Rz. 12
Inhalt der Beratung können zunächst unabhängig von der Form z. B. sein
- Hinweise auf Rechtsquellen,
- Hinweise auf Informationsquellen, mögliche elektronische Kommunikation,
- Darlegung und Erläuterung des rechtlich relevanten Sachverhaltes,
- Hinweise auf rechtlich irrelevante Sachverhaltsbestandteile,
- Abgleich der Leistungsvoraussetzungen mit dem dargelegten Sachverhalt, Aufzeigen von rechtserheblichen Nachteilen (z. B. Ausschlusstatbestände),
- Aufzeigen von Gestaltungsmöglichkeiten außerhalb von Missbrauchsberatung,
- Ratschläge zu zweckmäßigem Verhalten einschließlich Hinweise zu möglichen Anträgen auf Geldleistungen aller Art (auch z. B. Erstattungen verauslagter Beträge),
- Hinweise auf relevante Fristen und Termine sowie Unterlagen, die für einen Anspruch relevant sind,
- Hinweise auf Auswirkungen bei anderen Sozialleistungen durch Wahrnehmung der Gestaltungsmöglichkeiten und auf andere Rechtsfolgen.
Es kommt jeweils darauf an, dem Ratsuchenden anhand der für ihn relevanten Rechtslage und des für ihn relevanten Sachverhaltes aufzuzeigen, durch welche legitimen, nicht sozialwidrigen Handlungen er soziale Rechte vollständig realisieren kann. Zu vermitteln sind insbesondere die maßgebenden Grundlagen und Folgen der bevorstehenden Entscheidungen. Der Leistungsträger ist zu Missbrauchsberatung nicht verpflichtet. Dabei muss er an Missbrauch keinen strengen Maßstab anlegen. Er darf aus gesetzgeberischer Sicht ungerechtfertigte Sozialleistungen vermeiden. Zielstellungen beim Sozialleistungsträger selbst müssen allerdings unberücksichtigt bleiben. Sog. Abwehrberatungen, die potenzielle Antragsteller dazu bewegen sollen, auf einen Leistungsantrag zu verzichten, sind unzulässig. Eine Beratung nach § 14 ist gesetzeskonform, wenn sie ähnlich einer Rechtsfolgenbelehrung vollständig, umfassend, richtig, eindeutig und leicht verständlich ist. Auf konkrete Ratsuche darf Rat nicht unverbindlich oder unter Vorbehalt erteilt werden.
Ein Hinweis der Krankenkasse, dass die AU-Meldung postalisch oder mittels App möglich ist, erweckt den rechtsfehlerhaften Eindruck, dass eine Meldung per Telefon, Fax oder E-Mail nicht zulässig wäre (SG Darmstadt, Urteil v. 24.10.2022, S 13 KR 111/20).
Rz. 13
Schon aus der Natur der Sache heraus kann der Leistungsträger nur in seinem originären Zuständigkeitsbereich qualitativ hochwertig beraten. Das wird durch Satz 2 gewährleistet. Die Leistungsträger haben intern zu gewährleisten, dass die Beratungsqualität stets gesichert ist (Personalauswahl, Personalzuordnung, Anpassungsqualifikation). Zur Beteiligung anderer Leistungsträger s. unten beim sozialrechtlichen Herstellungsanspruch.
Rz. 14
Der Leistungsträger hat sozusagen nach bestem Wissen zu beraten. Das bedeutet, dass er die ihm bekannte Rechtslage und die ggf. von ihm praktizierte Rechtsauslegung seiner Beratung zugrunde legt. In der Erteilung einer Auskunft, die auf einer vertretbaren, wenn auch später aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung aufgegebenen Rechtsauffassung des Anordnungsgebers oder der Verwaltung beruht, liegt keine zum Schadensersatz verpflichtende Verletzung der Auskunftspflicht (LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 7.11.1975, L 1 Ar 29/74). Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kann auch dann bestehen, wenn der Träger bei der Erteilung einer Auskunft, die sich später aufgrund der Rechtsprechung als unrichtig herausgestellt hat, von der Richtigkeit seiner Rechtsansicht ausgehen durfte (BSG, Urteil v. 12.10.1979, 12 RK 47/77). Die Erteilung einer richtigen Auskunft ist keine unbedeutende Nebenpflicht, sondern eine Pflicht mit zentraler Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des sozialen Sicherungssystems; denn Auskunft und Beratung sind wichtige Instrumente, um dem Bürger zu den notwendigen Kenntnissen über seine gesetzlichen Möglichkeiten zu verhelfen. Eine umfassende Beratung ist Grundlage für das Funktionieren immer komplizierterer Leistungssysteme. Im Vordergrund steht nicht die Beantwortung von Fragen oder die Bitte um Beratung, sondern eine verständnisvolle Förderung des Betroffenen. Das drückt sich in einer aufmerksamen Prüfung durch den jeweiligen Sachbearbeiter dadurch aus, ob ein Anlass gegeben ist, den Betroffenen auch von Amts wegen auf Gestaltungsmöglichkeiten oder Nachteile hinzuweisen, die mit seinem Anliegen verbunden sind. Gezielte Fragen sind dem Betroffenen oft nicht möglich, weil es ihm an Sachkunde mangelt. Die Beratungspflicht beschränkt sich nicht auf Normen, die der jeweils agierende Leistungsträger anzuwenden hat (BSG, Urteil v. 12.12.2007, B 12 AL 1/06).
Rz. 15
Die eingetragene Steuerklasse hat Tatbestandswirkung. Deshalb kann ein darauf gestützter Herstellungsanspruch nicht in Betracht kommen (BSG, Urteil v. 30.5.1990, 11 RAr 95/89; vgl. in diesem Zusammenhang BSG, Urteile v. 16.3.2005, B 11a/11 AL 45/04 R, und v. 14.7.2004, B 11 AL 80/03 R). Wird jedoch bei der Antragstellung erkannt, dass Ehegatten durch eine ungünstige Steuerklassenwahl zu ihrem leistungsrechtlichen Nachteil gehandelt haben, sind ...