Rz. 32
Die Abtretung laufender Geldleistungen, die zur Sicherung des Lebensunterhaltes dienen (vgl. dazu Komm. zu § 48), sind in ihrer freien Verfügbarkeit nur der Höhe nach beschränkt. Dabei wird diesen laufenden Zahlungen der gleiche Verfügungsschutz (und Pfändungsschutz) wie dem Arbeitseinkommen (i. S. d. Vorschriften der ZPO) eingeräumt. Dies entspricht der überwiegend vorliegenden Lohn- und Einkommensersatzfunktion der meisten laufenden Geldleistungen. Abtretbar sind derartige laufende Geldleistungen daher mit dem Betrag der Sozialleistung, der den für Arbeitseinkommen geltenden unpfändbaren Betrag übersteigt.
Rz. 33
Für die Abtretung (des pfändbaren Teiles) einer Sozialleistung ist der Grund der Abtretung ohne Bedeutung. Da Abs. 3 jedoch neben Abs. 2 anwendbar ist, kann dem Grund der Abtretung trotzdem noch Bedeutung zukommen. Für die heute vielfach in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Abtretungen von künftigen Sozialleistungsansprüchen ist jedoch die Bestimmtheit der abgetretenen Ansprüche zu beachten (vgl. Elling, NZS 2000 S. 281). Zu allgemein gehaltene Klauseln ("alle Ansprüche gegen das Arbeitsamt", "alle Leistungen eines Sozialversicherungsträgers" o. Ä.) genügen diesem Bestimmtheitserfordernis nicht (vgl. BSG, Urteil v. 19.3.1992, 7 RAr 26/91, SozR 3-1200 § 53 Nr. 4), so dass die Abtretung unwirksam ist.
Rz. 34
Mit dem Hinweis auf die Pfändbarkeit für Arbeitseinkommen werden die Vorschriften der §§ 850ff. ZPO in Bezug genommen, insbesondere die Regelungen in § 850c und § 850d ZPO über Pfändungsgrenzen. Dabei hat der Sozialleistungsträger im Rahmen seiner Entscheidung über die teilweise Auszahlung der Geldleistung jeweils an den Berechtigten nach § 47 und den Abtretungsempfänger (Abtrennung) diese Pfändungsvorschriften im Rahmen der Wirksamkeit der Verfügung zu beachten und anzuwenden. Bei der Anwendung der Pfändungsbeträge nach der Tabelle zu § 850c ZPO hat der Sozialleistungsträger auch unterhaltsbedürftige Angehörige zu berücksichtigen und kann von der Unterhaltsgewährung an Angehörige ausgehen, ohne Nachforschungen über konkret bestehende Unterhaltspflichten anstellen oder diese prüfen zu müssen (BSG, Urteil v. 27.11.1991, 4 RA 80/90, BSGE 70 S. 37; Bay. LSG, Urteil v. 15.5.2009, L 9 AL 491/05, JurionRS 2009, 31183).
Rz. 34a
Nach dem Gesetztext und der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 7/868 S. 32) wird für die Zulässigkeit und den Umfang der Abtretung ausdrücklich nur auf die Pfändungsvorschriften für Arbeitseinkommen (§§ 850c, 850d ZPO) verwiesen, nicht jedoch insgesamt auf die Pfändungsvorschriften der ZPO. Ob daher auch andere Pfändungsvorschriften für die Zulässigkeit der Abtretung vom Sozialleistungsträger zu beachten sind, ist in der Literatur umstritten (zum Meinungstand vgl. Lilge SGB I, 4. Aufl., § 53 Rz. 46).
Rz. 34b
Die analoge Anwendung auch von anderen Pfändungsregelungen wird einerseits damit begründet, dass es ohne die umfassende Verweisung zu nicht im Einklang mit dem Prioritätsprinzip stehenden Folgen käme (so B. Häusler, in: Hauck/Noftz, SGB I, § 53 Rz. 39, Stand: Dezember 2005) oder damit, dass Abs. 3 keine ausdrückliche Einschränkung nur auf die Anwendung von §§ 850c, 850d ZPO enthalte (so Baier, in: Krauskopf, SozKV, SGB I, § 53 Rz. 22, Stand: Mai 2014; wohl auch Bigge, in: Eichenhofer/von Koppenfels-Spies/Wenner, SGB I, 2. Aufl., § 53 Rz. 26). Gegen letztgenanntes Argument spricht allerdings, dass Abs. 3 dem Sozialleistungsträger im Falle der Abtretung gerade nicht ausdrücklich die Befugnis zur Anwendung auch von § 850c Abs. 4, § 850e Nr. 2a, § 850f Abs. 1 ZPO über die Erhöhung oder Ermäßigung der pfändbaren Beträge einräumt. Hinzu kommt, dass dem Sozialleistungsträger (als Schuldner) gerade auch nicht die Stellung und Funktion als Vollstreckungsgericht oder Vollstreckungsbehörde eingeräumt ist und es an einer gesetzlichen Ermächtigung für eine solche Entscheidung, die sich zugunsten oder zulasten von Zedent oder Zessionar auswirken kann, fehlt. Das BAG (Urteil v. 6.2.1991, 4 AZR 348/90, NJW 1991 S. 2038 = BAGE 67 S. 193) hatte für Lohnabtretungen die Befugnis des Arbeitgebers zur Anwendung des § 850f ZPO zulasten des Zessionars mangels einer Rechtsgrundlage abgelehnt. Eine solche Befugnis und Aufgabe lässt sich wohl auch nicht mit der Wahrnehmung der Interessen des Versicherten ableiten. Gerade aus Gründen der Neutralität sind die über §§ 850c, 850d ZPO hinausgehenden Pfändungsvorschriften dem Vollstreckungsgericht zugewiesen.
Rz. 35
Nach der Rechtsprechung (vgl. z. B. BSG, Urteil v. 27.11.1991, 4 RA 80/90, SGb 1994 S. 80 = BSGE 70 S. 37) sollen über §§ 850c, 850d ZPO hinaus aber auch solche Vorschriften der ZPO gelten, die im Zwangsvollstreckungsverfahren in die Entscheidungskompetenz (als Billigkeitsentscheidung oder Kann-Entscheidung) des Vollstreckungsgerichts gestellt sind, wie z. B. § 850c Abs. 4, § 850f Abs. 1 ZPO. Es ist dann Sache des Zessionars, die Nichtberücksichtigung von Angehörigen zu verlangen und deren Einkünfte nachzuweisen (§ 850c Abs. 4 ZPO), um eine...