Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Anwartschaftszeit. Arbeitslosenhilfe. Vorfrist. Minderung der Leistungsfähigkeit
Leitsatz (redaktionell)
§ 125 SGB III kommt nur dann zum Tragen, wenn ausschließlich die Minderung der Leistungsfähigkeit einem Anspruch auf Arbeitslosengeld entgegensteht, nicht jedoch, wenn es an weiteren Anspruchsvoraussetzungen mangelt.
Normenkette
SGB III § 117 Abs. 1 Nr. 3, § 123 S. 1 Nr. 1, §§ 125, 190 Abs. 1 Nr. 4, § 192 Sätze 1-2, § 196 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) von der Beklagten.
Der 1963 geborene Kläger bezog Arbeitslosenhilfe bis zum 6. Mai 2001. Anschließend war er arbeitsunfähig krank, bezog jedoch kein Krankengeld, da er bereits am 10. Oktober 2000 von der Krankenkasse ausgesteuert worden war.
Am 7. August 2002 beantragte der Kläger die Fortzahlung von Arbeitslosenhilfe. Dabei gab er an, er sei vom 21. März 2001 bis zum 13. September 2002 arbeitsunfähig krank geschrieben.
Die Beklagte wertete den Antrag als Antrag auf Arbeitslosengeld und lehnte ihn mit Bescheid vom 8. August 2002 mit der Begründung ab, der Kläger habe erklärt, bis zum 13. September 2002 arbeitsunfähig erkrankt zu sein. Damit stehe er der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung und habe keinen Leistungsanspruch.
Mit Schreiben vom 2. September 2002 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 8. August 2002 ein. Zur Begründung führte er aus, er sei von der Krankenkasse am 10. Oktober 2000 ausgesteuert worden, da er nach seinem letzten Antrag auf Arbeitslosengeld vom 13. September 2000 erneut erkrankt sei. Somit sei die Beklagte als Leistungsträger wieder zuständig.
Am 17. Oktober 2002 beantragte der Kläger erneut die Fortzahlung von Arbeitslosenhilfe.
Mit Bescheid vom 25. Oktober 2002 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, ein bestehender Anspruch auf Arbeitslosenhilfe erlösche, wenn seit dem letzten Tag des Bezuges von Arbeitslosenhilfe ein Jahr vergangen sei. Ein Verlängerungstatbestand für die Erlöschensfrist liege nicht vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. November 2002 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 8. August 2002 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, Anspruch auf Arbeitslosengeld habe nach § 117 Abs. 1 SGB III nur, wer u.a. die Anwartschaftszeit erfüllt habe. Diese habe nach § 123 SGB III grundsätzlich erfüllt, wer in der Rahmenfrist zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Die Rahmenfrist reiche nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt habe, was bei dem Widerspruchsführer zuletzt am 13. September 2000 der Fall gewesen sei. Innerhalb der Rahmenfrist vom 14. September 2000 bis zum 6. August 2002 habe der Kläger lediglich an zwei Tagen Krankengeld bezogen, nämlich vom 30. bis 31. Oktober 2000. Während der weiteren Zeit der Arbeitsunfähigkeit ab 7. Mai 2001 habe keine Versicherungspflicht vorgelegen. Der Kläger habe damit die Anwartschaftszeit nach § 123 SGB III nicht erfüllt und deshalb keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Einen Arbeitslosenhilfeanspruch könne er ebenfalls nicht begründen, da er innerhalb der einjährigen Vorfrist des § 192 SGB III vom 7. August 2001 bis zum 6. August 2002 nicht mindestens an einem Tag Arbeitslosengeld bezogen habe.
Mit Schreiben vom 23. November 2002 legte der Kläger auch gegen den Bescheid vom 25. Oktober 2002 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 2002 als unbegründet zurückwies. Zur Begründung führte die Beklagte aus, Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe sei u.a. der Bezug von Arbeitslosengeld innerhalb der Vorfrist. Diese betrage ein Jahr und beginne mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe. In den Fällen des § 192 SGB III verlängere sich die Vorfrist. Im Falle des Klägers habe aber keiner der Verlängerungstatbestände vorgelegen. Nach § 196 SGB III erlösche der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe u.a. dann, wenn seit dem letzten Tag des Bezugs von Arbeitslosenhilfe ein Jahr vergangen sei. Der Kläger habe zuletzt am 6. Mai 2001 Arbeitslosenhilfe bezogen. Bei seiner erneuten Antragstellung am 19. Oktober 2002 (im Widerspruchsbescheid ist fälschlich das Jahr 2001 angegeben) sei die Jahresfrist abgelaufen gewesen. Der Kläger hat beim Sozialgericht Gießen am 29. November 2002 Klage gegen den Bescheid vom 8. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2002 und am 21. Dezember 2002 gegen den Bescheid vom 25. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 2002 erhoben (S 14 AL 2223/02 und S 14 AL 2449/02).
Das Sozialgericht hat die beiden Verfahren mit Beschluss vom 30. September 2003 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Az.: S 14 AL 2223/02 verbunden.
Der Kläger hat zur Begründung der Klagen vorgetragen, ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe ergebe ...