0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die gesetzliche Unfallversicherung wurde durch das Unfallversicherungsgesetz v. 6.7.1884 (RGBl. S. 69) erstmals im Rahmen der Bismarck’schen Sozialgesetzgebung (als Folge der Kaiserlichen Botschaft v. 17.11.1881) eingeführt. Seit dem 1.1.1997 ist das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung im SGB VII verankert. Als Einweisungsvorschrift dient § 22 SGB I.
§ 22 trat mit Einführung des SGB I (Gesetz v. 11.12.1975, BGBl. I S. 3015) am 1.1.1976 in Kraft und erfuhr seit 2003 lediglich folgende Änderungen:
- durch das Gesetz zur Neuordnung der Organisation der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV-Neuordnungsgesetz – LSV-NOG) v. 12.4.2012 (BGBl. I S. 579): Bei Abs. 2 wurden die Wörter "die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften" mit Wirkung zum 1.1.2013 durch die Wörter "Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau als landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft" ersetzt (die ehemaligen eigenständigen Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften bildeten mit den früheren landwirtschaftlichen Alterskassen sowie landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegekassen bis zum 31.12.2012 die Landwirtschaftliche Sozialversicherung (LSV); seit dem 1.1.2013 werden ihre Aufgaben durch die neu errichtete "Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau" – SVLFG – wahrgenommen);
durch das Gesetz zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze (BUK-Neuorganisationsgesetz – BUK-NOG) v. 19.10.2013 (BGBl. I S. 3836): Mit Wirkung zum 1.1.2015 wurden
- das Wort "Eisenbahnunfallkasse" ersatzlos gestrichen und
- die Wörter "Unfallkassen des Bundes" durch die Wörter "Unfallversicherung Bund und Bahn" ersetzt
(die Eisenbahn-Unfallkasse und die Unfallkasse des Bundes – UK-Bund – fusionierten zum 1.1.2015).
1 Allgemeines
Rz. 2
Das Unfallversicherungsgesetz v. 6.7.1884 bedeutete die Ablösung der zivilrechtlichen Haftungsansprüche der Arbeitgeber und der im Betrieb Beschäftigten durch einen gesetzlich abgesicherten Leistungsanspruch unabhängig vom Verschulden des Arbeitgebers. Der Unternehmer musste Beiträge zur Unfallversicherung allein zahlen; dafür wurde seine zivilrechtliche Haftung gegenüber dem Arbeitnehmer, seinen Angehörigen und Hinterbliebenen beschränkt und durch einen Leistungsanspruch gegenüber dem Unfallversicherungsträger ersetzt. Das ist auch noch heute so (§§ 104 ff., 150 ff. SGB VII).
Die Berufsgenossenschaften arbeiten kostendeckend. Ihre Beiträge sind so bemessen, dass sie die Kosten für die gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben einschließlich der Verwaltungskosten decken. Die Ausgaben eines Jahres werden im Folgejahr auf die Mitgliedsbetriebe umgelegt.
Der Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung ist, wie bei den anderen Zweigen der Sozialversicherung, von den Löhnen und Gehältern der unfallversicherten Beschäftigten abhängig. Branchen mit höherer Unfallgefahr zahlen darüber hinaus im Verhältnis mehr als Branchen mit geringerem Risiko (Gefahrtarif).
Der Beitrag errechnet sich aus der Lohnsumme, der Gefahrklasse und einer Umlageziffer. Die Beitragsformel lautet:
Beitrag = Lohnsumme x Gefahrklasse x Umlageziffer
Die Umlageziffer, die jährlich neu durch den Vorstand der Berufsgenossenschaft beschlossen wird, gibt an, wie hoch der Beitrag je 1.000 EUR Lohnsumme in der Gefahrklasse 1 ist.
Hat der Betroffene einen Arbeitsunfall/eine Berufskrankheit erlitten, ist die Zuständigkeit der Unfallversicherung vorrangig vor allen anderen Sozialleistungsträgern gegeben.
Rz. 3
§ 22 dient als Einweisungsvorschrift und beschreibt das Aufgabenfeld der gesetzlichen Unfallversicherung. Während Abs. 1 Nr. 2 bis 7 die Leistungsansprüche des Berechtigten aufzählt, nennt Abs. 1 Nr. 1 lediglich die Präventionsaufgaben des Unfallversicherungsträgers. Nach Ansicht des Autors passt der Wortlaut "können in Anspruch genommen werden" hier nicht. Die Kosten für die erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen bzw. von Berufskrankheiten werden in der Regel nicht durch den Unfallversicherungsträger, sondern durch den Unternehmer getragen; dieser ist auch für die Durchführung der Präventionsleistungen verantwortlich (vgl. § 21 SGB VII). Die Unfallversicherungsträger haben lediglich die Durchführung der Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten, arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren und für eine wirksame Erste Hilfe in den Unternehmen zu überwachen sowie die Unternehmer und die Versicherten zu beraten (§ 17 SGB VII). Daneben übernimmt der Unfallversicherungsträger die Kosten für die Aus- und Fortbildung der Sicherheitsbeauftragten, der sonstigen mit der Unfallverhütung Beauftragten und der Ersthelfer (vgl. §§ 22, 23 SGB I).
Rz. 4
Träger der Unfallversicherung sind – abgesehen von den Eigenunfallversicherungsträgern des Bundes, der Länder, der Gemeinden usw. – bis heute im Wesentlichen die gewerblichen Berufsgenossenschaften. Das bedeutet, dass alle Beschäftigten einer Betriebsbranche (z. B. Nahrungsmittel und Gastgewerbe) unabhängig ...