Rz. 6
Als Versicherungsfall in der gesetzlichen Unfallversicherung gilt
- der Arbeitsunfall oder
- die Berufskrankheit.
Verbotswidriges Handeln (z. B. kein Tragen von Schutzkleidung, Überholen eines anderen PKW trotz Überholverbots) schließt die Anerkennung eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit nicht aus; eine Minderung des Leistungsanspruchs bei Mitverschulden gibt es also nicht (§ 7 Abs. 2 SGB VII).
Zu a)
Rz. 6a
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).
Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Tätigkeit muss ein zeitlich begrenztes (meist plötzlich), von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (BSG, Urteil v. 14.11.2013, B 2 U 15/12 R).
Ausnahmsweise gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels (z. B. Bein- oder Armprothese, Brille) als Arbeitsunfall. Dieser liegt aber nur dann vor, wenn der Versicherte infolge seiner versicherten Tätigkeit einen Unfall erleidet, sein Hilfsmittel beschädigt oder dessen Verlust bewirkt (vgl. § 8 Abs. 3 SGB VII, ferner: BSG, Urteil v. 9.11.2010, B 2 U 24/09 R). Der Leistungsanspruch besteht auch dann, wenn nur das Hilfsmittel beschädigt wurde, der Betroffene sich sonst aber nicht verletzt hat.
Daneben kann als mittelbare Folge eines Arbeitsunfalls auch der Gesundheitsschaden oder der Tod anerkannt werden, den der Versicherte während der Durchführung der Heilbehandlung erleidet (z. B. erneuter Unfall auf dem Weg zur ärztlichen Behandlung; § 11 SGB VII).
Zu b)
Rz. 6b
Als Berufskrankheiten gelten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 SGB VII).
Die Versicherten werden nur für Krankheiten entschädigt, die in der Berufskrankheitenverordnung (BKV) der Bundesregierung stehen. Die Aufnahme in die BKV setzt den wissenschaftlichen Nachweis voraus, dass eine bestimmte Berufsgruppe in erheblich höherem Maß als die Normalbevölkerung einem bestimmten Erkrankungsrisiko ausgesetzt ist (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). § 9 Abs. 2 SGB VII regelt allerdings auch, dass Krankheiten dann als Berufskrankheit anerkannt werden können, wenn die Krankheit noch nicht in der BKV aufgenommen wurde, aber vor dem Hintergrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Voraussetzung für die Anerkennung als Berufskrankheit erfüllt ist.
Während bei dem Arbeitsunfall die Plötzlichkeit des Eintritts der Schädigung (meist in Sekundenbruchteilen, bei Verbrennungen etc. längstens aber innerhalb des Zeitraumes einer Arbeitsschicht) im Vordergrund steht, spricht man von einer Berufskrankheit, wenn die meist über Jahre hinweg anhaltenden Einwirkungen die Gesundheit des Unfallversicherten geschädigt haben (BSG, SozR, 2200 § 762 Nr. 2 = SGb 1981 S. 484 mit Anm. Wolber, SozR 2200 § 548 Nr. 71; vgl. auch BSG, Urteil v. 9.5.2006, B 2 U 1/05 R).
Die BKV führt katalogmäßig die berufsbedingten "Einwirkungen" auf, die den schädigenden Einfluss auf den menschlichen Körper verursachen können. Zur Anerkennung einer der ca. 80 unterschiedlichen Berufskrankheiten müssen bei jedem Betroffenen allerdings Art und Ausmaß der schädigenden Einwirkungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit belegt sein. Zu den schädigenden Einflüssen zählen z. B.
- durch chemische Einwirkungen verursachte Krankheiten (z. B. Blei, Quecksilber, Chrom und ihre Verbindungen),
- durch physikalische Einwirkungen verursachte Krankheiten (z. B. Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten),
- durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten sowie Tropenkrankheiten (z. B. von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten eines Tierpflegers),
- berufsbedingte Erkrankungen der Atemwege und der Lungen, des Rippenfells und Bauchfells (z. B. Quarzstauberkrankungen),
- berufsbedingte Hautkrankheiten (Hautkrebs oder zur Krebsbildung neigende Hautveränderungen durch Ruß, Rohparaffin, Teer).
Die einzelnen Ursachen und Krankheiten, die zu einer Berufskrankheit führen können, sind in der Anlage zur BKV im Intranet veröffentlicht (Fundstelle: vgl. Rz. 36 und Komm. zur BKV, Anlage zur Komm. SGB VII).