Zusammenfassung
Eine Kindeswohlgefährdung liegt vor, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen
- gefährdet sind und
- die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden.
Bei einer Kindeswohlgefährdung besteht eine gegenwärtige oder unmittelbar bevorstehende Gefahr für die Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen.
Sozialversicherung: Den Schutzauftrag des Jugendamtes bei Kindeswohlgefährdung regelt § 8a SGB VIII. Bei einer dringenden Kindeswohlgefahr, die keinen zeitlichen Aufschub duldet, nimmt das Jugendamt das Kind in Obhut, § 42 SGB VIII. Daneben kann das Familiengericht Schutzmaßnahmen bei einer Kindeswohlgefährdung ergreifen (§ 1666 BGB).
1 Schutzauftrag des Jugendamtes bei Kindeswohlgefährdung
Der Schutzauftrag des Jugendamtes verlangt, dass bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung das Amt das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mit Fachkräften einschätzt und ggf. das Familiengericht oder die Polizei hinzuzieht.
2 Schutzmaßnahmen des Familiengerichts
Die Maßnahmen des Familiengerichts sind vielfältig. Der Maßnahmenkatalog sieht u. a. vor
- Gebote, öffentliche Hilfen wie z. B. Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
- Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
- Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
- Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
- die Ersetzung von Erklärungen Inhabers der elterlichen Sorge,
- die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.
Gericht kann auch andere Schutzmaßnahme wählen
Der Maßnahmenkatalog ist nicht abschließend. Er lässt auch alternative Entscheidungen des Familiengerichts zu. Die vom Gericht gewählte Maßnahme muss verhältnismäßig sein, um die Gefahr für das Wohl des Kindes abzuwehren. Maßgeblich ist dabei, was zum Wohl des Kindes geboten ist.
Die Neufassung des § 1666 BGB durch Art. 1 des Gesetzes zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls vom 4.7.2008 verzichtete auf die früheren Tatbestandsvoraussetzungen des "elterlichen Erziehungsversagens" (missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, Vernachlässigung des Kindes, unverschuldetes Versagen der Eltern) und seine Ursächlichkeit für die Kindeswohlgefährdung. Unverändert blieb die Schwelle der Kindeswohlgefährdung und die Voraussetzung, dass die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind. Die Streichung des "elterlichen Erziehungsversagens" sollte mögliche Hürden bei der Anrufung des Familiengerichts beseitigen und eine frühere Anrufung der Familiengerichte fördern sowie die richterliche Ermittlung und Begründung einer Maßnahme zum Kindesschutz und von unnötigen Prüfschritten erleichtern.