. 0,9 Entgeltpunkten.

Mit Schreiben vom 24. Januar 2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ihn sein damaliger Dienstherr für die Zeit vom 5. Januar 1970 bis 31. Dezember 1971 nachversichert habe. Ob eine Nachversicherung erfolge, könne nur durch den Dienstherrn geprüft werden. Die Beklagte habe für die nachversicherte Zeit entsprechende Zahlungen erhalten und die Beiträge gemäß den gesetzlichen Vorgaben verbucht.

Daraufhin legte der Kläger beglaubigte Kopien einer Dienstbescheinigung der Grenzschutzabteilung III/3 vom 31. Dezember 1971 und seines Wehrpasses vor. In seinem Wehrpass sind keine Zeiten des Grundwehrdienstes vermerkt. Vielmehr wurde am 22. Februar 1972 eingetragen, dass ihm der Polizeivollzugsdienst beim Bundesgrenzschutz auf den Grundwehrdienst voll angerechnet werde. Ausweislich der Dienstbescheinigung ist seine Pflicht, Grundwehrdienst zu leisten, erloschen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 1. August 2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit nach den Vorschriften des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) und der Reichsversicherungsordnung (RVO) versicherungsfrei gewesen und bei einem Ausscheiden aus der Bundeswehr, ohne dass ihnen nach soldatenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen eine lebenslängliche Versorgung gewährt worden sei, in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Dauer ihrer Dienstzeit nachzuversichern gewesen seien. Die Nachversicherung für diesen Personenkreis sei erfolgt, wenn innerhalb eines Jahres nach dem Ausscheiden aus der Bundeswehr oder nach Beendigung einer nach soldatenrechtlichen Vorschriften gewährten Berufsförderung in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherungspflicht eingetreten sei. Als versicherungsfreie Berufssoldaten oder Soldaten auf Zeit hätten diese Personen keinen Wehrdienst aufgrund gesetzlicher Pflicht geleistet. Infolgedessen könne die Vorschrift des § 256 Abs. 3 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) auf diese Zeiten nicht angewendet werden.

Hiergegen hat der Kläger am 4. September 2012 Klage bei dem Sozialgericht Marburg erhoben, die zunächst unter dem Aktenzeichen S 4 R 156/12 geführt worden ist. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass die Zeit vom 5. Januar 1970 bis 31. Dezember 1971 eine Zeit des „echten Wehrdienstes“ sei, weil diese nach § 42 Abs. 1 Wehrpflichtgesetz (WehrPflG) abgeleistet worden sei. Bei seinen Kameraden, die den gleichen Dienst abgeleistet hätten, seien die...

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