Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für einen Anspruch auf Krankengeld - Grenzen der Ermittlungspflicht des Sozialgerichts
Orientierungssatz
1. Der Anspruch des Versicherten auf Krankengeld setzt nach § 44 Abs. 1 SGB 5 voraus, dass dieser aus Krankheitsgründen nicht in der Lage ist, seine Arbeit zu verrichten. Dabei sind Krankenkassen und Gerichte an den Inhalt einer ärztlichen Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit nicht gebunden. Es gilt insoweit der Beweismaßstab des Vollbeweises.
2. Ein Krankengeldanspruch ist ausgeschlossen, wenn der Versicherte mangels ausreichender Unterlagen eine Arbeitsunfähigkeit nicht beweisen kann.
3. Ein unbestimmter bzw. unsubstantiierter Beweisantrag verpflichtet das Gericht nicht zur Beweisaufnahme. Dies gilt insbesondere für eine gestellte sog. Ausforschungsbeweisanregung.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 26. September 2022 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Krankengeld für den Zeitraum vom 11.02.2020 bis zum 15.05.2020.
Die 1957 geborene Klägerin war arbeitslos seit dem 01.07.2017, bezog Arbeitslosengeld I und war bei Beklagten zunächst entsprechend § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V gesetzlich krankenversichert; ab 11.02.2020 war die Klägerin familienversichertes Mitglied der Beklagten.
Im Zeitraum ab 28.02.2019 war der Klägerin durch verschiedene behandelnde Orthopäden wegen einer Verletzung sonstiger und nicht näher bezeichneter Muskeln und Sehnen im Bereich des Oberschenkels, Vorhandensein einer Hüftgelenksprothese sowie sonstigen nicht näher bezeichnete Muskelkrankheiten Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden. Nach Ende der Leistungsfortzahlung durch die Bundesagentur für Arbeit zahlte die Beklagte der Klägerin ab dem 20.03.2019 Krankengeld i.H.v. 74,10 Euro (brutto) täglich. Ab dem 15.05.2019 stellten die behandelnden Hausärzte der Klägerin - teilweise zusätzlich für die seitens des Orthopäden bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeiten - eine Arbeitsunfähigkeit wegen einer leichtgradig depressiven Episode, Nierensteinen, Schmerzen im Bereich des Oberbauches, essentieller Hypertonie sowie Burnout fest. Die Beklagte lehnte nach Einholung mehrerer medizinischer Fallberatungen und Gutachten durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Hessen (MDK Hessen) eine Weiterzahlung von Krankengeld mehrmals ab, hob ihre Entscheidung jedoch nach erneuter Einschaltung des MDK Hessen (u.a. vom 09.05.2019, 07.06.2019, 12.06.2019, 30.08.2019) mehrmals auf, nachdem ärztlicherseits eine unzureichend eingestellte Hypertonie bescheinigt wurde. In einem Gutachten nach Aktenlage vom 13.12.2019 stellte Dr. D. vom MDK Hessen fest:
„Angesichts der unzureichend eingestellten arteriellen Hypertonie mit daraus resultierenden Funktionseinschränkungen und Notwendigkeit einer weiteren Diagnostik zum Ausschluss einer primären Hypertonie (z.B. durch eine Nierenarterienstenose) ist die weitere AU medizinisch nachvollziehbar. Daher sollte dem Widerspruch der Versicherten gegen die Beendigung der Arbeitsunfähigkeit zum 31.10.2019 stattgegeben werden. … Von einem Abschluss der Diagnostik und Normalisierung der Blutdruckwerte bis Ende Dezember 2019 ist derzeit auszugehen. Daher ist die Arbeitsunfähigkeit bis Ende Dezember 2019 medizinisch plausibel. Falls über diesen Zeitpunkt weiterhin AU bestehen sollte, Wiedervorlage mit Blutdruck-Protokollen und Befundberichten (Nierenarterienduplex- und endokrinologische Untersuchung).“
Die behandelnde Hausärztin M. teilte der Beklagten auf deren Anforderung mit Formularbescheinigung vom 17.01.2020 mit, dass die Klägerin aufgrund der Diagnosen Z73G (Burn-Out-Syndrom) und I10.91G (essentielle Hypertonie, nicht näher bezeichnet) weiterhin arbeitsunfähig erkrankt sei und der Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht absehbar sei. Die Ärztin merkte an, dass ein Blutdruck von „RR 190/100 angeblich mit Blutdruck-Tbl.“ vorliege.
Unmittelbar im Anschluss an diese Feststellung der Hausärztin befand sich der (volljährige) Sohn der Klägerin wegen schwerer Depressionen und Zwangshandlungen vom 22.01.2020 bis 14.02.2020 in teilstationärer Behandlung (Entlassungsbericht der C. Tagesklinik C-Stadt vom 14.02.2020, Bl. 66 der Verwaltungsakte/ Scan, vorgelegt von der Klägerin).
Nach erneuter Beauftragung durch die Beklagte stellte Dr. D. vom MDK Hessen mit Gutachten nach Aktenlage vom 04.02.2020 fest, dass inzwischen unter laufender Medikation von einer ausreichenden Blutdruckeinstellung auszugehen sei; eine Nierenarterienstenose als Ursache der sekundären Hypertonie habe ausgeschlossen werden können. Die Klägerin sei daher auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte Tätigkeiten ab sofort vollschichtig leistungsfähig.
Mit Bescheid vom 06.02.2020 teilte die Beklagte der Klägerin gestützt auf...