Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ). Gründung eines neuen MVZ. Bestandsschutz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) kann Gründer eines MVZ iS von § 95 Abs 1a S 1 SGB V idF des GKV-VStG sein.

2. Nicht vom Bestandsschutz der Zulassung nach § 95 Abs 1a S 2 SGB V umfasst ist die Möglichkeit für ein zugelassenen MVZ ein neues MVZ zu gründen.

3. § 95 Abs 1a S 2 SGB V ist nach § 72 Abs 1 S 2 SGB V entsprechend auf zugelassene MVZ anwendbar.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.05.2018; Aktenzeichen B 6 KA 1/17 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 20. Januar 2014 aufgehoben und festgestellt, dass der Beschluss des Beklagten vom 18. September 2012, ausgefertigt am 13. November 2012 rechtswidrig ist.

Von den Kosten des Verfahrens beider Instanzen haben der Beklagte 3/4 und die Beigeladene zu 1) 1/4 zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2) bis 7).

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ablehnung eines Antrags auf Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums (MVZ).

Die Klägerin wurde im Jahr 2010 in der Rechtsform einer GmbH durch ihren Alleingesellschafter und Apotheker D. gegründet. Mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte in Thüringen vom 7. September 2010 wurde der Klägerin die Zulassung für ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) in A-Stadt erteilt. Das MVZ wird als A. GmbH geführt.

Am 6. August 2012 beantragte die Klägerin die Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums MVZ E. GmbH, E-Straße, E-Stadt. Sie trug unter Datum vom 14. September 2012 vor, aus der Vorschrift zur analogen Geltung nach § 72 Abs. 1 S. 2 SGB V folge, dass auch ein MVZ ein neues MVZ gründen könne. Insofern sei sie zur Gründung berechtigt. Hilfsweise beantrage sie, Herrn Dr. F. die Gründung des MVZ zu genehmigen.

Der Beklagte lehnte mit Beschluss vom 18. September 2012, ausgefertigt am 13. November 2012 und als Einschreiben am 13. November 2012 zur Post gegeben, den Antrag ab. Zur Begründung führte er aus, die Alleingesellschafterin der MVZ E. GmbH, die klagende GmbH, sei Betreiberin des zur vertragsärztlichen Tätigkeit gemäß § 95 Abs. 1 SGB V zugelassenen medizinischen Versorgungszentrums A. Da nach § 95 Abs. 1a SGB V MVZ nur von zugelassenen Ärzten, von zugelassenen Krankenhäusern oder von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Abs. 3 SGB V oder von gemeinnützigen Trägern, die aufgrund von Zulassung oder Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, gegründet werden könnten, gehöre die Klägerin nicht zu dem zulässigen Gründerkreis. Etwas anderes ergebe sich auch nicht § 72 Abs. 1 S. 2 SGB V. Eine abweichende Bestimmung treffe insofern § 95 Abs. 1a SGB V. Auch der Hilfsantrag habe keinen Erfolg haben können. Es sei zunächst keine Berechtigung erkennbar, dass Anträge für Herrn Dr. F. gestellt werden könnten. Nach § 95 Abs. 1a SGB V könne ein MVZ nur in der Rechtsform einer Personengesellschaft oder einer GmbH gegründet werden. Eine entsprechende Rechtsform sei aber nicht nachgewiesen worden.

Am 27. Februar 2013 hat die Klägerin die Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig und es bestehe ein Feststellungsinteresse. Die Feststellung sei als Fortsetzungsfeststellungsantrag zulässig, da sich der Verwaltungsakt erledigt habe, bevor dieser bei ihr eingegangen sei. Unmittelbar nach der Beschlussfassung des Beklagten in seiner Sitzung am 18. September 2012 habe die Klägerin ihre Anteile an der MVZ E. GmbH an Herrn Dr. F. übertragen. Nach dem Verkauf der Anteile habe der Beklagte die Zulassung des MVZ E. GmbH als MVZ in seiner Sitzung am 13. Dezember 2012 genehmigt, also noch vor Ablauf der Widerspruchsfrist ihrem Begehren entsprochen. Da der Alleingesellschafter der MVZ E. GmbH, Herr Dr. F., seine Anteile an dieser Gesellschaft an die Klägerin veräußern möchte, bestehe ein Bedürfnis an der Feststellung der Rechtswidrigkeit. Da der Anteilsverkauf nicht genehmigungspflichtig sei, sondern allenfalls bei einem Verkauf an eine nichtberechtigte Gesellschaft ein Entziehungsverfahren in Betracht komme, gebe es auch kein anderes, zumutbares Verfahren, in dem die streitgegenständliche Frage geklärt werden könne. Die Klage sei auch begründet. Aus § 72 Abs. 1 S. 2 SGB V folge die Gleichstellung von Ärzten und MVZ. Dementsprechend müsste explizit geregelt sein, dass eine Bestimmung für Ärzte keine Anwendung auf MVZ finde. Dies sehe § 95 Abs. 1a SGB V gerade nicht vor. Nach der Neuregelung sollte sichergestellt werden, dass nicht Investoren ohne fachlichen Bezug zur medizinischen Versorgung Kapitalinteressen verfolgten. Dies sei bei einer bereits zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen MVZ-Trägergesellschaft gerade nicht zu befürchten. Dies folge auch aus der Gesetzesbegründung. Andernfalls wäre es notwendig gewesen, auch Kranke...

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